Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 4 KR 101/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
1. Mangels entsprechender gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage (in Hessen) hängt die Fälligkeit der Vergütungsrechnung eines Krankenhauses für stationär erbrachte Behandlungen nicht von einer „ordnungsgemäßen Abrechnung“ ab; sie setzt auch nicht voraus, dass ein Krankenhaus bei regelhaft ambulant zu erbringenden Leistungen (spätestens) bei Rechnungstellung einen Grund für die ausnahmsweise stationäre Durchführung benennt (entgegen BSG, Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 10/15 R –; Urteil vom 16. Mai 2012 – B 3 KR 14/11 R –).
2. Wer eine Rechnungsforderung nicht innerhalb vertraglicher vereinbarter Zahlungsfristen ausgleicht und sodann im gerichtlichen Abrechnungsstreit zunächst Klageabweisung beantragt, hat sowohl Anlass zur Klageerhebung gegeben als auch ein späteres Anerkenntnis nicht „sofort“ erklärt; eine Kostentragungspflicht der Klägerin gem. § 156 VwGO i.V.m. § 197a SGG kommt dann nicht in Betracht.
2. Wer eine Rechnungsforderung nicht innerhalb vertraglicher vereinbarter Zahlungsfristen ausgleicht und sodann im gerichtlichen Abrechnungsstreit zunächst Klageabweisung beantragt, hat sowohl Anlass zur Klageerhebung gegeben als auch ein späteres Anerkenntnis nicht „sofort“ erklärt; eine Kostentragungspflicht der Klägerin gem. § 156 VwGO i.V.m. § 197a SGG kommt dann nicht in Betracht.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 704,48 EUR für den Zeitraum vom 8. Juni 2007 bis einschließlich 16. April 2013 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten nach angenommenem Teilanerkenntnis noch über einen restlichen Zinsanspruch der Klägerin.
Ursprünglich hatte die Klägerin im vorliegenden Verfahren die Vergütung gemäß Rechnung vom 8. Mai 2007 für eine stationäre Krankenhausbehandlung (4. bis 5. Mai 2007) der bei der Beklagten versicherten Frau X in Höhe von 704,48 EUR geltend gemacht, deren Ausgleich von der Beklagten mit der Begründung verweigert worden war, die Behandlung sei (wie regelhaft) ambulant zu erbringen gewesen. Mit Schriftsatz vom 23. Juni 2015 erklärte die Beklagte ein Anerkenntnis bezüglich der vorbezeichneten Klagehauptforderung sowie eines Zinsanspruchs ab dem 17. April 2013, das die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 30. Juli 2015 annahm.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr antragsgemäß ein Zinsanspruch ab dem 8. Juni 2007 aufgrund der Regelungen des Vertrages über die Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Hessen zustehe.
Nachdem die Klägerin ursprünglich beantragt hatte, die Beklagte zu verurteilen, 704,48 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. Juni 2007 zu zahlen, beantragt sie nach Erledigung des Rechtsstreits im Umfang des angenommenen Anerkenntnisses nunmehr noch,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. Juni 2007 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der zufolge eine Vergütungsrechnung eines Krankenhauses erst dann zur Zahlung fällig werde, wenn eine Krankenkasse eine formal ordnungsgemäße Abrechnung vorlege. Dies sei im hier streitgegenständlichen Behandlungsfall erst im März 2013 gegeben gewesen, was nach Berücksichtigung der 30-tägigen Prüfungsfrist des hessischen Landesvertrages den Verzug erst ab 17. April 2013 begründe.
Im Übrigen habe die Klägerin die Kosten des Verfahrens vollständig zu tragen, da die Voraussetzungen des §§ 156 VwGO i.V.m. § 93 ZPO vorlägen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist im noch rechtshängigen Umfang begründet; die Klägerin hat Anspruch auch auf weitere Zinsen im geltend gemachten Umfang.
1. Gemäß § 10 Abs. 5 des Vertrages über die Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Hessen vom 1. Juni 2002 (im Folgenden nur: Landesvertrag) hat ein Krankenhausträger Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, wenn eine Krankenkasse eine Vergütungsrechnung nicht spätestens am 31. Tag nach Zugang ausgleicht. Vorliegend datiert die streitgegenständliche Rechnung der Klägerin vom 8. Mai 2007. Aufgrund der gerichtsbekannt elektronischen Übermittlung der Rechnung geht die Kammer davon aus, dass die Rechnung noch am selben Tag bei der Klägerin eingegangen ist. Die sodann nach § 187 Abs. 1 BGB i.V.m. § 69 SGB V ab dem 9. Mai 2007 laufende Prüfungsfrist gem. § 10 Abs. 4 des Landvertrages endete mit Ablauf des 7. Juni 2007, so dass danach infolge der vorbezeichneten Vertragsnorm sofortige Fälligkeit eintrat, was wiederum zur Zinszahlungspflicht gem. § 10 Abs. 5 des Landesvertrages führte.
