Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 983/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Erstattungsanspruch sperrt Rückforderung von Leistungen vom Leistungsempfänger
I. Der Bescheid des Beklagten vom 31. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. August 2015 wird aufgehoben, soweit der Kläger mehr als 8.460,81 EUR zu erstatten hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Erstattung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis 31. August 2014 in Höhe von 28.562,61 EUR.
Der im März 1950 geborene Kläger und seine Ehefrau, die aus der ehemaligen Sowjetunion stammen, bezogen zusammen von November 1999 bis Dezember 2004 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem früheren Bundessozialhilfegesetz vom Beigeladenen und anschließend bis April 2010 Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) vom Beklagten. Ab Mai 2010 wechselte die Ehefrau des Klägers dann in den Leistungsbezug zum Beigeladenen, während der Kläger weiterhin Arbeitslosengeld II vom Beklagten erhielt. Im Zusammenhang mit dem Sozialhilfebezug der Ehefrau fragte der Beigeladene im Juni 2010 und dann wieder im Februar 2014 nach dem etwaigen Bezug von Renten aus dem Bereich der GUS; eine Antwort erfolgte darauf nicht.
Offenbar aus Anlass der Anfrage des Beigeladenen im Februar 2014 meldete sich die Tochter des Klägers am 25. Februar 2014 beim beklagten Jobcenter und teilte mit, der Kläger habe seit Ende 2010 Anspruch auf eine russische Rente. Ende Juli 2014 wurde ergänzt, der Anspruch bestehe seit dem 60. Geburtstag des Klägers. Die Rente sei auf ein Konto in Russland überwiesen und von der Schwester des Klägers abgehoben worden, die die Rente als finanzielle Unterstützung behalten habe. Nun sei dieses Konto aufgelöst worden und die Rente werde nach Deutschland überwiesen. Am 26. August 2014 erhielt der Kläger auch eine Rentenzahlung für Januar bis September 2014 von 1.741,08 EUR überwiesen.
Der Beigeladene bewilligte dem Kläger ab August 2014 Hilfe zum Lebensunterhalt und erstattete dem Beklagten 346,76 EUR für diesen Monat.
Der Beklagte hob mit Bescheid vom 31. Oktober 2014 die Leistungsbewilligung vom 1. Januar 2011 bis zum 31. August 2014 auf und forderte vom Kläger die Leistungen für diesen Zeitraum zuzüglich der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, insgesamt 28.582,61 EUR, zurück. Der Kläger beziehe seit 2011 eine russische Altersrente, so dass er von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sei. Er sei verpflichtet gewesen, diese Änderung mitzuteilen. Dieser Verpflichtung sei er zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Der Rentenbezug sei erst am 31. Juli 2014 mitgeteilt worden. Die fehlerhafte Bewilligung beruhe darauf.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 6. August 2015 zurückgewiesen. Ergänzend wurde ausgeführt, schutzwürdiges Vertrauen des Klägers liege nicht vor. Der Kläger sei bei Antragstellung ausführlich über seine Mitwirkungspflichten belehrt worden. Bei mangelnden Deutschkenntnissen hätte der Kläger Hilfe bei Verwandten oder Dritten einholen können und müssen. Das Verstehen der Dokumente falle allein in den Verantwortungsbereich des Klägers. Die Erstattungspflicht des Klägers trete auch hinter einen hypothetischen Erstattungsanspruch des Beklagten gegenüber dem Sozialhilfeträger zurück. Lediglich ein tatsächlicher Erstattungsanspruch wäre gegenüber der Erstattungspflicht des Klägers vorrangig.
Dagegen hat der Kläger durch seine damaligen Prozessbevollmächtigten am 8. September 2015 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Die russische Rente sei erst 2011 zur Auszahlung gekommen. Bis 2014 habe sie die Schwester des Klägers behalten. Dem Kläger sei wegen mangelnder Deutschkenntnisse und ohne konkrete Nachfrage im Formular nicht bewusst gewesen, dass er die Zahlung der Rente hätte angeben müssen. Zudem sei er im gesamten Zeitraum bedürftig gewesen. Der Beklagte habe sein Ermessen nicht angemessen ausgeübt. Die Summe könne der Kläger ohnehin nicht zurückzahlen, allenfalls 100 EUR monatlich. Zudem sei eine Bestrafung im Strafverfahren zu erwarten und solle berücksichtigt werden. Später sind noch Unterlagen zur Rentenhöhe und zur Auszahlung von 2011 bis 2013 übersandt worden.
Der Beklagte hat seine Entscheidung verteidigt.
Der nunmehr leistende Sozialhilfeträger ist mit Beschluss vom 16. Oktober 2015 beigeladen worden.
Eine vergleichsweise Regelung zwischen den Beteiligten ist in der mündlichen Verhandlung nicht zustande gekommen.
Für den Kläger wird beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 31. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. August 2015 aufzuheben.
