Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
38
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 38 AS 6152/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob für den Fall, dass dem Antrags- ein Widerspruchsverfahren folgt, in dessen Verlauf die Behörde abhilft, und in beiden Verfahrensabschnitten ein Anwalt tätig war, eine Anrechnung der Gebühr für das Antragsverfahren erfolgt.
1. Die Bescheide vom 05.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2014 werden abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger für die Widerspruchsverfahren W 1451/14 und W 1448/14 jeweils weitere 301,37 EUR und für das Widerspruchsverfahren W 1447/14 weitere 208,25 EUR zu zahlen. 2. Der Beklagte hat den Klägern deren notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Kläger und das beklagte Jobcenter (im Folgenden: der Beklagte) streiten über die Höhe der Kostenerstattung nach einem abgeschlossenen Widerspruchsverfahren, § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X.
Die 1986 geborene Klägerin zu 1 und ihr 2005 geborener Sohn, der Kläger zu 2, leben in Heidenau. Sie beziehen fortlaufend Leistungen nach dem SGB II.
Mit Schreiben vom 26.11.2013 beantragten die zu diesem Zeitpunkt bereits anwaltlich vertretenen Kläger die Überprüfung der für den Zeitraum vom 01.06.2012 bis 30.10.2013 ergangenen Bescheide nach § 44 SGB X. Mit Bescheid vom 17.03.2013 lehnte der Beklagte eine Änderung der entsprechenden Bescheide ab. Hiergegen erhoben die Kläger am 15.04.2013 Widerspruch, wobei der Beklagte die Aktenzeichen W 1447/14, W 1448/14 und W 1451/14 vergab. Mit Bescheid vom 13.06.2014 half der Beklagte den Widersprüchen ab und erklärte sich bereit, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu tragen.
Unter dem 26.06.2014 beantragten die Kläger die außergerichtlichen Kosten zu Aktenzeichen W 1451/14, W 1448/14 und W 1447/14 festzusetzen, wobei ausschließlich Anwaltskosten geltend gemacht wurden. In allen 3 Anträgen wurde die Gebühr nach Nummer 2302, 1008 VV RVG in Höhe von 390,00 Euro in Ansatz gebracht. Die Kläger machten einschließlich der Auslagenpauschale und der Mehrwertsteuer damit einen Kostenanspruch von jeweils 487,90 Euro geltend. Mit Bescheiden vom 05.09.2014 setzte der Beklagte die Kosten zu W 1451/14 und W 1448/14 auf jeweils 186,53 Euro fest. Dabei brachte er für die Gebühr nach Nummer 2302 VV RVG 224,25 Euro in Ansatz, zog hiervon jedoch 87,50 mit der Begründung ab, es handle sich um die Anrechnung der Befassung im Antragsverfahren. Für das Verfahren W 1447/14 setzte er die Gebühr nach Nummer 2302 VV RVG mit 390,00 Euro an und brachte hiervon als Anrechnung der Befassung im Antragsverfahren 175,00 Euro in Abzug. Unter Berücksichtigung der Pauschale nach Nummer 7002 VVRVG und der Umsatzsteuer setzte er die zu erstattenden Kosten auf 279,65 Euro fest.
Die gegen alle Bescheide erhobenen Widersprüche (W 3216/14, W 3217/14 und W 3218/14) wies der Beklagte mit Bescheid vom 22.09.2014 zurück. Die Kläger haben zu jedem Kostenfestsetzungsverfahren am 13.07.2014 Klage erhoben. Die Verfahren wurden zunächst unter Aktenzeichen S 38 AS 6152/14, S 38 AS 6153/14 und S 38 AS 6154/14 geführt. Mit Beschluss vom 02.09.2015 hat das Gericht die Verfahren S 38 AS 6153/14 und S 38 AS 6154/14 zum führenden Verfahren S 38 AS 6152/14 verbunden.
