L 8 U 428/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 425/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 428/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 10.12.2014 wird zurückgewiesen.

Herr F. H. , D., wird als Bevollmächtigter des Klägers im Verfahren L 8 U 428/15 zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen die Beklagte wegen geltend gemachter Gesundheitsstörungen an Wirbelsäule, Hüfte und Knien sowie zuletzt an der Schilddrüse und an den Augen Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2402 (Erkrankungen durch ionisierende Strahlen) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV)) bzw. auf Feststellung einer Wie-Berufskrankheit zusteht.

Der 1947 geborene Kläger war eigenen Angaben zufolge vom 02.05.1967 bis 31.10.1968 als Wehrpflichtiger der Nationalen Volksarmee im Funktechnischen Bataillon II in G. auf dem Dienstposten eines Funkorters eingesetzt. Unterlagen in den Archiven der Wehrbereichsverwaltung Ost sind hierzu nicht mehr vorhanden (Schreiben der Wehrverwaltung Ost vom 17.02.2012 und Gesprächsnotiz vom 01.03.2012, Bl. 9 und 10 der Verwaltungsakte der Beklagten).

Am 06.02.2012 beantragte er beim Versorgungsamt des Landratsamts K. Beschädigtenversorgung wegen Gesundheitsstörungen am Stützsystem der Knie beidseitig und Hüfte beidseitig, da er in den 18 Monaten ständiger Röntgenstrahlung ausgesetzt gewesen sei. Mit Bescheid vom 21.09.2012 lehnte das Landratsamt K. Beschädigtenversorgung ab, da nach dem Einigungsvertragsgesetz vom 28.09.1990 (BGBl Teil II Nr. 35, Seite 885) das Soldatenversorgungsgesetz nicht auf Soldaten, die aus einem Wehrdienstverhältnis der ehemaligen Nationalen Volksarmee der früheren DDR ausgeschieden sind, Anwendung fände. Die Antragsunterlagen seien zuständigkeitshalber an die Unfallkasse des Bundes abgegeben worden.

Mit Bescheid vom 17.10.2012 lehnte die Unfallkasse des Bundes, eine Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Anerkennung einer entschädigungspflichtigen Berufskrankheit nach Nr. 2402 BKV ab. Nach vorliegenden Erkenntnissen könnten von Senderöhren/Modulatoren ausgehende Röntgenstörstrahlungen bestimmte Tumorerkrankungen verursachen. Die von Sendeantennen der Radargeräte ausgehende Hochfrequenzstrahlung könne solche Tumorerkrankungen jedoch nicht verursachen, da diese Strahlungsart lediglich eine Wärmeeinwirkung verursache. Nach der unfallmedizinischen Literatur, insbesondere aber auch nach dem Bericht vom 02.07.2003 der vom Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages eingesetzten "Radarkommission" stünden mit Ausnahme von Tumorerkrankungen bzw. Trübungen der Augenlinsen sonstige Erkrankungen des internistischen, orthopädischen oder neurologischen Formenkreises in keinerlei Zusammenhang mit Röntgenstörstrahlungen oder Hochfrequenzstrahlungen.

Am 10.11.2012 erhob der Kläger über seinen Bevollmächtigten - per Fax - Widerspruch, der mit Schreiben vom 27.12.2012 begründet wurde. Während des Grundwehrdienstes sei er permanent der Radarstrahlung (Hochfrequenz-Strahlung) des Funkmessgerätes P35 und im Kontrollraum selbst drei speziellen Bildschirmgeräten ausgesetzt gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2013 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Nach medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen seien nur Tumorerkrankungen oder Katarakte der Augenlinsen auf Röntgenstörstrahlung oder Hochfrequenzstrahlung zurückzuführen. Derartige Erkrankungen seien nicht geltend gemacht worden.

