Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 3378/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2879/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 09.06.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die am 03.05.1963 geborene Klägerin erlernte keinen Beruf. Sie war bis zum 16.02.2008 als Hilfsarbeiterin beschäftigt. Ab 01.03.2008 bis 28.02.2009 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld. Vom 01.03.2009 bis 31.08.2009 war sie nach eigenen Angaben als Hausfrau tätig. Sie war in dieser Zeit nicht arbeitssuchend gemeldet. Vom 01.09.2009 bis 30.11.2010 war die Klägerin geringfügig nicht versicherungspflichtig als Putzkraft, nach eigenen Angaben zwei Stunden am Tag, beschäftigt. Für den 08.12.2010 enthält der Versicherungsverlauf eine Pflichtbeitragszeit für einen Tag. Vom 09.12.2010 bis 30.06.2010 war die Klägerin nach ihren eigenen Angaben im Rentenantrag wiederum als Hausfrau tätig. Pflichtbeitragszeiten enthält der Versicherungsverlauf für diesen Zeitraum nicht. Vom 01.07.2011 bis November 2014 bezog sie Leistungen nach dem SGB II. Die Klägerin hat die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung letztmals im April 2011 erfüllt.
Ein von der Klägerin im Jahr 2007 gestellter Antrag auf Erwerbsminderungsrente wurde bestandskräftig abgelehnt. Die Klägerin beantragte am 11.04.2013 erneut eine Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Diese lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 17.04.2013 wegen Nichterfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ab.
Mit dem Widerspruch vom 02.05.2013 machte die Klägerin geltend, dass sie nach dem Auslaufen des Arbeitslosengeldes beim Jobcenter einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt habe. Dieser sei wegen des Einkommens des Ehemannes abgelehnt worden. Ihr sei kein Hinweis auf eine zur Erhaltung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen notwendige Arbeitssuchendmeldung erteilt worden. Sie sei seit 2006 krank.
Im Widerspruchsverfahren wurde die Klägerin vom Sozialmediziner Dr. H. am 13.06.2007 untersucht. Er verwies auf Befundberichte des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. N. von Januar und April 2007, in denen die Diagnose "Angst und depressive Störung gemischt" gestellt worden waren. Die orthopädischen Befunde waren bei der Untersuchung durch Dr. H. unauffällig. Der Gutachter schloss aus der durchgeführten Laboruntersuchung auf die Nichteinnahme von angegebenen Antidepressiva. Er war der Ansicht, dass die Klägerin aufgrund einer mittelgradigen depressiven Episode noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen mehr als sechs Stunden täglich verrichten könne.
Von Januar bis März 2013 und von Mai bis Juli 2013 wurde die Klägerin in der Psychiatrie R. stationär wegen schwerer depressiver Episode behandelt. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 06.12.2013 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Das Gericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte und einen Auszug aus der Akte der A. als Krankenkasse eingeholt, sowie den Neurologen und Psychiater Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens gemäß § 106 SGG beauftragt. Der Hausarzt Dr. T. hat die Klägerin ab August 2011 behandelt. Bis 2012 hat er keine psychiatrische Diagnose gestellt. Er hat ab Mitte 2012 die Verschlechterung des psychischen Befundbildes beschrieben und ist von einem unter sechs Stunden abgesenkten Leistungsbild ab Mitte 2012 ausgegangen. Der Neurologe und Psychiater Dr. N. hat mitgeteilt, dass er die Klägerin zuletzt 2008 behandelt habe. Aus der Akte der A. hat sich eine Arbeitsunfähigkeit (AU) wegen einer mittelgradigen depressiven Episode von September 2006 bis Februar 2008 und aufgrund rein internistischer Diagnosen bis 17.10.2008 ergeben. Dann ist die Klägerin erst wieder 2013 arbeitsunfähig geschrieben worden.