Die Kläger machen geltend, die von ihrem Anwalt berechneten Gebühren seien angemessen. Der Beklagte habe einen Betrag von 175,00 EUR als Anrechnung der Befassung im Antragsverfahren (vgl. Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 VV RVG) nicht in Abzug bringen dürfen. Bei den Gebühren sei zwischen Antrags- und Widerspruchsverfahren zu unterscheiden. Seit dem 01.08.2013 sei für das Antrags- und das Widerspruchsverfahren jeweils eine gesonderte Geschäftsgebühr in Ansatz zu bringen. Die Geschäftsgebühr aus dem Antragsverfahren werde hälftig bzw. maximal bis zu einem Betrag von 175,00 Euro auf die Geschäftsgebühr des Widerspruchsverfahrens angerechnet. Der Beklagte könne sich jedoch nicht auf die Anrechnungsvorschrift berufen, denn aufgrund des jetzt geltenden § 15 RVG werde die Wirkung der Anrechnung sowohl im Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandanten als auch gegenüber Dritten ausdrücklich geregelt. Insbesondere ergebe sich daraus, dass sich die Anrechnung im Verhältnis zu Dritten grundsätzlich nicht auswirke. Nach § 15a Abs. 2 RVG könne sich ein Dritter auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt habe, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn einen Vollstreckungstitel bestehe oder bei den Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Da der Beklagte die Vergütung der Geschäftsgebühr aus dem Überprüfungsverfahren weder schulde noch gezahlt habe, könne er sich auch nicht auf die Anrechnungsvorschrift berufen.
Die Kläger beantragen: 1. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 15.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2014 verurteilt, den Klägern weitere 208,25 EUR zu zahlen.
2. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 05.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2014 verurteilt, den Klägern weitere 301,37 EUR zu zahlen.
3. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 05.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2014 verurteilt, den Klägern weitere 301,37 EUR zu zahlen.
Der Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte macht geltend, der Bevollmächtigte der Kläger habe in einem anderen Verfahren vor dem Sozialgericht Dresden selbst eine Anrechnung der Gebühren aus dem Verwaltungsverfahren auf die Gebühren im Widerspruchsverfahren vorgenommen. Die Anrechnung sei aufgrund des RVG in der seit dem 01.08.2013 geltenden Fassung erfolgt. Im Vergütungsverzeichnis zum RVG erlaube das Gesetz unter der Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 die Anrechnung auf die Geschäftsgebühr aufgrund einer Tätigkeit wegen desselben Gegenstands im Verwaltungsverfahren. Aus der Formulierung der Vorbemerkung ergebe sich nicht, dass sich der Beklagte nicht auf die Anrechnungsvorschrift berufen könne. Da die Klägervertreterin bei der Erstellung der Gebührenabrechnung die Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 gegenüber den Klägern berücksichtigen müsse, seien die Kosten der Kläger auch nur in Höhe der Geschäftsgebühren unter Berücksichtigung der Anrechnung nach Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 entstanden. Daran ändere sich nicht deshalb etwas, weil der Beklagte nach § 63 SGB X dem Grunde nach erstattungspflichtig sei. Die Erstattungspflicht habe keinen Einfluss auf die den Klägern entstandenen Kosten.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte des Beklagten beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Akte sowie die Gerichtsakte und die gewechselten Schriftsätze insgesamt ergänzend Bezug genommen.
Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
1. Streitgegenständlich sind die Bescheide vom 05.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2014. Zu entscheiden ist damit über die Höhe der vom Beklagten an die Kläger zu erstattenden Kosten für die Widerspruchsverfahren zu Az. W 81447/14, W 1448/14 und W 1451/14.
2. Die Bescheide sind rechtswidrig, die Kläger hierdurch in ihren Rechten verletzt, § 54 Abs. 1 SGG.
2.1. Nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X hat, soweit ein Widerspruch erfolgreich gewesen ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen zu erstatten. Hierzu gehören auch die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, wenn seine Hinzuziehung notwendig war (§ 63 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 SGB X). Durch bestandskräftigen Bescheid vom 13.06.2014 hat sich Der Beklagte verpflichtet, den Klägern deren notwendige Aufwendungen für das Widerspruchsverfahren nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X zu erstatten.
2.2. Gemäß § 2 Abs. 2 RVG bestimmt sich die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu diesem Gesetz, das in der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung anzuwenden ist. Gemäß Nr. 2302 VV RVG beträgt die Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren die Betragsrahmengebühren entstehen, 50,00 Euro bis 640,00 Euro. Innerhalb dieses Rahmens bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber, dessen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und des anwaltlichen Haftungsrisikos nach billigem Ermessen.
