L 7 AS 709/15

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 18 AS 2209/09
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 709/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die erstinstanzliche Bezifferung einer mehr als 750,00 € betragenden Gesamtforderung führt nicht zwingend zur Statthaftigkeit der Berufung. Obwohl es für den Wert des Beschwerdegegenstandes auf das mit der Berufung weiterverfolgte prozessuale Begehren des Berufungsklägers ankommt, kann dieser nicht die zulassungsfreie Berufung dadurch erzwingen, dass er bereits vor dem SG einen Antrag stellt, welcher die Wert- oder Zeitgrenze, die für die Zulassungsbedürftigkeit der Berufung maßgeblich ist, überschreitet, der aber jeder sachlichen Grundlage entbehrt (BSG, Urteil vom 05.03.1980 – 9 RV 44/78, RdNr. 14; Urteil vom 26.10.1983 – 9b RU 46/83, RdNr. 10).
2. Zur wirksamen Klageerweiterung gem. § 99 Abs. 1 SGG
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 11. Juni 2015 wird verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), insbesondere jedoch über die Statthaftigkeit der Berufung.

Die Kläger beziehen fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im streitigen Zeitraum bewohnten sie eine Mietwohnung. Die Bruttowarmmiete betrug insgesamt 640,20 EUR (Bl. 1410 Verwaltungsakte (VA)).

Der Beklagte änderte mit Änderungsbescheid vom 18.05.2009 (Bl. 1355 VA) die Leistungsbewilligung für die Kläger für den Zeitraum vom 01.02.2009 bis 31.07.2009 ab. Er setzte nunmehr einen monatlichen Beitrag zur Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von 21,68 EUR vom Kindergeld des Klägers zu 3 ab (Bl. 1355 VA). Er nahm die Bewilligung von Leistungen in Höhe von insgesamt 1.583,68 EUR monatlich vor (Regelleistung in Höhe von 965,68 EUR; Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 618,00 EUR). Der bis dahin bereits regelmäßig vorgenommene Abzug der Warmwasserpauschale wurde unverändert beibehalten. Der Beklagte passte mit Änderungsbescheid vom 07.06.2009 (Bl. 1420 VA) die Regelleistungshöhe für den Bewilligungsmonat Juli 2009 an und gewährte den Klägern Leistungen in Höhe von 1.610,68 EUR. Der Abzug der Warmwasserpauschale wurde unverändert beibehalten. Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 14.06.2009 (Bl. 1410 VA). Monatlich entstünden den Klägern tatsächliche Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 640,20 EUR. Der Beklagte gewähre jedoch lediglich einen Betrag für Unterkunft und Heizung in Höhe von 618,00 EUR monatlich. Vom Beklagten seien die vollständigen Kosten zu übernehmen. § 1 SGB II sei zu beachten. Der Beklagte wies den Widerspruch der Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 25.06.2009 zurück (Bl. 1442 VA). Er wies auf die Zusammensetzung des Regelbedarfs hin. Die Kosten der Warmwasserbereitung seien in der Regelleistung enthalten. Sie seien aber auch Bestandteil der tatsächlichen Heizkosten. Eine Doppelzahlung komme nicht in Betracht. Da die Warmwasserkosten bereits in der Regelleistung enthalten seien, seien sie von den tatsächlich anfallenden Heizkosten abzusetzen.

Der Kläger zu 1 hat sein Begehren mit der am 29.06.2009 zum Sozialgericht Leipzig (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Es müsse die Schwerbehinderteneigenschaft seiner Kinder Berücksichtigung finden. Die rechtlichen Vorschriften des SGB II beträfen nur den gesunden Menschen. Die Warmwasserpauschale dürfe nicht abgezogen werden. Mit Schriftsatz vom 07.07.2009 haben auch die Kläger zu 2 bis 4 Klage erhoben (Bl. 13 Gerichtsakte (GA)).