Dr. S. hat die Klägerin am 15.12.2014 untersucht und ausgeführt, dass aus seiner Sicht keine psychiatrischen Diagnosen nachgewiesen werden könnten. Er ist von Simulation der Klägerin ausgegangen und hat einen sekundären Krankheitsgewinn beschrieben. So seien aufgrund der Erkrankung der Klägerin die zwei ausgezogenen Kinder wieder zu Hause eingezogen. Die 2006 und 2007 gestellten Diagnosen seien miteinander schwer vereinbar. Die behandelnden Ärzte hätten gleichzeitig eine Anpassungsstörung, Angst und depressive Störung gemischt sowie eine mittelgradige depressive Störung diagnostiziert. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass im April 2011 sicher keine relevante Leistungsminderung vorgelegen habe.
Daraufhin hat das SG die Klage mit Urteil vom 09.06.2015 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Eintritt einer Erwerbsminderung spätestens im April 2011 nicht nachgewiesen sei. Gegen das am 19.06.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 02.07.2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und vorgebracht, dass Sie seit 2007 beim Hausarzt Dr. V. (als Vorgänger von Dr. T.) auch wegen psychischer Störungen in Behandlung gewesen sei.
Der Senat hat Dr. V. als sachverständigen Zeugen schriftlich vernommen. Der Arzt hat mitgeteilt, dass er die Klägerin von Oktober 2007 bis Juni 2011 behandelt habe. In den Jahren 2008 bis 2010 sei die Klägerin wöchentlich bei ihm gewesen, dann nur noch unregelmäßig. Er habe Angst und depressive Verstimmung sowie multiple psychosomatische Beschwerden diagnostiziert. Die Medikamentation sei über Dr. N. erfolgt. Die Gesundheitsstörungen hätten durchgehend auf gleichem Niveau bestanden. Die Erwerbsfähigkeit sei erheblich gefährdet gewesen. Leichte Arbeiten hätte die Klägerin nur unter drei Stunden täglich verrichten können.
Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage am 01.12.2015 mit den Beteiligten erörtert.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie seit 2006 durchgehend aufgrund ihrer psychiatrischen Gesundheitsstörungen nicht mehr in der Lage sei, zu arbeiten. Zwischen 2008 und 2013 habe sie aus Scham vor der Familie keine psychiatrische Fachbehandlung mehr in Anspruch genommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 09.06.2015 und den Bescheid vom 17.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab Antragstellung eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten im Erörterungstermin vom 01.12.2015 darauf hingewiesen, dass der Senat nach § 153 Abs 4 SGG die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind darauf aufmerksam gemacht worden, dass diese Verfahrensweise aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes beabsichtigt ist. Die Beteiligten haben sich mit einer solchen Entscheidung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden und haben ihr Einverständnis erklärt.
Der Bescheid vom 17.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Klägerin keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung und auch nicht auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat.
Versicherte haben gemäß §§ 43 Abs 1, Abs 2 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweise Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
§ 240 SGB VI dehnt aus Gründen des Vertrauensschutzes den Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf vor dem 02.01.1961 geborene und berufsunfähig gewordene Versicherte aus, wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 43 SGB VI erfüllt sind. Da die Klägerin 1963 geboren ist, findet § 240 SGB VI auf sie keine Anwendung.
Die Voraussetzungen der §§ 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI liegen bei der Klägerin nicht vor. Sie erfüllt nicht die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Diese lagen unstreitig letztmals im April 2011 vor.
Zur Überzeugung des Senats war die Klägerin jedoch jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Sie war damals noch in der Lage, mindestens leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Nachtschicht, ohne übermäßigen Zeitdruck, ohne hohe Anforderungen an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen, ohne häufige und längerdauernde Zwangshaltungen der Wirbelsäule und ohne Überkopfarbeiten mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Das Gericht stützt sich dabei insbesondere auf das im Widerspruchsverfahren eingeholte Gutachten des Sozialmediziners Dr. H. und die sachverständigen Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte im Klage- und Berufungsverfahren.
