L 2 R 1473/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 3015/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 1473/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 13. März 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Kläger hat den Beruf des Konstrukteurs für Fahrzeugtechnik erlernt. Seit Juli 2011 ist er in geringem Umfang als Hausmeister tätig.

Am 20. Juni 2012 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Diese holte einen Befundbericht beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch. ein, der als Diagnose das Bestehen einer Anpassungsstörung mitteilte; der Kläger sei schnell müde und erschöpft, könne sich nichts merken und die Konzentration sei schlecht.

Die Beklagte ließ daraufhin den Kläger durch die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. M. begutachten. In ihrem Sachverständigengutachten vom 6. Dezember 2012 führte sie als Diagnose eine Neurasthenie und polytope leichte Schmerzen unklarer Genese auf. Der Kläger gab bei der Untersuchung an, er fühle sich ständig müde, wobei alles mit einem Hodentumor und dessen OP und Chemotherapie 1998 angefangen habe; er wisse, dass die Behandlung abgeschlossen sei und die Prognose günstig sei. Derzeit arbeite er 20 Stunden in der Woche, was jedoch zum Leben nicht reiche. Er habe sich schon bei 200 Stellen für eine Vollzeitstelle beworben, sei jedoch abgelehnt worden. Handwerkliche Tätigkeiten könne er gut verrichten. Dr. M. führte weiter aus, psychiatrisch habe sie einen unauffälligen Befund festgestellt, wobei Tagesgestaltung und Alltagskompetenz erhalten seien. Es habe keine Hinweise auf Konzentrationsmängel oder auf eine reduzierte Stressbelastbarkeit gegeben. Auf das Vorliegen einer manifesten affektiven Störung bestünde kein Hinweis. Die Diagnose einer Anpassungsstörung seitens Dr. Sch. könne sie nicht nachvollziehen. Zumutbar seien dem Kläger sämtliche Tätigkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt ohne Einschränkung.

Mit Bescheid vom 7. Januar 2013 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab, da er die medizinischen Voraussetzungen nicht erfülle; er sei noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein.

Dagegen erhob der Kläger am 21. Januar 2013 Widerspruch und führte zur Begründung aus, der behandelnde Arzt Dr. T. halte die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung für falsch. Aus dem beigefügten Attest vom 3. Dezember 2012 folge, dass er an einer depressiven Anpassungsstörung und einer selbstunsicheren Persönlichkeit leide. Dr. T. habe ausgeführt, seine quantitative und qualitative berufliche Leistungsfähigkeit sei eindeutig eingeschränkt. Im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit arbeite er schon an seiner Leistungsgrenze; eine Ausweitung der quantitativen Leistungsfähigkeit mit noch mehr Arbeitsstunden sei nicht möglich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 18. September 2013 vor dem Sozialgericht (SG) Ulm Klage erhoben und vorgetragen, das von der Rentenversicherung in Auftrag gegebene Gutachten beinhalte falsche Diagnosen und stimme in vielen Aussagen nicht mit den Tatsachen überein.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das SG hat zunächst bei den behandelnden Ärzten sachverständige Zeugenauskünfte eingeholt. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. T. hat in seiner Auskunft vom 26. Mai 2014 mitgeteilt, er behandele den Kläger seit August 2008 regelmäßig, also ca. alle sechs Wochen. Es bestünden eine depressive Anpassungsstörung und eine selbstunsichere Persönlichkeit. Psychisch liege eine geringe körperliche und psychische Belastbarkeit vor. Seit November 2012 habe sich der Gesundheitszustand des Klägers nicht wesentlich verschlechtert. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit übermäßigem Zeitdruck oder Leistungsdruck, Schichtarbeit und Nachtarbeit. Leichte körperliche Tätigkeiten seien aber noch vollschichtig möglich. Wesentliche körperliche Funktionsbeeinträchtigungen seien nicht gegeben; das maßgebliche Leiden läge auf psychiatrischem Fachgebiet.