Der Kläger erhob am 18.02.2013 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage und trug vor, es sei eine eingehende medizinische Untersuchung notwendig. Er habe sich zwischenzeitlich intensiv bemüht, einen kompetenten Facharzt zu finden. Dabei habe das B. Krankenhaus in K. sowie das Bundeswehr-Fachzentrum in D. keinen Facharzt benennen können, obgleich vergleichbare technische Einrichtungen dort betrieben würden. Ihm sei völlig unverständlich, mit welcher Arroganz man sich bei der Beklagten auf eine Richtlinie beziehe, die sich selbst nicht als Weisheit letzter Schluss verstehe. Der Kläger legte unter anderem Schreiben des Bundesverwaltungsamts vom 08.07.2013 (Bl. 46 der SG-Akte) und des Bundesversicherungsamts vom 14.05.2013 (Bl. 48 der SG-Akte) vor.

Das SG führte einen Erörterungstermin in nichtöffentlicher Sitzung am 09.10.2013 durch. Der Kläger äußerte sich mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 29.11.2013 und 05.12.2013 ergänzend (Bl. 61/63 und 64/65 der SG-Akte), wonach er eine vergrößerte Schilddrüse habe, die bereits vor 40 Jahren diagnostiziert worden sei. Außerdem habe er sich in den vergangenen 30 Jahren acht Knoten entfernen lassen, die bisher nie mehr untersucht worden seien. Außerdem sei auch das Sehvermögen der Augen eingeschränkt. Dies äußere sich nach ca. 2 Stunden Fernsehen oder Arbeiten am Computer. Seine Sehkraft lasse nach und es sei ein eitriger Ausfluss an den Augen vorhanden. Dieses Krankheitsbild passe zu den Erkrankungen durch ionisierende Strahlen. Die Beklagte machte geltend, die jetzt vorgetragenen Erkrankungen seien bisher nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen, der Kläger möge seinen Vortrag belegen. Seitens des Klägers wurde der Befundbericht der Chirurgischen Klinik II des Klinikums F. vom 23.04.2014 vorgelegt (Bl. 71/72 der SG-Akte).

Das SG wies mit Urteil vom 10.12.2014 die Klage ab. Erkrankungen, die als Strahlenspätschäden in Betracht kommen, lägen beim Kläger nicht vor. Zu den Spätschäden zählten Erkrankungen der Haut und der Atemwege, Leukämie und andere malignen Tumore ferner noch das Auftreten von Katarakten. Solche Erkrankungen mache der Kläger nicht geltend.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 13.01.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.02.2015 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Das Urteil des SG sei rechtsfehlerhaft. Er habe folgende Beschwerden, die auf die Abstrahlung ionisierender Strahlen zurückzuführen seien: Beschwerden am Stützsystem Hüfte beidseitig, Beschwerden am Stützsystem Knie, Beschwerden an der Wirbelsäule, Beschwerden an der Schilddrüse, Beschwerden an den Augen (entzündliche Veränderungen der Bindehaut). Da seine Gesundheitsschäden nicht im Katalogsystem der Unfallkasse direkt beschrieben seien, habe der Unfallversicherungsträger die Erkrankung als Wie-Berufskrankheit anzuerkennen (Schreiben vom 10.03.2015, Bl. 11/12 LSG-Akte). Soweit der Einigungsvertrag bestimme, dass berufliche Schäden von Wehrdienstpflichtigen der DDR-Volksarmee nicht nach dem Soldatenversorgungsgesetz, sondern durch die Unfallkasse Bund geregelt werde, liege ein Verstoß gegen § 3 des Grundgesetzes wegen Benachteiligung vor (Schreiben vom 10.03.2015, Bl. 10 der LSG-Akte).

Der Kläger beantragt - sinngemäß -, das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 10.12.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 17.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.01.2013 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, Beschwerden am Stützsystem Hüfte beidseitig, am Stützsystem Knie, an der Wirbelsäule, Beschwerden an der Schilddrüse sowie entzündliche Augenveränderungen der Bindehaut als Berufskrankheiten Nr. 2401 der Anlage 1 der BKV, hilfsweise als Wie-Berufskrankheit festzustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG.