Der Schwerpunkt der länger andauernden Gesundheitsstörungen der Klägerin liegt ohne Zweifel auf dem psychiatrischen Fachgebiet. Dr. V., der die Klägerin von Oktober 2007 bis Juni 2011 behandelt hat, beschrieb "Angst und depressive Verstimmung" im Verbindung mit psychosomatischen Beschwerden. Die im Jahr 2011 dokumentierten orthopädischen Gesundheitsstörungen (Schulter-Arm-Schmerzen, HWS-Syndrom, muskuloskelettale Beschwerden) spielen für sich für die Leistungsbeurteilung bezüglich der Erwerbsminderungsrente letztlich keine entscheidende Rolle, sondern führen lediglich zur Beachtung von qualitativen Leistungseinschränkungen, wie oben beschrieben. Auch bei der Untersuchung durch Dr. H. im Juni 2007 waren die orthopädischen Befunde unauffällig.
Aber auch die psychiatrischen Gesundheitsstörungen bedingen zumindest bis April 2011 kein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen. Für die Zeit von 2008 bis 2011 ist schon keine schwerwiegende psychiatrische Gesundheitsstörung nachgewiesen. So war die Klägerin ab 2008 auch nicht mehr in fachpsychiatrischer Behandlung. Der Neurologe und Psychiater Dr. N. hat sie zuletzt 2008 behandelt. Dr. V. hat ausgeführt, dass die Medikamentation bezüglich der vorliegenden depressiven Erkrankung nur durch den Psychiater vorgenommen worden sei. Die Klägerin hat selbst im Erörterungstermin angegeben, dass sie nicht mehr in Behandlung gewesen sei. Sie hat zwar ausgeführt, dass Scham vor der Familie hierfür ausschlaggebend gewesen sei. Jedoch ändert dies nichts daran, dass die behandelnden Ärzte in diesem Zeitraum auch keine entsprechende fachpsychiatrische Behandlung für notwendig erachtet haben. Dies folgt auch aus der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. T. gegenüber dem SG. Er hat die Klägerin ab August 2011 behandelt und erstmals im November 2012 eine psychiatrische Diagnose "Unruhezustand" beschrieben. Auch hat er ausgeführt, dass sich das psychische Befundbild tendenziell verschlechtert habe und ca ab Mitte 2012 ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen anzunehmen sei. Die Leistungseinschätzung durch Dr. V. ist deshalb bei fehlender fachpsychiatrischer Behandlung nicht nachvollziehbar. Zudem rechtfertigt die von ihm gestellte Diagnose "Angst und depressive Verstimmung gemischt" mit psychosomatischen Beschwerden keine zeitliche Leistungseinschränkung. Vielmehr liegt bei dieser Diagnosestellung gerade noch keine eigenständige schwerer wiegende depressive Erkrankung vor. Denn die Diagnose "Angst und depressive Störung gemischt" umfasst (nach den Diagnosekriterien des ICD) ein Störungsbild, das deutlich leichter ist als eine leichte depressive Episode. Darauf hat der Sachverständige Dr. S. überzeugend hingewiesen.
Auch Dr. N. hat bereits 2007 nur "Angst und depressive Störung gemischt" diagnostiziert. Demnach ist die Aussage von Dr. V. bezüglich eines gleich bleibenden Leistungsbildes zwar nachvollziehbar, jedoch nicht dessen Schlussfolgerung. Hinzu kommt, dass zumindest bei der Untersuchung im Juni 2007 durch Dr. H. die Klägerin ihre Antidepressiva gar nicht eingenommen hatte. Auch dies spricht gegen das Vorliegen eines hohen Leidensdrucks zu diesem Zeitpunkt. Zudem liegt ausweislich des Aktenauszugs der A. zwischen 2008 und 2013 trotz geringfügiger Beschäftigung und Bezug von SGB II-Leistungen in diesem Zeitraum keine AU-Bescheinigung vor. Die letzte AU-Bescheinigung im Jahr 2008 war im Übrigen nur aufgrund internistischer Gesundheitsstörungen ausgestellt. Auch dieser Umstand spricht gegen das Vorliegen einer erheblichen psychiatrischen Erkrankung zwischen 2008 und 2013.
Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend in der Person der Klägerin im April 2011 eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre, bestehen nicht. Ein Teil der qualitativen Beschränkungen wird bereits durch den Umstand, dass nur leichte bis mittelschwere Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5).
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO); weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.