2. Dem steht auch nicht die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entgegen.
a) Dies folgt schon daraus, dass die hessischen Vertragspartner in § 10 Abs. 4 des Landesvertrages vereinbart haben, dass die Vergütungsforderung nach Ablauf der 30 tätigen Prüfungsfrist "sofort fällig" wird, ohne dass über den bloßen Zeitablauf weitere Fälligkeitsbedingungen fixiert worden wären. Daher kommt es nicht darauf an, ob aus Treu und Glauben oder anderen allgemeinen Erwägungen andere Fälligkeitsvoraussetzungen ableitbar wären.
b) Unabhängig davon kann aber aus dem von der Beklagten zitierten Urteil des BSG vom 21. April 2015 – B 1 KR 10/15 R – kein anderes Ergebnis abgeleitet werden, da ihm mangels gesetzlicher Grundlage nicht gefolgt werden kann. Das Gericht führt aus (juris, Rn. 10):
»Grundvoraussetzung der Fälligkeit eines entstandenen Anspruchs auf Vergütung von Krankenhausbehandlung eines Versicherten ist eine formal ordnungsgemäße Abrechnung. In diesem Sinne regelt § 10 Abs 4 KHBV Hessen (Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft einerseits und der Beklagten sowie weiteren KKn andererseits mit Wirkung vom 1.6.2002), dass die KK die Schlussrechnung innerhalb von 30 Tagen ab dem "Tag des Rechnungseingangs" zu bezahlen hat. Eine formal ordnungsgemäße Abrechnung setzt eine ordnungsgemäße Information der KK über die vom Krankenhaus abgerechnete Versorgung nach Maßgabe der Informationsobliegenheiten und ggf -pflichten voraus, insbesondere aus § 301 SGB V sowie ggf ergänzenden landesvertraglichen Bestimmungen. Fehlt es an einer dieser Angaben, so tritt mangels formal ordnungsgemäßer Abrechnung bereits die Fälligkeit der abgerechneten Forderung nicht ein (vgl BSGE 114, 209 = SozR 4-2500 § 115a Nr 2, RdNr 26-27; BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 31; BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 32). Die Vergütungsforderung wird in diesem Falle erst später fällig, wenn das Krankenhaus seine Informationsobliegenheiten und ggf -pflichten gegenüber der KK erfüllt hat.«
Unabhängig davon, dass das BSG hier den sich aus dem Vertragswortlaut in keiner Weise ergebenden Eindruck erweckt, nach dem Landesvertrag werde für den Lauf der 30-Tage-Frist der Eingang einer "ordnungsgemäßen Abrechnung" oder eine "ordnungsgemäße Information" einer Krankenkasse verlangt, überzeugt diese Auffassung nicht; denn sie kann sich insbesondere nicht auf Normen des geschriebenen Rechts berufen.
In der vorstehend zitierten Urteilspassage gibt das Gericht keine Begründung, sondern verweist auf frühere Entscheidungen. Dort fehlt es aber ebenfalls an argumentativen Ausführungen für die hier referierte Auffassung, so dass der Verweis auf diese frühere Rechtsprechung ebenfalls keine Begründung zu ersetzen vermag.
aa) Die Fundstelle BSGE 114, 209, führt zum Urteil vom 17. September 2013 – B 1 KR 51/12 R –, in dem der Senat in Rn. 26 (juris) ausführt:
»Der 1. Senat des BSG sieht wie der 3. Senat des BSG die ordnungsgemäße Information der KK über die vom Krankenhaus abgerechnete Versorgung nach Maßgabe der Mitwirkungsobliegenheiten insbesondere aus § 301 SGB V sowie ggf ergänzenden landesvertraglichen Bestimmungen als verfahrensrechtliches Gegenstück an zur Verantwortung der KKn für die beschleunigte Prüfung und Bezahlung der Krankenhausrechnungen. Eine ordnungsgemäße Information der KK ist unverzichtbare Grundlage und Bestandteil einer ordnungsgemäßen Abrechnung. Fehlt es an einer dieser Angaben, so tritt mangels formal ordnungsgemäßer Abrechnung bereits die Fälligkeit der abgerechneten Forderung nicht ein.«
Der hier gezogenen logische Schluss von den Mitwirkungsobliegenheiten aus § 301 SGB V zur fehlenden Fälligkeit wird in keiner Weise begründet.
bb) Das Urteil vom Urteil vom 13. November 2012 – B 1 KR 14/12 R – (SozR 4-2500 § 301 Nr 1) enthält eine wortgleich Passage.