Mit Beschluss des Senats vom 14.10.2015 ist der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden.

Mit richterlicher Verfügung vom 12.02.2015 ist der Klägerbevollmächtigte aufgefordert worden, die Voraussetzungen der Vertretungsbefugnis nach § 73 Abs. 2 SGG darzulegen. Der Bevollmächtigte hat sich hierzu mit Schreiben vom 16.02.2015 geäußert. Daraufhin ist der richterliche Hinweis vom 18.02.2015 erteilt worden, zur Vermeidung eines zwingenden Zurückweisungsbeschlusses des Senats möge der Kläger im gerichtlichen Verfahren künftig entweder sich nur noch selbst äußern oder einen vertretungsberechtigten Bevollmächtigten beauftragen.

Mit richterlicher Verfügung vom 20.10.2015 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen worden. Nachdem der Kläger sich erneut über seinen Bevollmächtigten zur Sache (Schreiben vom 10.11.2015, Bl. 34/35) und zu den juristischen Kenntnissen des Bevollmächtigten unter Beifügung von Zeugnissen und Auszügen des Studienbuchs des Bevollmächtigten geäußert hat (gesondertes Schreiben vom 10.11.2015, Blatt 37/48), ist mit richterlicher Verfügung vom 17.11.2015 den Beteiligten mitgeteilt worden, dass an den in den Hinweisen vom 18.02.2015 und 20.10.2015 angekündigten Entscheidungen festgehalten werde. Der Klägerbevollmächtigte hat sich hierzu mit Schreiben vom 29.11.2015 erneut in der Sache geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

II.

A Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält. Das Einverständnis der Beteiligten ist nicht erforderlich. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 20.10.2015 und wiederholend vom 17.11.2015 auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigten Verfahren Stellung zu nehmen. Das Vorbringen im Schreiben des Bevollmächtigten vom 29.11.2015 enthält lediglich eine Vertiefung bisherigen Vorbringens, weshalb der Senat nicht gehalten war, einen erneuten richterlichen Hinweis zur beabsichtigten Verfahrensweise zu erteilen.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthaft und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässig, jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Rechtsvorgängerin der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das klagabweisende Urteil des SG ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Die unterbliebene Anhörung des Klägers vor Erlass des angefochtenen Bescheids ist nach gewährter Akteneinsicht mit dem Vorbringen des Klägers im Widerspruchsverfahren nachgeholt und der Verfahrensfehler damit geheilt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). Der Bescheid ist daher formell rechtmäßig.

Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass gemäß § 215 Abs. 1 SGB VII i.V.m. Kapitel IX Abschnitt 3 des Einigungsvertragsgesetzes und der Vereinbarung vom 18.09.1990 das Unfallversicherungsrecht des SGB VII anzuwenden ist. Diese Regelung ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Eine willkürliche, nicht an sachlichen Differenzierungsmerkmalen ausgerichtete Ungleichbehandlung ist entgegen dem Vorbringen des Klägers nicht zu erkennen; ob die ausführende Regelung im Einigungsvertragsgesetz nach den Grundsätzen konkurrierenden Verfassungsrechts auszulegen ist, kann dahinstehen.

Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheiten Verordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind.

Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (vgl. BSG Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R -, veröffentlicht in juris). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit. Abweichend von der früheren Verwendung des Begriffs der haftungsbegründenden Kausalität folgt der Senat der überzeugenden neueren Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil 02.04.2009 a.a.O.), dass auch im Berufskrankheiten-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität bezeichnet werden kann. Erst die Verursachung einer Erkrankung oder ihre wesentliche Verschlimmerung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen - in nachgewiesener Dauer und Intensität - begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den Berufskrankheitenfolgen, die dann gegebenenfalls zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der Berufskrankheit keine Voraussetzung des Versicherungsfalles. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat "anhand" des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Ursachenzusammenhänge zwischen Ereignissen und Gesundheitsstörungen (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).