Es kann dahinstehen, ob nach April 2011 (insbesondere ab der Behandlung in der Psychiatrie R. im Januar 2013) ein Leistungsfall der teilweisen oder vollen Erwerbsminderung eingetreten ist. Denn jedenfalls sind für zeitlich nachfolgende Leistungsfälle die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 SGB VI nicht mehr erfüllt. Die Klägerin hat dann in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung auch unter Anwendung möglicher Verlängerungstatbestände gem §§ 43 Abs 4 und 5 SGB VI, 241 SGB VI keine drei Jahre (36 Monate) Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit. Das Versicherungskonto enthält zuletzt Pflichtbeitragszeiten bis zum 28.02.2009 und für einen Tag am 08.12.2010. Zwischen diesen beiden Pflichtbeitragszeiten liegen auch keine Anrechnungszeiten gemäß § 58 SGB VI vor. Insbesondere war die Klägerin ab 28.02.2009 nicht mehr bei einer Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB VI) und hat kein Arbeitslosengeld II erhalten (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 6 SGB VI). Dies ergibt sich aus den eigenen Angaben der Klägerin im Widerspruchsverfahren und im Rentenantrag, sowie aus dem insoweit nicht bestrittenen Versicherungsverlauf der Beklagten. Es kann dahin stehen, ob das Jobcenter 2009 tatsächlich nicht über die Notwendigkeit der Arbeitssuchendmeldung zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes informiert hat. Jedenfalls kann die fehlende Meldung nicht nachträglich fingiert werden (ua BSG 11.3.2004, B 13 RJ 16/03 R). Erst ab 01.07.2011 war die Klägerin wieder arbeitssuchend gemeldet und bezog Leistungen nach dem SGB II. Insoweit liegen ab 01.07.2011 bis November 2014 (Ende des SGB II - Leistungsbezugs) wieder Anrechnungszeiten vor. Diese führen jedoch nicht mehr dazu, dass die über zwei Jahre andauernde Lücke im Versicherungsverlauf über Verlängerungstatbestände geschlossen werden könnte. Anderweitige Verlängerungstatbestände sind nicht vorgetragen und nicht ersichtlich.
Aus obigen Gründen konnte die Berufung, auch im Hilfsantrag, unter keinem Gesichtspunkt Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die am 03.05.1963 geborene Klägerin erlernte keinen Beruf. Sie war bis zum 16.02.2008 als Hilfsarbeiterin beschäftigt. Ab 01.03.2008 bis 28.02.2009 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld. Vom 01.03.2009 bis 31.08.2009 war sie nach eigenen Angaben als Hausfrau tätig. Sie war in dieser Zeit nicht arbeitssuchend gemeldet. Vom 01.09.2009 bis 30.11.2010 war die Klägerin geringfügig nicht versicherungspflichtig als Putzkraft, nach eigenen Angaben zwei Stunden am Tag, beschäftigt. Für den 08.12.2010 enthält der Versicherungsverlauf eine Pflichtbeitragszeit für einen Tag. Vom 09.12.2010 bis 30.06.2010 war die Klägerin nach ihren eigenen Angaben im Rentenantrag wiederum als Hausfrau tätig. Pflichtbeitragszeiten enthält der Versicherungsverlauf für diesen Zeitraum nicht. Vom 01.07.2011 bis November 2014 bezog sie Leistungen nach dem SGB II. Die Klägerin hat die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung letztmals im April 2011 erfüllt.
Ein von der Klägerin im Jahr 2007 gestellter Antrag auf Erwerbsminderungsrente wurde bestandskräftig abgelehnt. Die Klägerin beantragte am 11.04.2013 erneut eine Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Diese lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 17.04.2013 wegen Nichterfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ab.
Mit dem Widerspruch vom 02.05.2013 machte die Klägerin geltend, dass sie nach dem Auslaufen des Arbeitslosengeldes beim Jobcenter einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt habe. Dieser sei wegen des Einkommens des Ehemannes abgelehnt worden. Ihr sei kein Hinweis auf eine zur Erhaltung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen notwendige Arbeitssuchendmeldung erteilt worden. Sie sei seit 2006 krank.