Für den Beklagten wird beantragt,
die Klage abzuweisen.
Seitens des Beigeladenen ist kein Antrag gestellt worden.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie die Niederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat in der Sache zum Teil Erfolg.
Der Bescheid des Beklagten vom 31. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. August 2015 wird aufgehoben, soweit vom Kläger eine Erstattung von mehr als 8.460,81 EUR gefordert wird. Hinsichtlich des über 8.460,81 EUR hinausgehenden Betrages ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung bzw. Rücknahme der Leistungsbewilligung gegenüber dem Kläger für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis 31. August 2014 sind § 40 SGB II, die §§ 45 und 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) sowie die §§ 330 und 335 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) angegeben worden. Die Rückforderung wird auf § 40 SGB II, § 50 SGB X gestützt.
Die formellen Anforderungen dieser Regelungen sind eingehalten. Insbesondere hat der Beklagte den Kläger angehört. Auch hat der Beklagte die Jahresfrist für die Rücknahme nach § 40 Abs. 1 SGB II, § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gewahrt.
Auf § 48 SGB X kann die Aufhebung nicht gestützt werden. Die vom Beklagten mit dem Bescheid vom 31. Oktober 2014 aufgehobenen Bewilligungsbescheide, beginnend mit den Bescheiden vom 25. März 2011, waren allesamt von Anfang an objektiv rechtswidrig (dazu unten), weil zum Zeitpunkt des Erlasses bzw. des Wirksamwerdens keine Grundlage für die Leistungsbewilligung durch den Beklagten bestand. Allerdings ist ein Auswechseln der Rechtsgrundlage - § 45 SGB X tritt anstelle von § 48 SGB X - möglich, so dass die Rücknahme der Leistungsbewilligung für die Monate Januar bis März 2011 hieran nicht scheitert.
Ebenso unschädlich ist, dass - soweit aus den Akten ersichtlich - für die Monate Oktober und November 2012 sowie April bis August 2014 lediglich eine vorläufige Bewilligung vorlag und die Rückforderung deshalb anstatt nach den §§ 45 und 50 SGB X nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II und § 328 Abs. 3 SGB III erfolgen müsste. Denn das wirkt sich bei gebundenen Entscheidungen, wie hier, nicht aus und § 45 SGB X greift auch.
Die Voraussetzungen von § 45 SGB X sind erfüllt. Der Kläger hatte ab 1. Januar 2011 aufgrund des Bezug seiner russischen Rente gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II keinen Anspruch mehr auf Leistungen nach dem SGB II. Bei der vom Kläger bezogenen Rente handelt es sich um eine Rente wegen Alters im Sinn dieser Norm. Es kommt nicht darauf an, dass es eine ausländische Rente ist, soweit sie vergleichbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, B 4 AS 105/11 R). Die Rente des Klägers wird ab einer bestimmten Altersgrenze gewährt, hier dem 60. Lebensjahr, sie dient dem Lohnersatz und wird von einem öffentlichen Träger erbracht. Das Gericht hat auch keinen Anlass anzunehmen, dass bereits vor Januar 2011 der Rentenbezug erfolgt ist. Das wäre inzwischen offen gelegt worden. Auch liegt ein Rentenbezug trotz dessen vor, dass die Schwester des Klägers bis 2013 die Rente vom russischen Konto abgehoben und behalten hat. Das geschah, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, mit Einverständnis und Vollmacht des Klägers. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger nicht auch selbst über die Rente hätte verfügen können.
Damit ist die Leistungsbewilligung durch den Beklagten an den Beigeladenen vom 1. Januar bis 2011 bis zum 31. August 2014 zu Unrecht erfolgt.