Der Kläger hat daraufhin vorgetragen, die Bewertungen der Beklagten und von Dr. T. seien unrichtig, da er nicht mehr in der Lage sei, täglich mehr als drei Stunden zu arbeiten. Er verweise in diesem Zusammenhang auf ein familiengerichtliches Gutachten von der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. F. vom 18. Dezember 2013. Diese habe das Bestehen einer schweren depressiven Episode diagnostiziert und den Verdacht auf eine abhängige Persönlichkeitsstörung geäußert. Wegen der schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome sei er zum Zeitpunkt der Begutachtung nicht in der Lage gewesen, mehr als 20 Stunden pro Woche zu arbeiten. Die damals begutachtete Situation habe sich noch verschlechtert, sodass nunmehr eine Erwerbstätigkeit von drei Stunden oder mehr nicht mehr möglich sei. Da die letzte Behandlung durch Dr. T. im Januar 2014 gewesen sei, überrasche es, dass er eine Arbeitstätigkeit von sechs Stunden für möglich halte. Er befände sich mittlerweile in weiterer ärztlicher Behandlung wegen eines Bandscheibenvorfalls der HWS.

Die Beklagte hat in ihrer Stellungnahme vom 18. Juli 2014 darauf verwiesen, dass Dr. T. einen gleichbleibenden psychischen Befund seit November 2012 sowie keine wesentliche körperliche Einschränkungen beschrieben habe. Es werde jedoch angeregt, wegen der geltend gemachten Verschlechterung des Gesundheitszustandes weitere Befundberichte einzuholen.

Das SG hat dann bei den behandelnden Ärzten des Klägers Dr. K. und Dr. F. sachverständige Zeugenauskünfte eingeholt. Der Facharzt für Neurologie Dr. K. hat in seiner Auskunft vom 5. August 2014 mitgeteilt, beim Kläger bestünden keine sensiblen Defizite oder solche in der Koordination. Die Stimmung des Klägers sei situationsadäquat, die Schwingungsfähigkeit auflockerbar gewesen; Antrieb und Psychomotorik hätten tendenziell reduziert gewirkt. Er halte den Kläger für dazu in der Lage, einer leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für mindestens sechs Stunden arbeitstäglich nachzukommen. Der Hausarzt des Klägers Dr. F. hat in seiner Auskunft vom 12. August 2014 mitgeteilt, beim Kläger bestünden eine Angststörung mit massiven depressiven Episoden, ein Zustand nach Hodenkarzinom, rezidivierende Abdominalbeschwerden, ein chronisch rezidivierendes HWS-Syndrom sowie der Verdacht auf paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie (ein Ereignis). Seit November 2012 hätten die Beschwerden seitens der Osteochondrose zugenommen; ebenso seien erstmals subjektiv Herzrhythmusstörungen aufgetreten. Im Vordergrund stünden jedoch die Angststörung mit rezidivierenden depressiven Episoden, die den Kläger in seiner Leistungsfähigkeit stark einschränkten.

Das SG hat sodann bei der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. A. das nervenärztliche Gutachten vom 13. Oktober 2014 eingeholt. Sie hat eine Neurasthenie diagnostiziert. Zu seinen Beschwerden habe der Kläger angegeben, sein größtes Problem sei der Nachtschlaf; am nächsten Tage sei er nicht richtig wach. Seit Anfang des Jahres habe er auch Nackenprobleme. Manchmal seien auch seine Finger taub und verkrampft. Kopfschmerzen habe er schon lange. Er habe schon ca. 400 Bewerbungen geschrieben. Seit einem Jahr arbeite er für zehn Stunden in der Woche; vorher habe er 20 Stunden in der Woche gearbeitet. Die Reduzierung liege daran, dass die Firma nicht so viel Arbeit habe; 20 Stunden würden schon gehen. Er arbeite als Hausmeister in einer kleinen Schreinerei, sei für die Werkstatt zuständig und müsse die Handwerker unterstützen. Meist verteile er seine Arbeitszeit auf zwei bis drei Tage. Er gehe einkaufen und versorge seinen Haushalt selbst. Freitags fahre er jedes Wochenende zu seinen Eltern nach Bad Waldsee. Die Beziehung zu ihnen sei gut; er gehe mit seinen Eltern spazieren. Der Kontakt zu seiner Tochter sei recht gut; er sei, seitdem sie älter geworden sei, seltener geworden. Als psychischen Befund hat Dr. A. wiedergegeben, die Stimmungslage des Klägers sei indifferent mit leicht eingeschränkter affektiver Resonanz gewesen, eine positive Affizierbarkeit sei erhalten gewesen. Im Vordergrund stünden Durchschlafstörungen mit Klagen über allgemeine körperliche und geistige Schwäche, Erschöpfung, Kopfschmerzen und nächtliches Grübeln. Es gäbe keinen Anhalt für sozialen Rückzug oder Anhedonie. Es bestünde eine gute Tagesstrukturierung mit uneingeschränkter Selbstversorgung und Mobilität. Die kognitiven Funktionen seien ungestört; es gäbe keinen Anhalt für Störung von Aufmerksamkeit, Konzentration, Merkfähigkeit und Gedächtnisleistungen. Kernspintomographisch sei ein Bandscheibenvorfall oder eine Spinalkanalstenose eindeutig ausgeschlossen. Die Ausführungen im Gutachten von Frau Dr. F. vom Dezember 2013 seien nicht nachvollziehbar. Sie beschreibe in ihrem Gutachten über mehrere Seiten allgemeine Symptome einer schweren depressiven Störung, stelle aber keine oder keine hinreichende Verbindung zur Psychopathologie des Klägers her. Bei der jetzigen Begutachtung sei der Gedankengang keinesfalls verlangsamt gewesen, Einschlafstörungen seien verneint worden. Es seien Erschöpfungsgefühle und Kraftlosigkeit berichtet worden, welches typische Symptome der Neurasthenie seien. Trotz der bestehenden Neurasthenie sei der Kläger in der Lage, einer zumindest mittelschweren Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen.

