Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 3835/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2949/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 12.06.2014 und der Bescheid vom 09.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2012 werden aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation.
Die 1969 geborene Klägerin war zuletzt 2008 geringfügig als Briefsortiererin bei der D.P. AG beschäftigt. Sie bezieht seit 01.07.2003 von der Beklagten zunächst Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und seit 01.01.2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer.
Vom 13.12.1993 bis 11.01.1994 absolvierte sie eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation in Bad Z ... Die dortigen Rehaärzte diagnostizierten einen Zustand nach frühkindlicher cerebraler Läsionen mit Taubheit links, Musculus-rectus-Paresen links sowie pseudo-neurasthenische Affektlabilität.
Mit Bescheid vom 15.04.2008 wurde vom Versorgungsamt H. ein GdB von 70 bei folgenden Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt: Taubheit links, Schwerhörigkeit rechts, Augenmuskellähmung links, funktionelle Organbeschwerden, seelische Störung, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformungen, Sprechstörung.
Die Klägerin beantragte am 30.03.2012 bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation. Diese leitete den Antrag an die Beklagte weiter.
Mit Bescheid vom 09.05.2012 lehnte die Beklagte den Antrag wegen mangelnder Rehabilitationsbedürftigkeit ab. Sie stützte sich auf ein ärztliches Attest der orthopädischen Praxis Dr. St. und Kollegen vom 17.05.2011, wonach bei der Klägerin eine Skoliose mit daraus resultierendem asymmetrischem Thorax und einem prominenten Rippenknorpel links parasternal vorläge und Behandlungsbedarf nicht bestünde.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren, in dem die Klägerin eine Multimorbidität geltend machte, lag der Beklagten ein vorläufiger Entlassungsbericht der Klinik für Neurologie des Diakonissenkrankenhauses M. vor. Dort wurde die Klägerin vom 26.06.2012 bis 02.07.2012 stationär hauptsächlich wegen Schmerzen der lumbalen Region und des Kreuzes bei Lumboischialgie beidseits mit Schmerzausstrahlung ins linke Knie und in die rechte Glutealregion behandelt. Die Ärzte erhoben einen psychopathologisch unauffälligen Befund, beschrieben ein hoch chronifiziertes Schmerzsyndrom, verschrieben das Medikament Amitriptylin und empfahlen eine ambulante Schmerztherapie.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2012 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 28.11.2012 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Das SG hat ein orthopädisches Gutachten von Dr. Sch. aufgrund einer Untersuchung am 07.05.2013 beigezogen, das in einem parallel anhängigen Verfahren bezüglich der Erhöhung des GdB erstellt worden war, und diesen Gutachter mit der Erstellung eines erneuten Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. In diesem Gutachten hat der Sachverständige die Beschwerdeschilderung sowie die Befunderhebung anlässlich der persönlichen Untersuchung in der Vorbegutachtung wiederholt. Die Klägerin hatte insbesondere Ganzkörperschmerzen vorgebracht. Der Sachverständige hat folgende Diagnosen auf orthopädischem Fachgebiet gestellt: &61485; Fehlstatik der Hals- und Rumpfwirbelsäule mit muskulärer Reizung der Lendenwirbelsäule ohne radikuläre Reizerscheinungen oder auffällige degenerative Veränderungen &61485; Schulter-Arm-Syndrom beidseits mit Funktionsschmerzen ohne wesentliche Funktionsbehinderungen &61485; Bewegungsschmerzen beider Hüften und radiologischem Ausschluss einer Hüftgelenksarthrose &61485; Chrondomalazie des linken Kniegelenkes (Knorpelerkrankung) ohne Funktionsbehinderung beider Kniegelenke &61485; linkshinkendes Gangbild mit wechselnder Intensität &61485; grenzwertige Untergewichtigkeit.
Eine psychopathologische Befunderhebung hat auch nicht orientierend stattgefunden. Der Gutachter ist der Ansicht gewesen, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin bereits dauerhaft gemindert sei. Selbst bei leichten Tätigkeiten könne kein vollschichtiges Leistungsvermögen erlangt werden. Dies ergebe sich aus den vielfältigen chronischen Schmerzen des gesamten Bewegungsapparates. Die Klägerin sei nicht rehabilitationsfähig. Wenn sie ein bis zwei Stunden aktiv gewesen sei, müsse sie sich wieder hinlegen. Dies ergebe sich aus ihren Schilderungen zum Tagesablauf. Für einfache Verrichtungen, z.B. das Einkaufen, rufe sie ein Taxi. Sie könne nur noch 200 bis 400 m zu Fuß zurücklegen. Da das seit Jahren bestehende chronifizierte Schmerzsyndrom auch durch stationäre Maßnahmen bisher nicht zu beherrschen gewesen sei, sei nicht davon auszugehen, dass eine hinreichende Belastungsfähigkeit für eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme/Umschulung bestehe.
