Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 1280/15 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Einstweiliger Rechtsschutz gegen eine Eingliederungsvereinbarung sowie betreffend einem Vermittlungsgutschein
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen eine Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt und möchte insbesondere vorläufig von der Pflicht zur Teilnahme an einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung entbunden werden.
Der 1976 geborene Antragsteller (Ast) bezieht seit Längerem laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Antragsgegner (Ag). Mit Bescheid vom 2. Juli 2015 wurden dem Ag laufende Leistungen für die Monate August 2015 bis Juli 2016 bewilligt. Der Ag legte dem Ast am 19. Oktober 2015 den Entwurf einer Eingliederungsvereinbarung (EGV) vor und übergab ihm einen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein für eine Maßnahme betreffend Fahrradmontage und -reparatur, Lager, Ein- und Verkauf über 26 Wochen; gedacht war offenbar an die Maßnahme "Kette und Kurbel". Der Ast unterbreitete Gegenvorschläge im Schreiben vom 28. Oktober 2015.
Der Ag erließ am 16. November 2015 per Verwaltungsakte eine gegenüber dem Entwurf geänderte EGV für die Zeit vom 16. November 2015 bis zum 15. Mai 2015. Darin wurde u.a. in Ziffer 1. "Unterstützung durch das Jobcenter" der Ast aufgefordert, den o.g. Gutschein bis 30. November 2015 einzulösen. Ferner unterstützt das Jobcenter die Bewerbungsaktivitäten des Ast durch Übernahme von angemessenen nachgewiesenen Kosten für schriftliche Bewerbungen. Als Bemühungen des Ast wurden vor allem mindestens fünf Bewerbungsbemühungen pro Monat mit Nachweisen festgelegt.
Unter dem 23. November 2015 legte der Ast Widerspruch gegen die EGV vom 16. November 2015 ein.
Am 24. November 2015 hat sich der Ast an das Sozialgericht Augsburg gewandt und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Der Abschluss einer EGV sei vorrangig gegenüber dem Erlass durch Verwaltungsakt. Dies sei erst möglich, wenn keine Einigung zustande gekommen sei. Der Ast habe jedoch Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Die Erstattung von Bewerbungskosten sei nur pauschaliert angegeben. Ferner werde der Ast aufgefordert, bis 30. November 2015 einen Vermittlungsgutschein einzulösen. Den habe er nicht beantragt und dürfe auch nicht gezwungen werden, ihn einzulösen. Es fehle jegliche Begründung, weshalb genau diese Maßnahme für den Ast zielführend sein solle, da vorherige Maßnahmen keinen Erfolg in der beruflichen Integration gebracht hätten. Zudem sei die Kostenübernahme für die Maßnahme nur unzureichend geregelt.
Der Antragsteller beantragt (sinngemäß):
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die unter dem 16. November 2015 erlassene Eingliederungsvereinbarung und den Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein vom 19. Oktober 2015 wird angeordnet.
Für den Antragsgegner wird beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Nach der Auslegung durch das Gericht verfolgt der Ast zunächst das Ziel, die gesamte EGV vom 16. November 2015 vorläufig nicht befolgen zu müssen. Insbesondere geht es ihm darum, nicht an der mit dem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein vom 19. Oktober 2015 bezweckten Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung teilnehmen zu müssen. Das ergibt sich für das Gericht hinreichend deutlich aus dem bisherigen Vorbringen des Ast. Das Gericht versteht dies dahin, dass zum einen die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Ast gegen die EGV angeordnet werden soll. Damit würde allerdings nach Ansicht des Gerichts (dazu unten) das Rechtsschutzziel des Ast nur zum Teil erreicht, weil die EGV gar nicht die Verpflichtung des Ast zur Einlösung des Vermittlungsgutscheins oder zur Teilnahme an der Maßnahme vorsieht. Das folgt allein aus dem Vermittlungsgutschein vom 19. Oktober 2015. Demzufolge nimmt das Gericht gemäß § 123 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einen weiteren Antrag an, gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung auch betreffend diesen Gutschein. Damit wäre der Ast zur Einlösung des Gutscheins und zur Teilnahme an der Maßnahme vorläufig nicht verpflichtet und das Rechtsschutzziel des Ast umfassend verwirklicht.