Der damalige klägerische Bevollmächtigte hat sich in seiner Stellungnahme vom 11. Dezember 2014 mit dem Gutachten von Dr. A. auseinandergesetzt. So habe der Kläger z.B. nicht erklärt, er sehe in einer stationären psychiatrischen Behandlung keinen Sinn. Er habe vielmehr mitgeteilt, dies müsse noch mit dem Hausarzt abgeklärt werden. Der behandelnde Psychiater Dr. T. habe erklärt, eine stationäre Behandlung sei nicht notwendig; es könne eine ambulante Behandlung durchgeführt werden. Die Gutachterin F. habe erklärt, die Diagnose Neurasthenie "sei Quatsch", da diese heute nicht mehr benutzt werde. Da er insgesamt ca. 400 Bewerbungen geschrieben habe und einfach keine Stelle gefunden habe, sei ihm alleine schon aus diesem Grund eine Rente zuzusprechen. Die Depression sei nicht immer gleich stark vorhanden, aber immer ausreichend für die Gewährung einer Rente. Die dokumentierte psychiatrische Befunderhebung sei oberflächlich und nicht vollständig. Eine erneute psychometrische Testung sei nicht erfolgt. Durch Dr. F. sei eine umfangreiche Testuntersuchung im Dezember 2013 vorgenommen worden. Im Bereich der Neurologie sei kein Gutachten erstellt worden; die dortigen Erkrankungen seien jedoch geeignet, eine Erwerbsminderungsrente zu begründen.

Darüber hinaus hat der Kläger noch einen Bericht des Facharztes für Neurochirurgie Dr. K. vom 1. Juli 2014 vorgelegt, wonach bei ihm eine cervicale Osteochondrose, ein cervicales Facettensyndrom und ein cervicales degeneratives Syndrom bestehe. Parästhesien und Myelpathiezeichen seien nicht vorzufinden gewesen. Die bildgebende Diagnostik habe keine Zeichen einer bandscheiben- oder anderweitig bedingten spinalen oder radikulären Kompression ergeben. Eine schmerztherapeutischerseits angebotene Facettenblockadenbehandlung habe der Kläger nicht durchführen lassen wollen.