cc) Im Urteil vom 16. Mai 2012 – B 3 KR 14/11 R – (BSGE 111, 58-71, Rn. 32) formuliert der 3. Senat ähnlich (zitiert nach juris Rn. 32):
»Verfahrensrechtliches Gegenstück zur Verantwortung der Krankenkassen für die beschleunigte Prüfung und Bezahlung der Krankenhausrechnungen ist auf Seite der Krankenhäuser die ordnungsgemäße Information der Krankenkassen über die von ihnen abgerechneten Versorgungen nach Maßgabe der Mitwirkungsobliegenheiten insbesondere aus § 301 SGB V sowie ggf ergänzenden landesvertraglichen Bestimmungen. In diesen Vorschriften ist abschließend aufgezählt, welche Angaben die Krankenhäuser den Krankenkassen bei einer Krankenhausbehandlung ihrer Versicherten unmittelbar zu übermitteln haben ( ). Fehlt es an einer dieser Angaben, so tritt nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats mangels formal ordnungsgemäßer Abrechnung bereits die Fälligkeit der abgerechneten Forderung nicht ein (vgl BSGE 90, 1, 3 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 22; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 1 RdNr 12).«
Als Begründung wird hier lediglich auf die ständige Senatsrechtsprechung hingewiesen, verbunden mit dem Maßstab bestimmter Mitwirkungsobliegenheiten, deren Rechtsgrund aber (außer § 301 SGB V) nicht näher benannt wird.
dd) Die Ausführungen zur Fälligkeit einer Vergütungsrechnung finden sich auch in anderen Fundstellen, ohne dass dort eine Begründung gegeben würde. Vielmehr ist auf Folgendes hinzuweisen:
Das BSG verweist im ältesten zuvor herangezogenen Urteil (s. cc) auf das Urteil vom 28. Mai 2003 – B 3 KR 10/02 R –, SozR 4-2500 § 109 Nr. 1, wo es heißt (= juris Rn. 19):
»Die Fälligkeit tritt allerdings dann nicht ein, wenn die Rechnung nicht den Anforderungen des § 301 SGB V genügt (so auch § 9 Satz 2 der Pflegesatzvereinbarung) und deshalb schon keine formal ordnungsgemäße Abrechnung des Krankenhauses vorliegt (BSGE 90, 1 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3), was hier aber nicht der Fall war.«
Neben der konkreten Pflegesatzvereinbarung, die im vorliegenden Rechtsstreit nicht relevant ist, gibt das Gericht auch hier keine Begründung, sondern nur einen weiteren Verweis. Dort (BSGE 90, 1, [3]) wird formuliert:
»Eine Zahlungspflicht der KK besteht nur dann nicht, wenn schon keine formal ordnungsgemäße Abrechnung des Krankenhauses vorliegt. Es steht zwischen den Beteiligten jedoch außer Streit, dass die Abrechnungen der Klägerin die nach § 9 Abs 3 KBV iVm II Nr 5 der Anl zum KBV erforderlichen Angaben enthalten und damit formal ordnungsgemäß sind.«
Begründende Ausführungen oder ein Verweis auf andere Entscheidungen, die insofern eine Argumentation enthalten, gibt das Gericht hier nicht. Auch wird hier keineswegs ein Bezug zu § 301 SGB V begründet, sondern ein solcher zu einem Vertrag (nach § 112 Abs. 1 SGB V; dieser sieht für Hessen zwar die Übermittlung der Daten gemäß der Datenübermittlungsvereinbarung vor [§ 9 Abs. 1], setzt dies aber nicht in Konnex zur Abrechnung, die gem. § 10 nur in Übereinstimmung mit dem SGB V und der Bundespflegesatzverordnung bzw. der sie ersetzenden Regelungen und zusätzlicher Verträge zu erfolgen braucht). Mit anderen Worten:
Für die fortgeschriebene Annahme des BSG, die Fälligkeit einer Vergütungsrechnung hänge von der Vollständigkeit des Datensatzes nach § 301 SGB V oder anderer Angaben ab in der Weise, dass Gründe für die stationäre Aufnahme anzugeben wären, fehlt es an einer Begründung des Gerichts. Gesetzes- oder Vertragsnormen mit diesem Inhalt sind ebenfalls nicht ersichtlich und werden im Übrigen auch nicht seitens des BSG benannt. Es existiert für die Krankenhausvergütung schlichtweg keine Vorschrift wie etwa § 15 Abs. 1 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), wonach die Fälligkeit einer Rechnung von deren Prüffähigkeit abhängt. Aber selbst diese verlangt nur "eine Zusammenstellung der für die Honorarermittlung im konkreten Fall maßgebenden Grundlagen und der Berechnung in einer Form, die dem Auftraggeber eine logische Nachprüfung ermöglicht." (s. Hartmann, HOAI, 2012, § 15 Rn. 3).