So verstanden ist Eilantrag hinsichtlich beider Begehren zulässig. Soweit sich der Ast gegen die komplette per Verwaltungsakt erlassene EGV vom 16. November 2015 wendet, ist das Begehren als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 23. November 2015 gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 SGG anzusehen, da der Widerspruch des Ast wegen § 39 Nr. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) keine aufschiebende Wirkung hat.
Gleiches gilt bezüglich des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins vom 19. Oktober 2015. Auch insofern greift § 39 Nr. 1 SGB II (vgl. Hauck/Noftz, SGB II, § 39 Rz. 84.). Ein Gutschein nach § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 45 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Ar- beitsförderung - (SGB III), wie hier, stellt einen Verwaltungsakt dar. Seit der Neufassung durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (BGBl. I 2008, S. 2917) bezweckt § 39 Nr. 1 SGB II die Gewährleistung der Effizienz der Bemühungen zur beruflichen (Wieder-)Eingliederung von Arbeitslosengeld II-Empfängern. Die Gesetzesänderung bezog sich zwar primär auf Eingliederungsvereinbarungen. Jedoch ist nicht ersichtlich, weshalb bei Reintegrationsbemühungen in Form von Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheinen etwas anderes gelten soll. Deren Wirkung würde gleichermaßen ins Leere gehen, wenn sie durch bloßes Einlegen eines Rechtsmittels aufgeschoben werden könnten. Die Interessenlage wird hier zwar regelmäßig eine andere sein, der Berechtigte wird auch an einer Maßnahme teilnehmen wollen. Das ist aber - wie der Fall des Ast zeigt - nicht zwingend so.
Gegen den Gutschein vom 19. Oktober 2015 hat der Ast zwar nicht ausdrücklich Widerspruch eingelegt. Dieser Bescheid ist aber mangels Rechtsbehelfsbelehrung noch nicht bestandskräftig, § 66 Abs. 2 SGG. Der Widerspruch des Ast vom 23. November 2015 oder zumindest die Antragstellung bei Gericht am 24. November 2015, die sich erkennbar gegen die mit dem Gutschein vom 19. Oktober 2015 bezweckte Maßnahme wendet, kann nach Meinung des Gericht zugleich als Widerspruch gegen den Gutschein vom 19. Oktober 2015 ausgelegt werden.
Beide Begehren sind auch zulässig im Hinblick darauf, dass noch keine Pflichtverletzung geltend gemacht wurde und keine Sanktion unmittelbar droht. Es handelt sich nicht um bloßen vorbeugenden Rechtsschutz (dazu LSG München, Beschluss vom 29. Mai 2015, L 7 AS 365/15 B ER), weil die EGV bereits gilt und Pflichten des Ast enthält, wie etwa monatliche Eigenbemühungen. Der Gutschein vom 19. Oktober 2015 sollte zudem bis 30. November 2015 eingelöst werden, so dass die Teilnahme an der vorgesehenen Maßnahme auch unmittelbar ansteht.
Ferner ist zwar fraglich, ob die Nichteinlösung des Vermittlungsgutscheins vom 19. Oktober 2015 oder die Nichtteilnahme an der Maßnahme sanktioniert werden könnte. Denn der Gutschein selbst enthält keinerlei Rechtsfolgenbelehrung und die EGV datiert erst vom 16. November 2015 und sieht dazu ebenfalls keine hinreichende Belehrung vor. Allerdings ist dies im Rahmen des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht von vornherein auszuschließen. Und der Ast hat ein Interesse, wenigstens vorläufig Klarheit zu haben, ob er an der geplanten Maßnahme teilnehmen muss oder nicht.
In der Sache hat der Antrag aber keinen Erfolg.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Vorliegend hat ein Rechtsmittel gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG i.V.m. § 39 Abs. 1 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung, wie oben schon erörtert.
