L 3 SB 1193/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 SB 1522/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 1193/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. Februar 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, mit welchem Grad der Behinderung (GdB) die beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen zu bewerten sind.

Bei dem im Jahr 1950 geborenen Kläger, der die italienische Staatsangehörigkeit besitzt und der über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis verfügt, stellte das Landratsamt (LRA) in Ausführung eines vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg geschlossenen Vergleichs zuletzt mit Bescheid vom 30.3.2010 einen GdB von 40 seit dem 20.2.2009 fest. Es berücksichtigte hierbei als Funktionsbeeinträchtigungen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, eine beidseitige Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen, eine chronische Magen-schleimhautentzündung, Gebrauchseinschränkungen beider Arme und eine arterielle Verschlusskrankheit des Beines.

Am 24.6.2010 beantragte der Kläger beim LRA die Erhöhung des GdB. Er gab an, er leide nunmehr auch an einer instabilen Angina pectoris-Erkrankung. Hierzu legte er den Bericht über seine stationäre Behandlung im A.Krankenhaus B. vom 9. - 15.6.2010 vor, anlässlich derer bei ihm eine instabile Angina pectoris und eine 2-Gefäß-Herzkrankheit diagnostiziert und zwei Stents implantiert wurden.

Nach versorgungsärztlicher Überprüfung durch Dr. C., der unter dem 25.7.2010 für eine "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule", eine "beidseitige Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen", eine "arterielle Verschlusskrankheit des Beines, operiert" und eine "koronare Herzkrankheit" jeweils einen Einzel-GdB von 20 und für eine "chronische Magen¬schleimhautentzündung" und eine "Gebrauchseinschränkungen beider Arme" jeweils einen solchen von 10 und insg. einen unveränderten GdB von 40 vorschlug, lehnte das LRA den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 30.7.2010 ab. Die Verhältnisse, die der letzten maßgeblichen Feststellung zugrunde lagen, hätten sich, so das LRA begründend, durch das Hinzukommen einer weiteren Funktionsbeeinträchtigung zwar geändert, Auswirkungen auf den bereits festgestellten GdB ergäben sich hierdurch jedoch nicht.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er unter Vorlage eines ärztlichen Attestes von Dr. D. vom 24.11.2010 vorbrachte, aufgrund der hinzugetretenen koronaren Herzerkrankung, für die ein Einzel-GdB von 30 angemessen sei, sei seine körperliche Leistungsfähigkeit eingeschränkt.

Das LRA forderte daraufhin bei Dr. E., Internist, eine Befundbeschreibung an und führte die vorgelegten Unterlagen einer versorgungsärztlichen Überprüfung durch Dr. F. zu, der unter dem 5.2.2011 die Einschätzung vertrat, dass sich auch unter Berücksichtigung des neu vorgelegten Befundberichts keine Änderung ergebe. Gestützt hierauf wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.2.2011 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 10.3.2011 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er leide, so der Kläger, an einer arteriellen Verschlusskrankheit des rechten Beines, wodurch er in seiner Gehfähigkeit erheblich eingeschränkt sei. Ferner bestehe ein Impingement-Syndrom der rechten Schulter sowie eine Wirbelsäulenerkrankung. Die bestehende Tinnitus-Erkrankung sei erheblich progredient. Hierzu hat der Kläger Arztbriefe des Facharztes für Orthopädie G., des Arztes für HNO-Heilkunde Dr. H. und von der Stationsärztin des A.Krankenhauss B., I., vorgelegt.

Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Hierzu hat er auf eine versorgungsärztliche Stellungnahmen von Dr. J. vom 15.2.2012 verwiesen.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Der Facharzt für Orthopädie G. hat in seiner Stellungnahme die GdB-Einschätzung des Beklagten betreffend dem orthopädischen Fachgebiet geteilt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin K. hat unter dem 25.7.2011 ausgeführt, beim Kläger bestünden Beschwerden auf orthopädischem und auf kardiologisch-internistischem Fachgebiet. Der Kläger habe davon berichtet, bereits bei alltäglicher Belastung ein Druckgefühl bemerkt zu haben. In einer weiteren - undatierten - Stellungnahme hat er mitgeteilt, beim Kläger bestehe eine Diabetes mellitus-Erkrankung, die medikamentös mit Metformin behandelt werde; die Stoffwechsellage sei stabil. Dr. H. hat in seiner Stellungnahme vom 19.11.2011 mitgeteilt, beim Kläger bestehe eine Schallempfindlichkeitsschwerhörigkeit in einer mittelgradigen bis schweren Ausprägung sowie eine Tinnitus-Erkrankung, die subjektiv als progredient empfunden werde. Auf HNO-ärztlichem Fachgebiet sei der GdB mit 20 einzuschätzen. Dr. E. hat unter dem 3.4.2012 mitgeteilt, die GdB-Einschätzung des Beklagten betr. die Herzerkrankung zu teilen. Bis zu einer Belastung von 75 Watt lägen klinisch unauffällige Befunde vor, es hätten sich keine Insuffizienzzeichen gezeigt.

Mit Gerichtsbescheid vom 25.2.2014 hat das SG den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 30.7.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.2.2011 verurteilt, den GdB des Klägers ab dem 24.6.2010 mit 50 festzustellen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die beim Kläger bestehende Hörstörung bedinge einen Einzel-GdB von 30. Nach dem Tonaudiogramm vom 28.4.2011 ergebe sich ein prozentualer Hörverlust von 56 % (rechtes Ohr) und 48 % (linkes Ohr), wonach von einer beidseitig mittelgradigen Schwerhörigkeit auszugehen sei. Die ferner bestehenden funktionellen Einschränkungen seien vom Beklagten hingegen zutreffend mit einem Einzel-GdB von jeweils 20 bzw. 10 bewertet worden. In Zusammenschau der Beeinträchtigungen sei es gerechtfertigt, beim Kläger die Schwerbehinderteneigenschaft festzustellen.

Gegen den ihm am 3.3.2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 11.3.2014 Berufung eingelegt. Er bringt unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. L. vom 5.3.2014 vor, das SG habe seiner Bewertung der klägerischen Hörstörung das Tonaudiogramm vom 28.4.2011 zu Grunde gelegt, indes das vorrangig heranzuziehende Sprachaudiogramm vom 20.6.2011 unberücksichtigt gelassen. Aus diesem ergebe sich ein Hörverlust von 30 % (rechtes Ohr) und 20 % (linkes Ohr), sodass ein Einzel-GdB von 20 anzusetzen sei. Da hiernach kein Einzel-GdB den Wert von 20 übersteige, komme die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nicht in Betracht.

Der Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. Februar 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bringt vor, das SG habe die Hörstörung zutreffend mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet. Im Übrigen seien auch die Beeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet sowie die Verschlusskrankheit des Beines und die Herzerkrankung in diesem Maße zu berücksichtigen.

Der Senat hat Dr. H. erneut als sachverständigen Zeugen einvernommen. In seiner Stellungnahme vom 22.12.2014 hat er ausgeführt, seit Juni 2011 habe er keine veränderten Befunde erhoben. Sprachaudiometrisch habe er am 28.4.2011 eine mittelgradige Schwerhörigkeit rechts und links festgestellt.

Der Senat hat Dr. M., Facharzt für HNO-Heilkunde, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem hals-nasen-ohrenärztlichen Gutachten vom 28.4.2015 hat Dr. M. beim Kläger eine beidseitig geringgradige Innenohrschwerhörigkeit mit einem prozentualen Hörverlust von jeweils 30 % diagnostiziert, die, unter integrativer Einbeziehung der Tinnitus-Symptomatik, zu einem Einzel-GdB von 20 führe. Dr. M. hat hierzu mitgeteilt, anlässlich der von ihm durchgeführten tonaudiometrischen Untersuchungen hätte sich ein besseres Ergebnis als bei den Untersuchungen durch Dr. H. gezeigt. Sprachaudiometrisch hätten sich Werte gezeigt, die mit dem Sprachaudiogramm vom 20.6.2011 in etwa übereinstimmten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beim Beklagten für den Kläger geführte Schwerbehindertenakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2015 geworden sind, sowie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2015 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung ist zulässig und führt für den Beklagten auch inhaltlich zum Erfolg. Das SG hat den Beklagten zu Unrecht verurteilt, die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 50 festzustellen.