Wegen der Schwierigkeit zu bestimmen, wann eine Rahmengebühr billig bzw. unbillig ist, hat die Praxis bereits unter Geltung der BRAGO die Mittelgebühr als angemessen erachtet, wenn sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt abhebt. Mit dem RVG ist eine sog Schwellengebühr eingeführt worden. Danach kann eine höhere Gebühr als die Schwellengebühr (hier 300,00 Euro) nur dann gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Die Schwellengebühr hat die Mittelgebühr weder vollständig ersetzt noch führt sie dazu, dass nunmehr der Durchschnittsfall bei der Schwellengebühr anzusiedeln ist (BSG Urteil vom 02.07.2009, Az. B 4 AS 21/09 R).
2.3. In dem Kostenfestsetzungsverfahren zu W 1447/14 hat der Beklagte ebenso wie die Kläger die Gebühr nach Nr. 2302 VV RVG, 1008 in Höhe von 390,00 EUR bemessen. Dieser Betrag ergibt sich aus der Schwellengebühr nach Nr. 2302 VV RVG von 300,00 EUR und der Erhöhung um 30 % nach Nr. 1008 VV RVG.
Der Beklagte war nicht berechtigt, hiervon 175,00 EUR in Abzug zu bringen, denn er kann sich nicht mit Erfolg auf die Regelung in Vorb. 2.3 Abs. 4 VV RVG berufen. Nach dieser Vorschrift wird, soweit wegen desselben Gegenstands einer Geschäftsgebühr für eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren entstanden ist, diese Gebühr auf einer Geschäftsgebühr für eine Tätigkeit im weiteren Verwaltungsverfahren, das der Nachprüfung des Verwaltungsakts dient angerechnet. Bei einer Betragsrahmengebühr beträgt der Anrechnungsbetrag höchstens 175,00 Euro. Da die Kläger bereits bei Stellung des Antrages nach § 44 SGB X anwaltlich vertreten waren ist für diese Tätigkeit ebenfalls eine Gebühr nach Nr. 2302 VV RVG entstanden, deren Erstattung der Beklagte jedoch nicht schuldet, denn seine Verpflichtung bezieht sich nur auf die Kosten des Widerspruchsverfahrens (§ 63 Abs. 1 SGB X).
Nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 17/11471 S. 272 ff.) sollte durch die Schaffung der Anrechnungsgebühr die Vorbefassung des Anwalts bzw. deren Bewertung gesetzlich geregelt werden. Nach altem Recht war die Bemessung der Gebühren in diesem Fall äußerst streitig. Insofern lag es in der Absicht des Gesetzgebers, dass der durch die vorangegangene Tätigkeit ersparte Aufwand ausschließlich durch die nunmehr vorgeschriebene Anrechnung berücksichtigt werden soll und nicht nochmals bei der konkreten Bestimmungen der Gebühr für das nachfolgende Verfahren. Die Anrechnung ist einfach, wenn dem Widerspruchs- ein Klageverfahren folgt. Eine Schwierigkeit ergibt sich in Fällen wie dem vorliegenden, in denen nämlich der Beklagte die Gebühr für das so genannte Antragsverfahren nicht schuldet. Nach der Gesetzesbegründung (a.a.O.) führt die Umstellung auf eine Anrechnungslösung dazu, dass § 15a RVG Anwendung findet. Der Rechtsanwalt soll grundsätzlich beide Gebühren fordern können, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren. Dies setzt eine Anwendung der Vorschrift Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 VV RVG voraus. Ein Dritter (hier der Beklagte) kann sich auf die Anrechnung jedoch nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn einen Vollstreckungstitel bestätigt oder weitere Gebühren in derselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden vorliegen. Vorliegend kommt nur die Variante in Betracht, dass der Dritte, hier der Beklagte, sich auf die Anrechnung berufen kann wenn er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt. Für den Fall, dass der Dritte die im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren entstandene Geschäftsgebühr nicht zu erstatten hat, kann er sich auf die Anrechnung nach der Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 VVRVG nicht berufen. In der Gesetzesbegründung wird dies wie folgt kommentiert: "Im Hinblick darauf, dass die Fälle, in denen ein Rechtsanwalt für seinen Mandanten sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im anschließenden Nachprüfungsverfahren tätig ist, die Ausnahme sind, sind die haushaltsmäßigen Auswirkungen insoweit als eher gering einzuschätzen." Dem lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber sich der Kostenfolge des § 15 a RVG im Zusammenhang mit der Regelung in der Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 VV RVG bewusst war und auf eine andere Regelung verzichtet hat. Damit ist die Gebühr in Höhe von insgesamt 390,00 EUR in Ansatz zu bringen. Zzgl. der Auslagenpauschale und der Umsatzsteuer besteht der Anspruch in Höhe von 487,99. Davon hat der Beklagte 279,65 EUR gezahlt, so dass die Kläger Anspruch auf Zahlung weiterer 208,25 EUR haben.