Im Rahmen der Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das Gericht das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts und das (private) Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung gegeneinander abzuwägen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 39 SGB II dem öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug grundsätzlich den Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung eingeräumt hat. Das Aussetzungs- oder Suspensivinteresse überwiegt in entsprechender Anwendung des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG regelmäßig dann, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Adressaten eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist (wie in der Hauptsache) grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Erlasses (genauer: der Bekanntgabe) der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. April 2015, L 4 AS 63/15 B ER; SächsLSG, Beschluss vom 19. Februar 2015, L 8 AS 1232/14 ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. November 2014, L 10 AS 2254/14 B ER).
Eine Glaubhaftmachung liegt in entsprechender Anwendung von § 23 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) dann vor, wenn der betreffende Umstand nach dem glaubwürdigen Vortrag des Antragstellers und nach den im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens möglichen Ermittlungen überwiegend wahrscheinlich ist.
Auf dieser Grundlage ordnet das Gericht die aufschiebende Wirkung nicht an, weil das Suspensivinteresse nicht überwiegt und auch keine unbillige Härte ersichtlich ist.
Im Rahmen der hier vorzunehmenden Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der aufgrund von § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II erlassene EGV vom 16. November 2015. Die EGV enthält unter Ziffer 2. Eigenbemühungen des Ast. Dabei ist nichts Durchgreifendes dafür ersichtlich, dass diese nicht zumutbar sind. Fünf Eigenbemühungen pro Monat sind zumutbar. Die Teilnahme an der beruflichen Eingliederungsmaßnahme ist nicht als Pflicht des Ast aufgeführt, sondern lediglich die Ziffer 1., welche die Leistungen des Ag bestimmt, enthält eine Aufforderung zur Einlösung des Gutscheins. Damit wird aber keine Bemühung bzw. Verpflichtung des Ast statuiert. Das kann so aus der EGV nicht deutlich herausgelesen werden, selbst wenn es seitens des Jobcenters so gewollt gewesen sein sollte. Vom objektiven Empfängerhorizont aus gesehen ist aber nur eine Aufforderung zur Einlösung formuliert, die eine Unterstützungsleistung des Ag darstellen soll, was zumindest vor dem Hintergrund des überwiegend begünstigenden Charakters des Gutscheins noch nachvollziehbar ist. Eine irgendwie geartete Verpflichtung des Ast oder gar eine Sanktionsmöglichkeit ist nicht deutlich ableitbar, auch wenn auf die Rechtsfolgenbelehrung hingewiesen wird. Die Rechtsfolgenbelehrung setzt aber wiederum nach ihrem Wortlaut voraus, dass gegen eine in dieser EGV festgelegte Pflicht verstoßen wird. Eine solche ist aber gerade nicht hinreichend statuiert worden. Damit führt auch der Hinweis nicht weiter.
Auch sonst sind keine Punkte erkennbar, die so nicht zulässig sind. Bezüglich der Kostenübernahme für Bewerbungen und die Maßnahme ist die EGV ausreichend klar formuliert. Dass gegenüber dem Entwurf Änderungen vorgenommen wurden, ist ebenfalls unerheblich (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 31. März 2014, L 19 AS 404/14 B ER), zumal diese in einigen Punkten den Vorschlägen bzw. Einwänden des Ast vom 28. Oktober 2015 entsprechen.
Um eine baldige Anwendung der EGV mit ihren Eingliederungsbemühungen zu erreichen, musste der Ag auch keine weiteren Verhandlungen mit dem Ast durchführen, weil deren Ergebnis bzw. Abschluss völlig offen war. Der Ast hat Verhandlungsbereitschaft signalisiert, jedoch nicht klar gemacht, dass er die EGV dann akzeptieren wird, wenn seinen Änderungswünschen nachgekommen wird. Damit war für den Ag völlig offen, dass zeitnah eine EGV vereinbart werden kann. Auch zeigt das vorliegende Verfahren, dass weiterhin Dissens bezüglich eines zumindest vom Ag als wesentlich angesehenen Punktes, der Maßnahme, bestand, wenngleich diese mangels entsprechender Formulierung nicht wirksam als Pflicht des Ast festgelegt wurde.