Schutzwürdiges Vertrauen des Klägers im Sinn von § 45 Abs. 2 SGB X steht der Rücknahme ebenfalls nicht entgegen, weil hier ein Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X vorliegt, also die Leistungsbewilligung auf Angaben beruhte, welche der Kläger als Begünstigter vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Die Leistungsbewilligung nach dem SGB II an den Kläger durch den Beklagten beruhte seit 1. Januar 2011 auch darauf, dass der Beklagte nicht wusste, dass der Kläger seitdem eine Altersrente im Sinn des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II mit der Folge eines Leistungsausschlusses erhielt. Dieser Umstand war ersichtlich auch von wesentlicher Bedeutung für die Leistungsbewilligung; das Verschweigen stellt eine unvollständige Angabe dar. Die Weiterbewilligungsanträge für den streitigen Zeitraum hat auch der Kläger selbst gestellt, nachdem seine Ehefrau, die dies auf der Grundlage von § 38 Abs. 1 SGB II zuvor übernommen hatte, seit Mai 2010 aus dem Leistungsbezug beim Beklagten ausgeschieden war. Ob der Kläger tatsächlich vorsätzlich gehandelt hat, kann offen bleiben. Namentlich die vom Beigeladenenvertreter vorgetragenen Umstände bei der Leistungsbewilligung an die Ehefrau des Klägers lassen es sicher möglich erscheinen, dass der Kläger den Bezug der russischen Rente bewusst nicht angegeben hat. Andererseits scheint der Kläger, so der Eindruck in der mündlichen Verhandlung, tatsächlich nur über recht geringe Deutschkenntnisse zu verfügen und sich auf die Übersetzungshilfe anderer verlassen zu haben. Gleichwohl ist das Gericht überzeugt, dass es sich dem Kläger hätte aufdrängen müssen, dass eine Rentenzahlung, auch aus dem bzw. im Ausland, für den Leistungsbezug nach dem SGB II von Bedeutung ist. Der Kläger bezog seit Ende 1999 existenzsichernde Leistungen, so dass zu erwarten gewesen wäre, dass er sich mit wesentlichen Grundzügen und Voraussetzungen dieser Leistungen vertraut macht, und nicht nur blind unterschrieb, was kam. Wenngleich dem Kläger nicht bekannt sein musste, dass der Bezug der russischen Rente zum vollständigen Leistungsausschluss führt, so musste es sich ihm doch aufdrängen, dass dies ein leistungsrelevanter Umstand und anzugeben ist.
Somit ist die Rücknahme nach § 45 SGB X dem Grunde nach zutreffend erfolgt.
Allerdings steht der Rücknahme nach § 45 SGB X und einer Erstattung von Leistungen nach § 50 SGB X hier zu einem großen Teil, nämlich in Höhe von 20.121,80 EUR die Regelung des § 107 Abs. 1 SGB X entgegen. Diese Norm sieht vor, dass der Anspruch des Berechtigten, hier des Klägers, gegen den (eigentlich) zur Leistung verpflichteten Leistungsträger, hier der Beigeladene, als erfüllt gilt, soweit ein anderer Leistungsträger, hier der Beklagte, Sozialleistungen an den Berechtigten erbracht hat und deshalb ein Erstattungsanspruch besteht. Damit soll nicht nur verhindert werden, dass der Leistungsberechtigte Doppelleistungen erhält. Der Gesetzgeber hat sich auch für eine unkomplizierte und im Rahmen des Sozialleistungsrechts einheitliche Form des Ausgleichs von Leistungsbewilligungen entschieden, die eine Rückabwicklung im Verhältnis zwischen dem Leistungsträger und dem Berechtigten sowie ein Nachholen der Leistung im Verhältnis zwischen dem eigentlich leistungspflichtigen Träger und dem Leistungsberechtigten ausschließen sollen. Auf die Geltendmachung oder die Erfüllung des Anspruches kommt es nicht an. Maßgebend für den Eintritt der Fiktion ist allein die rein objektive Betrachtung, dass der erstattungsberechtigte Leistungsträger eine Leistung erbracht hat, die nicht endgültig von ihm zu tragen ist, sondern hinsichtlich der er einen Erstattungsanspruch gegen den erstattungspflichtigen Leistungsträger hat. In Höhe dieses Erstattungsanspruchs ist der Anspruch des Leistungsberechtigten bereits befriedigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 1993, 5 C 10/91; dazu auch: BSG, Urteile vom 2. Dezember 2014, B 14 AS 66/13 R, vom 20. November 2011, B 4 AS 203/10; Urteil dieser Kammer vom 21. August 2015, S 8 AS 493/15; Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB X, § 107, Rz. 7 ff.). Gesetzgeberisch gewollt ist somit, dass - im Umfang des infrage kommenden Erstattungsanspruchs - der Ausgleich zwischen den betreffenden Sozialleistungsträgern erfolgt und der Sozialleistungsberechtigte selbst nicht mehr angegangen wird.
Vorliegend nimmt das Gericht einen Erstattungsanspruch des Beklagten gegen den Beigeladenen für den streitgegenständlichen Zeitraum in Höhe von 20.121,80 EUR nach § 105 Abs. 1 SGB X an, weil der Kläger in diesem Zeitraum anspruchsberechtigt nach dem 3. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) war.
Wegen des Leistungsausschlusses des Klägers aufgrund § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II hat der Beklagte als unzuständiger Sozialleistungsträger Sozialleistungen von 28.582,81 EUR an den Kläger erbracht. Wegen der gleichen Ausgangslage zwischen den existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II einerseits und dem SGB XII anderseits ist von einer sachlich unzuständigen Leistungserbringung des Beklagten auszugehen. Mithin kommt § 105 SGB X zur Anwendung.
Eigentlich zuständiger Leistungsträger für den streitgegenständlichen Zeitraum wäre der Beigeladene gewesen; für August 2014 hat er ja dann auch tatsächlich zum Teil Leistungen erbracht. Der Beigeladene ist als örtlicher Sozialhilfeträger für die vorliegend relevante Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 27 f. SGB XII örtlich und sachlich zuständig gemäß § 97 Abs. 1, § 98 Abs. 1, § 3 Abs. 2 SGB XII, Art. 80 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG).
Der Kläger hatte im streitigen Zeitraum Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 27 f. SGB XII. Er war wegen des Bezugs der Altersrente von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, so dass kein Ausschluss von Leistungen nach dem SGB XII gemäß § 5 Abs. 2 SGB II, § 21 SGB XII bestand. Der Kläger gehörte nicht zum Kreis der Leistungsberechtigten nach den §§ 41 ff. SGB XII, weil er erst im August 2015 die Altersgrenze erreichte und zuvor auch nicht dauerhaft voll erwerbsgemindert war, wie sich aus der Ablehnung einer Erwerbsminderungsrente mangels voller Erwerbsminderung am 24. März 2010 durch die Deutsche Rentenversicherung Schwaben ergibt; Hinweise, dass sich daran im streitigen Zeitraum etwas geändert hat, gibt es nicht. Ferner war der Kläger bedürftig im Sinn von § 19 Abs. 1, § 27 SGB XII. Dazu kann auf die zurückgenommenen Bewilligungsbescheide des Beklagten für den streitigen Zeitraum verwiesen werden, da der Bedarf der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII insofern gleich zu ermitteln ist.
Bedarfsmindernd zu berücksichtigen ist aber noch die vom Kläger bezogene russische Rente. Das Gericht legt hierbei den Betrag zugrunde, der sich nach der zuletzt vorgelegten Aufstellung mit Zahlungsdaten und Umrechnungskursen für die Jahre 2011 bis 2013, die der bereits früher vorgelegten Aufstellung entspricht, ergibt, also 6.913,21 EUR. Hinzu kommt die am 26. August 2014 zugeflossene Zahlung von 1.741,08 EUR, somit für die Monate Januar bis August 2014 1.547,60 EUR. Zusammen sind dies 8.460,81 EUR für den Zeitraum Januar 2011 bis August 2014. Weitere Abzüge hiervon sind nicht vorzunehmen. Die für den Monat August 2014 geleistete Erstattung des Beigeladenen an den Beklagten ist schon nicht in die streitige Rückforderung eingeflossen.
Die für das Einsetzen der hier infrage kommenden Sozialhilfeleistung notwendige Kenntnis des Beigeladenen im Sinn von § 18 Abs. 1 SGB XII ist ebenfalls anzunehmen. Diese gilt nämlich wegen § 16 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) über die Antragstellung beim beklagten Jobcenter als vermittelt. Denn es ist davon auszugehen, dass ein Antrag auf Leistungen nach dem SGB II wegen der gleichen Ausgangslage (Bedürftigkeit und Bedarf) auch als Antrag nach dem SGB XII zu werten ist (BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014, B 14 AS 66/13 R, m.w.N.).
Der Erstattungsanspruch kann deswegen nicht an § 105 Abs. 3 SGB X scheitern, weil insofern keine andere Beurteilung angezeigt ist als im Rahmen des § 18 Abs. 1 SGB XII. § 105 Abs. 3 SGB X dient ebenfalls der Umsetzung des Prinzips, dass Sozialhilfe nur für eine gegenwärtige Notlage erbracht werden soll (§ 2 Abs. 1 SGB XII). Ein weitergehender Zweck oder eine weiter als die materielle Regelung des § 18 Abs. 1 SGB XII reichende Ausschlusswirkung kann der Erstattungsnorm daher nicht zukommen. Andernfalls wäre die Konnexität von materiellem Anspruch und Erstattungsanspruch gestört.
Aus § 40a SGB II folgt ebenso wenig etwas anderes. Nach Ansicht der Beklagtenvertreterin ergebe sich daraus, dass die allgemeinen Erstattungsregelungen bzw. -ansprüche nach den §§ 102 ff. SGB X nicht anwendbar wären. Das lässt sich weder der Entstehungsgesichte des § 40a SGB II, mit dem auf Probleme in der Erstattung bei der nachträglichen Gewährung von Erwerbsminderungsrenten reagiert wurde, entnehmen. Noch ist dies sonst aus dem SGB II ablesbar, so dass das SGB X insofern nach § 37 SGB I anzuwenden ist.
Der damit zwischen Beklagtem und Beigeladenem bestehende Erstattungsanspruch sperrt nach § 107 Abs. 1 SGB X die Rückforderung von Leistungen des Beklagten vom Kläger bis auf das im Rahmen des SGB XII anzurechnende Einkommen von 8.460,81 EUR.
Demzufolge ist der Klage in diesem Umfang stattzugeben und sie im Übrigen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 des Sozialgerichtsgesetzes. Trotz des weitgehenden Obsiegens des Klägers steht für das Gericht im Vordergrund, dass der Kläger den Bezug der russischen Rente verschwiegen und damit schuldhaft den Anlass für das Verfahren gesetzt hat. Daher hält das Gericht eine Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten nicht für angemessen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Erstattung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis 31. August 2014 in Höhe von 28.562,61 EUR.
