Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 741/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 298/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. August 2013 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht der Sache nach, ob die Klägerin in ihrer für die Rechtsvorgängerin der heutigen Beigeladenen zu 1) (nachfolgend nur noch: die "Beigeladene") ausgeübten Tätigkeit als Editorin/freie Bildgestalterin der Sozialversicherungspflicht unterliegt.
Die Beigeladene ist ein senderunabhängiges Fernsehproduktionsunternehmen.
Die 1974 geborene Klägerin ist Bildgestalterin/Editorin/Cutterin. Sie war seit dem 1. April 2007 für die Beigeladene tätig, insbesondere für das Reality-Format "V". Die Klägerin wurde von der Beigeladenen engagiert, weil sie Spezialistin für Musikvideoproduktionen ist und das entsprechende Sendeformat für einen Musiksender entwickelt wurde. Die Beigeladene und die Klägerin schlossen hierzu Verträge ab, auf die ergänzend verwiesen wird (Vertrag vom 29. Juli 2007; Vertrag vom 10. Dezember 2007).
Vereinbart wurde ein pauschales Honorar pro Schicht (acht Stunden).
Der Vertrag vom 29. Juli 2007 enthielt folgende Vertragsklausel (§ 1 Nr. 3):
"Der Vertragspartner ist in der Gestaltung seiner Tätigkeit selbständig tätig und frei, wobei er auf die aus der Zusammenarbeit sich ergebenden betrieblichen Belange und die Interessen des Produzenten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit Rücksicht nehmen wird. Der Vertragspartner unterliegt keinem Weisungs- und Direktionsrecht und ist in Bezug auf Zeit, Dauer, Art und Ort der Arbeitsausübung frei und nicht in die Arbeitsorganisation des Produzenten eingebunden. Er hat jedoch fachliche Vorgaben sowie projektbezogene Zeitvorgaben des Produzenten soweit zu beachten, als dies die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung erfordert."
Nr. 8.3 des Vertrages vom 10. Dezember 2007 lautet:
"Der Vertragspartner hat im Rahmen der Produktionserfordernisse die Weisungen und organisatorischen Anordnungen des Produzenten zu befolgen und Form und Inhalt der Leistung den Wünschen des Produzenten entsprechend zu gestalten."
Für weitere Schnitttage wurde die Klägerin mündlich unter Bezugnahme auf den Vertrag vom 10. Dezember 2007 beauftragt.
Ein weiterer Tätigkeitsschwerpunkt war das Projekt "F", zu dem die Beteiligten am 18. Februar 2009 einen Vertrag abschlossen.
Die Klägerin benutzte für die Schnittarbeiten die Hard- und Software in den Räumen der Beigeladenen. Lediglich für die Einspielung von Musik benutzte sie ihren eigenen Laptop. Daneben war und ist sie für andere Filmproduzenten tätig.
Die Klägerin beantragte am 18. Mai 2009 bei der Beklagten die Feststellung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status als freie Bildgestalterin/Editorin ab 1. April 2007. Sie hat ihre Tätigkeit umfangreich beschrieben und dazu u. a. ausgeführt, einen professionellen High-End-Schnittplatz zu benötigen. Sie arbeite nur mit einem bestimmten Schnittsystem. Ihre Auftraggeber seien für das Vorliegen der technischen Voraussetzungen verantwortlich bzw. buchten den Schnittplatz. Es sei ihr selbst nicht möglich, einen eigenen Schnittplatz zu finanzieren. Sie könne Arbeitsplatz und Arbeitszeit frei wählen, müsse dabei auf notwendige Abgabetermine, notwendiges Arbeitsmaterial und Absprachen mit Dritten Rücksicht nehmen, ähnlich wie ein Architekt etc. Sie sei für das Endprodukt selbst verantwortlich. Sie sei auch nicht organisatorisch in den Betrieb der Beigeladenen eingebunden. Sie trage Unternehmerrisiko, das sich im Verlust eigener Arbeitsmittel und im Verlust des Vergütungsanspruches bei Schlechtleistung sowie dem Risiko, Schadensersatz leisten zu müssen, äußere. Zudem sei sie programmgestaltend tätig. Sie hat ferner umfangreich Kopien von Rechnungen eingereicht.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 31. August 2009 fest, dass die Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen als Bildgestalterin seit April 2007 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Die Versicherungspflicht beginne mit dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung.