ee) Ohne dass es nach dem Vorstehenden darauf ankäme, ist insbesondere in Bezug auf die im vorliegenden Fall seitens der Beklagten geforderte Angabe eines ausnahmsweisen Grundes für die regelhaft ambulant zu erbringende Behandlung vor dem Hintergrund der Übermittlungspflichten gem. § 301 Abs. 1 SGB V auszuführen:
Gemäß dessen Satz 1 waren (und sind) die Angaben "im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern zu übermitteln". Von der maschinenlesbare Form sind in Satz 2 lediglich zwei Ausnahmen zugelassen, nämlich für die "Übermittlung der medizinischen Begründung von Verlängerungen der Verweildauer nach Satz 1 Nr. 3 sowie der Angaben nach Satz 1 Nr. 8" des § 301 Abs. 1 SGB V. Auf welche Weise der Grund für die gerade stationäre Durchführung einer auch ambulant möglichen Behandlung maschinenlesbar erfolgen könnte, wird weder seitens des BSG noch durch die Beklagte aufgezeigt. Sie ist auch nicht ersichtlich.
ff) Bedenken gegen die Vergütungsfähigkeit wegen einer – wie hier – zunächst behaupteten primären Fehlbelegung können ohne Weiteres im Verfahren gem. § 275 SGB V zur Prüfung gestellt werden. Dies alles hindert aber die Fälligkeit der Vergütungsforderung nicht. Inwiefern unzureichende Informations- oder Datenübermittlung Rechtsfolgen für das Prüfungsregime gem. § 275 Abs. 1c SGB V haben kann (vgl. etwa die "Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Absatz 1c SGB V gemäß § 17c Absatz 2 KHG zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V." für Behandlungsfälle ab dem 1. Januar 2015), bedarf hier keiner Entscheidung. Die Fälligkeit der zugrunde liegenden Forderung ist davon unberührt.
c) Letztlich steht hinter der lediglich vordergründigen Fälligkeitsfrage ein ökonomischer "Kern" in Form der vergütungsrechtlichen Frage, wer das wirtschaftliche Risiko einer inhaltlich fehlerhaften Rechnung trägt. Doch ist auch diese Frage durch den hessischen Landesvertrag eindeutig zu Lasten der Krankenkassen geregelt. Sie sind in Höhe der Verzugszinsen gem. § 288 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig, wenn später die in Abrede gestellte Richtigkeit einer Vergütungsrechnung bestätigt wird. Diese klare vertragliche Regelung, die einen Rückgriff auf Treu und Glauben oder ähnlich konturlose Wertungsprinzipien verbieten, wird durch abstrakte Erwägungen zur Fälligkeit unzulässiger Weise zu umgehen versucht. Es gibt auch keinen Grund, diese vertragliche Lastenverteilung wegen Umständen in Frage zu stellen, die die Vertragsparteien etwa übersehen hätten. Unabhängig davon, dass solche nicht ersichtlich sind, können die Krankenkassen dieser Ersatzpflicht ohne Weiteres entgehen, indem sie sich vertragsgemäß verhalten und die Rechnung binnen 30 Tagen nach Rechnungseingang zahlen. Der damit verbunden Liquiditätsverlust der Krankenkassen ist wirtschaftlich natürlich ebenfalls beachtenswert; er ist aber insofern die Kehrseite der Vorleistungspflicht der Krankenhäuser, die ihren Aufwand in Form der Krankenbehandlung vorfinanzieren müssen. Vor allem aber ist vorrangige Zahlungspflicht mit der Folge entstehender Verzugszinsen Folge einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung, für die seit Alters gilt: pacta sunt servanda.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da sie im hier tenorierten Umfang verurteilt worden ist sowie die Klägerin im Übrigen durch ihr Anerkenntnis klaglos gestellt hat und damit unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 197a SGG). Insofern lässt das Kostenrecht der VwGO, anders als etwa § 193 SGG, keinen Spielraum. Ebenso wenig ist mangels einer Erledigung der Hauptsache § 161 Abs. 2 VwGO anwendbar (vgl. Kammerbeschluss vom 15. Juli 2015 – S 4 KR 449/13 –, juris).
Eine Ausnahme von der Kostentragungspflicht des Unterliegenden kommt nur gem. § 156 VwGO i.V.m. § 197a SGG in Betracht, wenn die Beklagte einen Anspruch sofort anerkennt und auch keinen Anlass zur Klage gegeben hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall; schon an einem sofortigen Anerkenntnis fehlt es, nachdem die Beklagte zunächst Klageabweisung beantragt hat.
Zudem befand sich die Beklagte, da sie die Forderung nicht innerhalb der 30-Tage-Frist des § 10 Abs. 4, 5 des Landesvertrages ausgeglichen hat, nach den Ausführungen zu 2.) in Verzug. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Nichtleisten bei Fälligkeit stets eine Klageveranlassung darstellt (Olbertz, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 156 Rn. 10 [Stand: 2005]). Zudem hat die zitierte vertragliche Regelung die zuvor beschriebene "Lastenverteilung" dahingehend zum Inhalt, dass eine Krankenkasse zunächst zur Zahlung verpflichtet ist und mögliche Streitigkeiten nachträglich auszutragen sind. Entspricht sie dem nicht, trägt sie das daraus folgen Kostenrisiko sowohl hinsichtlich der Verzugszinsen wie auch möglicher Rechtsdurchsetzungskosten.