Der im März 1950 geborene Kläger und seine Ehefrau, die aus der ehemaligen Sowjetunion stammen, bezogen zusammen von November 1999 bis Dezember 2004 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem früheren Bundessozialhilfegesetz vom Beigeladenen und anschließend bis April 2010 Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) vom Beklagten. Ab Mai 2010 wechselte die Ehefrau des Klägers dann in den Leistungsbezug zum Beigeladenen, während der Kläger weiterhin Arbeitslosengeld II vom Beklagten erhielt. Im Zusammenhang mit dem Sozialhilfebezug der Ehefrau fragte der Beigeladene im Juni 2010 und dann wieder im Februar 2014 nach dem etwaigen Bezug von Renten aus dem Bereich der GUS; eine Antwort erfolgte darauf nicht.
Offenbar aus Anlass der Anfrage des Beigeladenen im Februar 2014 meldete sich die Tochter des Klägers am 25. Februar 2014 beim beklagten Jobcenter und teilte mit, der Kläger habe seit Ende 2010 Anspruch auf eine russische Rente. Ende Juli 2014 wurde ergänzt, der Anspruch bestehe seit dem 60. Geburtstag des Klägers. Die Rente sei auf ein Konto in Russland überwiesen und von der Schwester des Klägers abgehoben worden, die die Rente als finanzielle Unterstützung behalten habe. Nun sei dieses Konto aufgelöst worden und die Rente werde nach Deutschland überwiesen. Am 26. August 2014 erhielt der Kläger auch eine Rentenzahlung für Januar bis September 2014 von 1.741,08 EUR überwiesen.
Der Beigeladene bewilligte dem Kläger ab August 2014 Hilfe zum Lebensunterhalt und erstattete dem Beklagten 346,76 EUR für diesen Monat.
Der Beklagte hob mit Bescheid vom 31. Oktober 2014 die Leistungsbewilligung vom 1. Januar 2011 bis zum 31. August 2014 auf und forderte vom Kläger die Leistungen für diesen Zeitraum zuzüglich der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, insgesamt 28.582,61 EUR, zurück. Der Kläger beziehe seit 2011 eine russische Altersrente, so dass er von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sei. Er sei verpflichtet gewesen, diese Änderung mitzuteilen. Dieser Verpflichtung sei er zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Der Rentenbezug sei erst am 31. Juli 2014 mitgeteilt worden. Die fehlerhafte Bewilligung beruhe darauf.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 6. August 2015 zurückgewiesen. Ergänzend wurde ausgeführt, schutzwürdiges Vertrauen des Klägers liege nicht vor. Der Kläger sei bei Antragstellung ausführlich über seine Mitwirkungspflichten belehrt worden. Bei mangelnden Deutschkenntnissen hätte der Kläger Hilfe bei Verwandten oder Dritten einholen können und müssen. Das Verstehen der Dokumente falle allein in den Verantwortungsbereich des Klägers. Die Erstattungspflicht des Klägers trete auch hinter einen hypothetischen Erstattungsanspruch des Beklagten gegenüber dem Sozialhilfeträger zurück. Lediglich ein tatsächlicher Erstattungsanspruch wäre gegenüber der Erstattungspflicht des Klägers vorrangig.
Dagegen hat der Kläger durch seine damaligen Prozessbevollmächtigten am 8. September 2015 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Die russische Rente sei erst 2011 zur Auszahlung gekommen. Bis 2014 habe sie die Schwester des Klägers behalten. Dem Kläger sei wegen mangelnder Deutschkenntnisse und ohne konkrete Nachfrage im Formular nicht bewusst gewesen, dass er die Zahlung der Rente hätte angeben müssen. Zudem sei er im gesamten Zeitraum bedürftig gewesen. Der Beklagte habe sein Ermessen nicht angemessen ausgeübt. Die Summe könne der Kläger ohnehin nicht zurückzahlen, allenfalls 100 EUR monatlich. Zudem sei eine Bestrafung im Strafverfahren zu erwarten und solle berücksichtigt werden. Später sind noch Unterlagen zur Rentenhöhe und zur Auszahlung von 2011 bis 2013 übersandt worden.
Der Beklagte hat seine Entscheidung verteidigt.
Der nunmehr leistende Sozialhilfeträger ist mit Beschluss vom 16. Oktober 2015 beigeladen worden.
Eine vergleichsweise Regelung zwischen den Beteiligten ist in der mündlichen Verhandlung nicht zustande gekommen.
Für den Kläger wird beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 31. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. August 2015 aufzuheben.
Für den Beklagten wird beantragt,
die Klage abzuweisen.