Der Tatbestand der BK Nr. 2402 lautet: Erkrankungen durch ionisierende Strahlen.

Der Senat lässt dahinstehen, ob der Kläger überhaupt eine versicherte Tätigkeit nachgewiesen hat. Unterlagen über den von ihm behaupteten Wehrdienst in der früheren Nationalen Volksarmee sind nicht mehr vorhanden. Jedenfalls liegen aber die Voraussetzungen der haftungsbegründenden Kausalität nicht vor. Ein wesentlicher Zusammenhang der zu Gunsten des Klägers unterstellten versicherten Einwirkung durch ionisierende Strahlen und der von ihm geltend gemachten Gesundheitsstörungen ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festzustellen.

Der Senat hat weder eine durch radioaktive Stoffe hervorgerufene Schilddrüsenerkrankung des Klägers noch eine Augenerkrankung feststellen können. Die auf orthopädischem Gebiet zu beurteilenden Erkrankungen der Hüfte, der Knie und der Wirbelsäule sind nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Strahlenbelastung zurückzuführen.

Nach dem im gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlichten Merkblatt (GMBl. 2011, 983), das das bisherige Merkblatt vom 13.05.1991 ersetzt hat, sind die geltend gemachten Hüft-, Knie- und Wirbelsäulenbeschwerden keine Erkrankungen, die auf Exposition gegenüber Röntgenstrahlen zurückzuführen sind. Das vom wissenschaftlichen Beirat 2011 verfasste Merkblatt hat die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse, die auch jetzt noch Gültigkeit beanspruchen, berücksichtigt. Der Kläger hat keine Studien benannt, die nach 2011 veröffentlicht worden sind und Anlass geben würden, im Merkblatt oder in der unfallversicherungsrechtlichen und arbeitsmedizinischen Literatur nicht bezeichnete Erkrankungen jetzt als durch Strahlenbelastung induzierte Erkrankungen zu beurteilen. Danach sind vorwiegend Tumorerkrankungen Folgen der spezifischen Einwirkung durch Strahlenbelastung (vgl. Anhang 2 des Merkblatts). Das Vorliegen von malignen Tumoren hat der Kläger nicht behauptet. Sein Hinweis, ihm seien in den letzten 30 Jahren mehrfach "Knoten", die sich unter der Haut gebildet hätten, ohne nachfolgende weitere Untersuchung entfernt worden, lässt gerade nicht erkennen, dass es sich um cancerogene Hautwucherungen gehandelt hat, geschweige denn hat er eine entsprechende Diagnose benannt. Das Krankheitsbild einer chronischen Hautschädigung (vgl. Merkblatt III D) hat er nicht geltend gemacht.