4. Die Berufung ist zuzulassen. Dies folgt zunächst aus der Abweichung von den unter Nr. 2. lit. b) zitierten Urteilen des BSG (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
Allerdings beruht die vorliegende Entscheidung nicht allein auf dieser Abweichung, sondern auf dem selbstständig tragenden Grund eines Vorrangs des Landesvertrages (s. zuvor unter Nr. 2 lit. a). Die Frage dieses Vorrangs und Verhältnisses der Vertragsnormen zu den vom BSG aufgestellten allgemeinen Anforderungen an die ordnungsgemäße Abrechnung als Fälligkeitsvoraussetzung ist bisher – soweit ersichtlich – obergerichtlich nicht geklärt. Daher ist die Berufungszulassung insoweit wegen grundsätzlicher Bedeutung geboten (§144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten nach angenommenem Teilanerkenntnis noch über einen restlichen Zinsanspruch der Klägerin.
Ursprünglich hatte die Klägerin im vorliegenden Verfahren die Vergütung gemäß Rechnung vom 8. Mai 2007 für eine stationäre Krankenhausbehandlung (4. bis 5. Mai 2007) der bei der Beklagten versicherten Frau X in Höhe von 704,48 EUR geltend gemacht, deren Ausgleich von der Beklagten mit der Begründung verweigert worden war, die Behandlung sei (wie regelhaft) ambulant zu erbringen gewesen. Mit Schriftsatz vom 23. Juni 2015 erklärte die Beklagte ein Anerkenntnis bezüglich der vorbezeichneten Klagehauptforderung sowie eines Zinsanspruchs ab dem 17. April 2013, das die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 30. Juli 2015 annahm.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr antragsgemäß ein Zinsanspruch ab dem 8. Juni 2007 aufgrund der Regelungen des Vertrages über die Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Hessen zustehe.
Nachdem die Klägerin ursprünglich beantragt hatte, die Beklagte zu verurteilen, 704,48 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. Juni 2007 zu zahlen, beantragt sie nach Erledigung des Rechtsstreits im Umfang des angenommenen Anerkenntnisses nunmehr noch,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. Juni 2007 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der zufolge eine Vergütungsrechnung eines Krankenhauses erst dann zur Zahlung fällig werde, wenn eine Krankenkasse eine formal ordnungsgemäße Abrechnung vorlege. Dies sei im hier streitgegenständlichen Behandlungsfall erst im März 2013 gegeben gewesen, was nach Berücksichtigung der 30-tägigen Prüfungsfrist des hessischen Landesvertrages den Verzug erst ab 17. April 2013 begründe.
Im Übrigen habe die Klägerin die Kosten des Verfahrens vollständig zu tragen, da die Voraussetzungen des §§ 156 VwGO i.V.m. § 93 ZPO vorlägen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist im noch rechtshängigen Umfang begründet; die Klägerin hat Anspruch auch auf weitere Zinsen im geltend gemachten Umfang.
1. Gemäß § 10 Abs. 5 des Vertrages über die Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Hessen vom 1. Juni 2002 (im Folgenden nur: Landesvertrag) hat ein Krankenhausträger Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, wenn eine Krankenkasse eine Vergütungsrechnung nicht spätestens am 31. Tag nach Zugang ausgleicht. Vorliegend datiert die streitgegenständliche Rechnung der Klägerin vom 8. Mai 2007. Aufgrund der gerichtsbekannt elektronischen Übermittlung der Rechnung geht die Kammer davon aus, dass die Rechnung noch am selben Tag bei der Klägerin eingegangen ist. Die sodann nach § 187 Abs. 1 BGB i.V.m. § 69 SGB V ab dem 9. Mai 2007 laufende Prüfungsfrist gem. § 10 Abs. 4 des Landvertrages endete mit Ablauf des 7. Juni 2007, so dass danach infolge der vorbezeichneten Vertragsnorm sofortige Fälligkeit eintrat, was wiederum zur Zinszahlungspflicht gem. § 10 Abs. 5 des Landesvertrages führte.
2. Dem steht auch nicht die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entgegen.
a) Dies folgt schon daraus, dass die hessischen Vertragspartner in § 10 Abs. 4 des Landesvertrages vereinbart haben, dass die Vergütungsforderung nach Ablauf der 30 tätigen Prüfungsfrist "sofort fällig" wird, ohne dass über den bloßen Zeitablauf weitere Fälligkeitsbedingungen fixiert worden wären. Daher kommt es nicht darauf an, ob aus Treu und Glauben oder anderen allgemeinen Erwägungen andere Fälligkeitsvoraussetzungen ableitbar wären.