Die Klägerin hat den Gutachter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.06.2014 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es im Falle der Klägerin an einer positiven Rehabilitationsprognose fehle. Der Sachverständige habe überzeugend dargestellt, dass die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen in der Summe dazu führen würden, dass die Klägerin für eine Rehabilitationsmaßnahme nicht ausreichend belastbar sei. Es sei auch kein Anspruch auf die Bewilligung einer Rehabilitationsmaßnahme aufgrund der Rechtsvorschriften anderer Rehabilitationsträger gegeben. Denn auch dann müsse die Maßnahme erforderlich sein. Auf den Befangenheitsantrag ist das SG nicht eingegangen.
Gegen den der Klägerin am 18.06.2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 14.07.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.
Sie hat einen Arztbrief der Klinik für Anästhesie des St. M.- und St. A.krankenhauses in L. am Rhein vorgelegt (Bl 4), in der sie sich erstmalig am 24.02.2014 in der Schmerzambulanz vorgestellt hatte. Der Leitende Oberarzt Dr. Sta. hat den hochgradigen Verdacht einer somatoformen Schmerzerkrankung bei beschriebener sozialer Konfliktsituation mit einem aggressiven Hausbewohner geäußert. Er ist der Ansicht gewesen, dass die Frage, ob diese bedrohlich erlebten Zustände wahnhafte Aspekte beinhalten würden, psychiatrisch abgeklärt werden sollte. Er hat zudem auf einen regelmäßigen Cannabiskonsum der Klägerin verwiesen. Für die Teilnahme am Programm der Schmerztagesklinik sei die Klägerin körperlich derzeit zu wenig belastbar und nicht ausreichend gruppenfähig.
Vorgelegt worden ist auch der vorläufige Entlassungsbericht des Diakonissenkrankenhauses Mannheim (Bl 51), wo die Klägerin erneut vom 25.11.2014 bis 02.12.2014 stationär wegen muskulo-skelettaler Schmerzen mit schmerzbedingter Gangstörung behandelt worden ist. Die Ärzte haben eine deutliche Besserung der Schmerzen und der Gangstörung unter vorsichtiger Physiotherapie und Analgetika beschrieben. Eine Empfehlung für eine stationäre psychosomatische Behandlung ist abgegeben worden.
Der Senat hat den Orthopäden Dr. R. sowie auf dessen Anregung zusätzlich den Neurologen und Psychiater Dr. Rössy mit der Erstellung von Gutachten gemäß § 106 SGG beauftragt. Da die Klägerin mitgeteilt hat, dass sie an einer neurologisch-psychiatrischen Begutachtung keinesfalls teilnehmen werde, hat Dr. R. um Entbindung vom Gutachtensauftrag gebeten. Er hat ausgeführt, dass es sehr viele Hinweise darauf gebe, dass die Beschwerden der Klägerin auf orthopädisch-rheumatologischem Fachgebiet nicht hinreichend zu erklären seien. Ein solches Gutachten sei unergiebig. Die Sachverständigen sind deshalb vom Gutachtensauftrag entbunden worden.
Der Senat hat nachfolgend den Orthopäden Dr. Schi. mit der Erstellung eines Gutachtens gemäß § 106 SGG beauftragt. Dieser Sachverständige hat nach einem Aktenstudium Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass das vom SG eingeholte orthopädische Gutachten ausschließlich funktionelle Beschwerden der Haltungs- und Bewegungsorgane ausweise, die keine qualitative Erwerbsminderung begründen könnten. Die Erwerbsfähigkeit sei nicht wegen Erkrankungen der Haltungs- und Bewegungsorgane gemindert. Die Erwerbsfähigkeit könne bei solchen Gesundheitsstörungen auch nicht durch Leistungen zur Teilhabe wiederhergestellt werden. Vorrangig gehe es um seelische oder mentale Gesundheitsstörungen, die zu rehabilitieren seien. Der Senat hat daraufhin den Gutachtensauftrag aufgehoben.