2.4. In den Kostenfestsetzungsverfahren zu W 1448/14 und W 1451/14 sind die Gebühren ebenfalls in Höhe von jeweils 487,90 EUR abzgl. gezahlter Beträge zu übernehmen.
Der Beklagte hat in beiden Verfahren abweichend von den Klägern nur die halbe Mittelgebühr in Ansatz gebracht und diese unter Berücksichtigung von Nr. 1008 VV RVG mit insgesamt 224.25 EUR bemessen. Hiervon hat er die Anrechnungsgebühr mit 87,50 EUR zu Unrecht in Abzug gebracht. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Soweit der Beklagte wegen der Herabsetzung der Mittelgebühr in den angegriffenen Bescheiden auf Synergieeffekte verwiesen hat, ist dies nicht nachvollziehbar. Die Kläger haben am selben Tag einen Antrag nach § 44 SGB X gestellt und dabei den zu überprüfenden Leistungszeitraum bzw. die ihnen hierzu bekannten Bescheid benannt. Erst den Widerspruchsschreiben lässt sich entnehmen, aus welchem Grund die Überprüfung beantragt wurde. Hier sind die Begründungen jedoch nicht pauschal sondern auf den Leistungszeitraum bezogen, wenn auch allen gemeinsam ist, dass die Kläger die Übernahme der vollen Heizkosten begehrten. Sofern Synergieeffekte bestünden, wären diese entsprechend der Rechtsprechung des LSG Sachsen (Beschluss vom 11.09.2013, Az. L 8 AS 858/12 B KO) auf alle Verfahren gleichmäßig zu verteilen gewesen, da keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, in welchem Verfahren die "Hauptarbeit" getätigt wurde. Tatsächlich sind Synergieeffekte aber gar nicht erkennbar. Die Kläger haben folglich einen Anspruch auf Zahlung auf jeweils weitere 301,37 EUR.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193 Abs. 1 Satz 1 SGG, 91 ZPO und folgt der Entscheidung über die Hauptsache.
4. Diese Entscheidung ist gem. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG anfechtbar, da der Beschwerdewert von 750,00 EUR erreicht ist.
Tatbestand:
Die Kläger und das beklagte Jobcenter (im Folgenden: der Beklagte) streiten über die Höhe der Kostenerstattung nach einem abgeschlossenen Widerspruchsverfahren, § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X.
Die 1986 geborene Klägerin zu 1 und ihr 2005 geborener Sohn, der Kläger zu 2, leben in Heidenau. Sie beziehen fortlaufend Leistungen nach dem SGB II.
Mit Schreiben vom 26.11.2013 beantragten die zu diesem Zeitpunkt bereits anwaltlich vertretenen Kläger die Überprüfung der für den Zeitraum vom 01.06.2012 bis 30.10.2013 ergangenen Bescheide nach § 44 SGB X. Mit Bescheid vom 17.03.2013 lehnte der Beklagte eine Änderung der entsprechenden Bescheide ab. Hiergegen erhoben die Kläger am 15.04.2013 Widerspruch, wobei der Beklagte die Aktenzeichen W 1447/14, W 1448/14 und W 1451/14 vergab. Mit Bescheid vom 13.06.2014 half der Beklagte den Widersprüchen ab und erklärte sich bereit, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu tragen.
Unter dem 26.06.2014 beantragten die Kläger die außergerichtlichen Kosten zu Aktenzeichen W 1451/14, W 1448/14 und W 1447/14 festzusetzen, wobei ausschließlich Anwaltskosten geltend gemacht wurden. In allen 3 Anträgen wurde die Gebühr nach Nummer 2302, 1008 VV RVG in Höhe von 390,00 Euro in Ansatz gebracht. Die Kläger machten einschließlich der Auslagenpauschale und der Mehrwertsteuer damit einen Kostenanspruch von jeweils 487,90 Euro geltend. Mit Bescheiden vom 05.09.2014 setzte der Beklagte die Kosten zu W 1451/14 und W 1448/14 auf jeweils 186,53 Euro fest. Dabei brachte er für die Gebühr nach Nummer 2302 VV RVG 224,25 Euro in Ansatz, zog hiervon jedoch 87,50 mit der Begründung ab, es handle sich um die Anrechnung der Befassung im Antragsverfahren. Für das Verfahren W 1447/14 setzte er die Gebühr nach Nummer 2302 VV RVG mit 390,00 Euro an und brachte hiervon als Anrechnung der Befassung im Antragsverfahren 175,00 Euro in Abzug. Unter Berücksichtigung der Pauschale nach Nummer 7002 VVRVG und der Umsatzsteuer setzte er die zu erstattenden Kosten auf 279,65 Euro fest.