Mit Gerichtsbescheid vom 13. März 2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass beim Kläger die Voraussetzungen für eine Rente wegen voller (bzw. teilweiser) Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 und 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht vorliegen würden. Der Kläger sei vielmehr nach Überzeugung des SG im gesamten streitigen Zeitraum seit Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts noch in der Lage gewesen, mindestens sechs Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Im Vordergrund stünden beim Kläger Leiden auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet, darüber hinaus bestünden orthopädische Leiden. Im Wesentlichen leide der Kläger an einer Neurasthenie, cervicaler Osteochondrose, an einem cervicalen Facettensyndrom und an einem cervicalen degenerativen Syndrom. Das SG hat sich für seine Überzeugung, dass dem Kläger noch zumutbar sei, einer leidensgerechten Tätigkeit für sechs Stunden und mehr arbeitstäglich nachzukommen, insbesondere auf das schlüssige und widerspruchsfreie Gutachten von Dr. A., die sachverständigen Zeugenauskünfte der Dres. T., Dr. F. sowie auf das Verwaltungsgutachten von Dr. M. gestützt. Die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet seien nicht geeignet, eine zeitliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit zu bewirken. Ein Bandscheibenvorfall und eine Spinalkanalstenose seien laut Dr. A. kernspintomographisch ausgeschlossen. Neurologische Defizite habe sie bei ihrer Untersuchung nicht festgestellt, was im Einklang mit der Auskunft von Dr. K. und dem Bericht der N. vom 1. Juli 2014 stehe. Eine Facettengelenksblockadebehandlung habe der Kläger gegenüber der Nova-Klinik abgelehnt; gegenüber Frau Dr. A. habe der Kläger angegeben, bei Bedarf Diclorfenac gegen die Schmerzen einzunehmen. Zeitliche Einschränkungen ließen sich hieraus nicht ableiten. Warum der Bevollmächtigte des Klägers die Auffassung vertreten habe, der Kläger sei nicht neurologisch begutachtet worden, erschließe sich schon deshalb nicht, da es sich bei Dr. A. um eine Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie handele. Das SG hat sich davon überzeugt gezeigt, dass der Kläger an einer Neurasthenie leidet. Hierfür spräche der von Dr. A. erhobene Befund. Es sei nicht zu erkennen, an welcher Stelle dieser Befund oberflächlich oder nur unvollständig sein solle, zumal die aus diesem Befund abgeleitete Diagnose Neurasthenie auch von Dr. M. im Verwaltungsgutachten gestellt worden sei. Da die Neurasthenie in der ICD-10-Klassifikation als verschlüsselungsfähige Diagnose weiterhin geführt werde, sei auch nicht nachzuvollziehen, warum diese Diagnose - wie Dr. F. angegeben haben soll - "Quatsch" sei. Dass beim Kläger von keinem relevanten sozialen Rückzug die Rede sein könne, sei nachvollziehbar nach seinen Angaben, die er Dr. A. gegenüber gemacht habe. Nachdem der Kläger in der Lage sei, seinen eigenen Haushalt zu führen, im Umfang von mehreren Stunden in der Woche zu arbeiten und jedes Wochenende zu seinen Eltern zu fahren, lasse sich auch keine relevante Antriebsminderung erkennen. Auch der Umstand, dass der Kläger nach eigenen Angaben bereits 400 Bewerbungen geschrieben habe, lasse eine solche nicht naheliegend erscheinen. Wieso im Übrigen erfolglose Bewerbungsversuche eine Erwerbsminderung begründen sollten, erschließe sich nicht. Nach den von Dr. A. und Dr. M. erhobenen Befunden seien keine Funktionsbeeinträchtigungen zu erkennen, die eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit plausibel erscheinen ließen. Zusätzlich habe selbst der behandelnde Neurologe und Psychiater T. den Kläger für dazu in der Lage gehalten, einer leichten Tätigkeit für mindestens sechs Stunden nachzukommen. Aus dem Gutachten von Dr. F. hingegen lasse sich keine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit von mindestens sechs Monaten ableiten. Der Kläger habe sich im Januar 2014 bei Dr. T. in Behandlung befunden, ohne dass dieser in seiner Auskunft vom 26. Mai 2014 eine erhebliche Depressivität oder gar eine wesentliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes festgestellt hätte. Eine Verschlechterung des psychischen Leidens sei auch vom behandelnden Hausarzt nicht mitgeteilt worden. Es sei jedoch davon auszugehen, dass der Kläger bei Vorliegen einer schweren depressiven Episode bei einem dieser Ärzte vorgesprochen hätte bzw. diese Verschlechterung seines Gesundheitszustandes den ihn behandelnden Ärzten nicht unbemerkt geblieben wäre. Dr. F. habe schließlich in ihrem Gutachten die Durchführung einer stationären Therapie empfohlen und die Möglichkeit einer Verbesserung des Gesundheitszustandes gesehen. Es sei mehr als wahrscheinlich, dass eine entsprechende Besserung tatsächlich zeitnah eingetreten sei, denn der Kläger habe angegeben, Dr. T. habe eine ambulante Behandlung für ausreichend und eine stationäre Behandlung nicht für notwendig erachtet. Es stehe fest, dass entweder die Leistungseinschätzung von Frau Dr. F. unzutreffend gewesen sei oder dass das von ihr beschriebene Leistungsvermögen jedenfalls keine sechs Monate angedauert habe. In beiden Fällen sei der erforderliche Leistungsfall nicht gegeben gewesen. Nachdem die Behandlungsmöglichkeiten im Hinblick auf die psychische Einschränkung auch nicht ausgeschöpft (stationäre Behandlung, Verhaltenstherapie) gewesen seien, sei eine Erwerbsminderungsrente auch aus diesem Grund ausgeschlossen. Eine psychische Erkrankung sei nämlich erst dann rentenrechtlich relevant, wenn der Versicherte trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant oder stationär) die psychischen Einschränkungen dauerhaft weder aus eigener Kraft, noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe überwinden könne. Vor diesem Hintergrund hat das SG auch keine Veranlassung für weitere Ermittlungen zum Gesundheitszustand des Klägers von Amts wegen gesehen. Auch eine weitere Stellungnahme der Gutachterin A. sei nicht erforderlich gewesen, da sämtliche vom Kläger zu ihrem Gutachten aufgeworfenen Fragen nicht von Belang gewesen seien. Eine psychometrische Testung sei entbehrlich. Dass kein sozialer Rückzug ersichtlich gewesen sei, habe sich aus dem vorliegenden Gutachten mit hinreichender Deutlichkeit ableiten lassen. Die Angaben des Klägers zu Nackenschmerzen, geschwollenen Händen und pelzigen Armen seien nicht erheblich, da hieraus keine quantitative Leistungseinschränkung ableitbar sei, wie die neurologischen Untersuchungen der Dres. A., M. und K. belegten. Nachdem es - wie ausgeführt - auf die von Dr. F. festgestellte schwere depressive Episode nicht ankomme, da jedenfalls keine sechsmonatige Leistungseinschränkung deswegen vorliege, erübrige sich eine Stellungnahme hierzu. Die Angaben der Erkenntnisquellen seien bereits deshalb entbehrlich, da Gutachter stets aufgrund eigener Sachkunde urteilten. Die Qualifikation hierzu folge aus einem abgeschlossenen medizinischen Studium nebst fachärztlicher Weiterbildung, der Ausübung einer Tätigkeit als niedergelassener Arzt und der regelmäßigen Erstellung gerichtlicher Gutachten. Nachdem nicht die Diagnose, sondern die erhobenen Befunde und die hieraus resultierende Leistungseinschätzung maßgeblich seien, sei eine weitere Stellungnahme zur Diagnosefindung nicht erforderlich. Sofern schließlich der Kläger vorbringe, dass er in Gutachten wiedergegebene Angaben nicht gemacht habe, sei das SG hiervon nicht überzeugt. Das Gericht erlaube sich in diesem Zusammenhang den Hinweis, dass der Kläger bereits gegen das Gutachten von Dr. M. eingewendet habe, dieses stimme in vielen Aussagen nicht mit den Tatsachen überein. Das SG halte es jedoch für kaum vorstellbar, dass in zwei aufeinanderfolgenden Gutachten die jeweiligen Gutachter Äußerungen des Klägers zu dessen Ungunsten absichtlich verfälschten oder bewusst unwahr wiedergäben. Es liege der Verdacht nahe, dass der Kläger, der sich anders als die Gutachter während der Begutachtung keine Notizen gemacht habe, sich entweder nicht richtig erinnere oder bewusst die Unwahrheit sage. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme von vornherein nicht in Betracht, da der Kläger nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren sei.