Ernstliche Zweifel hat das Gericht auch nicht bezüglich des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins vom 19. Oktober 2015. Die vorgesehene Maßnahme mit dem Inhalt, die Kenntnisse und Fähigkeiten des Ast im Bereich Fahrradmontage und -reparatur, Lager und Einkauf zu verbessern, stellt eine Maßnahme zur beruflichen Eingliederung im Sinn des § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 45 SGB III dar. Anders als der Ast meint, ist sie auch nicht zu beanstanden. Die Maßnahme ist nicht erkennbar ungeeignet. Und nach jahrelanger Arbeitslosigkeit (seit Anfang Februar 2009) hat der Ast weiterhin keine Beschäftigung erlangt oder derzeit konkret in Aussicht, die ihm ermöglichen würde, ohne existenzsichernde Sozialleistungen nach dem SGB II seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Daher kann oder muss der Ag nach wie vor Versuche unternehmen, dies zu ändern, indem der Ast beruflich reintegriert wird. Es sind auch sonst keine Umstände erkennbar, die dem Ast eine Teilnahme an der Maßnahme über 26 Wochen unzumutbar machen würden. Sollte der Ast während der Dauer der Maßnahme anderweitig eine auskömmliche Beschäftigung finden und unabhängig von den Leistungen des Ag werden, erübrigt sich die weitere Teilnahme.
Somit ist für das Gericht ein Erfolg im Hauptsacheverfahren nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen, um im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ernstliche Zweifel zu rechtfertigen.
Es sind auch im Rahmen einer Folgenbetrachtung keine Gründe ersichtlich, die eine andere Entscheidung bedingen. Es ist vor allem nicht erkennbar, dass dem Ast bei Befolgung der Pflichten aus der EGV oder der Einlösung des Gutscheins schwere, irreversible Nachteile oder Schäden erwachsen werden.
Daher ist der Antrag insgesamt abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von §§ 183, 193 SGG.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen eine Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt und möchte insbesondere vorläufig von der Pflicht zur Teilnahme an einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung entbunden werden.
Der 1976 geborene Antragsteller (Ast) bezieht seit Längerem laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Antragsgegner (Ag). Mit Bescheid vom 2. Juli 2015 wurden dem Ag laufende Leistungen für die Monate August 2015 bis Juli 2016 bewilligt. Der Ag legte dem Ast am 19. Oktober 2015 den Entwurf einer Eingliederungsvereinbarung (EGV) vor und übergab ihm einen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein für eine Maßnahme betreffend Fahrradmontage und -reparatur, Lager, Ein- und Verkauf über 26 Wochen; gedacht war offenbar an die Maßnahme "Kette und Kurbel". Der Ast unterbreitete Gegenvorschläge im Schreiben vom 28. Oktober 2015.
Der Ag erließ am 16. November 2015 per Verwaltungsakte eine gegenüber dem Entwurf geänderte EGV für die Zeit vom 16. November 2015 bis zum 15. Mai 2015. Darin wurde u.a. in Ziffer 1. "Unterstützung durch das Jobcenter" der Ast aufgefordert, den o.g. Gutschein bis 30. November 2015 einzulösen. Ferner unterstützt das Jobcenter die Bewerbungsaktivitäten des Ast durch Übernahme von angemessenen nachgewiesenen Kosten für schriftliche Bewerbungen. Als Bemühungen des Ast wurden vor allem mindestens fünf Bewerbungsbemühungen pro Monat mit Nachweisen festgelegt.
Unter dem 23. November 2015 legte der Ast Widerspruch gegen die EGV vom 16. November 2015 ein.
