Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 4 R 2689/11 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 832/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur besonderen Härte des Vollzugs einer Beitragsnachforderung infolge einer Betriebsprüfung.
Bewertung einer Bestätigung eines Steuerberaters zur drohenden Insolvenz des Beitragsschuldners.
Bewertung einer Bestätigung eines Steuerberaters zur drohenden Insolvenz des Beitragsschuldners.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 12. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe:
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Ast) wendet sich im Eilverfahren gegen eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen nebst Säumniszuschlägen in ursprünglicher Höhe von insgesamt 76.836,45 Euro, die der Antragsgegner (Ag) nach einer Betriebsprüfung festgesetzt hat.
Der 1972 geborene Ast ist Inhaber des Einzelunternehmens Z., das 1997 den Betrieb aufgenommen hatte. Die Betriebsnummer lautet 8 ... Aktuell ist der Ast unter derselben Geschäftsanschrift als Geschäftsführer der S. Partner GmbH (events - security) tätig.
Am 12.04.2005 leitete das Hauptzollamt (HZA) B-Stadt, neben dem Z. auch für einen weiteren Betrieb des Ast, Ermittlungen für den Zeitraum Juni 2001 bis September 2005 ein. Das Finanzamt B-Stadt hatte zuvor mitgeteilt, dass der Ast im Jahr 2003 mit seinen Einzelunternehmen Umsätze in Höhe von 670.000,- Euro erwirtschaftet hatte, aber nur zwei Vollzeitbeschäftigte gehabt habe. Im Ermittlungsverfahren wurden zahlreiche Personen vernommen, insbesondere auch Herr Z. (jetziger Name M.). Das Ergebnis der Ermittlungen, einschließlich Auszüge der Zeugenaussagen, ist im Schlussbericht vom 30.04.2007, auf den verwiesen wird, personen- und monatsbezogen dargestellt.
Im anschließenden Strafverfahren (Az. 2 Ls 230 Js 20069/05) wurde der Ast vom Amtsgericht B-Stadt mit Urteil vom 29.05.2008 wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt und wegen Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteil. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Auch die Lebensgefährtin des Ast, Frau H., die bei Z. für die Lohnbuchhaltung zuständig war, wurde verurteilt. Nach dem Urteil stehe der Sachverhalt aufgrund der umfassenden Geständnisse beider Angeklagten fest.
Nach Auswertung der Ermittlungsergebnisse des HZA und des Strafverfahrens hörte der Ag den Ast im November 2008 erstmals an zu einer beabsichtigten Nachforderung in Höhe von 100.230,86 Euro. Bei einer Besprechung wurden vom Ast insbesondere die Nachforderungen für Herrn Z. bemängelt, der ein selbständiger Subunternehmer gewesen sei. Nach Beiziehung weiterer Akten des HZA und der Staatsanwaltschaft ergab sich, dass einige Personen bei anderen Firmen tätig waren. Die Nachforderungen wurden korrigiert und mit Anhörungsschreiben vom 15.09.2009 auf 80.992,03 Euro vermindert.
Mit strittigem Bescheid vom 16.11.2009 wurde ein Betrag von 76.836,45 Euro nachgefordert, davon 30.986,45 Euro an Säumniszuschlägen. Auf Herrn Z. entfielen davon 32.904,91 Euro zuzüglich Umlage LFZG und Säumniszuschläge. Der dagegen eingelegte Widerspruch mit Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wegen drohender Insolvenz, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.2011 zurückgewiesen, auf dessen Begründung verwiesen wird. Dagegen erhob der Ast am 01.07.2011 die Klage S 4 AS 1717/11, über die noch nicht entschieden ist.
Am 12.09.2011 stellte der Ast beim Sozialgericht München den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Beitragsbescheid. Der Vollzug des Bescheides wäre mit einer Vernichtung der Existenz des Ast gleichbedeutend. Hierzu wurde eine betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) übermittelt, die für die Zeit von Januar bis September 2011 einen Umsatz von 321.123 Euro und einen Gewinn von 39.673,84 Euro auswies. Im September 2011 belief sich der Zahlungsrückstand noch auf 63.260,02 Euro. Ferner erklärte der Ast, dass das Geständnis im Strafverfahren lediglich aus prozesstaktischen Gründen erfolgt sei. Der Mitarbeiter Z. sei selbständig tätig gewesen.