Die Klägerin sowie die Beigeladene erhoben am 17. September bzw. 24. September 2009 Widerspruch. Die Klägerin trug u. a. vor, es läge eine programmgestaltende Tätigkeit vor, weil sie mit dem Zuschnitt sowie der Unterlegung mit Ton und Musik erst den Charakter der Sequenzen herausarbeite und somit künstlerisch tätig werde. Auch wenn sie teilweise mit Redakteuren zusammenarbeite, arbeite sie doch kreativ und eigenverantwortlich. Außerdem seien die Redakteure ebenfalls freiberuflich tätig. Es gebe keine Weisungsstruktur.
Die Beigeladene trug vor, die Klägerin zeichne sich durch überwiegend schöpferisches und eigenverantwortliches Handeln, eigenverantwortliche Organisation und kreatives Gestaltungsvermögen sowie der Einbringung eigener gestalterischer Vorstellungen in die zu erstellende Produktion aus. Eine Einordnung in einen Dienstplan oder eine Dienstbereitschaft gebe es nicht. Sie sei nicht weisungsgebunden, da es keinen Vorgesetzten gebe, der das Arbeitsverfahren regele und gezielte Einzelanweisungen sowie Vorgaben für die Arbeitszeit gebe. Die Klägerin sei auch nicht verpflichtet, an einem bestimmten Ort tätig zu sein. Sie nutze lediglich aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus die ihr zur Verfügung gestellten Schnittplätze der Beigeladenen.
Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 2010 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 3. Mai 2010 beim Sozialgericht Berlin (SG) eingegangene Klage.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 8. September 2010 den Bescheid vom 31. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2010 dahingehend abgeändert, dass für die in genau bezeichneten Zeiträumen zwischen dem 1. April 2007 bis zum 28. April 2009 bei der Beigeladenen ausgeübte Beschäftigung als Bildgestalterin Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat.
Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Klage im Wesentlichen ihr außergerichtliches Vorbringen wiederholt. Sie hat Stundenaufstellungen eingereicht und auf die unterschiedlichen Anfangs- und Endzeiten sowie die von ihr frei gewählten Pausen hingewiesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 15. August 2013 ist sie angehört worden.
Das SG hat mit Urteil vom selben Tag die streitgegenständlichen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin an den im Bescheid vom 8. September 2010 genannten Tagen aufgrund ihrer für die Beigeladene ausgeübten Tätigkeit als Bildgestalterin/Editorin nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen habe. Unter Berücksichtigung der Grundsätze der Praxis der Verwaltungsträger für typische Berufe in der Film-, Fernseh- und Hörfunkbranche sei davon auszugehen, dass die Klägerin in der streitgegenständlichen Tätigkeit programmgestaltend tätig gewesen sei und mangels ständiger Dienstbereitschaft und aufgrund fehlender Möglichkeit, zur Arbeitsleistung herangezogen werden zu können, nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Sie habe in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargestellt, dass sie aus einer Masse von Rohmaterial gedrehter Szenen, die ohne eine Regie zustande gekommen sei, in Zusammenarbeit mit dem Produzenten/Regisseur die Szenen ausgesucht, verwertet und in die jeweilige Folge der Serie eingebracht habe. Sie habe die ausgesuchten Szenen mit von ihr ausgewählter Musik unterlegt und Farbkorrekturen vorgenommen. Auch habe sie durch die Schnittvornahme gestalterische Wirkungen erzielt, da mit einem Schnitt – ebenso wie mit der Musik – Stimmungen erzeugt oder verstärkt würden. Sie sei deshalb eigenschöpferisch und programmgestaltend tätig geworden.
Gegen das ihr am 16. September 2013 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 11. Oktober 2013. Zur Begründung hat sie ihre Auffassung wiederholt, die Klägerin sei nicht programmgestaltend tätig geworden.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. August 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene hat den Unterschied zwischen den freiberuflichen und ihren angestellten Cuttern dargelegt. Letztere führten grundsätzlich stets auf Weisung eines Redakteurs die gewünschten gestalterischen und technischen Arbeiten an einem Filmprojekt aus. Sie setzten lediglich die Ideen des Redakteurs um. Hingegen habe die Klägerin die streitgegenständlichen Filmwerke ohne weiteren redaktionellen Einfluss hergestellt.