Mit Schriftsatz vom 24.07.2009 (Bl. 23 GA) haben die Kläger – parallel zu der Klageerweiterung vom 24.07.2009 in dem Verfahren S 18 AS 554/09 (dort Bl. 46 ff. GA) – weiter auf den Widerspruchsbescheid vom 22.07.2009 (Bl. 1486 VA) Bezug genommen, mit dem der Beklagte den Widerspruch der Kläger vom 07.07.2009 gegen den Bewilligungsbescheid vom 01.07.2009 für den Zeitraum vom 01.08.2009 bis 31.01.2010 (Bl. 1461, 1487 VA) in der Fassung des Änderungsbescheides vom 14.07.2009 (Bl. 1476 VA) als unbegründet zurückgewiesen hat. Für diesen Bewilligungszeitraum (01.08.2009 bis 31.01.2010) hat der Beklagte in der Folgezeit weitere Änderungsbescheide (Bl. 1518, 1552, 1661, 1706 VA) erlassen. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 11.06.2015 hat sich der Beklagte diesbezüglich zur Sache eingelassen.

Die Beteiligten haben mit gerichtlichem Vergleich vom 09.03.2015 den Rechtsstreit S 18 AS 554/09 betreffend der Bewilligungszeiträume vom 01.02.2009 bis 31.07.2009 und 01.08.2009 bis 31.01.2010 gütlich beigelegt (Bl. 112 der dortigen GA).