Mit Beschluss vom 09.11.2015 hat der Senat einen Antrag der Klägerin auf Videoverhandlung abgelehnt.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation im Sinne einer stationären multimodalen interdisziplinären Therapie aufgrund der bei ihr vorliegenden Multimorbidität und insbesondere der orthopädischen Gesundheitsstörungen erfüllt seien. Sie hält sich für rehabilitationsfähig.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 12.06.2014 sowie den Bescheid vom 09.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet.
Gegenstand der Berufung ist der Bescheid der Beklagten vom 09.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2012, mit dem der Antrag der Klägerin auf eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation abgelehnt worden ist.
Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da der Bescheid rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Sie hat einen Anspruch auf eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation.
Nach § 9 Abs 1 SGB VI erbringt die Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen, um 1. den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und 2. dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Die Leistungen zur Teilhabe haben Vorrang vor Rentenleistungen, die bei erfolgreichen Leistungen zur Teilhabe nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen sind.
Nach § 9 Abs 2 SGB VI können die Leistungen nach Absatz 1 erbracht werden, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind.
Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen nach § 10 Abs 1 SGB VI erfüllt, 1. deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und 2. bei denen voraussichtlich a. bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann, b. bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann, c. bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann.
Gem. § 12 Abs. 2 SGB VI werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen zur Rehabilitation erbracht, deren Kosten aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden sind. Dies gilt nicht, wenn vorzeitige Leistungen aus gesundheitlichen Gründen dringend erforderlich sind.
Die Klägerin erfüllt die versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen. In Betracht kommt für die Klägerin ausschließlich § 10 Abs 1 Nr 2 lit b SGB VI. Die Klägerin ist bereits in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert. Sie erhält deshalb auch Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Beklagten.
Bei der Klägerin liegen zur Überzeugung des Senats folgende Gesundheitsstörungen vor: &61485; Somatoformes Schmerzsyndrom &61485; Gehörlosigkeit links &61485; Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts &61485; Augenmuskellähmung links &61485; Fehlstatik der Hals- und Rumpfwirbelsäule mit muskulärer Reizung der Lendenwirbelsäule ohne radikuläre Reizerscheinungen oder auffällige degenerative Veränderungen &61485; Schulter-Arm-Syndrom beidseits mit Funktionsschmerzen ohne wesentliche Funktionsbehinderungen &61485; Bewegungsschmerzen beider Hüften und radiologischem Ausschluss einer Hüftgelenksarthrose &61485; Chrondomalazie des linken Kniegelenkes (Knorpelerkrankung) ohne Funktionsbehinderung beider Kniegelenke &61485; linkshinkendes Gangbild mit wechselnder Intensität &61485; grenzwertige Untergewichtigkeit. &61485; bronchiale Hyperreagibilität &61485; THC-Abusus (Cannabis-Abusus) &61485; Nikotinabusus
Dabei stützt sich der Senat auf die vom Sachverständigen Dr. Sch. mitgeteilten Befunde und Diagnosen, auf den Arztbrief des St. M.- und St. A.krankenhauses L. am Rhein aufgrund der ambulanten Untersuchung am 24.02.2014, den vorläufigen Entlassungsbericht der Klinik für Neurologie im Diakonissenkrankenhaus M. bezüglich des stationären Aufenthalts vom 25.11.2014 bis 02.12.2014 sowie die insoweit glaubhaften eigenen Angaben der Klägerin.
Das Gutachten von Dr. Sch. kann verwertet werden. Der Antrag auf Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit vom 19.07.2013 ist unbegründet. Die Beauftragung des gleichen Gutachters in verschiedenen Rechtsstreitigkeiten ist weder unüblich noch bietet sie Anhaltspunkte für eine mögliche Voreingenommenheit. Einwände gegen die Richtigkeit eines Gutachtens betreffen die Beweiswürdigung und nicht die Besorgnis der Befangenheit bzgl eines Gutachters.
Aufgrund der Zusammenschau sämtlicher ärztlicher Unterlagen ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin hauptsächlich durch das somatoforme Schmerzsyndrom beeinträchtigt ist. Darauf haben zuletzt auch die Ärzte der Klinik für Neurologie des Diakonissenkrankenhauses M. hingewiesen. Auch ergibt sich aus den medizinischen Unterlagen, dass sich die von der Klägerin geäußerten Ganzkörperschmerzen nicht aufgrund der vorliegenden orthopädischen Gesundheitsstörungen erklären lassen. Der Senat teilt insoweit die Einschätzungen der erfahrenen Sachverständigen Dr. R. und Prof. Dr. Sch ... Deren Stellungnahmen können, auch wenn die Gutachtensaufträge jeweils aufgehoben worden sind, im Wege der freien Beweiswürdigung vom Senat berücksichtigt werden.