Auf die von den Beteiligten im Verwaltungsverfahren und vor Gericht eingereichten Schriftsätze und Unterlagen wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im schriftlichen Verfahren entscheiden werden. Alle Beteiligten haben sich hiermit einverstanden erklärt, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung hat Erfolg. Der angefochtene Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides sowie des ergänzenden Bescheides sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin unterlag in ihrer Tätigkeit für die Beigeladene als Cutterin/Editorin/Bildgestalterin in den im Bescheid vom 8. September 2010 angegebenen Zeiten der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Der Bescheid vom 8. September 2010 ist nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Dieser ergänzte den Bescheid vom 31. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 26. April 2010, der sich in der (unzulässigen) Feststellung eines einzelnen Elementes der Versicherungspflicht erschöpfte, nämlich des Vorliegens eines Beschäftigungsverhältnisses. Wird in einem solchen Fall ein wegen der Feststellung eines (unselbständigen) Tatbestandselements unvollständiger Verwaltungsakt durch einen weiteren Verwaltungsakt um das fehlende (andere) Element, hier das Vorliegen von Versicherungspflicht, zu einer vollständigen Feststellung ergänzt – und erst damit einer inhaltlichen, materiell-rechtlichen Überprüfung durch das bereits angerufene Gericht zugänglich gemacht –, liegt darin eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der zweite Verwaltungsakt den ersten nach § 96 Abs. 1 SGG mit ergänzt (Urteil des Bundessozialgericht -BSG- vom 28. September 2011 - B 12 KR 17/09 R -, zitiert nach juris).
Der Eintritt von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung wegen Aufnahme einer abhängigen Tätigkeit bestimmt sich nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Nr. 1 SGB VI und § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI. Die für den Eintritt von Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung sowie der Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung danach erforderliche Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV näher definiert. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Abzugrenzen ist die eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (vgl. zum Ganzen BSG Urt. v. 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R – juris-Rdnr. 16). Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Klägerin für die Beigeladene im Rahmen einer Beschäftigung oder als Selbständige tätig wurde, sind die für ihre Tätigkeit maßgebliche vertraglichen Vereinbarungen.
Nach den hier abgeschlossenen Verträgen soll die Tätigkeit zwar einerseits "selbständig und frei sein", andererseits wird dem Produzenten eingeräumt, fachliche Vorgaben und projektbezogene Zeitvorgaben einseitig bestimmen zu können oder sogar – nach den zeitlich jüngeren Verträgen für "V" und "F" –sogar ausdrücklich Weisungen zu erteilen. Wer Vorgaben und Weisungen zu beachten hat, ist in den Arbeitsprozess integriert.
Die Klägerin kann sich bei diesem rechtlichen Rahmen nicht darauf berufen, aufgrund ihrer künstlerischen Fähigkeiten engagiert worden zu sein. Ferner bleibt der Umstand, dass tatsächliche Weisungen unterblieben sind, ohne rechtliche Relevanz:
Hätte es Differenzen gegeben, so hätte nach der gewählten vertraglichen Konstruktionen eine Weisungsunterworfenheit bestanden. Eine "Schönwetter-Selbständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nämlich schwerlich hinnehmbar (BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R -, juris-Rdnr. 32).
Ob die Klägerin bei einer anderen vertraglichen Gestaltung unter den Kreis der an der Entstehung von Rundfunk- oder Fernsehsendungen mitwirkenden, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss v. 13. Januar 1982 – 1 BvR 848/77 u.a. BVerfGE 59, 231– juris-Rdnr. 79/80) programmgestaltenden, Mitarbeitern fiele, kann hier dahingestellt bleiben.
Im Gegensatz zum Urteil des Senats vom 4. April 2014 (L 1 KR 57/13) erhielt die Klägerin zudem einen festen Tagessatz vergütet (acht Stunden für rund 250 Euro). Demgegenüber stand dem Cutter im vorgenannten Urteil nur ein Pauschalhonorar zu. Die Vertragsgestaltung entsprach dort eher einem Werkvertrag, da bei Schlechtleistung eine Nachbesserungspflicht vereinbart worden war. Nach den hier maßgeblichen Verträgen ist vom Typus her eher von einem Dienstvertrag auszugehen. Auch dies sind Indizien, die eher für ein Arbeitsverhältnis und damit abhängige Beschäftigung und gegen Selbstständigkeit sprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Im Streit steht der Sache nach, ob die Klägerin in ihrer für die Rechtsvorgängerin der heutigen Beigeladenen zu 1) (nachfolgend nur noch: die "Beigeladene") ausgeübten Tätigkeit als Editorin/freie Bildgestalterin der Sozialversicherungspflicht unterliegt.
Die Beigeladene ist ein senderunabhängiges Fernsehproduktionsunternehmen.
Die 1974 geborene Klägerin ist Bildgestalterin/Editorin/Cutterin. Sie war seit dem 1. April 2007 für die Beigeladene tätig, insbesondere für das Reality-Format "V". Die Klägerin wurde von der Beigeladenen engagiert, weil sie Spezialistin für Musikvideoproduktionen ist und das entsprechende Sendeformat für einen Musiksender entwickelt wurde. Die Beigeladene und die Klägerin schlossen hierzu Verträge ab, auf die ergänzend verwiesen wird (Vertrag vom 29. Juli 2007; Vertrag vom 10. Dezember 2007).
Vereinbart wurde ein pauschales Honorar pro Schicht (acht Stunden).
Der Vertrag vom 29. Juli 2007 enthielt folgende Vertragsklausel (§ 1 Nr. 3):
"Der Vertragspartner ist in der Gestaltung seiner Tätigkeit selbständig tätig und frei, wobei er auf die aus der Zusammenarbeit sich ergebenden betrieblichen Belange und die Interessen des Produzenten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit Rücksicht nehmen wird. Der Vertragspartner unterliegt keinem Weisungs- und Direktionsrecht und ist in Bezug auf Zeit, Dauer, Art und Ort der Arbeitsausübung frei und nicht in die Arbeitsorganisation des Produzenten eingebunden. Er hat jedoch fachliche Vorgaben sowie projektbezogene Zeitvorgaben des Produzenten soweit zu beachten, als dies die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung erfordert."
Nr. 8.3 des Vertrages vom 10. Dezember 2007 lautet:
"Der Vertragspartner hat im Rahmen der Produktionserfordernisse die Weisungen und organisatorischen Anordnungen des Produzenten zu befolgen und Form und Inhalt der Leistung den Wünschen des Produzenten entsprechend zu gestalten."
Für weitere Schnitttage wurde die Klägerin mündlich unter Bezugnahme auf den Vertrag vom 10. Dezember 2007 beauftragt.
Ein weiterer Tätigkeitsschwerpunkt war das Projekt "F", zu dem die Beteiligten am 18. Februar 2009 einen Vertrag abschlossen.
Die Klägerin benutzte für die Schnittarbeiten die Hard- und Software in den Räumen der Beigeladenen. Lediglich für die Einspielung von Musik benutzte sie ihren eigenen Laptop. Daneben war und ist sie für andere Filmproduzenten tätig.
Die Klägerin beantragte am 18. Mai 2009 bei der Beklagten die Feststellung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status als freie Bildgestalterin/Editorin ab 1. April 2007. Sie hat ihre Tätigkeit umfangreich beschrieben und dazu u. a. ausgeführt, einen professionellen High-End-Schnittplatz zu benötigen. Sie arbeite nur mit einem bestimmten Schnittsystem. Ihre Auftraggeber seien für das Vorliegen der technischen Voraussetzungen verantwortlich bzw. buchten den Schnittplatz. Es sei ihr selbst nicht möglich, einen eigenen Schnittplatz zu finanzieren. Sie könne Arbeitsplatz und Arbeitszeit frei wählen, müsse dabei auf notwendige Abgabetermine, notwendiges Arbeitsmaterial und Absprachen mit Dritten Rücksicht nehmen, ähnlich wie ein Architekt etc. Sie sei für das Endprodukt selbst verantwortlich. Sie sei auch nicht organisatorisch in den Betrieb der Beigeladenen eingebunden. Sie trage Unternehmerrisiko, das sich im Verlust eigener Arbeitsmittel und im Verlust des Vergütungsanspruches bei Schlechtleistung sowie dem Risiko, Schadensersatz leisten zu müssen, äußere. Zudem sei sie programmgestaltend tätig. Sie hat ferner umfangreich Kopien von Rechnungen eingereicht.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 31. August 2009 fest, dass die Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen als Bildgestalterin seit April 2007 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Die Versicherungspflicht beginne mit dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung.