Mit Schriftsatz vom 04.03.2015 hat der Kläger nochmals weitere Leistungszeiträume von 2008 bis 2012 hinsichtlich der Leistungsberechnung angegriffen, insbesondere auf einen Überprüfungsantrag vom 01.04.2009 Bezug genommen (Bl. 50 ff. GA). Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 11.06.2015 in diese Klageerweiterung ausdrücklich nicht eingewilligt.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11.06.2015 abgewiesen. Die Klage sei im Hinblick auf den Bewilligungszeitraum vom 01.07.2009 bis 31.01.2010 zulässig, jedoch unbegründet. Für die übrigen Leistungszeiträume (01.01.2008 bis 30.06.2009 und 01.02.2010 bis 31.12.2010) sei die Klage bereits unzulässig. Die mit Schriftsatz vom 07.07.2009 erklärte Klageerweiterung auf die Kläger zu 2 bis 4 sei gemäß § 99 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sachdienlich und damit zulässig. Die Sachdienlichkeit sei anhand der Interessen und der Prozessökonomie zu beurteilen. Dabei sei die Verfahrensdauer und die Entscheidungsreife des bisherigen Klageverfahrens maßgeblich (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Auflage 2014, § 99, RdNr. 10 und 11). Sachdienlichkeit liege hier vor, da die gesamte Bedarfsgemeinschaft von den Regelungen in den angefochtenen Bescheiden betroffen sei, eine einheitliche Entscheidung aus prozessökonomischen Gründen sinnvoll sei und der Prozess durch die Klageerweiterung nicht verzögert werde. Im Übrigen gelte für die vorgenommenen Prozesshandlungen § 73 Abs. 6 Satz 3 SGG, wonach bei Ehegatten und Verwandten in gerader Linie unterstellt werde, dass sie bevollmächtigt seien. Entsprechendes gelte für die Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 24.07.2009, mit dem die Kläger die Klage auf den Bewilligungszeitraum vom 01.08.2009 bis 31.01.2010 erweitert haben. Auch diese Klageerweiterung sei als sachdienlich im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG anzusehen. Denn eine Einbeziehung dieses Leistungszeitraumes führe aufgrund des bereits durchgeführten Vorverfahrens nicht zu einer weiteren Verfahrensverzögerung. Der Prozess sei weiterhin entscheidungsreif. Zudem habe der Beklagte in diese Klageerweiterung eingewilligt, indem er sich in der mündlichen Verhandlung vom 11.06.2015 auf die abgeänderte Klage eingelassen habe. Hinsichtlich der übrigen von den Klägern mit Schriftsatz vom 04.03.2015 in das hiesige Klageverfahrens eingeführten Leistungszeiträume vom 01.01.2008 bis 30.06.2009 und vom 01.02.2010 bis 31.12.2010 sei die Klage nicht zulässig. Die Voraussetzungen für eine zulässige Klageänderung nach § 99 Abs. 1 SGG seien nicht gegeben. Der Beklagte habe in die Klageerweiterung weder durch Schriftsatz noch durch eine Einlassung in der mündlichen Verhandlung vom 11.06.2015 eingewilligt (§ 99 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 2 SGG). Zudem sei die Klageerweiterung nicht sachdienlich. Sie würde zu einer weiteren Verfahrensverzögerung führen, da eine Verbescheidung des Überprüfungsantrages vom 01.04.2009 bislang nicht erfolgt sei und es für den gesamten Zeitraum mangels Anfechtung konkreter Bescheide an der Durchführung eines Vorverfahrens mangele (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Für die bezüglich des Bewilligungszeitraums vom 01.07.2009 bis 31.01.2010 erhobene Klage lägen die Zulässigkeitsvoraussetzungen vor. Hinsichtlich der Durchführung eines ordnungsgemäßen, aber erfolglosen Widerspruchsverfahrens bezüglich aller Kläger (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG) werde auf § 38 Abs. 1 SGB II Bezug genommen. Dieser finde auch auf Widerspruchsverfahren Anwendung. Danach werde die Bevollmächtigung aller Kläger bei der Einlegung des Widerspruchs vermutet (Schoch in Münder, LPK-SGB II, 5. Auflage 2013, RdNr. 19; Valgolio in Hauck/Noftz, Kommentar SGB II, Stand 03/15, § 38, RdNr. 32). Die für den Bewilligungszeitraum vom 01.07.2009 bis 31.01.2010 erhobene Klage sei jedoch unbegründet. Den Klägern stehe für diese Zeit kein höherer Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II zu. Ein Anspruch folge insbesondere nicht aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Dies gelte auch – falls sich die Klageerweiterung vom 04.03.2015 gemäß § 99 Abs. 1 SGG sachdienlich wäre – für den Zeitraum vom 01.02.2009 bis 30.06.2009. Der Abzug der Warmwasserpauschale von den Kosten der Unterkunft und Heizung sei durch den Beklagten in rechtmäßiger Weise erfolgt. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II seien die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu übernehmen, soweit diese angemessen seien. Danach bestehe grundsätzlich ein Anspruch auf Übernahme der Heizkosten in tatsächlicher Höhe. Dies gelte ausnahmsweise dann nicht, wenn der Bedarf anderweitig gedeckt sei. Eine anderweitige Bedarfsdeckung sei für den hier streitigen Bewilligungszeitraum vom 01.07.2009 bis 31.01.2010 durch die Bewilligung der Regelleistung gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F. (in der Fassung vom 10.10.2007, gültig vom 01.06.2007 bis 31.12.2010) erfolgt. In der Regelleistung seien die Kosten für die Haushaltsenergie, darunter anteilig die Kosten für die Warmwasserbereitung, enthalten. Das Bundessozialgericht (BSG) habe im Urteil vom 27.02.2008 – B 14/11b AS 15/07 R, RdNrn. 20 ff. entschieden, dass die Kosten der Warmwasserbereitung bereits von der Regelleistung gem. § 20 SGB II umfasst seien. Diese könnten daher nicht zweifach gedeckt werden, nämlich einmal im Rahmen der Regelleistung gem. § 20 Abs. 2 SGB II und zum anderen im Rahmen der Kosten der Unterkunft gem. § 22 SGB II. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II seien in der Regelleistung auch die Kosten für Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile enthalten. Weil die Kosten für die Warmwasserbereitung in der Regelleistung enthalten seien, seien sie von den tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung abzuziehen. Dies habe das BSG im Urteil vom 24.02.2011 – B 14 AS 52/09 R erneut bestätigt (siehe auch Saitzek in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 20 RdNr. 49; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 77 RdNr. 14). Ein etwaiger Nachzahlungsanspruch ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der Übergangsvorschrift des § 77 Abs. 6 SGB II, der lediglich Bewilligungszeiträume vor dem 01.01.2011, die über den 31.12.2010 hinausgingen, erfasse. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Zwar verkenne das SG nicht, dass aufgrund der Pflege der beiden schwerbehinderten Kinder möglicherweise höhere Warmwasserkosten angefallen seien, jedoch sei eine rechtliche Grundlage für das Begehren der Kläger nicht ersichtlich. Insbesondere ergebe sich ein Anspruch nicht aus der von den Klägern zitierten Norm des § 1 Abs. 2 Satz 4 Nr. 5 SGB II. Im Übrigen habe das Verfahren S 18 AS 554/09 die Bewilligungszeiträume vom 01.02.2009 bis 31.07.2009 und 01.08.2009 bis 31.01.2010 umfasst. Die mit Schriftsatz vom 24.07.2009 im Verfahren S 18 AS 554/09 erfolgte Klageerweiterung sei sachdienlich gewesen. Darauf habe das SG die Beteiligten hingewiesen. Dem geltend gemachten Anspruch stehe damit der gerichtliche Vergleich im Verfahren S 18 AS 554/09 entgegen (BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 4 AS 17/13, RdNrn. 19, 23). Dies gelte auch für den Zeitraum vom 01.02.2009 bis 30.06.2009, falls die Klageerweiterung vom 04.03.2015 sachdienlich sein sollte. Die Berufung sei zulässig, weil der Beschwerdewert von 750,00 EUR gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG überschritten sei.