Mit Schreiben vom 23.02.2012 räumte die zuständige Einzugsstelle BKK M. dem Ast monatliche Teilzahlungen von 500,- Euro ein. Mit Schreiben vom 17.03.2015 erklärte die Einzugsstelle die Teilzahlungsvereinbarung bei Nachweis der finanziellen Verhältnisse bis 31.12.2015 zu verlängern. Wegen längerer Erkrankung des Vorsitzenden Richters kam es zu größeren Verzögerungen und der Übertragung des Verfahrens auf eine andere Kammer.
Mit Beschluss vom 12.10.2015 lehnte das Sozialgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Es bestünden keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 16.11.2009. Herr Z. habe beim Ast eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt. Er sei nach seiner Zeugenaussage beim HZA in den Betrieb des Ast eingegliedert gewesen. Er habe die Leistung persönlich erbracht, sei vom Ast mit anderen Mitarbeitern zur Bewachung bestimmter Objekte eingeteilt worden, habe Stundenlohn erhalten und auch kein Unternehmensrisiko gehabt. Die Säumniszuschläge seien gemäß § 24 Abs. 2 SGB IV zu Recht erhoben worden, weil zumindest bedingter Vorsatz vorgelegen habe. Eine unbillige Härte bedeute die Vollziehung nicht. Die Beitragsforderung sei zunächst keine Härte sondern Ausfluss der Erfüllung gesetzlicher Pflichten. Gerade wenn Zahlungsunfähigkeit drohe, sei das Interesse an der Einziehung der Beiträge hoch. Eine Insolvenz drohe aktuell nicht, weil zumindest bis 31.12.2015 eine Ratenzahlung möglich sei.
Der Ast hat am 09.11.2015 Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Dem Ast drohe nach Jahren plötzlich eine Vollstreckung, die ihn existentiell vernichten würde. Vorgelegt wurde eine Bestätigung des Steuerberaters des Ast adressiert an den Ast, dass der Ast als einziges Einkommen derzeit monatlich 3.500,- Euro (netto 2.743,57 Euro) Vergütung als Geschäftsführer der S. Partner GmbH habe. Bei einer Vollstreckung der Rückzahlung von Beiträgen "jenseits der 100.000,- Euro" sehe der Steuerberater aufgrund kaum vorhandener Restmittel eine Privatinsolvenz als unabwendbar an und somit die Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH als stark gefährdet an. Eine Liquidation oder Insolvenz der GmbH "dürfte als logische Konsequenz ... in absehbarer Zeit folgen". Die Einzugsstelle teilte auf Nachfrage mit, dass bei laufender Zahlung von monatlich 500,- Euro der aktuelle Rückstand noch 50.638,27 Euro betrage. Daraufhin übermittelte der Ast eine BWA für die Zeit von Januar bis September 2015, wonach bei einem Umsatz von 298.820,- Euro das Betriebsergebnis bei 20.078,- Euro lag.
Der Antragsteller beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts München vom 12.10.2015 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage und weiterer Rechtsmittel gegen den Bescheid vom16.11.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2011 bis zur rechtskräftigen Entscheidung anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akten des Antragsgegners, die Akten der Staatsanwaltschaft, die Akten des Sozialgerichts zum Eil- und Klageverfahren und die Akte des Beschwerdegerichts verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde ist nicht begründet, weil das Sozialgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu Recht abgelehnt hat. Es bestehen weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Nachforderung noch ist eine unbillige Härte erkennbar.
Da der Ast die Unterbindung des Vollzugs eines gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG sofort vollziehbaren Beitrags- und Umlagebescheids anstrebt, ist ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG statthaft.