Die Klägerin sowie die Beigeladene erhoben am 17. September bzw. 24. September 2009 Widerspruch. Die Klägerin trug u. a. vor, es läge eine programmgestaltende Tätigkeit vor, weil sie mit dem Zuschnitt sowie der Unterlegung mit Ton und Musik erst den Charakter der Sequenzen herausarbeite und somit künstlerisch tätig werde. Auch wenn sie teilweise mit Redakteuren zusammenarbeite, arbeite sie doch kreativ und eigenverantwortlich. Außerdem seien die Redakteure ebenfalls freiberuflich tätig. Es gebe keine Weisungsstruktur.
Die Beigeladene trug vor, die Klägerin zeichne sich durch überwiegend schöpferisches und eigenverantwortliches Handeln, eigenverantwortliche Organisation und kreatives Gestaltungsvermögen sowie der Einbringung eigener gestalterischer Vorstellungen in die zu erstellende Produktion aus. Eine Einordnung in einen Dienstplan oder eine Dienstbereitschaft gebe es nicht. Sie sei nicht weisungsgebunden, da es keinen Vorgesetzten gebe, der das Arbeitsverfahren regele und gezielte Einzelanweisungen sowie Vorgaben für die Arbeitszeit gebe. Die Klägerin sei auch nicht verpflichtet, an einem bestimmten Ort tätig zu sein. Sie nutze lediglich aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus die ihr zur Verfügung gestellten Schnittplätze der Beigeladenen.
Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 2010 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 3. Mai 2010 beim Sozialgericht Berlin (SG) eingegangene Klage.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 8. September 2010 den Bescheid vom 31. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2010 dahingehend abgeändert, dass für die in genau bezeichneten Zeiträumen zwischen dem 1. April 2007 bis zum 28. April 2009 bei der Beigeladenen ausgeübte Beschäftigung als Bildgestalterin Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat.
Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Klage im Wesentlichen ihr außergerichtliches Vorbringen wiederholt. Sie hat Stundenaufstellungen eingereicht und auf die unterschiedlichen Anfangs- und Endzeiten sowie die von ihr frei gewählten Pausen hingewiesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 15. August 2013 ist sie angehört worden.
Das SG hat mit Urteil vom selben Tag die streitgegenständlichen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin an den im Bescheid vom 8. September 2010 genannten Tagen aufgrund ihrer für die Beigeladene ausgeübten Tätigkeit als Bildgestalterin/Editorin nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen habe. Unter Berücksichtigung der Grundsätze der Praxis der Verwaltungsträger für typische Berufe in der Film-, Fernseh- und Hörfunkbranche sei davon auszugehen, dass die Klägerin in der streitgegenständlichen Tätigkeit programmgestaltend tätig gewesen sei und mangels ständiger Dienstbereitschaft und aufgrund fehlender Möglichkeit, zur Arbeitsleistung herangezogen werden zu können, nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Sie habe in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargestellt, dass sie aus einer Masse von Rohmaterial gedrehter Szenen, die ohne eine Regie zustande gekommen sei, in Zusammenarbeit mit dem Produzenten/Regisseur die Szenen ausgesucht, verwertet und in die jeweilige Folge der Serie eingebracht habe. Sie habe die ausgesuchten Szenen mit von ihr ausgewählter Musik unterlegt und Farbkorrekturen vorgenommen. Auch habe sie durch die Schnittvornahme gestalterische Wirkungen erzielt, da mit einem Schnitt – ebenso wie mit der Musik – Stimmungen erzeugt oder verstärkt würden. Sie sei deshalb eigenschöpferisch und programmgestaltend tätig geworden.
Gegen das ihr am 16. September 2013 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 11. Oktober 2013. Zur Begründung hat sie ihre Auffassung wiederholt, die Klägerin sei nicht programmgestaltend tätig geworden.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. August 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene hat den Unterschied zwischen den freiberuflichen und ihren angestellten Cuttern dargelegt. Letztere führten grundsätzlich stets auf Weisung eines Redakteurs die gewünschten gestalterischen und technischen Arbeiten an einem Filmprojekt aus. Sie setzten lediglich die Ideen des Redakteurs um. Hingegen habe die Klägerin die streitgegenständlichen Filmwerke ohne weiteren redaktionellen Einfluss hergestellt.