Die gegen alle Bescheide erhobenen Widersprüche (W 3216/14, W 3217/14 und W 3218/14) wies der Beklagte mit Bescheid vom 22.09.2014 zurück. Die Kläger haben zu jedem Kostenfestsetzungsverfahren am 13.07.2014 Klage erhoben. Die Verfahren wurden zunächst unter Aktenzeichen S 38 AS 6152/14, S 38 AS 6153/14 und S 38 AS 6154/14 geführt. Mit Beschluss vom 02.09.2015 hat das Gericht die Verfahren S 38 AS 6153/14 und S 38 AS 6154/14 zum führenden Verfahren S 38 AS 6152/14 verbunden.
Die Kläger machen geltend, die von ihrem Anwalt berechneten Gebühren seien angemessen. Der Beklagte habe einen Betrag von 175,00 EUR als Anrechnung der Befassung im Antragsverfahren (vgl. Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 VV RVG) nicht in Abzug bringen dürfen. Bei den Gebühren sei zwischen Antrags- und Widerspruchsverfahren zu unterscheiden. Seit dem 01.08.2013 sei für das Antrags- und das Widerspruchsverfahren jeweils eine gesonderte Geschäftsgebühr in Ansatz zu bringen. Die Geschäftsgebühr aus dem Antragsverfahren werde hälftig bzw. maximal bis zu einem Betrag von 175,00 Euro auf die Geschäftsgebühr des Widerspruchsverfahrens angerechnet. Der Beklagte könne sich jedoch nicht auf die Anrechnungsvorschrift berufen, denn aufgrund des jetzt geltenden § 15 RVG werde die Wirkung der Anrechnung sowohl im Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandanten als auch gegenüber Dritten ausdrücklich geregelt. Insbesondere ergebe sich daraus, dass sich die Anrechnung im Verhältnis zu Dritten grundsätzlich nicht auswirke. Nach § 15a Abs. 2 RVG könne sich ein Dritter auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt habe, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn einen Vollstreckungstitel bestehe oder bei den Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Da der Beklagte die Vergütung der Geschäftsgebühr aus dem Überprüfungsverfahren weder schulde noch gezahlt habe, könne er sich auch nicht auf die Anrechnungsvorschrift berufen.
Die Kläger beantragen: 1. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 15.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2014 verurteilt, den Klägern weitere 208,25 EUR zu zahlen.
2. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 05.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2014 verurteilt, den Klägern weitere 301,37 EUR zu zahlen.
3. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 05.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2014 verurteilt, den Klägern weitere 301,37 EUR zu zahlen.
Der Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte macht geltend, der Bevollmächtigte der Kläger habe in einem anderen Verfahren vor dem Sozialgericht Dresden selbst eine Anrechnung der Gebühren aus dem Verwaltungsverfahren auf die Gebühren im Widerspruchsverfahren vorgenommen. Die Anrechnung sei aufgrund des RVG in der seit dem 01.08.2013 geltenden Fassung erfolgt. Im Vergütungsverzeichnis zum RVG erlaube das Gesetz unter der Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 die Anrechnung auf die Geschäftsgebühr aufgrund einer Tätigkeit wegen desselben Gegenstands im Verwaltungsverfahren. Aus der Formulierung der Vorbemerkung ergebe sich nicht, dass sich der Beklagte nicht auf die Anrechnungsvorschrift berufen könne. Da die Klägervertreterin bei der Erstellung der Gebührenabrechnung die Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 gegenüber den Klägern berücksichtigen müsse, seien die Kosten der Kläger auch nur in Höhe der Geschäftsgebühren unter Berücksichtigung der Anrechnung nach Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 entstanden. Daran ändere sich nicht deshalb etwas, weil der Beklagte nach § 63 SGB X dem Grunde nach erstattungspflichtig sei. Die Erstattungspflicht habe keinen Einfluss auf die den Klägern entstandenen Kosten.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte des Beklagten beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Akte sowie die Gerichtsakte und die gewechselten Schriftsätze insgesamt ergänzend Bezug genommen.
Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
1. Streitgegenständlich sind die Bescheide vom 05.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2014. Zu entscheiden ist damit über die Höhe der vom Beklagten an die Kläger zu erstattenden Kosten für die Widerspruchsverfahren zu Az. W 81447/14, W 1448/14 und W 1451/14.
2. Die Bescheide sind rechtswidrig, die Kläger hierdurch in ihren Rechten verletzt, § 54 Abs. 1 SGG.
2.1. Nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X hat, soweit ein Widerspruch erfolgreich gewesen ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen zu erstatten. Hierzu gehören auch die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, wenn seine Hinzuziehung notwendig war (§ 63 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 SGB X). Durch bestandskräftigen Bescheid vom 13.06.2014 hat sich Der Beklagte verpflichtet, den Klägern deren notwendige Aufwendungen für das Widerspruchsverfahren nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X zu erstatten.
2.2. Gemäß § 2 Abs. 2 RVG bestimmt sich die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu diesem Gesetz, das in der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung anzuwenden ist. Gemäß Nr. 2302 VV RVG beträgt die Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren die Betragsrahmengebühren entstehen, 50,00 Euro bis 640,00 Euro. Innerhalb dieses Rahmens bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber, dessen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und des anwaltlichen Haftungsrisikos nach billigem Ermessen.
Wegen der Schwierigkeit zu bestimmen, wann eine Rahmengebühr billig bzw. unbillig ist, hat die Praxis bereits unter Geltung der BRAGO die Mittelgebühr als angemessen erachtet, wenn sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt abhebt. Mit dem RVG ist eine sog Schwellengebühr eingeführt worden. Danach kann eine höhere Gebühr als die Schwellengebühr (hier 300,00 Euro) nur dann gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Die Schwellengebühr hat die Mittelgebühr weder vollständig ersetzt noch führt sie dazu, dass nunmehr der Durchschnittsfall bei der Schwellengebühr anzusiedeln ist (BSG Urteil vom 02.07.2009, Az. B 4 AS 21/09 R).
2.3. In dem Kostenfestsetzungsverfahren zu W 1447/14 hat der Beklagte ebenso wie die Kläger die Gebühr nach Nr. 2302 VV RVG, 1008 in Höhe von 390,00 EUR bemessen. Dieser Betrag ergibt sich aus der Schwellengebühr nach Nr. 2302 VV RVG von 300,00 EUR und der Erhöhung um 30 % nach Nr. 1008 VV RVG.
Der Beklagte war nicht berechtigt, hiervon 175,00 EUR in Abzug zu bringen, denn er kann sich nicht mit Erfolg auf die Regelung in Vorb. 2.3 Abs. 4 VV RVG berufen. Nach dieser Vorschrift wird, soweit wegen desselben Gegenstands einer Geschäftsgebühr für eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren entstanden ist, diese Gebühr auf einer Geschäftsgebühr für eine Tätigkeit im weiteren Verwaltungsverfahren, das der Nachprüfung des Verwaltungsakts dient angerechnet. Bei einer Betragsrahmengebühr beträgt der Anrechnungsbetrag höchstens 175,00 Euro. Da die Kläger bereits bei Stellung des Antrages nach § 44 SGB X anwaltlich vertreten waren ist für diese Tätigkeit ebenfalls eine Gebühr nach Nr. 2302 VV RVG entstanden, deren Erstattung der Beklagte jedoch nicht schuldet, denn seine Verpflichtung bezieht sich nur auf die Kosten des Widerspruchsverfahrens (§ 63 Abs. 1 SGB X).
Nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 17/11471 S. 272 ff.) sollte durch die Schaffung der Anrechnungsgebühr die Vorbefassung des Anwalts bzw. deren Bewertung gesetzlich geregelt werden. Nach altem Recht war die Bemessung der Gebühren in diesem Fall äußerst streitig. Insofern lag es in der Absicht des Gesetzgebers, dass der durch die vorangegangene Tätigkeit ersparte Aufwand ausschließlich durch die nunmehr vorgeschriebene Anrechnung berücksichtigt werden soll und nicht nochmals bei der konkreten Bestimmungen der Gebühr für das nachfolgende Verfahren. Die Anrechnung ist einfach, wenn dem Widerspruchs- ein Klageverfahren folgt. Eine Schwierigkeit ergibt sich in Fällen wie dem vorliegenden, in denen nämlich der Beklagte die Gebühr für das so genannte Antragsverfahren nicht schuldet. Nach der Gesetzesbegründung (a.a.O.) führt die Umstellung auf eine Anrechnungslösung dazu, dass § 15a RVG Anwendung findet. Der Rechtsanwalt soll grundsätzlich beide Gebühren fordern können, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren. Dies setzt eine Anwendung der Vorschrift Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 VV RVG voraus. Ein Dritter (hier der Beklagte) kann sich auf die Anrechnung jedoch nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn einen Vollstreckungstitel bestätigt oder weitere Gebühren in derselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden vorliegen. Vorliegend kommt nur die Variante in Betracht, dass der Dritte, hier der Beklagte, sich auf die Anrechnung berufen kann wenn er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt. Für den Fall, dass der Dritte die im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren entstandene Geschäftsgebühr nicht zu erstatten hat, kann er sich auf die Anrechnung nach der Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 VVRVG nicht berufen. In der Gesetzesbegründung wird dies wie folgt kommentiert: "Im Hinblick darauf, dass die Fälle, in denen ein Rechtsanwalt für seinen Mandanten sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im anschließenden Nachprüfungsverfahren tätig ist, die Ausnahme sind, sind die haushaltsmäßigen Auswirkungen insoweit als eher gering einzuschätzen." Dem lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber sich der Kostenfolge des § 15 a RVG im Zusammenhang mit der Regelung in der Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 VV RVG bewusst war und auf eine andere Regelung verzichtet hat. Damit ist die Gebühr in Höhe von insgesamt 390,00 EUR in Ansatz zu bringen. Zzgl. der Auslagenpauschale und der Umsatzsteuer besteht der Anspruch in Höhe von 487,99. Davon hat der Beklagte 279,65 EUR gezahlt, so dass die Kläger Anspruch auf Zahlung weiterer 208,25 EUR haben.
2.4. In den Kostenfestsetzungsverfahren zu W 1448/14 und W 1451/14 sind die Gebühren ebenfalls in Höhe von jeweils 487,90 EUR abzgl. gezahlter Beträge zu übernehmen.
Der Beklagte hat in beiden Verfahren abweichend von den Klägern nur die halbe Mittelgebühr in Ansatz gebracht und diese unter Berücksichtigung von Nr. 1008 VV RVG mit insgesamt 224.25 EUR bemessen. Hiervon hat er die Anrechnungsgebühr mit 87,50 EUR zu Unrecht in Abzug gebracht. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Soweit der Beklagte wegen der Herabsetzung der Mittelgebühr in den angegriffenen Bescheiden auf Synergieeffekte verwiesen hat, ist dies nicht nachvollziehbar. Die Kläger haben am selben Tag einen Antrag nach § 44 SGB X gestellt und dabei den zu überprüfenden Leistungszeitraum bzw. die ihnen hierzu bekannten Bescheid benannt. Erst den Widerspruchsschreiben lässt sich entnehmen, aus welchem Grund die Überprüfung beantragt wurde. Hier sind die Begründungen jedoch nicht pauschal sondern auf den Leistungszeitraum bezogen, wenn auch allen gemeinsam ist, dass die Kläger die Übernahme der vollen Heizkosten begehrten. Sofern Synergieeffekte bestünden, wären diese entsprechend der Rechtsprechung des LSG Sachsen (Beschluss vom 11.09.2013, Az. L 8 AS 858/12 B KO) auf alle Verfahren gleichmäßig zu verteilen gewesen, da keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, in welchem Verfahren die "Hauptarbeit" getätigt wurde. Tatsächlich sind Synergieeffekte aber gar nicht erkennbar. Die Kläger haben folglich einen Anspruch auf Zahlung auf jeweils weitere 301,37 EUR.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193 Abs. 1 Satz 1 SGG, 91 ZPO und folgt der Entscheidung über die Hauptsache.
4. Diese Entscheidung ist gem. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG anfechtbar, da der Beschwerdewert von 750,00 EUR erreicht ist.
Rechtskraft
Aus
Login
FSS
Saved