Am 24. November 2015 hat sich der Ast an das Sozialgericht Augsburg gewandt und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Der Abschluss einer EGV sei vorrangig gegenüber dem Erlass durch Verwaltungsakt. Dies sei erst möglich, wenn keine Einigung zustande gekommen sei. Der Ast habe jedoch Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Die Erstattung von Bewerbungskosten sei nur pauschaliert angegeben. Ferner werde der Ast aufgefordert, bis 30. November 2015 einen Vermittlungsgutschein einzulösen. Den habe er nicht beantragt und dürfe auch nicht gezwungen werden, ihn einzulösen. Es fehle jegliche Begründung, weshalb genau diese Maßnahme für den Ast zielführend sein solle, da vorherige Maßnahmen keinen Erfolg in der beruflichen Integration gebracht hätten. Zudem sei die Kostenübernahme für die Maßnahme nur unzureichend geregelt.
Der Antragsteller beantragt (sinngemäß):
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die unter dem 16. November 2015 erlassene Eingliederungsvereinbarung und den Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein vom 19. Oktober 2015 wird angeordnet.
Für den Antragsgegner wird beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Nach der Auslegung durch das Gericht verfolgt der Ast zunächst das Ziel, die gesamte EGV vom 16. November 2015 vorläufig nicht befolgen zu müssen. Insbesondere geht es ihm darum, nicht an der mit dem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein vom 19. Oktober 2015 bezweckten Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung teilnehmen zu müssen. Das ergibt sich für das Gericht hinreichend deutlich aus dem bisherigen Vorbringen des Ast. Das Gericht versteht dies dahin, dass zum einen die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Ast gegen die EGV angeordnet werden soll. Damit würde allerdings nach Ansicht des Gerichts (dazu unten) das Rechtsschutzziel des Ast nur zum Teil erreicht, weil die EGV gar nicht die Verpflichtung des Ast zur Einlösung des Vermittlungsgutscheins oder zur Teilnahme an der Maßnahme vorsieht. Das folgt allein aus dem Vermittlungsgutschein vom 19. Oktober 2015. Demzufolge nimmt das Gericht gemäß § 123 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einen weiteren Antrag an, gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung auch betreffend diesen Gutschein. Damit wäre der Ast zur Einlösung des Gutscheins und zur Teilnahme an der Maßnahme vorläufig nicht verpflichtet und das Rechtsschutzziel des Ast umfassend verwirklicht.
So verstanden ist Eilantrag hinsichtlich beider Begehren zulässig. Soweit sich der Ast gegen die komplette per Verwaltungsakt erlassene EGV vom 16. November 2015 wendet, ist das Begehren als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 23. November 2015 gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 SGG anzusehen, da der Widerspruch des Ast wegen § 39 Nr. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) keine aufschiebende Wirkung hat.
Gleiches gilt bezüglich des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins vom 19. Oktober 2015. Auch insofern greift § 39 Nr. 1 SGB II (vgl. Hauck/Noftz, SGB II, § 39 Rz. 84.). Ein Gutschein nach § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 45 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Ar- beitsförderung - (SGB III), wie hier, stellt einen Verwaltungsakt dar. Seit der Neufassung durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (BGBl. I 2008, S. 2917) bezweckt § 39 Nr. 1 SGB II die Gewährleistung der Effizienz der Bemühungen zur beruflichen (Wieder-)Eingliederung von Arbeitslosengeld II-Empfängern. Die Gesetzesänderung bezog sich zwar primär auf Eingliederungsvereinbarungen. Jedoch ist nicht ersichtlich, weshalb bei Reintegrationsbemühungen in Form von Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheinen etwas anderes gelten soll. Deren Wirkung würde gleichermaßen ins Leere gehen, wenn sie durch bloßes Einlegen eines Rechtsmittels aufgeschoben werden könnten. Die Interessenlage wird hier zwar regelmäßig eine andere sein, der Berechtigte wird auch an einer Maßnahme teilnehmen wollen. Das ist aber - wie der Fall des Ast zeigt - nicht zwingend so.
