L 14 AL 284/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 1 AL 94/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AL 284/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
zur Anspruchskonkurrenz von Arbeitslosengeld und Übergangsgeld bei einer Weiterbildungsmaßnahme
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 25. September 2014 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt anstelle des ihm für die Zeit vom 7. Januar 2009 bis zum 3. März 2011 gewährten Arbeitslosengeldes (Alg) die Gewährung von Übergangsgeld.

Der 1977 geborene Kläger, der den Beruf eines KfZ-Mechanikers erlernte und ausübte, verunfallte im November 1995. Infolge des Unfalles traten zunächst Wirbelsäulenbeschwerden, später Einschränkungen am Ellenbogen und der Schulter hinzu.

Den am 23. September 2008 bei der Deutschen Rentenversicherung gestellten Rehabilitationsantrag leitete dieser Versicherungsträger mit der Begründung, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei ihr nicht erfüllt seien, gemäß § 14 Abs. 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) an die Beklagte weiter.

Nach Angaben des Klägers erfolgte im Oktober 2008 die Anerkennung als Schwerbehinderter.

Mit Feststellungbescheid vom 4. Dezember 2008 teilte die Beklagte dem Kläger den Abschluss des Reha-Verfahrens (berufliche Rehabilitation) wegen fehlender Erfolgsaussichten mit. Ein Widerspruch wurde hiergegen von ihm nicht geführt, weil anlässlich eines Termins bei der Beklagten, "die Wiederaufnahme des Reha-Verfahrens besprochen wurde."

Anfang Januar 2009 fand ein Gespräch zwischen Mitarbeitern der Beklagten und dem Kläger statt, unter anderem mit der Zielsetzung den Teilnahmebeginn für eine Trainingsmaßnahme Kita-Erzieher zu klären. Der Kläger erklärte sich dazu bereit, mit dem Maßnahmeträger und seinem damaligen Arbeitgeber zu klären, ab wann er an der Trainingsmaßnahme teilnehmen könne.

Der Kläger füllte am 3. März 2009 einen Fragebogen zur Förderung der Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme aus, mit dem er in der Beklagten kundtat, die Weiterbildungsmaßnahme mit dem Maßnahmeziel Fachkraft für Kindertagesbetreuung weiter fortzusetzen. Der Teilnahmebeginn sei der 9. März 2009.

Die Beklagte stellte dem Kläger die Notwendigkeit einer beruflichen Weiterbildung mit Bescheid vom 3. März 2009 fest und fertigte ihm einen Bildungsgutschein für das Bildungsziel einer Umschulungsmaßnahme zum Kita-Erzieher aus; Maßnahme Dauer 9. März 2009 des 4. März 2011.

Den Bildungsgutschein löste der Kläger bei der A ein und absolvierte im Zeitraum vom 9. März 2009 bis zum 4. März 2011 eine Umschulungsmaßnahme zum Erzieher für den Bereich der Kinderbetreuung im Land Brandenburg, die er erfolgreich abschloss.

Bereits am 6. Januar 2009 schloss der Kläger einen Aufhebungsvertrag über die Beendigung des seit Januar 2000 bestehenden Arbeitsverhältnisses zum selben Tag.

Er meldete sich am 6. Januar 2009 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Mit Bescheid vom 21. Januar 2009 gewährte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 7. Januar 2009 bis 5. Januar 2010 Alg gemäß § 117 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) mit einem täglichen Leistungsbetrag von 25,28 Euro.

Mit Änderungsbescheid vom 11. März 2009 gewährte die Beklagte dem Kläger Alg gemäß § 117 SGB III vom 5. März 2011 bis zum 4. April 2011 mit einem täglichen Leistungsbetrag von 25,28 Euro und mit Änderungsbescheid vom 23. März 2009 Alg vom 7. Januar 2009 bis 8. März 2009 mit einem täglichen Leistungsbetrag von 25,43 Euro. Als Grund der befristeten Bewilligung wurde die Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme angegeben.

Mit Schreiben vom 28. Januar 2011, eingegangen bei der Beklagten am 31. Januar 2011, beantragte der Kläger die Überprüfung der erlassenen Bescheide mit dem Ziel, Übergangsgeld nach § 46 SGB IX anstelle des ihm gewährten Arbeitslosengeldes zu erhalten.

Den Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Mai 2011 ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2011 zurück.

Die vom Kläger dagegen am 18. Juli 2011 erhobene Klage hat das Sozialgericht Neuruppin (SG) mit Urteil vom 25. September 2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Übergangsgeld nach § 45 Abs. 2 Satz 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) i.V.m. §§ 160 bis 162 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) nicht vorlägen, da sich der Kläger nicht in einer behinderten-spezifischen Ausbildung befunden habe.

Gegen das dem Kläger am 11. Oktober 2014 zugestellte Urteil hat dieser am 11. November 2014 Berufung beim SG eingelegt, die am 27. November 2011 an das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg weitergeleitet wurde. Der Kläger hat die Berufung nicht begründet.

Der Kläger beantragt seinem schriftlichen Vorbringen sinngemäß zu folge,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 25. September 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Mai 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Bescheide vom 21. Januar 2009, 11. März 2009 und 23. März 2009 abzuändern und dem Kläger anstelle des gewährten Arbeitslosengeldes Übergangsgeld nach § 46 SGB IX zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die zutreffenden Ausführungen des SG.