Der Kläger hat gegen den seinen Bevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 19. März 2015 zugestellten Gerichtsbescheid am 14. April 2015 schriftlich beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, es fänden sich angebliche Zitate von ihm in den Gutachten. Im Übrigen seien seine orthopädischen Leiden nicht berücksichtigt worden. Er begäbe sich nun in Behandlung bei Dr. E. und Dr. G ...

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 13. März 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. August 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich zur Begründung auf den angegangenen Gerichtsbescheid.

Der Senat hat den behandelnden Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin und Orthopädie Dr. E. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. In seiner Auskunft vom 27. April 2015 hat er mitgeteilt, beim Kläger bestünden Veränderungen im Bereich der HWS und der LWS und des Sternoclaviculargelenkes; sie beeinträchtigten die Belastbarkeit des Klägers bezüglich schweren Hebens und Tragens, Überkopfarbeiten und Arbeiten in Vorhalte. Der Kläger sei in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr und an fünf Tagen in der Woche auszuüben.

Der Kläger legt noch eine Bestätigung des Internisten und Rheumatologen Dr. G. vor, wonach er am 20. Juli 2015 einen Termin zur Erstvorstellung habe. Weiterhin legt der Kläger Befundberichte von Dr. E. vom 25. April 2015, vom 2. Oktober 2015 und ein Schreiben vom 25. Juli 2015, ein Schreiben von Dr. Hauser-Tillmann vom 28. Juli 2015 und ein ärztliches Attest von Dr. F. vom 20. Juli 2015 vor.

Am Tag der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2015 ging um 9:06 Uhr bei Gericht ein in dem zur Begründung lediglich angegeben wurde, der Kläger sei erkrankt. Der Senat gab dem Antrag nicht statt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte in der Sache entscheiden, obwohl der Kläger einen Verlegungsantrag gestellt hat und weder er noch sein Bevollmächtigter zur Verhandlung erschienen ist.

Grundsätzlich stellt allein der Umstand, dass ein Beteiligter außer Stande ist, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen, und dies vorher mitteilt - mit Fax um 9.06 Uhr zur auf 9.45 Uhr terminierten Verhandlung -, noch keinen zwingenden Grund für eine Terminsverlegung dar. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Gericht - wie vorliegend - auf die Möglichkeit hingewiesen hat, dass auch bei Ausbleiben eines Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung kann - und ggfs. muss - jedoch gem. § 202 SGG i. V. m. dem entsprechend anwendbaren § 227 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) bei Vorliegen erheblicher Gründe aufgehoben werden, selbst wenn das persönliche Erscheinen des Klägers nicht angeordnet war. Ein i. S. des § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO ordnungsgemäß gestellter Verlegungsantrag mit einem hinreichend substantiiert geltend und ggfs. glaubhaft gemachten Terminverlegungsgrund begründet grundsätzlich eine entsprechende Pflicht des Gerichts zur Terminverlegung (vgl. Bundessozialgericht - BSG - Beschluss vom 24. Oktober 2013 - B 13 R 59/13 B). Nach dieser Maßgabe war dem Verlegungsantrag des Klägers nicht stattzugeben. Der Antrag war nicht hinreichend substantiiert und der Verlegungsgrund damit nicht glaubhaft gemacht. Der Bevollmächtigte hat lediglich angegeben, der Kläger sei "erkrankt". Damit ist es für den Senat nicht nachvollziehbar gewesen, ob der Kläger reiseunfähig und/oder verhandlungsunfähig gewesen sein soll; nicht einmal die Art der Erkrankung geschweige denn ein ärztliches Attest zum Beleg der Behauptung wurde genannt bzw. vorgelegt.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, weil er im rentenrechtlichen Sinne nicht erwerbsgemindert ist.

Das SG hat nach erschöpfender Ermittlung des Sachverhalts, unter Darlegung der zutreffenden Rechtsnormen sowie unter Hinweise auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verbunden mit einer rechtsfehlerfreien und ausführlichen Würdigung des Beweisergebnisses zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung oder auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat. Der Senat sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs.2 SGG).

Mit Blick auf die durchgeführten Ermittlungen des Senats im Berufungsverfahren wird ergänzend noch folgendes ausgeführt: Bestätigt wird die Auffassung des SG, dass der Kläger nicht erwerbsgemindert ist, welche auch der Überzeugung des Senats entspricht, auch durch die sachverständige Zeugenauskunft von Dr. E. vom 27. April 2015. Dr. E. hat als Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Orthopädie mitgeteilt, beim Kläger bestünden Veränderungen im Bereich der HWS und LWS und des Sternoclaviculargelenkes. Diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet beeinträchtigen die Belastbarkeit des Klägers aber nur bezüglich schweren Hebens und Tragens sowie in Bezug auf Überkopfarbeiten und Arbeiten in Vorhaltestellung. Der den Kläger behandelnde Facharzt für Orthopädie - der Kläger hat mit seiner Berufungsbegründung kritisiert, dass seine orthopädischen Leiden nicht berücksichtigt worden seien - bestätigt, dass dem Kläger noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche gesundheitlich zumutbar sind.

