L 9 AS 3850/14 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 3556/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 3850/14 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11. August 2014 (S 12 AS 3556/12) wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 SGG zulässig, da vorliegend der Beschwerdewert mit der für die Zeit vom 01.02.2011 bis 31.07.2011 geforderten Erstattung in Höhe von 25,44 EUR den gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG maßgeblichen Wert von 750,00 EUR nicht übersteigt und nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Das SG hat in seinem Urteil die Berufung nicht zugelassen, weshalb diese der Zulassung bedarf.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch sonstige Gründe für die Zulassung der Berufung nicht vorliegen.

Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn

1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Gemessen an diesen Maßstäben ist die Berufung nicht zuzulassen.

Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache stets dann, wenn sie eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 144 Rn. 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann nicht, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist oder durch Auslegung des Gesetzes eindeutig beantwortet werden kann (BSG SozR 3-4100 § 111 Nr. 1 und SozR 4-1500 § 160a Nr. 7). Der Senat schließt sich in vollem Umfang den Ausführungen des 13. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Beschluss vom 07.12.2015, L 13 AS 3852/14 NZB zu S 12 AS 3557/12, bezogen auf die Klage der Mutter der Klägerin gegen die aufgrund der Schätzung des Einkommens des Ehemannes und Vaters zurückgeforderten Leistungen für denselben Zeitraum), die denselben Lebenssachverhalt betreffen, an. Der 13. Senat führte zu den auch in diesem Verfahren geltend gemachten Zulassungsgründen aus:

"Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage in diesem Sinn wirft die Streitsache nicht auf. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit nach § 3 Abs. 6 der ALG II-V, weil das tatsächliche Einkommen nicht innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten nach Ende des Bewilligungsabschnitts nachgewiesen worden ist, geschätzt werden konnte und ob der Beklagte die Schätzung in rechtmäßiger Art und Weise vorgenommen hat. Die insoweit anzustellenden Erwägungen und Überlegungen sind auf den Einzelfall bezogen und werfen keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung auf. Eine solche liegt entgegen den Ausführungen des Beklagten insbesondere nicht darin, dass die Frage, wer bei der abschließenden Entscheidung die Beweislast für die Richtigkeit trage und welche inhaltlichen Anforderungen an die Schätzung nach § 3 Abs. 6 ALG II-V zu stellen seien, höchstrichterlich nicht geklärt sei. Die Frage der Beweislast ergibt sich bereits aus den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts. Im Rahmen des § 3 Abs. 6 Alg II-V sind vom Grundsicherungsträger die zur Bestimmung der Grundlagen der Schätzung möglichen Ermittlungen von Amts wegen vollständig durchzuführen und deren Ergebnisse zusammen mit den zur Schätzung eingestellten Überlegungen vollständig und nachvollziehbar im Bescheid wiederzugeben (vgl. u.a. Urteil des Senats vom 28. August 2014, L 13 AS 2522/13, Eicher SGB II § 13 Rdnr. 72, Geiger in LPK-SGB II § 11 Rdnr. 60, LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 8. Oktober 2010, L 5 AS 200/10B ER; SG Aachen, Urteil vom 18 Februar 2014 S 14 AS 921/13, Juris). Im Rahmen der nach § 3 Abs. 6 Alg II-V durchzuführenden Schätzung sind die Antragsteller, hier die Kläger, vorher zu den für die Schätzung herangezogenen Kriterien anzuhören. Daraus ergibt sich, dass der Grundsicherungsträger für die Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit der Schätzung bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens beweisbelastet ist. Die weiter aufgeworfene Frage, ob die Verfügung der Vorläufigkeit im Ausgangsbescheid sich auch auf die Kosten der Unterkunft und Heizung bezieht, stellt ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung dar, weil dies einzelfallbezogen nur danach beurteilt werden kann, wie die Vorläufigkeit im Einzelfall konkret verfügt worden ist. Die Beurteilung hierzu erfolgt durch Auslegung des Bescheids.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass Erwägungen zur Richtigkeit der Entscheidung des SG für die Frage der grundsätzlichen Bedeutung bereits systematisch verfehlt und irrelevant sind (Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 145 Rdnr. 5).

Darüber hinaus liegt auch eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG nicht vor. Eine solche Divergenz ist anzunehmen, wenn tragfähige abstrakte Rechtssätze, die einer Entscheidung des SG zugrunde liegen, mit denjenigen eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmen. Das SG muss seiner Entscheidung also einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit der Rechtsprechung jener Gerichte nicht übereinstimmt (vgl. hierzu Leitherer, a.a.O., § 160 Rdnr. 13 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Einen Rechtssatz in diesem Sinn hat das SG in seinem Urteil nicht aufgestellt, so dass eine Divergenz nicht in Betracht kommt.

Letztlich ist auch ein wesentlicher Mangel des gerichtlichen Verfahrens im Sinne des dritten Zulassungsgrundes nicht erfolgreich geltend gemacht worden. Soweit der Beklagte vorbringt, das SG habe die im Laufe des Klageverfahrens vorgelegten Buchführungsunterlagen nicht gewürdigt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Maßgebend für die Rechtmäßigkeit der Schätzung ist der Zeitpunkt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens."

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).

Das angefochtene Urteil des SG wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved