L 9 AS 4607/15 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 AS 5520/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 4607/15 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.

Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Antragsgegners zur Unterlassung der Äußerung, er sei Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft mit Frau M. B.

Mit an Frau M. B. gerichtetem Bescheid vom 24.03.2015 führte der Antragsgegner zu "Betreff: Ihr Antrag auf Übernahme der Kosten für Schuhe für L. A. B." aus: " leider muss Ihr o.g. Antrag vom 16.03.2015 ... abgelehnt werden. Sie haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, weil Sie ihre Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II nicht nachgewiesen haben. Herr H. ist Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Dies wurde in dem Erörterungstermin am 19.12.2014 durch die Aussage des aktuellen Vermieters wiederum bestätigt, sodass auch seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse ebenfalls Berücksichtigung finden.Durch das Abstreiten einer Bedarfsgemeinschaft mit Herrn H. und der Nichtvorlage von Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, kann eine Prüfung zur Hilfebedürftigkeit nicht erfolgen.Des Weiteren sind die Kosten für Schuhe bereits im Regelsatz enthalten."

Am 08.10.2015 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Stuttgart (SG) beantragt, durch Erlass einer einstweiligen Anordnung dem Antragsgegner die Behauptung "Herr H. ist Mitglied der Bedarfsgemeinschaft" zu untersagen. Der Antragsgegner habe in dem Ablehnungsbescheid vom 24.03.2015 ausgeführt, dass er Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sei. Dies sei unrichtig, eine bloße Behauptung, Vermutung und Verdächtigung ohne jede Grundlage.

Mit Beschluss vom 27.10.2015 hat das SG den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes abgelehnt. Zum einen handle es sich bei der angegriffenen Behauptung nicht um eine dem Wahrheitsbeweis zugängliche Tatsachenbehauptung im eigentlichen Sinne, sondern um eine der rechtlichen Bewertung und Würdigung unterliegende Äußerung und Fragestellung. Zum anderen sei eine besondere Eilbedürftigkeit bereits nicht ersichtlich. Der Antrag lasse schon nicht erkennen, dass ohne die begehrte einstweilige Regelung wesentliche Nachteile entstehen könnten. Die im Verwaltungs- (und Gerichts-)verfahren seitens des Antragsgegners getroffenen Äußerungen unterlägen in den einzelnen auf die Gewährung von Leistungen gerichteten Verfahren der gerichtlichen Überprüfung, Bewertung und Würdigung.

Hiergegen richtet sich die am 05.11.2015 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegte Beschwerde des Antragstellers, mit der er gleichzeitig die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt. Er beziehe sich als Betroffener auf den Ablehnungsbescheid des Antragsgegners vom 24.03.2015. Darin werde behauptet, dass er Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sei und hierzu auf eine Aussage des Vermieters in einem Erörterungstermin am 19.12.2014 verwiesen. Diese Aussage stütze aber die Behauptung des Antragsgegners nicht. Dabei handle es sich um eine inzidente Feststellung, die jeglicher Grundlage entbehre. Diese Behauptung diene dem Antragsgegner ausschließlich dazu, keine Leistungen bewilligen zu müssen. Die Frage, ob eine Bedarfsgemeinschaft vorliege, habe die Behörde in einem Verwaltungsverfahren von Amts wegen zu prüfen. Ein derartiges Verfahren sei bislang nicht durchgeführt worden. Solange dies nicht der Fall sei, habe es der Antragsgegner zu unterlassen, diese Behauptung aufzustellen oder weiterzuverbreiten. Da es sich bei dem Bescheid des Antragsgegners um eine Urkunde handle, bestehe auch der Verdacht der Urkundenfälschung im Amt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 27.10.2015 ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Vorliegend wendet sich der Antragsteller nicht gegen einen Verwaltungsakt des Antragsgegners. Er bezieht sich zwar auf einen Bescheid vom 24.03.2015, wendet sich aber nicht gegen die damit getroffene Regelung, nämlich die an Frau B. gerichtete Ablehnung eines Antrages, sondern gegen ein vom Antragsgegner aufgeführtes Begründungselement in dem Bescheid und begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners, eine solche Äußerung zukünftig zu unterlassen. Damit kommt nur eine Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG in Betracht. Für ein Begehren auf künftige Unterlassung eines schlicht hoheitlichen Verwaltungshandelns ist grundsätzlich eine sogenannte Unterlassungsklage als besondere Form der Leistungsklage über den Wortlaut des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG hinaus anerkannt. Bei Unterlassungsklagen kann vorläufiger Rechtschutz nur durch Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt werden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 86b Rn. 24).

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen hier jedoch nicht vor.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. z.B. LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 01.08.2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17.08.2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Überdies erfordert eine vorbeugende Unterlassungsklage in der Hauptsache und dementsprechend auch ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Rahmen eines vorbeugenden Unterlassungsbegehrens ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis. Hierfür muss dargelegt werden, dass das Abwarten einer für die Zukunft (möglicherweise) zu gewärtigenden Beeinträchtigung mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre bzw. ein gerade auf die Inanspruchnahme eines vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse besteht, das regelmäßig nicht gegeben ist, wenn und solange der Kläger auf den nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (BSG, Urteil vom 24.04.2015 - B 4 AS 39/14 R - Juris).

Hier fehlt es bereits an der Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung, wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Es ist weder ersichtlich noch vom Antragsteller vorgetragen oder glaubhaft gemacht, inwieweit er in seinen eigenen Rechten durch die von ihm beanstandete Äußerung des Antragsgegners so unzumutbar beeinträchtigt sein soll bzw. durch eine etwaige Wiederholung einer solchen Äußerung beeinträchtigt werden würde, dass die Inanspruchnahme von Eilrechtsschutz gerechtfertigt wäre. Bereits der Umstand, dass sich der Antragsteller gegen eine Äußerung des Antragsgegners vom 24.03.2015 wendet, sich aber erst am 15.10.2015 veranlasst sah, einstweiligen Rechtschutz zu beantragen, ohne dass er hierfür einen besonderen Anlass benennt, spricht eindeutig gegen eine Eilbedürftigkeit und auch gegen das Vorliegen eines qualifizierten Rechtsschutzinteresses.

2. Der Antrag auf Gewährung von PKH für das Beschwerdeverfahren ist ebenfalls abzulehnen. Voraussetzung für die Gewährung von PKH ist unter anderem eine hinreichende Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Rechtsverfolgung (§ 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO)). Diese fehlt vorliegend aus oben genannten Gründen, so dass eine Bewilligung von PKH nicht in Betracht kommt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

4. Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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