Die Entscheidung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG erfolgt auf Grundlage einer Interessenabwägung. Abzuwägen sind das private Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des Verwaltungsaktes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verschont zu bleiben und das öffentliche Interesse an der Vollziehung der behördlichen Entscheidung. Im Rahmen dieser Interessenabwägung kommt den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache eine wesentliche Bedeutung zu. Dabei ist die Wertung des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG zu berücksichtigen, wonach der Gesetzgeber aufgrund einer typisierenden Abwägung der Individual- und öffentlichen Interessen dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug prinzipiell Vorrang gegenüber entgegenstehenden privaten Interessen einräumt. Eine Abweichung von diesem Regel-Ausnahmeverhältnis kommt nur in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen oder wenn ausnahmsweise besondere private Interessen überwiegen (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 11. Auflage 2014, § 86b Rn. 12c; Bay LSG Beschlüsse vom 31.07.2015, L 7 AS 506/15 B ER und Beschluss vom 30.07.2012 L 5 R 267/12 B ER). Damit kommen die Kriterien, die das Gesetz für die Aussetzung der Vollziehung durch die Verwaltungsbehörde in § 86a Abs. 3 S. 2 SGG festlegt, auch im gerichtlichen Verfahren zur Anwendung: Zu prüfen ist, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Pflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
An der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 16.11.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2011 bestehen keine ernstlichen Zweifel. Das Beschwerdegericht schließt sich gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG der Begründung des Sozialgerichts an und weist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Dies gilt ausdrücklich auch für die Einordnung der Tätigkeit von Herrn Z. als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und die Berechtigung der Säumniszuschläge.
Eine unbillige Härte ist nicht glaubhaft. Eine solche liegt nur vor, wenn dem Betroffenen Nachteile entstehen, die über die eigentlichen Zahlungen hinausgehen und die nicht oder nur schwer wieder ausgeglichen werden können. Eine drohende Insolvenz kann - zumindest bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit - eine unbillige Härte begründen. Dabei ist im Gegenzug aber zu berücksichtigen, dass in diesem Fall auch gewichtige Interessen für eine umgehende Vollziehung des Beitragsbescheids sprechen: Die Einnahmen der Sozialversicherung sind durch zeitnahen Beitragseinzug sicherzustellen und die geltend gemachten Versicherungszeiten begründen sozialrechtliche Anwartschaften und Ansprüche für die Beschäftigten.
Hier fehlt es an belastbaren Nachweisen zu einer unbilligen Härte, insbesondere zu einer drohenden Insolvenz des Ast.
Die im Beschwerdeverfahren vorgelegte Bestätigung des Steuerberaters zeigt zunächst einmal, dass der Ast diese Bestätigung angefordert hat, der Steuerberater aber nicht einmal Kenntnis davon hatte, dass die Beitragsforderung nicht "jenseits der 100.000,- Euro" liegt, sondern durch Zahlungen des Ast auf 50.638,27 Euro zurückgegangen ist. Eine Bestätigung ohne Kenntnis der tatsächlichen Grundlagen ist wenig wert.
Der Ast haftet für sein Einzelunternehmen unbeschränkt. Von daher könnte eine Bestätigung eines Steuerberaters nur dann Bedeutung erlangen, wenn nicht nur die aktuellen Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit mitgeteilt werden, sondern ein vollständiger Überblick über alle Einkommensarten und das gesamte - auch private - Vermögen des Betroffenen gegeben wird. Davon hat ein Steuerberater aber regelmäßig keine Kenntnis, zum Beispiel wegen der Quellenbesteuerung von Kapitaleinkünften und wegen Immobilien, die keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung generieren. Die nur mit der Vergütung als Geschäftsführer belegte Äußerung des Steuerberaters ist daher unzureichend und darüber hinaus mit weichen Formulierungen versehen wie "sehe ich auf Grund", "schätze ich" und "dürfte als logische Konsequenz". Ein überzeugende Glaubhaftmachung einer ernsthaft drohenden Privatinsolvenz müsste eindeutig formuliert sein.
Die aktuelle BWA belegt dagegen erhebliches Einkommen des Ast. Seine laufende Vergütung als Geschäftsführer in Höhe von monatlich 3.500,- Euro ist in den dort angeführten Personalkosten enthalten. Hinzu kommt das ausgewiesene Betriebsergebnis von 20.078,- Euro.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht kommt. Daneben ist anzumerken, dass die Einzugsstelle grundsätzlich bereit ist, einer Ratenzahlung zuzustimmen, wenn der Ast durch die Restforderung tatsächlich und nachgewiesenermaßen in erhebliche Zahlungsschwierigkeiten kommen sollte und der Beitragsanspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird (vgl. Stundung nach § 76 Abs. 2 SGB IV).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ast hat das Rechtsmittel der Beschwerde erfolglos eingelegt.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe:
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Ast) wendet sich im Eilverfahren gegen eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen nebst Säumniszuschlägen in ursprünglicher Höhe von insgesamt 76.836,45 Euro, die der Antragsgegner (Ag) nach einer Betriebsprüfung festgesetzt hat.