Seitens des Beigeladenen ist kein Antrag gestellt worden.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie die Niederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat in der Sache zum Teil Erfolg.
Der Bescheid des Beklagten vom 31. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. August 2015 wird aufgehoben, soweit vom Kläger eine Erstattung von mehr als 8.460,81 EUR gefordert wird. Hinsichtlich des über 8.460,81 EUR hinausgehenden Betrages ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung bzw. Rücknahme der Leistungsbewilligung gegenüber dem Kläger für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis 31. August 2014 sind § 40 SGB II, die §§ 45 und 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) sowie die §§ 330 und 335 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) angegeben worden. Die Rückforderung wird auf § 40 SGB II, § 50 SGB X gestützt.
Die formellen Anforderungen dieser Regelungen sind eingehalten. Insbesondere hat der Beklagte den Kläger angehört. Auch hat der Beklagte die Jahresfrist für die Rücknahme nach § 40 Abs. 1 SGB II, § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gewahrt.
Auf § 48 SGB X kann die Aufhebung nicht gestützt werden. Die vom Beklagten mit dem Bescheid vom 31. Oktober 2014 aufgehobenen Bewilligungsbescheide, beginnend mit den Bescheiden vom 25. März 2011, waren allesamt von Anfang an objektiv rechtswidrig (dazu unten), weil zum Zeitpunkt des Erlasses bzw. des Wirksamwerdens keine Grundlage für die Leistungsbewilligung durch den Beklagten bestand. Allerdings ist ein Auswechseln der Rechtsgrundlage - § 45 SGB X tritt anstelle von § 48 SGB X - möglich, so dass die Rücknahme der Leistungsbewilligung für die Monate Januar bis März 2011 hieran nicht scheitert.
Ebenso unschädlich ist, dass - soweit aus den Akten ersichtlich - für die Monate Oktober und November 2012 sowie April bis August 2014 lediglich eine vorläufige Bewilligung vorlag und die Rückforderung deshalb anstatt nach den §§ 45 und 50 SGB X nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II und § 328 Abs. 3 SGB III erfolgen müsste. Denn das wirkt sich bei gebundenen Entscheidungen, wie hier, nicht aus und § 45 SGB X greift auch.
Die Voraussetzungen von § 45 SGB X sind erfüllt. Der Kläger hatte ab 1. Januar 2011 aufgrund des Bezug seiner russischen Rente gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II keinen Anspruch mehr auf Leistungen nach dem SGB II. Bei der vom Kläger bezogenen Rente handelt es sich um eine Rente wegen Alters im Sinn dieser Norm. Es kommt nicht darauf an, dass es eine ausländische Rente ist, soweit sie vergleichbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, B 4 AS 105/11 R). Die Rente des Klägers wird ab einer bestimmten Altersgrenze gewährt, hier dem 60. Lebensjahr, sie dient dem Lohnersatz und wird von einem öffentlichen Träger erbracht. Das Gericht hat auch keinen Anlass anzunehmen, dass bereits vor Januar 2011 der Rentenbezug erfolgt ist. Das wäre inzwischen offen gelegt worden. Auch liegt ein Rentenbezug trotz dessen vor, dass die Schwester des Klägers bis 2013 die Rente vom russischen Konto abgehoben und behalten hat. Das geschah, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, mit Einverständnis und Vollmacht des Klägers. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger nicht auch selbst über die Rente hätte verfügen können.
Damit ist die Leistungsbewilligung durch den Beklagten an den Beigeladenen vom 1. Januar bis 2011 bis zum 31. August 2014 zu Unrecht erfolgt.
Schutzwürdiges Vertrauen des Klägers im Sinn von § 45 Abs. 2 SGB X steht der Rücknahme ebenfalls nicht entgegen, weil hier ein Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X vorliegt, also die Leistungsbewilligung auf Angaben beruhte, welche der Kläger als Begünstigter vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Die Leistungsbewilligung nach dem SGB II an den Kläger durch den Beklagten beruhte seit 1. Januar 2011 auch darauf, dass der Beklagte nicht wusste, dass der Kläger seitdem eine Altersrente im Sinn des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II mit der Folge eines Leistungsausschlusses erhielt. Dieser Umstand war ersichtlich auch von wesentlicher Bedeutung für die Leistungsbewilligung; das Verschweigen stellt eine unvollständige Angabe dar. Die Weiterbewilligungsanträge für den streitigen Zeitraum hat auch der Kläger selbst gestellt, nachdem seine Ehefrau, die dies auf der Grundlage von § 38 Abs. 1 SGB II zuvor übernommen hatte, seit Mai 2010 aus dem Leistungsbezug beim Beklagten ausgeschieden war. Ob der Kläger tatsächlich vorsätzlich gehandelt hat, kann offen bleiben. Namentlich die vom Beigeladenenvertreter vorgetragenen Umstände bei der Leistungsbewilligung an die Ehefrau des Klägers lassen es sicher möglich erscheinen, dass der Kläger den Bezug der russischen Rente bewusst nicht angegeben hat. Andererseits scheint der Kläger, so der Eindruck in der mündlichen Verhandlung, tatsächlich nur über recht geringe Deutschkenntnisse zu verfügen und sich auf die Übersetzungshilfe anderer verlassen zu haben. Gleichwohl ist das Gericht überzeugt, dass es sich dem Kläger hätte aufdrängen müssen, dass eine Rentenzahlung, auch aus dem bzw. im Ausland, für den Leistungsbezug nach dem SGB II von Bedeutung ist. Der Kläger bezog seit Ende 1999 existenzsichernde Leistungen, so dass zu erwarten gewesen wäre, dass er sich mit wesentlichen Grundzügen und Voraussetzungen dieser Leistungen vertraut macht, und nicht nur blind unterschrieb, was kam. Wenngleich dem Kläger nicht bekannt sein musste, dass der Bezug der russischen Rente zum vollständigen Leistungsausschluss führt, so musste es sich ihm doch aufdrängen, dass dies ein leistungsrelevanter Umstand und anzugeben ist.