b) Unabhängig davon kann aber aus dem von der Beklagten zitierten Urteil des BSG vom 21. April 2015 – B 1 KR 10/15 R – kein anderes Ergebnis abgeleitet werden, da ihm mangels gesetzlicher Grundlage nicht gefolgt werden kann. Das Gericht führt aus (juris, Rn. 10):
»Grundvoraussetzung der Fälligkeit eines entstandenen Anspruchs auf Vergütung von Krankenhausbehandlung eines Versicherten ist eine formal ordnungsgemäße Abrechnung. In diesem Sinne regelt § 10 Abs 4 KHBV Hessen (Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft einerseits und der Beklagten sowie weiteren KKn andererseits mit Wirkung vom 1.6.2002), dass die KK die Schlussrechnung innerhalb von 30 Tagen ab dem "Tag des Rechnungseingangs" zu bezahlen hat. Eine formal ordnungsgemäße Abrechnung setzt eine ordnungsgemäße Information der KK über die vom Krankenhaus abgerechnete Versorgung nach Maßgabe der Informationsobliegenheiten und ggf -pflichten voraus, insbesondere aus § 301 SGB V sowie ggf ergänzenden landesvertraglichen Bestimmungen. Fehlt es an einer dieser Angaben, so tritt mangels formal ordnungsgemäßer Abrechnung bereits die Fälligkeit der abgerechneten Forderung nicht ein (vgl BSGE 114, 209 = SozR 4-2500 § 115a Nr 2, RdNr 26-27; BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 31; BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 32). Die Vergütungsforderung wird in diesem Falle erst später fällig, wenn das Krankenhaus seine Informationsobliegenheiten und ggf -pflichten gegenüber der KK erfüllt hat.«
Unabhängig davon, dass das BSG hier den sich aus dem Vertragswortlaut in keiner Weise ergebenden Eindruck erweckt, nach dem Landesvertrag werde für den Lauf der 30-Tage-Frist der Eingang einer "ordnungsgemäßen Abrechnung" oder eine "ordnungsgemäße Information" einer Krankenkasse verlangt, überzeugt diese Auffassung nicht; denn sie kann sich insbesondere nicht auf Normen des geschriebenen Rechts berufen.
In der vorstehend zitierten Urteilspassage gibt das Gericht keine Begründung, sondern verweist auf frühere Entscheidungen. Dort fehlt es aber ebenfalls an argumentativen Ausführungen für die hier referierte Auffassung, so dass der Verweis auf diese frühere Rechtsprechung ebenfalls keine Begründung zu ersetzen vermag.
aa) Die Fundstelle BSGE 114, 209, führt zum Urteil vom 17. September 2013 – B 1 KR 51/12 R –, in dem der Senat in Rn. 26 (juris) ausführt:
»Der 1. Senat des BSG sieht wie der 3. Senat des BSG die ordnungsgemäße Information der KK über die vom Krankenhaus abgerechnete Versorgung nach Maßgabe der Mitwirkungsobliegenheiten insbesondere aus § 301 SGB V sowie ggf ergänzenden landesvertraglichen Bestimmungen als verfahrensrechtliches Gegenstück an zur Verantwortung der KKn für die beschleunigte Prüfung und Bezahlung der Krankenhausrechnungen. Eine ordnungsgemäße Information der KK ist unverzichtbare Grundlage und Bestandteil einer ordnungsgemäßen Abrechnung. Fehlt es an einer dieser Angaben, so tritt mangels formal ordnungsgemäßer Abrechnung bereits die Fälligkeit der abgerechneten Forderung nicht ein.«
Der hier gezogenen logische Schluss von den Mitwirkungsobliegenheiten aus § 301 SGB V zur fehlenden Fälligkeit wird in keiner Weise begründet.
bb) Das Urteil vom Urteil vom 13. November 2012 – B 1 KR 14/12 R – (SozR 4-2500 § 301 Nr 1) enthält eine wortgleich Passage.
cc) Im Urteil vom 16. Mai 2012 – B 3 KR 14/11 R – (BSGE 111, 58-71, Rn. 32) formuliert der 3. Senat ähnlich (zitiert nach juris Rn. 32):
»Verfahrensrechtliches Gegenstück zur Verantwortung der Krankenkassen für die beschleunigte Prüfung und Bezahlung der Krankenhausrechnungen ist auf Seite der Krankenhäuser die ordnungsgemäße Information der Krankenkassen über die von ihnen abgerechneten Versorgungen nach Maßgabe der Mitwirkungsobliegenheiten insbesondere aus § 301 SGB V sowie ggf ergänzenden landesvertraglichen Bestimmungen. In diesen Vorschriften ist abschließend aufgezählt, welche Angaben die Krankenhäuser den Krankenkassen bei einer Krankenhausbehandlung ihrer Versicherten unmittelbar zu übermitteln haben ( ). Fehlt es an einer dieser Angaben, so tritt nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats mangels formal ordnungsgemäßer Abrechnung bereits die Fälligkeit der abgerechneten Forderung nicht ein (vgl BSGE 90, 1, 3 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 22; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 1 RdNr 12).«
Als Begründung wird hier lediglich auf die ständige Senatsrechtsprechung hingewiesen, verbunden mit dem Maßstab bestimmter Mitwirkungsobliegenheiten, deren Rechtsgrund aber (außer § 301 SGB V) nicht näher benannt wird.
dd) Die Ausführungen zur Fälligkeit einer Vergütungsrechnung finden sich auch in anderen Fundstellen, ohne dass dort eine Begründung gegeben würde. Vielmehr ist auf Folgendes hinzuweisen:
Das BSG verweist im ältesten zuvor herangezogenen Urteil (s. cc) auf das Urteil vom 28. Mai 2003 – B 3 KR 10/02 R –, SozR 4-2500 § 109 Nr. 1, wo es heißt (= juris Rn. 19):
»Die Fälligkeit tritt allerdings dann nicht ein, wenn die Rechnung nicht den Anforderungen des § 301 SGB V genügt (so auch § 9 Satz 2 der Pflegesatzvereinbarung) und deshalb schon keine formal ordnungsgemäße Abrechnung des Krankenhauses vorliegt (BSGE 90, 1 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3), was hier aber nicht der Fall war.«
Neben der konkreten Pflegesatzvereinbarung, die im vorliegenden Rechtsstreit nicht relevant ist, gibt das Gericht auch hier keine Begründung, sondern nur einen weiteren Verweis. Dort (BSGE 90, 1, [3]) wird formuliert:
»Eine Zahlungspflicht der KK besteht nur dann nicht, wenn schon keine formal ordnungsgemäße Abrechnung des Krankenhauses vorliegt. Es steht zwischen den Beteiligten jedoch außer Streit, dass die Abrechnungen der Klägerin die nach § 9 Abs 3 KBV iVm II Nr 5 der Anl zum KBV erforderlichen Angaben enthalten und damit formal ordnungsgemäß sind.«
Begründende Ausführungen oder ein Verweis auf andere Entscheidungen, die insofern eine Argumentation enthalten, gibt das Gericht hier nicht. Auch wird hier keineswegs ein Bezug zu § 301 SGB V begründet, sondern ein solcher zu einem Vertrag (nach § 112 Abs. 1 SGB V; dieser sieht für Hessen zwar die Übermittlung der Daten gemäß der Datenübermittlungsvereinbarung vor [§ 9 Abs. 1], setzt dies aber nicht in Konnex zur Abrechnung, die gem. § 10 nur in Übereinstimmung mit dem SGB V und der Bundespflegesatzverordnung bzw. der sie ersetzenden Regelungen und zusätzlicher Verträge zu erfolgen braucht). Mit anderen Worten:
Für die fortgeschriebene Annahme des BSG, die Fälligkeit einer Vergütungsrechnung hänge von der Vollständigkeit des Datensatzes nach § 301 SGB V oder anderer Angaben ab in der Weise, dass Gründe für die stationäre Aufnahme anzugeben wären, fehlt es an einer Begründung des Gerichts. Gesetzes- oder Vertragsnormen mit diesem Inhalt sind ebenfalls nicht ersichtlich und werden im Übrigen auch nicht seitens des BSG benannt. Es existiert für die Krankenhausvergütung schlichtweg keine Vorschrift wie etwa § 15 Abs. 1 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), wonach die Fälligkeit einer Rechnung von deren Prüffähigkeit abhängt. Aber selbst diese verlangt nur "eine Zusammenstellung der für die Honorarermittlung im konkreten Fall maßgebenden Grundlagen und der Berechnung in einer Form, die dem Auftraggeber eine logische Nachprüfung ermöglicht." (s. Hartmann, HOAI, 2012, § 15 Rn. 3).
ee) Ohne dass es nach dem Vorstehenden darauf ankäme, ist insbesondere in Bezug auf die im vorliegenden Fall seitens der Beklagten geforderte Angabe eines ausnahmsweisen Grundes für die regelhaft ambulant zu erbringende Behandlung vor dem Hintergrund der Übermittlungspflichten gem. § 301 Abs. 1 SGB V auszuführen:
Gemäß dessen Satz 1 waren (und sind) die Angaben "im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern zu übermitteln". Von der maschinenlesbare Form sind in Satz 2 lediglich zwei Ausnahmen zugelassen, nämlich für die "Übermittlung der medizinischen Begründung von Verlängerungen der Verweildauer nach Satz 1 Nr. 3 sowie der Angaben nach Satz 1 Nr. 8" des § 301 Abs. 1 SGB V. Auf welche Weise der Grund für die gerade stationäre Durchführung einer auch ambulant möglichen Behandlung maschinenlesbar erfolgen könnte, wird weder seitens des BSG noch durch die Beklagte aufgezeigt. Sie ist auch nicht ersichtlich.
ff) Bedenken gegen die Vergütungsfähigkeit wegen einer – wie hier – zunächst behaupteten primären Fehlbelegung können ohne Weiteres im Verfahren gem. § 275 SGB V zur Prüfung gestellt werden. Dies alles hindert aber die Fälligkeit der Vergütungsforderung nicht. Inwiefern unzureichende Informations- oder Datenübermittlung Rechtsfolgen für das Prüfungsregime gem. § 275 Abs. 1c SGB V haben kann (vgl. etwa die "Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Absatz 1c SGB V gemäß § 17c Absatz 2 KHG zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V." für Behandlungsfälle ab dem 1. Januar 2015), bedarf hier keiner Entscheidung. Die Fälligkeit der zugrunde liegenden Forderung ist davon unberührt.
c) Letztlich steht hinter der lediglich vordergründigen Fälligkeitsfrage ein ökonomischer "Kern" in Form der vergütungsrechtlichen Frage, wer das wirtschaftliche Risiko einer inhaltlich fehlerhaften Rechnung trägt. Doch ist auch diese Frage durch den hessischen Landesvertrag eindeutig zu Lasten der Krankenkassen geregelt. Sie sind in Höhe der Verzugszinsen gem. § 288 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig, wenn später die in Abrede gestellte Richtigkeit einer Vergütungsrechnung bestätigt wird. Diese klare vertragliche Regelung, die einen Rückgriff auf Treu und Glauben oder ähnlich konturlose Wertungsprinzipien verbieten, wird durch abstrakte Erwägungen zur Fälligkeit unzulässiger Weise zu umgehen versucht. Es gibt auch keinen Grund, diese vertragliche Lastenverteilung wegen Umständen in Frage zu stellen, die die Vertragsparteien etwa übersehen hätten. Unabhängig davon, dass solche nicht ersichtlich sind, können die Krankenkassen dieser Ersatzpflicht ohne Weiteres entgehen, indem sie sich vertragsgemäß verhalten und die Rechnung binnen 30 Tagen nach Rechnungseingang zahlen. Der damit verbunden Liquiditätsverlust der Krankenkassen ist wirtschaftlich natürlich ebenfalls beachtenswert; er ist aber insofern die Kehrseite der Vorleistungspflicht der Krankenhäuser, die ihren Aufwand in Form der Krankenbehandlung vorfinanzieren müssen. Vor allem aber ist vorrangige Zahlungspflicht mit der Folge entstehender Verzugszinsen Folge einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung, für die seit Alters gilt: pacta sunt servanda.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da sie im hier tenorierten Umfang verurteilt worden ist sowie die Klägerin im Übrigen durch ihr Anerkenntnis klaglos gestellt hat und damit unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 197a SGG). Insofern lässt das Kostenrecht der VwGO, anders als etwa § 193 SGG, keinen Spielraum. Ebenso wenig ist mangels einer Erledigung der Hauptsache § 161 Abs. 2 VwGO anwendbar (vgl. Kammerbeschluss vom 15. Juli 2015 – S 4 KR 449/13 –, juris).
Eine Ausnahme von der Kostentragungspflicht des Unterliegenden kommt nur gem. § 156 VwGO i.V.m. § 197a SGG in Betracht, wenn die Beklagte einen Anspruch sofort anerkennt und auch keinen Anlass zur Klage gegeben hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall; schon an einem sofortigen Anerkenntnis fehlt es, nachdem die Beklagte zunächst Klageabweisung beantragt hat.
Zudem befand sich die Beklagte, da sie die Forderung nicht innerhalb der 30-Tage-Frist des § 10 Abs. 4, 5 des Landesvertrages ausgeglichen hat, nach den Ausführungen zu 2.) in Verzug. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Nichtleisten bei Fälligkeit stets eine Klageveranlassung darstellt (Olbertz, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 156 Rn. 10 [Stand: 2005]). Zudem hat die zitierte vertragliche Regelung die zuvor beschriebene "Lastenverteilung" dahingehend zum Inhalt, dass eine Krankenkasse zunächst zur Zahlung verpflichtet ist und mögliche Streitigkeiten nachträglich auszutragen sind. Entspricht sie dem nicht, trägt sie das daraus folgen Kostenrisiko sowohl hinsichtlich der Verzugszinsen wie auch möglicher Rechtsdurchsetzungskosten.
4. Die Berufung ist zuzulassen. Dies folgt zunächst aus der Abweichung von den unter Nr. 2. lit. b) zitierten Urteilen des BSG (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
Allerdings beruht die vorliegende Entscheidung nicht allein auf dieser Abweichung, sondern auf dem selbstständig tragenden Grund eines Vorrangs des Landesvertrages (s. zuvor unter Nr. 2 lit. a). Die Frage dieses Vorrangs und Verhältnisses der Vertragsnormen zu den vom BSG aufgestellten allgemeinen Anforderungen an die ordnungsgemäße Abrechnung als Fälligkeitsvoraussetzung ist bisher – soweit ersichtlich – obergerichtlich nicht geklärt. Daher ist die Berufungszulassung insoweit wegen grundsätzlicher Bedeutung geboten (§144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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