Der Bescheid vom 30.7.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.2.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die beim Kläger bestehenden funktionellen Einschränkungen sind gegenüber denen, die dem Bescheid vom 30.3.2010 zu Grunde lagen, unverändert mit einem GdB von 40 ausreichend und angemessen bewertet.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung - vorliegend dem vom 30.3.2010 - vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine wesentliche Änderung ist im gegebenen Zusammenhang im Hinblick auf die Feststellung des GdB anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung des Behinderungszustandes eine Herabsetzung oder Erhöhung des festgestellten (Gesamt-) GdB um wenigstens 10 ergibt (u.a. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 - veröffentlicht in juris). Die Änderung der Bezeichnung der Funktionsbeeinträchtigungen oder das Hinzutreten weiterer Funktionsbeeinträchtigungen ohne Auswirkung auf den GdB stellen hingegen keine wesentliche Änderung in diesem Sinne dar (BSG, Urteil vom 24.6.1998 - B 9 SB 18/97 R - veröffentlicht in juris). Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich des gegenwärtigen - d.h. zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - Zustandes mit dem verbindlich festgestellten objektiven Behinderungszustand zum Zeitpunkt des Erlasses des zuletzt bindend gewordenen Bescheides zu ermitteln. Bei einer derartigen Neufeststellung handelt es sich nicht um eine reine Hochrechnung des im letzten maßgeblichen Bescheid festgestellten GdB, sondern um dessen Neuermittlung unter Berücksichtigung der gegenseitigen Beeinflussung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.9.2000 - B 9 SB 3/00 R - veröffentlicht in juris).

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX). Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der Fassung des am 15.1.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 7.1.2015 (BGBl. II S. 15) ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht, indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der ab dem 15.1.2015 geltenden Fassung, dass, soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 1.1.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG; die jeweilige Seitenangabe bezieht sich auf das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebene Printexemplar) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) heranzuziehen, die auf Grundlage von § 30 Abs. 16 BVG erlassen wurde.

In Anlegung der dortigen Maßstäbe sind die beim Kläger bestehenden funktionellen Beeinträchtigungen nicht mit einem höheren GdB als 40 zu bewerten.

Die beim Kläger bestehende Hörstörung ist, entgegen der Einschätzung des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid, mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Nach den Bekundungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. M. besteht beim Kläger eine beidseits geringgradige Innenohrschwerhörigkeit mit gelegentlich auftretenden subjektiven Ohrgeräuschen links. Nach Nr. 5 (S. 50) der VG ist für die Bewertung des GdB bei Hörstörungen die Herabsetzung des Sprachgehörs maßgebend, deren Umfang durch Prüfung ohne Hörhilfen zu bestimmen ist. Der Beurteilung ist die von der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie empfohlene Tabelle zu Grunde zu legen. Nach Durchführung eines Ton- und Sprachaudiogramms ist hierbei der Prozentsatz des Hörverlustes aus entsprechenden Tabellen abzuleiten. Nach der von Dr. M. durchgeführten sprachaudiometrischen Untersuchung beläuft sich der prozentuale Hörverlust beim Kläger nach der Tabelle nach Bönninghaus und Röser (Nr. 5.2.1. [S. 51] der VG) beidseitig jeweils auf 30 %. Die tonaudiometrische Untersuchung hat nach der 3-Frequenztabelle nach Röser, 1980, (Nr. 5.2.3. [S. 52] der VG) einen Hörverlust von 25 % für das rechte und von 15 % für das linke Ohr ergeben. Hieraus ergibt sich, bei Zugrundelegung der sprachaudiometrischen Untersuchungsergebnisse, nach der Tabelle zur Ermittlung des GdB aus den Schwerhörigkeitsgraden für beide Ohren (Nr. 5.2.4. [S. 52] der VG) ein Einzel-GdB von 15. Unter Berücksichtigung der mit der Hörstörung einhergehenden Ohrgeräuschen (links), die nach Nr. 5 (S. 50) der VG erhöhend zu bewerten sind, die vorliegend in Ermangelung greifbarer psychischer Begleiterscheinungen (vgl. Nr. 5.4. [S. 54] der VG) jedenfalls keine - isolierte - Berücksichtigung mit einem Einzel-GdB von mehr als 10 rechtfertigen, ist der Einzel-GdB für das Funktionssystem Ohren in Einklang mit der Einschätzung des Gutachters Dr. M. mit 20 anzusetzen.