Gegen das den Klägern am 17.06.2015 zugestellte Urteil haben diese am 09.07.2015 Berufung eingelegt. Die Regelleistungen seien aufgrund der Schwerpflegebedürftigkeit der Kläger zu 3 und 4 nicht zutreffend ermittelt (BSG, Urteil vom 23.07.2014 – B 8 SO 14/13 R und B 8 SO 31/12 R).

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 11.06.2015 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 07.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2009 und dem Bescheid vom 01.07.2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 14.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2009 abzuändern und den Klägern monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 640,20 EUR statt 618,00 EUR für den streitigen Zeitraum zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Instanzen, die Akten S 18 AS 554/09, S 18 AS 2207/09 sowie die Verwaltungsakte des Beklagten vor.

II.

Die fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist nicht statthaft. Daher ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann gemäß § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss ergehen.

1. Der Senat hat die Beteiligten mit gerichtlichem Schreiben vom 19.08.2015 zur beabsichtigten Verwerfung der Berufung durch Beschluss gemäß § 158 SGG angehört.

2. Die Berufung ist vom Kläger zu 1 im Namen aller Kläger eingelegt worden (Bl. 105, 108 GA). Eine Bevollmächtigung des Klägers zu 1 zur Berufungseinlegung auch für die Kläger zu 2 bis 4 ist aufgrund des § 73 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 6 Satz 3 SGG zu unterstellen.

3. Die Berufung der Kläger ist nicht statthaft.

Streitgegenstand des Verfahrens ist, ob den Klägern höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 22,20 EUR monatlich (Differenz zwischen den tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 640,20 EUR und den bewilligten Kosten der Unterkunft und Heizung von 618,00 EUR) im streitigen Zeitraum zustehen. Es kann dahinstehen, ob streitiger Zeitraum lediglich der Monat Juli 2009 oder der Zeitraum vom 01.07.2009 bis 31.01.2010 ist. In beiden Fällen übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG) nicht.

a) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens (W 7642/09 – Bl. 1442 VA, Bl. 6 GA) war der Widerspruch der Kläger vom 14.06.2009 (Bl. 1410 VA) gegen den Änderungsbescheid vom 07.06.2009. Letzterer beinhaltete allein Regelungen zum Bewilligungsmonat Juli 2009 (Bl. 1420 VA, Bl. 6 R GA). Die Kläger beanspruchten die Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Kosten von 640,20 EUR statt der mit Bescheid vom 07.06.2009 gewährten Kosten in Höhe von 618,00 EUR, mithin um 22,20 EUR höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausschließlich für den Monat Juli 2009.

b) Es kann weiter dahinstehen, ob das SG zutreffend von einer mit Schriftsatz vom 24.07.2009 (Bl. 23 GA) wirksam erfolgten Klageerweiterung für den Bewilligungszeitraum vom 01.08.2009 bis 31.01.2010 ausgegangen ist. Im Schriftsatz vom 24.07.2009 (Bl. 23 GA) greifen die Kläger den Widerspruchsbescheid vom 22.07.2009 an und machen auch diesbezüglich im hiesigen Verfahren die Differenz zwischen den tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung von 640,20 EUR und den gewährten 618,00 EUR geltend. Der Widerspruchsbescheid vom 22.07.2009 (Bl. 1486 VA) betrifft den Bewilligungszeitraum vom 01.08.2009 bis 31.01.2009. Ihm gingen die Bewilligungsbescheide vom 01.07.2009 und 14.07.2009 voraus.