Der 1972 geborene Ast ist Inhaber des Einzelunternehmens Z., das 1997 den Betrieb aufgenommen hatte. Die Betriebsnummer lautet 8 ... Aktuell ist der Ast unter derselben Geschäftsanschrift als Geschäftsführer der S. Partner GmbH (events - security) tätig.
Am 12.04.2005 leitete das Hauptzollamt (HZA) B-Stadt, neben dem Z. auch für einen weiteren Betrieb des Ast, Ermittlungen für den Zeitraum Juni 2001 bis September 2005 ein. Das Finanzamt B-Stadt hatte zuvor mitgeteilt, dass der Ast im Jahr 2003 mit seinen Einzelunternehmen Umsätze in Höhe von 670.000,- Euro erwirtschaftet hatte, aber nur zwei Vollzeitbeschäftigte gehabt habe. Im Ermittlungsverfahren wurden zahlreiche Personen vernommen, insbesondere auch Herr Z. (jetziger Name M.). Das Ergebnis der Ermittlungen, einschließlich Auszüge der Zeugenaussagen, ist im Schlussbericht vom 30.04.2007, auf den verwiesen wird, personen- und monatsbezogen dargestellt.
Im anschließenden Strafverfahren (Az. 2 Ls 230 Js 20069/05) wurde der Ast vom Amtsgericht B-Stadt mit Urteil vom 29.05.2008 wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt und wegen Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteil. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Auch die Lebensgefährtin des Ast, Frau H., die bei Z. für die Lohnbuchhaltung zuständig war, wurde verurteilt. Nach dem Urteil stehe der Sachverhalt aufgrund der umfassenden Geständnisse beider Angeklagten fest.
Nach Auswertung der Ermittlungsergebnisse des HZA und des Strafverfahrens hörte der Ag den Ast im November 2008 erstmals an zu einer beabsichtigten Nachforderung in Höhe von 100.230,86 Euro. Bei einer Besprechung wurden vom Ast insbesondere die Nachforderungen für Herrn Z. bemängelt, der ein selbständiger Subunternehmer gewesen sei. Nach Beiziehung weiterer Akten des HZA und der Staatsanwaltschaft ergab sich, dass einige Personen bei anderen Firmen tätig waren. Die Nachforderungen wurden korrigiert und mit Anhörungsschreiben vom 15.09.2009 auf 80.992,03 Euro vermindert.
Mit strittigem Bescheid vom 16.11.2009 wurde ein Betrag von 76.836,45 Euro nachgefordert, davon 30.986,45 Euro an Säumniszuschlägen. Auf Herrn Z. entfielen davon 32.904,91 Euro zuzüglich Umlage LFZG und Säumniszuschläge. Der dagegen eingelegte Widerspruch mit Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wegen drohender Insolvenz, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.2011 zurückgewiesen, auf dessen Begründung verwiesen wird. Dagegen erhob der Ast am 01.07.2011 die Klage S 4 AS 1717/11, über die noch nicht entschieden ist.
Am 12.09.2011 stellte der Ast beim Sozialgericht München den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Beitragsbescheid. Der Vollzug des Bescheides wäre mit einer Vernichtung der Existenz des Ast gleichbedeutend. Hierzu wurde eine betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) übermittelt, die für die Zeit von Januar bis September 2011 einen Umsatz von 321.123 Euro und einen Gewinn von 39.673,84 Euro auswies. Im September 2011 belief sich der Zahlungsrückstand noch auf 63.260,02 Euro. Ferner erklärte der Ast, dass das Geständnis im Strafverfahren lediglich aus prozesstaktischen Gründen erfolgt sei. Der Mitarbeiter Z. sei selbständig tätig gewesen.