Eine Leistung der medizinischen Rehabilitation auf rein orthopädischem Fachgebiet kann deshalb bei prognostischer Betrachtung nicht zu einer wesentlichen Besserung der Erwerbsfähigkeit führen. Jedoch hat nach Auffassung des Senats eine Leistung der medizinischen Rehabilitation auf psychosomatischem Fachgebiet sehr wohl Aussicht auf Erfolg. Der Senat stützt sich diesbezüglich auf die Ausführungen der behandelnden Ärzte im vorläufigen Entlassungsbericht des Diakonissenkrankenhauses M. bezüglich des stationären Aufenthalts vom 25.11.2014 bis 02.12.2014.
Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Klägerin rehabilitationsfähig ist. Insoweit überzeugen die Ausführungen von Dr. Sch. in dessen Gutachten nicht. Der Sachverständige stützt sich ausschließlich auf den von der Klägerin geschilderten Tagesablauf mit zahlreichen Pausen. Jedoch unterlässt es der Gutachter einen objektiven psychopathologischen Befund zumindest orientierend zu erheben und so die Angaben der Klägerin zu validieren. Vielmehr geht er in seiner Beurteilung ausschließlich auf die orthopädischen Gesundheitsstörungen ein, die er ausführlich würdigt. Dennoch verneint er die Rehabilitationsfähigkeit nur aus Gründen, die nicht das orthopädische Fachgebiet betreffen, unter anderem aufgrund des aus seiner Sicht nicht beherrschbaren chronifizierten Schmerzsyndroms. Dieses hat er auf orthopädischem Fachgebiet noch nicht einmal diagnostiziert. Im Übrigen lässt sich nach Ansicht des Senats auch aus dem von der Klägerin geschilderten Tagesablauf nicht entnehmen, dass diese nicht rehabilitationsfähig ist. Zwar ist eine Tagesstruktur nur auf sehr niedrigem Niveau erhalten. Jedoch geht die Klägerin auch keiner Erwerbstätigkeit nach, ist jedoch in der Lage, ihren Haushalt zu führen und Einkäufe - auch per Fuß - zu erledigen.
Der Senat übersieht auch nicht, dass Dr. Sta. aufgrund der einmaligen Vorstellung der Klägerin in der Schmerzambulanz des St. M.- und St. A.krankenhauses L. am Rhein zum Ergebnis gekommen war, dass die Klägerin für die Teilnahme am Programm der Schmerztagesklinik körperlich derzeit zu wenig belastbar und nicht ausreichend gruppenfähig gewesen war. Diese Einschätzung teilt der Senat zum für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht. Die Klägerin konnte Ende 2014 eine stationäre Behandlung in der Klinik für Neurologie erfolgreich durchlaufen. Die beschriebene deutliche Besserung der Beschwerden widerlegt zudem die Annahme von Dr. Sch., dass das chronifizierte Schmerzsyndrom nicht beherrschbar sei. Vielmehr empfahlen die Ärzte des Diakonissenkrankenhauses M. explizit eine stationäre Aufnahme in eine psychosomatisch orientierte Klinik. Eine solche Empfehlung setzt eine Behandlungsfähigkeit voraus.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und ärztlichen Unterlagen bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation.
Die 1969 geborene Klägerin war zuletzt 2008 geringfügig als Briefsortiererin bei der D.P. AG beschäftigt. Sie bezieht seit 01.07.2003 von der Beklagten zunächst Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und seit 01.01.2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer.
Vom 13.12.1993 bis 11.01.1994 absolvierte sie eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation in Bad Z ... Die dortigen Rehaärzte diagnostizierten einen Zustand nach frühkindlicher cerebraler Läsionen mit Taubheit links, Musculus-rectus-Paresen links sowie pseudo-neurasthenische Affektlabilität.
Mit Bescheid vom 15.04.2008 wurde vom Versorgungsamt H. ein GdB von 70 bei folgenden Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt: Taubheit links, Schwerhörigkeit rechts, Augenmuskellähmung links, funktionelle Organbeschwerden, seelische Störung, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformungen, Sprechstörung.