Somit ist die Rücknahme nach § 45 SGB X dem Grunde nach zutreffend erfolgt.
Allerdings steht der Rücknahme nach § 45 SGB X und einer Erstattung von Leistungen nach § 50 SGB X hier zu einem großen Teil, nämlich in Höhe von 20.121,80 EUR die Regelung des § 107 Abs. 1 SGB X entgegen. Diese Norm sieht vor, dass der Anspruch des Berechtigten, hier des Klägers, gegen den (eigentlich) zur Leistung verpflichteten Leistungsträger, hier der Beigeladene, als erfüllt gilt, soweit ein anderer Leistungsträger, hier der Beklagte, Sozialleistungen an den Berechtigten erbracht hat und deshalb ein Erstattungsanspruch besteht. Damit soll nicht nur verhindert werden, dass der Leistungsberechtigte Doppelleistungen erhält. Der Gesetzgeber hat sich auch für eine unkomplizierte und im Rahmen des Sozialleistungsrechts einheitliche Form des Ausgleichs von Leistungsbewilligungen entschieden, die eine Rückabwicklung im Verhältnis zwischen dem Leistungsträger und dem Berechtigten sowie ein Nachholen der Leistung im Verhältnis zwischen dem eigentlich leistungspflichtigen Träger und dem Leistungsberechtigten ausschließen sollen. Auf die Geltendmachung oder die Erfüllung des Anspruches kommt es nicht an. Maßgebend für den Eintritt der Fiktion ist allein die rein objektive Betrachtung, dass der erstattungsberechtigte Leistungsträger eine Leistung erbracht hat, die nicht endgültig von ihm zu tragen ist, sondern hinsichtlich der er einen Erstattungsanspruch gegen den erstattungspflichtigen Leistungsträger hat. In Höhe dieses Erstattungsanspruchs ist der Anspruch des Leistungsberechtigten bereits befriedigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 1993, 5 C 10/91; dazu auch: BSG, Urteile vom 2. Dezember 2014, B 14 AS 66/13 R, vom 20. November 2011, B 4 AS 203/10; Urteil dieser Kammer vom 21. August 2015, S 8 AS 493/15; Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB X, § 107, Rz. 7 ff.). Gesetzgeberisch gewollt ist somit, dass - im Umfang des infrage kommenden Erstattungsanspruchs - der Ausgleich zwischen den betreffenden Sozialleistungsträgern erfolgt und der Sozialleistungsberechtigte selbst nicht mehr angegangen wird.
Vorliegend nimmt das Gericht einen Erstattungsanspruch des Beklagten gegen den Beigeladenen für den streitgegenständlichen Zeitraum in Höhe von 20.121,80 EUR nach § 105 Abs. 1 SGB X an, weil der Kläger in diesem Zeitraum anspruchsberechtigt nach dem 3. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) war.
Wegen des Leistungsausschlusses des Klägers aufgrund § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II hat der Beklagte als unzuständiger Sozialleistungsträger Sozialleistungen von 28.582,81 EUR an den Kläger erbracht. Wegen der gleichen Ausgangslage zwischen den existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II einerseits und dem SGB XII anderseits ist von einer sachlich unzuständigen Leistungserbringung des Beklagten auszugehen. Mithin kommt § 105 SGB X zur Anwendung.
Eigentlich zuständiger Leistungsträger für den streitgegenständlichen Zeitraum wäre der Beigeladene gewesen; für August 2014 hat er ja dann auch tatsächlich zum Teil Leistungen erbracht. Der Beigeladene ist als örtlicher Sozialhilfeträger für die vorliegend relevante Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 27 f. SGB XII örtlich und sachlich zuständig gemäß § 97 Abs. 1, § 98 Abs. 1, § 3 Abs. 2 SGB XII, Art. 80 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG).