Auf die von den Beteiligten im Verwaltungsverfahren und vor Gericht eingereichten Schriftsätze und Unterlagen wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im schriftlichen Verfahren entscheiden werden. Alle Beteiligten haben sich hiermit einverstanden erklärt, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung hat Erfolg. Der angefochtene Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides sowie des ergänzenden Bescheides sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin unterlag in ihrer Tätigkeit für die Beigeladene als Cutterin/Editorin/Bildgestalterin in den im Bescheid vom 8. September 2010 angegebenen Zeiten der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Der Bescheid vom 8. September 2010 ist nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Dieser ergänzte den Bescheid vom 31. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 26. April 2010, der sich in der (unzulässigen) Feststellung eines einzelnen Elementes der Versicherungspflicht erschöpfte, nämlich des Vorliegens eines Beschäftigungsverhältnisses. Wird in einem solchen Fall ein wegen der Feststellung eines (unselbständigen) Tatbestandselements unvollständiger Verwaltungsakt durch einen weiteren Verwaltungsakt um das fehlende (andere) Element, hier das Vorliegen von Versicherungspflicht, zu einer vollständigen Feststellung ergänzt – und erst damit einer inhaltlichen, materiell-rechtlichen Überprüfung durch das bereits angerufene Gericht zugänglich gemacht –, liegt darin eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der zweite Verwaltungsakt den ersten nach § 96 Abs. 1 SGG mit ergänzt (Urteil des Bundessozialgericht -BSG- vom 28. September 2011 - B 12 KR 17/09 R -, zitiert nach juris).
Der Eintritt von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung wegen Aufnahme einer abhängigen Tätigkeit bestimmt sich nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Nr. 1 SGB VI und § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI. Die für den Eintritt von Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung sowie der Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung danach erforderliche Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV näher definiert. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Abzugrenzen ist die eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (vgl. zum Ganzen BSG Urt. v. 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R – juris-Rdnr. 16). Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Klägerin für die Beigeladene im Rahmen einer Beschäftigung oder als Selbständige tätig wurde, sind die für ihre Tätigkeit maßgebliche vertraglichen Vereinbarungen.
Nach den hier abgeschlossenen Verträgen soll die Tätigkeit zwar einerseits "selbständig und frei sein", andererseits wird dem Produzenten eingeräumt, fachliche Vorgaben und projektbezogene Zeitvorgaben einseitig bestimmen zu können oder sogar – nach den zeitlich jüngeren Verträgen für "V" und "F" –sogar ausdrücklich Weisungen zu erteilen. Wer Vorgaben und Weisungen zu beachten hat, ist in den Arbeitsprozess integriert.
Die Klägerin kann sich bei diesem rechtlichen Rahmen nicht darauf berufen, aufgrund ihrer künstlerischen Fähigkeiten engagiert worden zu sein. Ferner bleibt der Umstand, dass tatsächliche Weisungen unterblieben sind, ohne rechtliche Relevanz:
Hätte es Differenzen gegeben, so hätte nach der gewählten vertraglichen Konstruktionen eine Weisungsunterworfenheit bestanden. Eine "Schönwetter-Selbständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nämlich schwerlich hinnehmbar (BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R -, juris-Rdnr. 32).
Ob die Klägerin bei einer anderen vertraglichen Gestaltung unter den Kreis der an der Entstehung von Rundfunk- oder Fernsehsendungen mitwirkenden, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss v. 13. Januar 1982 – 1 BvR 848/77 u.a. BVerfGE 59, 231– juris-Rdnr. 79/80) programmgestaltenden, Mitarbeitern fiele, kann hier dahingestellt bleiben.
Im Gegensatz zum Urteil des Senats vom 4. April 2014 (L 1 KR 57/13) erhielt die Klägerin zudem einen festen Tagessatz vergütet (acht Stunden für rund 250 Euro). Demgegenüber stand dem Cutter im vorgenannten Urteil nur ein Pauschalhonorar zu. Die Vertragsgestaltung entsprach dort eher einem Werkvertrag, da bei Schlechtleistung eine Nachbesserungspflicht vereinbart worden war. Nach den hier maßgeblichen Verträgen ist vom Typus her eher von einem Dienstvertrag auszugehen. Auch dies sind Indizien, die eher für ein Arbeitsverhältnis und damit abhängige Beschäftigung und gegen Selbstständigkeit sprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
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