Die Klägerin beantragte am 30.03.2012 bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation. Diese leitete den Antrag an die Beklagte weiter.
Mit Bescheid vom 09.05.2012 lehnte die Beklagte den Antrag wegen mangelnder Rehabilitationsbedürftigkeit ab. Sie stützte sich auf ein ärztliches Attest der orthopädischen Praxis Dr. St. und Kollegen vom 17.05.2011, wonach bei der Klägerin eine Skoliose mit daraus resultierendem asymmetrischem Thorax und einem prominenten Rippenknorpel links parasternal vorläge und Behandlungsbedarf nicht bestünde.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren, in dem die Klägerin eine Multimorbidität geltend machte, lag der Beklagten ein vorläufiger Entlassungsbericht der Klinik für Neurologie des Diakonissenkrankenhauses M. vor. Dort wurde die Klägerin vom 26.06.2012 bis 02.07.2012 stationär hauptsächlich wegen Schmerzen der lumbalen Region und des Kreuzes bei Lumboischialgie beidseits mit Schmerzausstrahlung ins linke Knie und in die rechte Glutealregion behandelt. Die Ärzte erhoben einen psychopathologisch unauffälligen Befund, beschrieben ein hoch chronifiziertes Schmerzsyndrom, verschrieben das Medikament Amitriptylin und empfahlen eine ambulante Schmerztherapie.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2012 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 28.11.2012 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Das SG hat ein orthopädisches Gutachten von Dr. Sch. aufgrund einer Untersuchung am 07.05.2013 beigezogen, das in einem parallel anhängigen Verfahren bezüglich der Erhöhung des GdB erstellt worden war, und diesen Gutachter mit der Erstellung eines erneuten Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. In diesem Gutachten hat der Sachverständige die Beschwerdeschilderung sowie die Befunderhebung anlässlich der persönlichen Untersuchung in der Vorbegutachtung wiederholt. Die Klägerin hatte insbesondere Ganzkörperschmerzen vorgebracht. Der Sachverständige hat folgende Diagnosen auf orthopädischem Fachgebiet gestellt: &61485; Fehlstatik der Hals- und Rumpfwirbelsäule mit muskulärer Reizung der Lendenwirbelsäule ohne radikuläre Reizerscheinungen oder auffällige degenerative Veränderungen &61485; Schulter-Arm-Syndrom beidseits mit Funktionsschmerzen ohne wesentliche Funktionsbehinderungen &61485; Bewegungsschmerzen beider Hüften und radiologischem Ausschluss einer Hüftgelenksarthrose &61485; Chrondomalazie des linken Kniegelenkes (Knorpelerkrankung) ohne Funktionsbehinderung beider Kniegelenke &61485; linkshinkendes Gangbild mit wechselnder Intensität &61485; grenzwertige Untergewichtigkeit.
Eine psychopathologische Befunderhebung hat auch nicht orientierend stattgefunden. Der Gutachter ist der Ansicht gewesen, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin bereits dauerhaft gemindert sei. Selbst bei leichten Tätigkeiten könne kein vollschichtiges Leistungsvermögen erlangt werden. Dies ergebe sich aus den vielfältigen chronischen Schmerzen des gesamten Bewegungsapparates. Die Klägerin sei nicht rehabilitationsfähig. Wenn sie ein bis zwei Stunden aktiv gewesen sei, müsse sie sich wieder hinlegen. Dies ergebe sich aus ihren Schilderungen zum Tagesablauf. Für einfache Verrichtungen, z.B. das Einkaufen, rufe sie ein Taxi. Sie könne nur noch 200 bis 400 m zu Fuß zurücklegen. Da das seit Jahren bestehende chronifizierte Schmerzsyndrom auch durch stationäre Maßnahmen bisher nicht zu beherrschen gewesen sei, sei nicht davon auszugehen, dass eine hinreichende Belastungsfähigkeit für eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme/Umschulung bestehe.
Die Klägerin hat den Gutachter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.06.2014 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es im Falle der Klägerin an einer positiven Rehabilitationsprognose fehle. Der Sachverständige habe überzeugend dargestellt, dass die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen in der Summe dazu führen würden, dass die Klägerin für eine Rehabilitationsmaßnahme nicht ausreichend belastbar sei. Es sei auch kein Anspruch auf die Bewilligung einer Rehabilitationsmaßnahme aufgrund der Rechtsvorschriften anderer Rehabilitationsträger gegeben. Denn auch dann müsse die Maßnahme erforderlich sein. Auf den Befangenheitsantrag ist das SG nicht eingegangen.