Mit Schreiben vom 23.02.2012 räumte die zuständige Einzugsstelle BKK M. dem Ast monatliche Teilzahlungen von 500,- Euro ein. Mit Schreiben vom 17.03.2015 erklärte die Einzugsstelle die Teilzahlungsvereinbarung bei Nachweis der finanziellen Verhältnisse bis 31.12.2015 zu verlängern. Wegen längerer Erkrankung des Vorsitzenden Richters kam es zu größeren Verzögerungen und der Übertragung des Verfahrens auf eine andere Kammer.
Mit Beschluss vom 12.10.2015 lehnte das Sozialgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Es bestünden keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 16.11.2009. Herr Z. habe beim Ast eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt. Er sei nach seiner Zeugenaussage beim HZA in den Betrieb des Ast eingegliedert gewesen. Er habe die Leistung persönlich erbracht, sei vom Ast mit anderen Mitarbeitern zur Bewachung bestimmter Objekte eingeteilt worden, habe Stundenlohn erhalten und auch kein Unternehmensrisiko gehabt. Die Säumniszuschläge seien gemäß § 24 Abs. 2 SGB IV zu Recht erhoben worden, weil zumindest bedingter Vorsatz vorgelegen habe. Eine unbillige Härte bedeute die Vollziehung nicht. Die Beitragsforderung sei zunächst keine Härte sondern Ausfluss der Erfüllung gesetzlicher Pflichten. Gerade wenn Zahlungsunfähigkeit drohe, sei das Interesse an der Einziehung der Beiträge hoch. Eine Insolvenz drohe aktuell nicht, weil zumindest bis 31.12.2015 eine Ratenzahlung möglich sei.
Der Ast hat am 09.11.2015 Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Dem Ast drohe nach Jahren plötzlich eine Vollstreckung, die ihn existentiell vernichten würde. Vorgelegt wurde eine Bestätigung des Steuerberaters des Ast adressiert an den Ast, dass der Ast als einziges Einkommen derzeit monatlich 3.500,- Euro (netto 2.743,57 Euro) Vergütung als Geschäftsführer der S. Partner GmbH habe. Bei einer Vollstreckung der Rückzahlung von Beiträgen "jenseits der 100.000,- Euro" sehe der Steuerberater aufgrund kaum vorhandener Restmittel eine Privatinsolvenz als unabwendbar an und somit die Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH als stark gefährdet an. Eine Liquidation oder Insolvenz der GmbH "dürfte als logische Konsequenz ... in absehbarer Zeit folgen". Die Einzugsstelle teilte auf Nachfrage mit, dass bei laufender Zahlung von monatlich 500,- Euro der aktuelle Rückstand noch 50.638,27 Euro betrage. Daraufhin übermittelte der Ast eine BWA für die Zeit von Januar bis September 2015, wonach bei einem Umsatz von 298.820,- Euro das Betriebsergebnis bei 20.078,- Euro lag.
Der Antragsteller beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts München vom 12.10.2015 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage und weiterer Rechtsmittel gegen den Bescheid vom16.11.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2011 bis zur rechtskräftigen Entscheidung anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akten des Antragsgegners, die Akten der Staatsanwaltschaft, die Akten des Sozialgerichts zum Eil- und Klageverfahren und die Akte des Beschwerdegerichts verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde ist nicht begründet, weil das Sozialgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu Recht abgelehnt hat. Es bestehen weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Nachforderung noch ist eine unbillige Härte erkennbar.
Da der Ast die Unterbindung des Vollzugs eines gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG sofort vollziehbaren Beitrags- und Umlagebescheids anstrebt, ist ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG statthaft.