Für eine wirksame Klageerweiterung spricht, dass die Kläger die Klageerweiterung innerhalb der Klagefrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG erklärt haben (BSG, Urteil vom 03.03.2009 – B 4 AS 37/08 R, RdNr. 14) und die Voraussetzungen für eine wirksame Klageerweiterung gemäß § 99 Abs. 1 SGG vorliegen dürften, weil der Beklagte sich in der mündlichen Verhandlung vom 11.06.2015 auf die Klageerweiterung eingelassen hat und diese vom SG als sachdienlich erachtet wurde (Bl. 92 R GA und Urteil SG). Im Falle einer wirksamen Klageerweiterung wäre Streitgegenstand der Zeitraum vom 01.07.2009 bis 31.01.2010. Die Kläger würden in diesem Falle höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für diesen Zeitraum in Höhe von 22,20 EUR monatlich, mithin insgesamt 155,40 EUR (22,20 EUR x 7 Monate) beanspruchen.

c) Die mit Schriftsatz vom 04.03.2015 geltend gemachten Ansprüche sind nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden, denn sie betreffen nicht den Streitgegenstand des anhängigen Verfahrens (22,20 EUR höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.07.2009 bis 31.07.2009/31.01.2010).

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist Streitgegenstand lediglich die Leistungsbewilligung für den maßgeblichen Bewilligungszeitraum. Folgebescheide oder vorausgegangene Bescheide werden nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens (ständige Rechtsprechung des BSG, u.a. Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 10/06 R, RdNr. 11). Ihre Einbeziehung ist vom SG zutreffend nicht für sachdienlich erachtet worden. Der Beklagte hat der Einbeziehung in der mündlichen Verhandlung vom 11.06.2015 ausdrücklich widersprochen.

Damit beträgt der Wert des Beschwerdegegenstandes maximal 155,40 EUR.

d) Eine Erhöhung ist auch nicht dadurch eingetreten, dass die Kläger mit Schriftsatz vom 04.03.2015 (Bl. 51 GA) ihre Gesamtforderung gegen den Beklagten, die Ansprüche für verschiedene weitere, nicht Streitgegenstand des anhängigen Verfahrens bildende Zeiträume umfasst, auf 1.180,25 EUR beziffert haben.

Diese Bezifferung der Gesamtforderung führt nicht zu einem Wert des Beschwerdegegenstandes von mehr als 750,00 EUR. Das wird durch die einschlägige Literatur und Rechtsprechung bestätigt: So führen Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Stand: 2/2015, § 144, RdNr. 37 aus: "Obgleich es für den Wert des Beschwerdegegenstandes entscheidend auf das mit der Berufung weiterverfolgte prozessuale Begehren des Berufungsklägers ankommt, kann dieser nicht die zulassungsfreie Berufung dadurch erzwingen, dass er bereits vor dem SG Anträge stellt, welche die Wert- oder Zeitgrenzen, die für die Zulassungsbedürftigkeit der Berufung maßgeblich sind, überschreiten, die aber jeder sachlichen Grundlage entbehren. Die Berufung wird hierdurch nicht zulassungsfrei, sondern bleibt zulassungsbedürftig, weil mit den ihnen entsprechenden späteren Berufungsanträgen eine von der Rechtsordnung an sich bereitgestellte prozessuale Befugnis rechtsmissbräuchlich zu einem Zweck ausgenutzt wird, der dieser Befugnis widerspricht. Die hierin liegende funktionswidrige Inanspruchnahme einer Rechtspflegeeinrichtung wird dadurch abgewehrt, dass angenommen wird, der beabsichtigte Prozesserfolg sei nicht eingetreten (BSG in SozR 1500 § 148 Nr. 5 = Breith. 1980, S.1007 ; vgl. BSG in VersR 1984 S. 653 und LSG Rhl.-Pf. in Breith. 1979 S. 388)."