Gegen den Gutschein vom 19. Oktober 2015 hat der Ast zwar nicht ausdrücklich Widerspruch eingelegt. Dieser Bescheid ist aber mangels Rechtsbehelfsbelehrung noch nicht bestandskräftig, § 66 Abs. 2 SGG. Der Widerspruch des Ast vom 23. November 2015 oder zumindest die Antragstellung bei Gericht am 24. November 2015, die sich erkennbar gegen die mit dem Gutschein vom 19. Oktober 2015 bezweckte Maßnahme wendet, kann nach Meinung des Gericht zugleich als Widerspruch gegen den Gutschein vom 19. Oktober 2015 ausgelegt werden.
Beide Begehren sind auch zulässig im Hinblick darauf, dass noch keine Pflichtverletzung geltend gemacht wurde und keine Sanktion unmittelbar droht. Es handelt sich nicht um bloßen vorbeugenden Rechtsschutz (dazu LSG München, Beschluss vom 29. Mai 2015, L 7 AS 365/15 B ER), weil die EGV bereits gilt und Pflichten des Ast enthält, wie etwa monatliche Eigenbemühungen. Der Gutschein vom 19. Oktober 2015 sollte zudem bis 30. November 2015 eingelöst werden, so dass die Teilnahme an der vorgesehenen Maßnahme auch unmittelbar ansteht.
Ferner ist zwar fraglich, ob die Nichteinlösung des Vermittlungsgutscheins vom 19. Oktober 2015 oder die Nichtteilnahme an der Maßnahme sanktioniert werden könnte. Denn der Gutschein selbst enthält keinerlei Rechtsfolgenbelehrung und die EGV datiert erst vom 16. November 2015 und sieht dazu ebenfalls keine hinreichende Belehrung vor. Allerdings ist dies im Rahmen des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht von vornherein auszuschließen. Und der Ast hat ein Interesse, wenigstens vorläufig Klarheit zu haben, ob er an der geplanten Maßnahme teilnehmen muss oder nicht.
In der Sache hat der Antrag aber keinen Erfolg.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Vorliegend hat ein Rechtsmittel gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG i.V.m. § 39 Abs. 1 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung, wie oben schon erörtert.
Im Rahmen der Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das Gericht das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts und das (private) Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung gegeneinander abzuwägen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 39 SGB II dem öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug grundsätzlich den Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung eingeräumt hat. Das Aussetzungs- oder Suspensivinteresse überwiegt in entsprechender Anwendung des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG regelmäßig dann, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Adressaten eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist (wie in der Hauptsache) grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Erlasses (genauer: der Bekanntgabe) der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. April 2015, L 4 AS 63/15 B ER; SächsLSG, Beschluss vom 19. Februar 2015, L 8 AS 1232/14 ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. November 2014, L 10 AS 2254/14 B ER).
Eine Glaubhaftmachung liegt in entsprechender Anwendung von § 23 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) dann vor, wenn der betreffende Umstand nach dem glaubwürdigen Vortrag des Antragstellers und nach den im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens möglichen Ermittlungen überwiegend wahrscheinlich ist.
Auf dieser Grundlage ordnet das Gericht die aufschiebende Wirkung nicht an, weil das Suspensivinteresse nicht überwiegt und auch keine unbillige Härte ersichtlich ist.
Im Rahmen der hier vorzunehmenden Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der aufgrund von § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II erlassene EGV vom 16. November 2015. Die EGV enthält unter Ziffer 2. Eigenbemühungen des Ast. Dabei ist nichts Durchgreifendes dafür ersichtlich, dass diese nicht zumutbar sind. Fünf Eigenbemühungen pro Monat sind zumutbar. Die Teilnahme an der beruflichen Eingliederungsmaßnahme ist nicht als Pflicht des Ast aufgeführt, sondern lediglich die Ziffer 1., welche die Leistungen des Ag bestimmt, enthält eine Aufforderung zur Einlösung des Gutscheins. Damit wird aber keine Bemühung bzw. Verpflichtung des Ast statuiert. Das kann so aus der EGV nicht deutlich herausgelesen werden, selbst wenn es seitens des Jobcenters so gewollt gewesen sein sollte. Vom objektiven Empfängerhorizont aus gesehen ist aber nur eine Aufforderung zur Einlösung formuliert, die eine Unterstützungsleistung des Ag darstellen soll, was zumindest vor dem Hintergrund des überwiegend begünstigenden Charakters des Gutscheins noch nachvollziehbar ist. Eine irgendwie geartete Verpflichtung des Ast oder gar eine Sanktionsmöglichkeit ist nicht deutlich ableitbar, auch wenn auf die Rechtsfolgenbelehrung hingewiesen wird. Die Rechtsfolgenbelehrung setzt aber wiederum nach ihrem Wortlaut voraus, dass gegen eine in dieser EGV festgelegte Pflicht verstoßen wird. Eine solche ist aber gerade nicht hinreichend statuiert worden. Damit führt auch der Hinweis nicht weiter.