Soweit der Kläger Schilddrüsenbeschwerden und jetzt auch im Berufungsverfahren entzündliche Veränderung der Bindehaut am Auge geltend macht, hat sich der Senat nicht gedrängt gesehen, dies weiter aufzuklären. Über diese Erkrankungen ist noch keine Verwaltungsentscheidung durch die Beklagte getroffen worden. Ob bis zur letzten Tatsachenentscheidung eines laufenden Rechtsbehelfsverfahrens noch weitere Gesundheitsstörungen zur Begründung einer geltend gemachten BK eingeführt werden können, ist zumindest fraglich. Der Senat lässt dies dahinstehen. Denn auch mit diesem Vorbringen ist der Anspruch auf Feststellung der BK nicht zu begründen. Der Kläger hatte in der Folge des vom SG durchgeführten Erörterungstermins lediglich den Arztbrief der Chirurgischen Klinik II des Klinikums F. vom 23.04.2014 vorgelegt, in dem eine Dorsalgie mit den Nebendiagnosen: Z.n. frontobasalen Contusion bds. mit subjektiver Merkfähigkeitsstörung, Z.n. Myokardinfarkt (eigenanamnestisch), Coxarthrose rechts, sensomotorisch axonale Polyneuropathie, Spinalkanalstenose L3/L4/L5 mit Z.n. osteoligamentärer Dekompression 2009 angegeben ist. Eine konkrete Diagnose hinsichtlich der geltend gemachten Schilddrüsenbeschwerden oder zur Augenerkrankung hat der Kläger nicht genannt. Zutreffend hat das SG im angefochtenen Urteil darauf verwiesen, dass die vom Kläger als "vergrößerte Schilddrüse" umschriebene Auffälligkeit ein weit verbreitetes Struma darstellt, das einer malignen Schilddrüsenerkrankung (vgl. Anhang 2 des Merkblatts) nicht gleichkommt. Jedenfalls hat der Kläger auch im Berufungsverfahren hierzu nichts Weiteres vorgetragen bzw. einen ärztlichen Befund benannt, der zu weiteren Ermittlungen Anlass geben könnte. Vielmehr ist aufgrund des Verfahrensgangs, wonach der Kläger zunächst lediglich auf orthopädischem Fachgebiet zu behandelnde Beschwerden geltend gemacht hatte und auf die Konkretisierung der Gesundheitsstörungen im gerichtlichen Verfahren verwiesen worden ist, davon auszugehen, dass der Kläger über die belegten Befund hinaus hierzu auch keine weiteren medizinischen Befunde seiner behandelnden Ärzte hat vorlegen können. Dies gilt auch für die vom Kläger erstmals im Berufungsverfahren behauptete Bindehauterkrankung an beiden Augen. Sehstörungen waren im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht worden bzw. Beschwerden einer Linsentrübung sind im Verfahren vor dem SG mit den dann angegebenen Augenbeschwerden nicht beschrieben worden. Auch dies hat das SG zutreffend ausgeführt, weshalb der Senat hierauf verweist. Im Hinblick darauf, dass das Vorbringen zu den Erkrankungen schwankend ist, die Beschwerden an den Augen werden im Berufungsverfahren erstmals und abweichend vom Vortrag vor dem SG mit entzündlichen Veränderungen der Bindehaut umschrieben, was nach dem Merkblatt allenfalls ein akuter lokaler Strahlenschaden sein kann, hält der Senat das Vorbringen des Klägers zu seinen sonstigen Erkrankungen für wenig glaubhaft. Die zuletzt geltend gemachten Beschwerden am Auge sprechen zudem allenfalls für einen Akutschaden, von dem aber nach Ende der streitigen Einwirkung bereits im Oktober 1968 nicht ausgegangen werden kann.

Aufgrund dieser Sachlage hat der Senat keine Veranlassung gehabt, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Der Beweisanregung des Klägers, einen mit Strahlenschäden vertrauten Sachverständigen zu beauftragen, musste der Senat nicht folgen. Der Senat hat die herrschende wissenschaftliche Lehrmeinung zugrunde zu legen, die nach den obigen Ausführungen hinreichend in Auswertung der hierzu einschlägigen wissenschaftlichen Studien in den genannten Veröffentlichungen wiedergegeben ist. Nachdem keine Erkrankungen, die nach wissenschaftlicher Erkenntnis Folge einer Strahlenbelastung ist, bereits dem unsubstantiierten und wegen Steigerung auch unglaubhaften Klägervorbringen entnommen werden konnten, waren weitere Ermittlungen nicht geboten. Soweit der Kläger zuletzt erneut geltend macht, dass die wissenschaftliche Diskussion noch nicht abgeschlossen sei und daher seit 2011 neue Erkenntnisse gegeben sein könnten, hat er weder Anknüpfungspunkte für solche neue Erkenntnisse benannt noch dargelegt, dass über einzelne Meinungsäußerungen hinaus auch ein weitgehender-wissenschaftlicher Konsens hinsichtlich etwaiger neuer Erkenntnisse vorliegt. Ermittlungen "ins Blaue hinein" können aber auch im Rahmen der Amtsermittlungspflicht des Senats nicht verlangt werden.

Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 10.03.2015 auch die Anerkennung von Gesundheitsschäden als Wie-Berufskrankheit begehrt, ist die Berufung bereits deshalb unbegründet, weil dieser erstmals im Berufungsverfahren gestellte Antrag eine Klageänderung darstellt, die nicht zulässig ist (§ 99 Abs. 1 SGG). Weder hat die Beklagte in die Klageänderung eingewilligt oder sich widerspruchslos in der Sache hierzu eingelassen (§ 99 Abs. 2 SGG) noch hält der Senat die Änderung für sachdienlich. Denn die geänderte Klage wäre auch unzulässig. Eine mit einer Klage anfechtbare Verwaltungsentscheidung bezüglich der Feststellung einer Wie-BK liegt nicht vor. Mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 17.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.01.2013 hat die Beklagte lediglich die Feststellung der BK Nr. 2401 abgelehnt. Über eine Wie-Berufskrankheit hat die Beklagte bislang nicht entschieden. Im Übrigen dürften auch die Voraussetzungen nicht vorliegen, denn der Kläger hat nicht geltend gemacht, dass hinsichtlich der von ihm vorgetragenen Erkrankungen eine Mehrheit der medizinischen Wissenschaftler sich für eine Ergänzung der bisherigen Listen-Berufskrankheiten ausgesprochen hat. Dies ist nach der gerade erst im Jahr 2011 erfolgten Neuempfehlung des wissenschaftlichen Beirates auch nicht plausibel.

B Der Senat hat Herrn F. H. als Bevollmächtigten des Klägers gem. § 73 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in diesem Verfahren zurückgewiesen, da er nicht nach Maßgabe des § 73 Abs. 2 SGG vertretungsbefugt ist. Der Kläger ist über die beabsichtigte Zurückweisung seines Bevollmächtigten und deren Voraussetzungen mit richterlicher Verfügung von 18.02.2015 und zuletzt mit Verfügung vom 17.11.2015 unterrichtet worden und hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Die Beteiligten können vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht den Rechtsstreit selbst führen, § 73 Abs. 1 SGG.

Nach § 73 Abs. 2 SGG ist der Kreis der vertretungsberechtigten Personen vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht abschließend aufgeführt (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73 Rdnr. 6). Entsprechend können sich die Beteiligten durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht vertretungsbefugt nur diejenigen, die in § 73 Abs. 2 Satz 2 im Einzelnen aufgeführt sind.

Der Bevollmächtigte H. erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Er hat im Rahmen seiner Anhörung durch richterliche Verfügung vom 12.02.2015 mit Fax vom 15.02.2015 weder dargelegt, Anwalt oder Rechtslehrer nach § 73 Abs. 2 S. 1 SGG zu sein noch eine Vertretungsbefugnis nach § 73 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGG behauptet. Vielmehr hat er sich als langjähriger guter Freund des Klägers bezeichnet, der keine professionelle Vertretung ausübe. Die von ihm mit Schreiben vom 10.11.2015 vorgelegten Zeugnisse zu seiner Tätigkeit als Betriebswirt bzw. Studienbuchauszüge über die Teilnahme an juristischen Seminaren im Rahmen des betriebswissenschaftlichen Studiums erfüllen im Übrigen die Voraussetzungen nach § 73 Abs. 2 SGG nicht. Damit war der Bevollmächtigte zwingend zurückzuweisen. Seine bis zum Zeitpunkt der Zurückweisung ausgeübten Prozesshandlungen bleiben wirksam (§ 73 Abs. 3 S. 2 SGG).

Die Zurückweisung ist nicht selbstständig anfechtbar (§ 73 Abs. 3 S. 1 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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