Im Widerspruchsverfahren wurde die Klägerin vom Sozialmediziner Dr. H. am 13.06.2007 untersucht. Er verwies auf Befundberichte des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. N. von Januar und April 2007, in denen die Diagnose "Angst und depressive Störung gemischt" gestellt worden waren. Die orthopädischen Befunde waren bei der Untersuchung durch Dr. H. unauffällig. Der Gutachter schloss aus der durchgeführten Laboruntersuchung auf die Nichteinnahme von angegebenen Antidepressiva. Er war der Ansicht, dass die Klägerin aufgrund einer mittelgradigen depressiven Episode noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen mehr als sechs Stunden täglich verrichten könne.
Von Januar bis März 2013 und von Mai bis Juli 2013 wurde die Klägerin in der Psychiatrie R. stationär wegen schwerer depressiver Episode behandelt. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 06.12.2013 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Das Gericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte und einen Auszug aus der Akte der A. als Krankenkasse eingeholt, sowie den Neurologen und Psychiater Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens gemäß § 106 SGG beauftragt. Der Hausarzt Dr. T. hat die Klägerin ab August 2011 behandelt. Bis 2012 hat er keine psychiatrische Diagnose gestellt. Er hat ab Mitte 2012 die Verschlechterung des psychischen Befundbildes beschrieben und ist von einem unter sechs Stunden abgesenkten Leistungsbild ab Mitte 2012 ausgegangen. Der Neurologe und Psychiater Dr. N. hat mitgeteilt, dass er die Klägerin zuletzt 2008 behandelt habe. Aus der Akte der A. hat sich eine Arbeitsunfähigkeit (AU) wegen einer mittelgradigen depressiven Episode von September 2006 bis Februar 2008 und aufgrund rein internistischer Diagnosen bis 17.10.2008 ergeben. Dann ist die Klägerin erst wieder 2013 arbeitsunfähig geschrieben worden.
Dr. S. hat die Klägerin am 15.12.2014 untersucht und ausgeführt, dass aus seiner Sicht keine psychiatrischen Diagnosen nachgewiesen werden könnten. Er ist von Simulation der Klägerin ausgegangen und hat einen sekundären Krankheitsgewinn beschrieben. So seien aufgrund der Erkrankung der Klägerin die zwei ausgezogenen Kinder wieder zu Hause eingezogen. Die 2006 und 2007 gestellten Diagnosen seien miteinander schwer vereinbar. Die behandelnden Ärzte hätten gleichzeitig eine Anpassungsstörung, Angst und depressive Störung gemischt sowie eine mittelgradige depressive Störung diagnostiziert. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass im April 2011 sicher keine relevante Leistungsminderung vorgelegen habe.
Daraufhin hat das SG die Klage mit Urteil vom 09.06.2015 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Eintritt einer Erwerbsminderung spätestens im April 2011 nicht nachgewiesen sei. Gegen das am 19.06.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 02.07.2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und vorgebracht, dass Sie seit 2007 beim Hausarzt Dr. V. (als Vorgänger von Dr. T.) auch wegen psychischer Störungen in Behandlung gewesen sei.
Der Senat hat Dr. V. als sachverständigen Zeugen schriftlich vernommen. Der Arzt hat mitgeteilt, dass er die Klägerin von Oktober 2007 bis Juni 2011 behandelt habe. In den Jahren 2008 bis 2010 sei die Klägerin wöchentlich bei ihm gewesen, dann nur noch unregelmäßig. Er habe Angst und depressive Verstimmung sowie multiple psychosomatische Beschwerden diagnostiziert. Die Medikamentation sei über Dr. N. erfolgt. Die Gesundheitsstörungen hätten durchgehend auf gleichem Niveau bestanden. Die Erwerbsfähigkeit sei erheblich gefährdet gewesen. Leichte Arbeiten hätte die Klägerin nur unter drei Stunden täglich verrichten können.
Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage am 01.12.2015 mit den Beteiligten erörtert.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie seit 2006 durchgehend aufgrund ihrer psychiatrischen Gesundheitsstörungen nicht mehr in der Lage sei, zu arbeiten. Zwischen 2008 und 2013 habe sie aus Scham vor der Familie keine psychiatrische Fachbehandlung mehr in Anspruch genommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 09.06.2015 und den Bescheid vom 17.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab Antragstellung eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten im Erörterungstermin vom 01.12.2015 darauf hingewiesen, dass der Senat nach § 153 Abs 4 SGG die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind darauf aufmerksam gemacht worden, dass diese Verfahrensweise aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes beabsichtigt ist. Die Beteiligten haben sich mit einer solchen Entscheidung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden und haben ihr Einverständnis erklärt.