Derartige Prozessanträge, die entgegen einer sie beschränkenden eindeutigen gesetzlichen Regelung gestellt werden, sind insoweit willkürlich und führen deshalb nicht zur zulassungsunabhängigen Statthaftigkeit des (zulassungsbedürftigen) Rechtsmittels (Peters/Sautter/Wolff, a.a.O.; ebenso Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 144, RdNr. 149; Littmann in Lüdke, 3. Auflage 2009, § 144, RdNr. 10; Frehse in Janssen, SGG, 3. Auflage 2009, § 144, RdNr. 8).

Das BSG (u.a. Urteil vom 05.03.1980 – 9 RV 44/78, RdNr. 14; Urteil vom 26.10.1983 – 9b RU 46/83, RdNr. 10) hat – in vergleichbaren Streitverfahren, in denen bereits erstinstanzlich ein über den für die Statthaftigkeit der Berufung maßgeblichen Beschwerdewert liegender Wert begehrt wurde – in ständiger Rechtsprechung entschieden:

Tenor:

" für die Zulässigkeit der Berufung (ist) allein von Belang, was der Rechtsmittelkläger als sachlich verfolgtes Prozessziel anstrebt, was er unter den gegebenen Umständen allenfalls wollen kann. Maßgebend ist der materielle Kern des gerichtlichen Verfahrens. Eine Tragweite, welche die objektive Begrenzung der Rechtsmittelbeschwer sprengte, kann dem Berufungsantrag nicht beigemessen werden. Sonst wäre die Statthaftigkeit der Berufung dem Belieben, ja der Willkür des Rechtsmittelklägers ausgeliefert. Dieser Konsequenz ist namentlich in der Prozessordnung zu begegnen, die den kostenfreien Rechtsschutz vorsieht (§ 183 SGG), so dass Rechtsmittel ohne Rücksicht auf ihre Erfolgsaussichten eingelegt werden könn(t)en (Bundestagsdrucksache II/3415 S. 5)."

An anderer Stelle hat das BSG (Urteil vom 18.07.1989 – 10 RKg 27/88, juris, RdNr. 20) entschieden:

Tenor:

"Fehlte mithin für den Fall des Klägers das Rechtsschutzinteresse bereits für die Klage, soweit das Begehren über den gesetzlichen Anspruch hinausgeht, so gilt das in gleicher Weise für die Weiterverfolgung des Anspruches mit der Berufung. Denn wenn das Berufungsgericht dem Begehren mangels einer gesetzlichen Grundlage in keinem Fall entsprechen kann, ist bereits die Einlegung der durch § 27 Abs 2 BKGG ausgeschlossenen Berufung willkürlich. Dem hat der Kläger durch die zeitliche Begrenzung seines Antrages, die von vornherein geboten war, Rechnung getragen. Der Kläger macht dann mit der Berufung einen Anspruch geltend, der im Gesetz nicht vorgesehen ist und dessen Erhebung zwangsläufig zur Folge hat, daß die in § 27 Abs 2 BKGG vorgesehene gesetzliche Beschränkung des Rechtsmittels nicht eintritt (vgl BSG SozR 1500 § 146 Nr 7 mwN und für den Fall der künstlichen Herstellung des Beschwerdewertes für das Berufungsverfahren BGH NJW 1973, 370 mwN). Dementsprechend hat das LSG die Berufung im Ergebnis zutreffend als unzulässig verworfen."

Das wird auch durch die obergerichtliche Rechtsprechung bestätigt. So hat das LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18.05.2009 – L 9 AS 431/09, juris, RdNrn. 9 f. entschieden:

Tenor:

"Zwar macht die Berufungsklägerin geltend, sie habe erstinstanzlich eine weitere Beihilfe in Höhe von 800,- Euro beantragt und damit sei letztlich die Berufungssumme erreicht. Dem kann indessen nicht gefolgt werden. In die Berechnung des Beschwerdewerts gehen nämlich solche Begehren nicht mit ein, die ohne erkennbaren Grund verfolgt werden und deshalb darauf schließen lassen, es würden willkürlich überhöhte Anträge gestellt, um die Berufungs- bzw. Beschwerdefähigkeit herzustellen (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Juli 2008, L 9 AS 397/08; BSG, Urteil vom 05. März 1980, 9 RV 44/78 = SozR 1500, § 148 Nr. 5; ähnlich auch BSG, Urteil vom 22. August 1990, 10 RKg 29/88 in BSGE 67, 194, 195; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 144 Rdnr. 37; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl., S. 303; Frehse in Jansen [Herausgeber], Sozialgerichtsgesetz, 3. Aufl., § 144, S. 710; Bernsdorff in Hennig, SGG, Loseblatt, Stand Februar 2009, § 144 Rdnr. 27)."