Der Kläger hatte im streitigen Zeitraum Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 27 f. SGB XII. Er war wegen des Bezugs der Altersrente von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, so dass kein Ausschluss von Leistungen nach dem SGB XII gemäß § 5 Abs. 2 SGB II, § 21 SGB XII bestand. Der Kläger gehörte nicht zum Kreis der Leistungsberechtigten nach den §§ 41 ff. SGB XII, weil er erst im August 2015 die Altersgrenze erreichte und zuvor auch nicht dauerhaft voll erwerbsgemindert war, wie sich aus der Ablehnung einer Erwerbsminderungsrente mangels voller Erwerbsminderung am 24. März 2010 durch die Deutsche Rentenversicherung Schwaben ergibt; Hinweise, dass sich daran im streitigen Zeitraum etwas geändert hat, gibt es nicht. Ferner war der Kläger bedürftig im Sinn von § 19 Abs. 1, § 27 SGB XII. Dazu kann auf die zurückgenommenen Bewilligungsbescheide des Beklagten für den streitigen Zeitraum verwiesen werden, da der Bedarf der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII insofern gleich zu ermitteln ist.
Bedarfsmindernd zu berücksichtigen ist aber noch die vom Kläger bezogene russische Rente. Das Gericht legt hierbei den Betrag zugrunde, der sich nach der zuletzt vorgelegten Aufstellung mit Zahlungsdaten und Umrechnungskursen für die Jahre 2011 bis 2013, die der bereits früher vorgelegten Aufstellung entspricht, ergibt, also 6.913,21 EUR. Hinzu kommt die am 26. August 2014 zugeflossene Zahlung von 1.741,08 EUR, somit für die Monate Januar bis August 2014 1.547,60 EUR. Zusammen sind dies 8.460,81 EUR für den Zeitraum Januar 2011 bis August 2014. Weitere Abzüge hiervon sind nicht vorzunehmen. Die für den Monat August 2014 geleistete Erstattung des Beigeladenen an den Beklagten ist schon nicht in die streitige Rückforderung eingeflossen.
Die für das Einsetzen der hier infrage kommenden Sozialhilfeleistung notwendige Kenntnis des Beigeladenen im Sinn von § 18 Abs. 1 SGB XII ist ebenfalls anzunehmen. Diese gilt nämlich wegen § 16 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) über die Antragstellung beim beklagten Jobcenter als vermittelt. Denn es ist davon auszugehen, dass ein Antrag auf Leistungen nach dem SGB II wegen der gleichen Ausgangslage (Bedürftigkeit und Bedarf) auch als Antrag nach dem SGB XII zu werten ist (BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014, B 14 AS 66/13 R, m.w.N.).
Der Erstattungsanspruch kann deswegen nicht an § 105 Abs. 3 SGB X scheitern, weil insofern keine andere Beurteilung angezeigt ist als im Rahmen des § 18 Abs. 1 SGB XII. § 105 Abs. 3 SGB X dient ebenfalls der Umsetzung des Prinzips, dass Sozialhilfe nur für eine gegenwärtige Notlage erbracht werden soll (§ 2 Abs. 1 SGB XII). Ein weitergehender Zweck oder eine weiter als die materielle Regelung des § 18 Abs. 1 SGB XII reichende Ausschlusswirkung kann der Erstattungsnorm daher nicht zukommen. Andernfalls wäre die Konnexität von materiellem Anspruch und Erstattungsanspruch gestört.
Aus § 40a SGB II folgt ebenso wenig etwas anderes. Nach Ansicht der Beklagtenvertreterin ergebe sich daraus, dass die allgemeinen Erstattungsregelungen bzw. -ansprüche nach den §§ 102 ff. SGB X nicht anwendbar wären. Das lässt sich weder der Entstehungsgesichte des § 40a SGB II, mit dem auf Probleme in der Erstattung bei der nachträglichen Gewährung von Erwerbsminderungsrenten reagiert wurde, entnehmen. Noch ist dies sonst aus dem SGB II ablesbar, so dass das SGB X insofern nach § 37 SGB I anzuwenden ist.
Der damit zwischen Beklagtem und Beigeladenem bestehende Erstattungsanspruch sperrt nach § 107 Abs. 1 SGB X die Rückforderung von Leistungen des Beklagten vom Kläger bis auf das im Rahmen des SGB XII anzurechnende Einkommen von 8.460,81 EUR.
Demzufolge ist der Klage in diesem Umfang stattzugeben und sie im Übrigen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 des Sozialgerichtsgesetzes. Trotz des weitgehenden Obsiegens des Klägers steht für das Gericht im Vordergrund, dass der Kläger den Bezug der russischen Rente verschwiegen und damit schuldhaft den Anlass für das Verfahren gesetzt hat. Daher hält das Gericht eine Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten nicht für angemessen.
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