Der Bescheid vom 17.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Klägerin keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung und auch nicht auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat.
Versicherte haben gemäß §§ 43 Abs 1, Abs 2 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweise Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
§ 240 SGB VI dehnt aus Gründen des Vertrauensschutzes den Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf vor dem 02.01.1961 geborene und berufsunfähig gewordene Versicherte aus, wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 43 SGB VI erfüllt sind. Da die Klägerin 1963 geboren ist, findet § 240 SGB VI auf sie keine Anwendung.
Die Voraussetzungen der §§ 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI liegen bei der Klägerin nicht vor. Sie erfüllt nicht die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Diese lagen unstreitig letztmals im April 2011 vor.
Zur Überzeugung des Senats war die Klägerin jedoch jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Sie war damals noch in der Lage, mindestens leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Nachtschicht, ohne übermäßigen Zeitdruck, ohne hohe Anforderungen an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen, ohne häufige und längerdauernde Zwangshaltungen der Wirbelsäule und ohne Überkopfarbeiten mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Das Gericht stützt sich dabei insbesondere auf das im Widerspruchsverfahren eingeholte Gutachten des Sozialmediziners Dr. H. und die sachverständigen Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte im Klage- und Berufungsverfahren.
Der Schwerpunkt der länger andauernden Gesundheitsstörungen der Klägerin liegt ohne Zweifel auf dem psychiatrischen Fachgebiet. Dr. V., der die Klägerin von Oktober 2007 bis Juni 2011 behandelt hat, beschrieb "Angst und depressive Verstimmung" im Verbindung mit psychosomatischen Beschwerden. Die im Jahr 2011 dokumentierten orthopädischen Gesundheitsstörungen (Schulter-Arm-Schmerzen, HWS-Syndrom, muskuloskelettale Beschwerden) spielen für sich für die Leistungsbeurteilung bezüglich der Erwerbsminderungsrente letztlich keine entscheidende Rolle, sondern führen lediglich zur Beachtung von qualitativen Leistungseinschränkungen, wie oben beschrieben. Auch bei der Untersuchung durch Dr. H. im Juni 2007 waren die orthopädischen Befunde unauffällig.
Aber auch die psychiatrischen Gesundheitsstörungen bedingen zumindest bis April 2011 kein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen. Für die Zeit von 2008 bis 2011 ist schon keine schwerwiegende psychiatrische Gesundheitsstörung nachgewiesen. So war die Klägerin ab 2008 auch nicht mehr in fachpsychiatrischer Behandlung. Der Neurologe und Psychiater Dr. N. hat sie zuletzt 2008 behandelt. Dr. V. hat ausgeführt, dass die Medikamentation bezüglich der vorliegenden depressiven Erkrankung nur durch den Psychiater vorgenommen worden sei. Die Klägerin hat selbst im Erörterungstermin angegeben, dass sie nicht mehr in Behandlung gewesen sei. Sie hat zwar ausgeführt, dass Scham vor der Familie hierfür ausschlaggebend gewesen sei. Jedoch ändert dies nichts daran, dass die behandelnden Ärzte in diesem Zeitraum auch keine entsprechende fachpsychiatrische Behandlung für notwendig erachtet haben. Dies folgt auch aus der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. T. gegenüber dem SG. Er hat die Klägerin ab August 2011 behandelt und erstmals im November 2012 eine psychiatrische Diagnose "Unruhezustand" beschrieben. Auch hat er ausgeführt, dass sich das psychische Befundbild tendenziell verschlechtert habe und ca ab Mitte 2012 ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen anzunehmen sei. Die Leistungseinschätzung durch Dr. V. ist deshalb bei fehlender fachpsychiatrischer Behandlung nicht nachvollziehbar. Zudem rechtfertigt die von ihm gestellte Diagnose "Angst und depressive Verstimmung gemischt" mit psychosomatischen Beschwerden keine zeitliche Leistungseinschränkung. Vielmehr liegt bei dieser Diagnosestellung gerade noch keine eigenständige schwerer wiegende depressive Erkrankung vor. Denn die Diagnose "Angst und depressive Störung gemischt" umfasst (nach den Diagnosekriterien des ICD) ein Störungsbild, das deutlich leichter ist als eine leichte depressive Episode. Darauf hat der Sachverständige Dr. S. überzeugend hingewiesen.
Auch Dr. N. hat bereits 2007 nur "Angst und depressive Störung gemischt" diagnostiziert. Demnach ist die Aussage von Dr. V. bezüglich eines gleich bleibenden Leistungsbildes zwar nachvollziehbar, jedoch nicht dessen Schlussfolgerung. Hinzu kommt, dass zumindest bei der Untersuchung im Juni 2007 durch Dr. H. die Klägerin ihre Antidepressiva gar nicht eingenommen hatte. Auch dies spricht gegen das Vorliegen eines hohen Leidensdrucks zu diesem Zeitpunkt. Zudem liegt ausweislich des Aktenauszugs der A. zwischen 2008 und 2013 trotz geringfügiger Beschäftigung und Bezug von SGB II-Leistungen in diesem Zeitraum keine AU-Bescheinigung vor. Die letzte AU-Bescheinigung im Jahr 2008 war im Übrigen nur aufgrund internistischer Gesundheitsstörungen ausgestellt. Auch dieser Umstand spricht gegen das Vorliegen einer erheblichen psychiatrischen Erkrankung zwischen 2008 und 2013.
Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend in der Person der Klägerin im April 2011 eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre, bestehen nicht. Ein Teil der qualitativen Beschränkungen wird bereits durch den Umstand, dass nur leichte bis mittelschwere Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5).
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO); weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.
Es kann dahinstehen, ob nach April 2011 (insbesondere ab der Behandlung in der Psychiatrie R. im Januar 2013) ein Leistungsfall der teilweisen oder vollen Erwerbsminderung eingetreten ist. Denn jedenfalls sind für zeitlich nachfolgende Leistungsfälle die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 SGB VI nicht mehr erfüllt. Die Klägerin hat dann in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung auch unter Anwendung möglicher Verlängerungstatbestände gem §§ 43 Abs 4 und 5 SGB VI, 241 SGB VI keine drei Jahre (36 Monate) Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit. Das Versicherungskonto enthält zuletzt Pflichtbeitragszeiten bis zum 28.02.2009 und für einen Tag am 08.12.2010. Zwischen diesen beiden Pflichtbeitragszeiten liegen auch keine Anrechnungszeiten gemäß § 58 SGB VI vor. Insbesondere war die Klägerin ab 28.02.2009 nicht mehr bei einer Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB VI) und hat kein Arbeitslosengeld II erhalten (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 6 SGB VI). Dies ergibt sich aus den eigenen Angaben der Klägerin im Widerspruchsverfahren und im Rentenantrag, sowie aus dem insoweit nicht bestrittenen Versicherungsverlauf der Beklagten. Es kann dahin stehen, ob das Jobcenter 2009 tatsächlich nicht über die Notwendigkeit der Arbeitssuchendmeldung zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes informiert hat. Jedenfalls kann die fehlende Meldung nicht nachträglich fingiert werden (ua BSG 11.3.2004, B 13 RJ 16/03 R). Erst ab 01.07.2011 war die Klägerin wieder arbeitssuchend gemeldet und bezog Leistungen nach dem SGB II. Insoweit liegen ab 01.07.2011 bis November 2014 (Ende des SGB II - Leistungsbezugs) wieder Anrechnungszeiten vor. Diese führen jedoch nicht mehr dazu, dass die über zwei Jahre andauernde Lücke im Versicherungsverlauf über Verlängerungstatbestände geschlossen werden könnte. Anderweitige Verlängerungstatbestände sind nicht vorgetragen und nicht ersichtlich.
Aus obigen Gründen konnte die Berufung, auch im Hilfsantrag, unter keinem Gesichtspunkt Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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