Die Entscheidung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG erfolgt auf Grundlage einer Interessenabwägung. Abzuwägen sind das private Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des Verwaltungsaktes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verschont zu bleiben und das öffentliche Interesse an der Vollziehung der behördlichen Entscheidung. Im Rahmen dieser Interessenabwägung kommt den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache eine wesentliche Bedeutung zu. Dabei ist die Wertung des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG zu berücksichtigen, wonach der Gesetzgeber aufgrund einer typisierenden Abwägung der Individual- und öffentlichen Interessen dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug prinzipiell Vorrang gegenüber entgegenstehenden privaten Interessen einräumt. Eine Abweichung von diesem Regel-Ausnahmeverhältnis kommt nur in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen oder wenn ausnahmsweise besondere private Interessen überwiegen (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 11. Auflage 2014, § 86b Rn. 12c; Bay LSG Beschlüsse vom 31.07.2015, L 7 AS 506/15 B ER und Beschluss vom 30.07.2012 L 5 R 267/12 B ER). Damit kommen die Kriterien, die das Gesetz für die Aussetzung der Vollziehung durch die Verwaltungsbehörde in § 86a Abs. 3 S. 2 SGG festlegt, auch im gerichtlichen Verfahren zur Anwendung: Zu prüfen ist, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Pflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
An der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 16.11.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2011 bestehen keine ernstlichen Zweifel. Das Beschwerdegericht schließt sich gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG der Begründung des Sozialgerichts an und weist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Dies gilt ausdrücklich auch für die Einordnung der Tätigkeit von Herrn Z. als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und die Berechtigung der Säumniszuschläge.
Eine unbillige Härte ist nicht glaubhaft. Eine solche liegt nur vor, wenn dem Betroffenen Nachteile entstehen, die über die eigentlichen Zahlungen hinausgehen und die nicht oder nur schwer wieder ausgeglichen werden können. Eine drohende Insolvenz kann - zumindest bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit - eine unbillige Härte begründen. Dabei ist im Gegenzug aber zu berücksichtigen, dass in diesem Fall auch gewichtige Interessen für eine umgehende Vollziehung des Beitragsbescheids sprechen: Die Einnahmen der Sozialversicherung sind durch zeitnahen Beitragseinzug sicherzustellen und die geltend gemachten Versicherungszeiten begründen sozialrechtliche Anwartschaften und Ansprüche für die Beschäftigten.
Hier fehlt es an belastbaren Nachweisen zu einer unbilligen Härte, insbesondere zu einer drohenden Insolvenz des Ast.
Die im Beschwerdeverfahren vorgelegte Bestätigung des Steuerberaters zeigt zunächst einmal, dass der Ast diese Bestätigung angefordert hat, der Steuerberater aber nicht einmal Kenntnis davon hatte, dass die Beitragsforderung nicht "jenseits der 100.000,- Euro" liegt, sondern durch Zahlungen des Ast auf 50.638,27 Euro zurückgegangen ist. Eine Bestätigung ohne Kenntnis der tatsächlichen Grundlagen ist wenig wert.
Der Ast haftet für sein Einzelunternehmen unbeschränkt. Von daher könnte eine Bestätigung eines Steuerberaters nur dann Bedeutung erlangen, wenn nicht nur die aktuellen Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit mitgeteilt werden, sondern ein vollständiger Überblick über alle Einkommensarten und das gesamte - auch private - Vermögen des Betroffenen gegeben wird. Davon hat ein Steuerberater aber regelmäßig keine Kenntnis, zum Beispiel wegen der Quellenbesteuerung von Kapitaleinkünften und wegen Immobilien, die keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung generieren. Die nur mit der Vergütung als Geschäftsführer belegte Äußerung des Steuerberaters ist daher unzureichend und darüber hinaus mit weichen Formulierungen versehen wie "sehe ich auf Grund", "schätze ich" und "dürfte als logische Konsequenz". Ein überzeugende Glaubhaftmachung einer ernsthaft drohenden Privatinsolvenz müsste eindeutig formuliert sein.
Die aktuelle BWA belegt dagegen erhebliches Einkommen des Ast. Seine laufende Vergütung als Geschäftsführer in Höhe von monatlich 3.500,- Euro ist in den dort angeführten Personalkosten enthalten. Hinzu kommt das ausgewiesene Betriebsergebnis von 20.078,- Euro.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht kommt. Daneben ist anzumerken, dass die Einzugsstelle grundsätzlich bereit ist, einer Ratenzahlung zuzustimmen, wenn der Ast durch die Restforderung tatsächlich und nachgewiesenermaßen in erhebliche Zahlungsschwierigkeiten kommen sollte und der Beitragsanspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird (vgl. Stundung nach § 76 Abs. 2 SGB IV).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ast hat das Rechtsmittel der Beschwerde erfolglos eingelegt.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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