Auch sonst sind keine Punkte erkennbar, die so nicht zulässig sind. Bezüglich der Kostenübernahme für Bewerbungen und die Maßnahme ist die EGV ausreichend klar formuliert. Dass gegenüber dem Entwurf Änderungen vorgenommen wurden, ist ebenfalls unerheblich (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 31. März 2014, L 19 AS 404/14 B ER), zumal diese in einigen Punkten den Vorschlägen bzw. Einwänden des Ast vom 28. Oktober 2015 entsprechen.
Um eine baldige Anwendung der EGV mit ihren Eingliederungsbemühungen zu erreichen, musste der Ag auch keine weiteren Verhandlungen mit dem Ast durchführen, weil deren Ergebnis bzw. Abschluss völlig offen war. Der Ast hat Verhandlungsbereitschaft signalisiert, jedoch nicht klar gemacht, dass er die EGV dann akzeptieren wird, wenn seinen Änderungswünschen nachgekommen wird. Damit war für den Ag völlig offen, dass zeitnah eine EGV vereinbart werden kann. Auch zeigt das vorliegende Verfahren, dass weiterhin Dissens bezüglich eines zumindest vom Ag als wesentlich angesehenen Punktes, der Maßnahme, bestand, wenngleich diese mangels entsprechender Formulierung nicht wirksam als Pflicht des Ast festgelegt wurde.
Ernstliche Zweifel hat das Gericht auch nicht bezüglich des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins vom 19. Oktober 2015. Die vorgesehene Maßnahme mit dem Inhalt, die Kenntnisse und Fähigkeiten des Ast im Bereich Fahrradmontage und -reparatur, Lager und Einkauf zu verbessern, stellt eine Maßnahme zur beruflichen Eingliederung im Sinn des § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 45 SGB III dar. Anders als der Ast meint, ist sie auch nicht zu beanstanden. Die Maßnahme ist nicht erkennbar ungeeignet. Und nach jahrelanger Arbeitslosigkeit (seit Anfang Februar 2009) hat der Ast weiterhin keine Beschäftigung erlangt oder derzeit konkret in Aussicht, die ihm ermöglichen würde, ohne existenzsichernde Sozialleistungen nach dem SGB II seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Daher kann oder muss der Ag nach wie vor Versuche unternehmen, dies zu ändern, indem der Ast beruflich reintegriert wird. Es sind auch sonst keine Umstände erkennbar, die dem Ast eine Teilnahme an der Maßnahme über 26 Wochen unzumutbar machen würden. Sollte der Ast während der Dauer der Maßnahme anderweitig eine auskömmliche Beschäftigung finden und unabhängig von den Leistungen des Ag werden, erübrigt sich die weitere Teilnahme.
Somit ist für das Gericht ein Erfolg im Hauptsacheverfahren nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen, um im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ernstliche Zweifel zu rechtfertigen.
Es sind auch im Rahmen einer Folgenbetrachtung keine Gründe ersichtlich, die eine andere Entscheidung bedingen. Es ist vor allem nicht erkennbar, dass dem Ast bei Befolgung der Pflichten aus der EGV oder der Einlösung des Gutscheins schwere, irreversible Nachteile oder Schäden erwachsen werden.
Daher ist der Antrag insgesamt abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von §§ 183, 193 SGG.
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