Die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule, des rechten Armes, des Herz-Kreislaufsystems (koronare Herzerkrankung, Hypertonie) und die arterielle Verschlusskrankheit des Beins sind, wie vom SG zutreffend ausgeführt, jeweils mit einem Einzel-GdB von 20 in die GdB-Bewertung einzustellen. Mit einem GdB-Wert von 10 ist die chronische Magenschleimhautentzündung zu berücksichtigen. Das SG hat unter Anführung der einschlägigen Bewertungskriterien der VG und in nicht zu beanstandender Würdigung der von den behandelnden Ärzten mitgeteilten Befunden weitergehende Beeinträchtigungen verneint. Der Senat schließt sich den umfassenden und zutreffenden Ausführungen des SG an und sieht insofern von einer Begründung seiner Entscheidung ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Auch der Senat kann den vorliegenden medizinischen Unterlagen keine Befunde entnehmen, die eine weitergehende Beeinträchtigung des Klägers begründen könnten. Ergänzend zu den Ausführungen des SG ist darauf hinzuweisen, dass die beim Kläger bestehende Diabetes mellitus-Erkrankung in Ansehung der von Dr. K. in seiner Stellungnahme gegenüber dem SG mitgeteilten stabilen Stoffwechsellage und der medikamentösen Therapie mit Metformin nach Nr. 15.1 der VG i.d.F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14.7.2010 (BGBl. I S. 928), bei dem hierin zum Ausdruck kommenden geringen Therapieaufwand allenfalls mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt werden kann.

In Zusammenschau der beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ist zur Überzeugung des Senats ein GdB von mehr als 40 nicht festzustellen. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist, bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft, der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Eine hiervon abweichende Bewertung des GdB kommt nur dann in Betracht, wenn sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt (z.B.: hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit). Hingegen genügt es nicht, dass die leichten Funktionsbeeinträchtigungen verschiedene Lebensbereiche betreffen (BSG, Urteil vom 13.12.2000 - B 9 V 8/00 R - veröffentlicht in juris, dort Rn. 16). Hiernach ergibt sich aus den jeweils mit einem Einzel-GdB von 20 zu berücksichtigenden Beeinträchtigungen (Ohren, Wirbelsäule, Verschlusserkrankung der Beine, Herz, rechter Arm) und den mit einem solchen von 10 einzustellenden Beeinträchtigungen (Diabetes mellitus, chronische Magenschleimhautentzündung, Hüfte) ein GdB von insg. 40. Dies wird für den Senat auch durch einen Vergleich mit Gesundheitsschäden, für die die VG feste GdB-Werte angibt (vgl. Nr. 3 [S. 22 f.] der VG) bestätigt, da die beim Kläger bestehenden Beeinträchtigungen nicht mit denen zu vergleichen sind, die bspw. beim Verlust eines Armes im Unterarm oder dem Verlust eines Beines im Unterschenkel auftreten, für die jeweils ein GdB von 50 anzusetzen ist.

Mithin sind die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 40 angemessen und ausreichend festgestellt. Der Bescheid vom 30.7.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.2.2011, mit dem der Antrag des Klägers auf Höherbewertung abgelehnt wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Gerichtsbescheid, mit dem der Beklagte unter Aufhebung der Bescheide verurteilt wurde, einen GdB von 50 festzustellen, ist auf die Berufung des Beklagten aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem Begehren nicht durchgedrungen ist.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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