Der Senat hat die Beteiligten unter dem 26. Mai 2015 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige über die Berufung durch Beschluss ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter zu entscheiden, und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 26. Juni 2015 gegeben.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichts- und Verwaltungsakten. Diese haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

II.

Der Senat konnte über die Berufung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Er hält die Berufung einstimmig für unbegründet. Der Rechtsstreit weist auch keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übergangsgeld.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 5. Mai 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2011, mit dem die Beklagte den Antrag auf Überprüfung der Bescheide vom 21. Januar 2009, 11. März 2009 und 23. März 2009 abgelehnt hat.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beträge zu Unrecht nicht erhoben worden sind.

Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihre Bescheide vom 21. Januar 2009, 11. März 2009 und 23. März 2009 zurückzunehmen. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte bei Erlass ihrer Bescheide das Recht unrichtig angewandt hat oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.

Gemäß § 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX (in der hier anzuwendenden Fassung vom 22. Dezember 2008) leistet die Agentur für Arbeit im Zusammenhang mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Übergangsgeld nach Maßgabe der §§ 160 bis 162 SGB III. Nach § 160 Satz 1 Nr. 2 SGB III (in der hier anzuwendenden Fassung vom 22. Dezember 2008) haben behinderte Menschen Anspruch auf Übergangsgeld, wenn

1. die Vorbeschäftigungszeit für das Übergangsgeld erfüllt ist und

2. sie an einer Maßnahme der Berufsbildung, der Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen Behinderung erforderlichen Grundausbildung, der individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der unterstützten Beschäftigung nach § 38 a des Neunten Buches oder an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung teilnehmen, für die besonderen Leistungen erbracht werden.

Im Übrigen gelten die Vorschriften des Kapitels 6 des Neunten Buches, soweit in diesem Buch nichts Abweichendes bestimmt ist. Besteht bei Teilnahme an einer Maßnahme, für die die allgemeinen Leistungen erbracht werden, kein Anspruch auf Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung, erhalten die behinderten Menschen Übergangsgeld in Höhe des Arbeitslosengeldes, wenn sie bei Teilnahme an einer Maßnahme, für die besonderen Leistungen erbracht werden, Übergangsgeld erhalten würden.

Nach § 102 Abs. 1 SGB III (in der hier anzuwendenden Fassung vom 19. Juni 2001) sind die besonderen Leistungen anstelle der allgemeinen Leistungen insbesondere zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung einschließlich Berufsvorbereitung sowie blindentechnischer und vergleichbarer spezifischer Grundausbildung zu erbringen, wenn

1. Art oder Schwere der Behinderung oder die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben die Teilnahme an

a. einer Maßnahme in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen oder b. einer sonstigen auf die besonderen Bedürfnisse behinderter Menschen ausgerichteten Maßnahme

unerlässlich machen oder

2. die allgemeinen Leistungen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlichen Leistungen nicht oder nicht im erforderlichen Umfang vorsehen.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Kläger hat weder an einer Maßnahme in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen noch an einer auf die besonderen Bedürfnisse behinderter Menschen ausgerichteten Maßnahme teilgenommen, so dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Übergangsgeld vorliegend schon nicht gegeben sind.

Der Kläger hat auch zu Recht Alg insbesondere für den Zeitraum seiner Weiterbildung vom 9. März 2009 bis 4. März 2011 erhalten. Nachdem der Kläger zunächst Alg für die Zeit ab 7. Januar 2009 nach § 117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F. wegen Arbeitslosigkeit bewilligt bekommen hatte, ist für die Zeit ab Aufnahme seiner Weiterbildungsmaßnahme ab 9. März 2009 eine wesentliche Änderung eingetreten mit der Folge, dass ihm Alg nunmehr nach § 117 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a. F. bei beruflicher Weiterbildung zu gewähren war. Dies hatte für ihn sogar zum Vorteil, dass sich sein Alg-Anspruch nicht mehr nur nach der Anzahl von Tagen, für die der Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit erfüllt worden ist, minderte (§ 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB IIIa. F.), sondern eine Minderung nur noch jeweils einen Tag für jeweils zwei Tage, für die ein Anspruch auf Alg bei beruflicher Weiterbildung nach dem SGB III erfüllt worden ist (§ 128 Abs. 1 Nr. 8 SGB III a. F.), berücksichtigt werden konnte. Einem Anspruch auf Übergangsgeld steht dem Kläger § 160 S. 2 SGB III a.F. entgegen, der einen Anspruch auf Übergangsgeld nur dann vorsieht, wenn ein Anspruch auf Alg bei beruflicher Weiterbildung nicht besteht. Gerade dieses ist beim Kläger nicht der Fall gewesen, weil ihm Alg wegen der Weiterbildung gewährt worden ist und die Weiterbildung auch keine besondere Maßnahme für die schwerbehinderter Menschen gewesen ist. Im Übrigen ergibt sich aus § 160 S. 3 SGB III a. F., dass das Übergangsgeld nicht höher gewesen wäre als das Alg.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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