In vergleichbarer Weise hat das LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25.09.2008 – L 8 SO 155/06, juris, RdNr. 19 ausgeführt: "Unter Anwendung dieser Vorschrift - unabhängig von der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind - würde sich für den Kläger ein monatlicher Absetzbetrag i.H.v. 83,20 Euro errechnen (16 km einfache Entfernung zur Ausbildungsstätte x 5,20 Euro). Sein ausdrücklich auf § 76 BSHG iVm der Einkommens-VO gestütztes Begehren beträgt demnach für den geltend gemachten Zeitraum zusätzliche 262,80 Euro: 83,20 Euro monatlich bei Benutzung eines privaten PKW abzüglich der anerkannten 54,00 Euro monatlich x 9 Monate. Wie der Kläger auf die geltend gemachte Summe (1.280 Euro) kommt, ist nicht verständlich und von ihm bzw seinem Prozessbevollmächtigten auch nicht näher erläutert worden. Ein Antrag, der offensichtlich einer rechtlichen Grundlage entbehrt und nur gestellt wird, um den Beschwerdewert zu erhöhen, wird bei der Berechnung des Wertes des Beschwerdegegenstands nicht berücksichtigt (vgl. Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 144 Rdnr 20 mwN)."

So liegt der Fall hier. Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 04.03.2015 (Bl. 51 GA) Ansprüche für verschiedene weitere, nicht Streitgegenstand des anhängigen Verfahrens bildende Zeiträume geltend gemacht und seine Gesamtforderung auf 1.180,25 EUR beziffert. Eine erweiternde Auslegung des Streitgegenstandes auch für andere als die oben benannten streitigen Zeiträume kommt nicht in Betracht. Die Kläger können folglich nicht die zulassungsfreie Berufung dadurch erzwingen, dass sie bereits vor dem SG Anträge stellen, welche die Wert- oder Zeitgrenzen, die für die Zulassungsbedürftigkeit der Berufung maßgeblich sind, überschreiten. Ein Antrag, der offensichtlich einer rechtlichen Grundlage entbehrt und darauf schließen lässt, er werde willkürlich überhöht gestellt, um die Berufungsfähigkeit herzustellen, wird bei der Berechnung des Wertes des Beschwerdegegenstands nicht berücksichtigt.

Die Berufung bedürfte somit gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG der Zulassung, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes maximal 155,40 EUR beträgt und somit 750,00 EUR nicht übersteigt. Auch betrifft der Rechtsstreit nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Da die Berufung weder vom SG im Urteil vom 11.06.2015 noch auf Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers durch das LSG zugelassen wurde, ist sie nicht statthaft.

4. Angesichts dessen kann dahinstehen, ob die im anhängigen Klageverfahren angefochtenen Bescheide, nämlich der Änderungsbescheid vom 07.06.2009 und der Widerspruchsbescheid vom 25.06.2009, nicht bereits Gegenstand des Verfahrens vor dem SG S 18 AS 554/09 waren.

Dort waren streitgegenständlich die den Bewilligungszeitraum vom 01.02.2009 bis 31.07.2009 betreffenden Bescheide (vgl. Niederschrift des Erörterungstermins vom 09.03.2015 – Bl. 80 GA; Bl. 112 der GA des dortigen Verfahrens). In diesem Fall wäre die Klage S 18 AS 2209/09 bereits wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig (§ 202 SGG in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG). Darauf hat auch das SG im Protokoll des Erörterungstermins hingewiesen (B. 81 R GA).

5. Der Senat weist darauf hin, dass die Kläger, aufgrund der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung des SG ("Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden."), gegen dieses Urteil das zulässige Rechtsmittel, nämlich eine Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb eines Jahres seit Zustellung (§ 66 Abs. 2 SGG) einlegen können. Die Zustellung des Urteils erfolgte am 17.06.2015.

Nach alledem ist die Berufung der Kläger zu verwerfen.

6. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Weinholtz Wagner Dr. Anders
Rechtskraft
Aus
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