Auch aus dem Befundbericht von Dr. E. vom 25. April 2015 folgt keine Erwerbsminderung des Klägers und er ist auch nicht Veranlassung für den Senat, im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht weitere Maßnahmen zu ergreifen. Als Befund hat Dr. E. mitgeteilt: Normal gewichtiger Mann in gutem körperlichen Allgemeinzustand; HWS-Beweglichkeit endgradig eingeschränkt, Rotation rechts/links 40/0/60 Grad, Rotationsschmerz, Druckschmerz am Nervus occipitalis beidseits nicht streng segmentbezogen, Schürzen- und Nackengriff durchführbar, kein Klopf- und Druckschmerz über der BWS. Als Diagnose hat er eine Zervikobrachialgie beidseits mit muskulärer Dysbalance mit Fehlhaltung genannt. Dieser Befundbericht stimmt im Wesentlichen in seinem Inhalt mit der Sachverständigen Zeugenauskunft von Dr. E. vom 27. April 2015 überein; in dieser hat Dr. E. jedoch die Auffassung vertreten, dem Kläger sei noch eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche zumutbar.

Aus dem Schreiben von Dr. E. vom 25. Juli 2015, welches der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 28. Juli 2015 vorgelegt hat, in dem Dr. E. mitteilt, dass sich aus seiner Sicht aufgrund des heutigen Befundes und Zustandes eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit bestätige, sodass dem Kläger nur noch eine Tätigkeit von drei bis unter sechs Stunden möglich sei, folgt für die Bewertung des Vorliegens von Erwerbsminderung des Klägers nichts anderes. In seinem Schreiben vom 25. Juli 2015 teilt Dr. E. keinen einzigen Befund mit, aus dem sich seine Behauptung, zwischenzeitlich habe sich der Zustand des Klägers verschlimmert, ableiten ließe. Noch in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 27. April 2015 hat Dr. E. den Kläger dazu in der Lage gehalten, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Welche relevante Verschlechterung des Gesundheitszustandes seit 27. April 2015 zu der in seinem Schreiben vom 25. Juli 2015 geäußerten Auffassung zum Leistungsvermögen des Klägers geführt haben könnte, erschließt sich aus seinem Schreiben nicht. Schließlich kann auch dem Befundbericht von Dr. E. vom 2. Oktober 2015 nichts Überzeugendes für das Vorliegen von Erwerbsminderung entnommen werden. Die Diagnose einer Cervikobrachialgie links mit ausgeprägter Bewegungseinschränkung bringt eine akute Erkrankung zum Ausdruck, zu deren Therapie Dr. E. Physiotherapie verordnet hat. Es steht danach gerade nicht fest, dass dies eine Erkrankung ist, die zu einer dauerhaften Einschränkung des Klägers führt. Die Diagnose Verdacht auf Nervenwurzelkompression ist ebenfalls nicht geeignet, zu einem anderen Ergebnis bzgl. des Vorliegens von Erwerbsminderung zu gelangen; es steht gerade nicht fest, dass diese Erkrankung überhaupt vorliegt. Das gleiche gilt zur Verdachtsdiagnose "Spätfolge einer Borreliose" von Dr. H. die sie in ihrem Schreiben vom 28. Juli 2015 äußert.

Ebenso führt das ärztliche Attest von Dr. F. vom 20. Juli 2015, in dem er mitteilt, aufgrund des orthopädischen Krankheitsbildes sei der Kläger zur Zeit nicht in der Lage, eine Tätigkeit von sechs Stunden täglich durchzuführen, nicht zu einer anderen Bewertung des Vorliegens von Erwerbsminderung des Klägers. Dr. F. teilt in seinem Attest ebenfalls keinen einzigen orthopädischen Befund mit. Im Übrigen hat er bereits in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 12. August 2014 ausgeführt, dass er den Kläger in seiner Leistungsfähigkeit für stark eingeschränkt halte, wobei er jedoch diesbezüglich die Angststörung mit rezidivierenden depressiven Episoden als "Haupterkrankung" angeführt hat; insoweit weicht er davon nunmehr ab, wenn er in seinem ärztlichen Attest vom 20. Juli 2015 das orthopädische Krankheitsbild als Begründung für die seiner Meinung nach geminderte Leistungsfähigkeit des Klägers anführt.

Ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheidet - unabhängig vom Bestehen von Berufsschutz - bereits wegen des Alters des Klägers aus, da er nach dem 1. Januar 1961 geboren ist (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).

Aus diesen Gründen ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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