Gegen den der Klägerin am 18.06.2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 14.07.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.
Sie hat einen Arztbrief der Klinik für Anästhesie des St. M.- und St. A.krankenhauses in L. am Rhein vorgelegt (Bl 4), in der sie sich erstmalig am 24.02.2014 in der Schmerzambulanz vorgestellt hatte. Der Leitende Oberarzt Dr. Sta. hat den hochgradigen Verdacht einer somatoformen Schmerzerkrankung bei beschriebener sozialer Konfliktsituation mit einem aggressiven Hausbewohner geäußert. Er ist der Ansicht gewesen, dass die Frage, ob diese bedrohlich erlebten Zustände wahnhafte Aspekte beinhalten würden, psychiatrisch abgeklärt werden sollte. Er hat zudem auf einen regelmäßigen Cannabiskonsum der Klägerin verwiesen. Für die Teilnahme am Programm der Schmerztagesklinik sei die Klägerin körperlich derzeit zu wenig belastbar und nicht ausreichend gruppenfähig.
Vorgelegt worden ist auch der vorläufige Entlassungsbericht des Diakonissenkrankenhauses Mannheim (Bl 51), wo die Klägerin erneut vom 25.11.2014 bis 02.12.2014 stationär wegen muskulo-skelettaler Schmerzen mit schmerzbedingter Gangstörung behandelt worden ist. Die Ärzte haben eine deutliche Besserung der Schmerzen und der Gangstörung unter vorsichtiger Physiotherapie und Analgetika beschrieben. Eine Empfehlung für eine stationäre psychosomatische Behandlung ist abgegeben worden.
Der Senat hat den Orthopäden Dr. R. sowie auf dessen Anregung zusätzlich den Neurologen und Psychiater Dr. Rössy mit der Erstellung von Gutachten gemäß § 106 SGG beauftragt. Da die Klägerin mitgeteilt hat, dass sie an einer neurologisch-psychiatrischen Begutachtung keinesfalls teilnehmen werde, hat Dr. R. um Entbindung vom Gutachtensauftrag gebeten. Er hat ausgeführt, dass es sehr viele Hinweise darauf gebe, dass die Beschwerden der Klägerin auf orthopädisch-rheumatologischem Fachgebiet nicht hinreichend zu erklären seien. Ein solches Gutachten sei unergiebig. Die Sachverständigen sind deshalb vom Gutachtensauftrag entbunden worden.
Der Senat hat nachfolgend den Orthopäden Dr. Schi. mit der Erstellung eines Gutachtens gemäß § 106 SGG beauftragt. Dieser Sachverständige hat nach einem Aktenstudium Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass das vom SG eingeholte orthopädische Gutachten ausschließlich funktionelle Beschwerden der Haltungs- und Bewegungsorgane ausweise, die keine qualitative Erwerbsminderung begründen könnten. Die Erwerbsfähigkeit sei nicht wegen Erkrankungen der Haltungs- und Bewegungsorgane gemindert. Die Erwerbsfähigkeit könne bei solchen Gesundheitsstörungen auch nicht durch Leistungen zur Teilhabe wiederhergestellt werden. Vorrangig gehe es um seelische oder mentale Gesundheitsstörungen, die zu rehabilitieren seien. Der Senat hat daraufhin den Gutachtensauftrag aufgehoben.
Mit Beschluss vom 09.11.2015 hat der Senat einen Antrag der Klägerin auf Videoverhandlung abgelehnt.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation im Sinne einer stationären multimodalen interdisziplinären Therapie aufgrund der bei ihr vorliegenden Multimorbidität und insbesondere der orthopädischen Gesundheitsstörungen erfüllt seien. Sie hält sich für rehabilitationsfähig.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 12.06.2014 sowie den Bescheid vom 09.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet.
Gegenstand der Berufung ist der Bescheid der Beklagten vom 09.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2012, mit dem der Antrag der Klägerin auf eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation abgelehnt worden ist.
Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da der Bescheid rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Sie hat einen Anspruch auf eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation.
Nach § 9 Abs 1 SGB VI erbringt die Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen, um 1. den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und 2. dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Die Leistungen zur Teilhabe haben Vorrang vor Rentenleistungen, die bei erfolgreichen Leistungen zur Teilhabe nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen sind.
Nach § 9 Abs 2 SGB VI können die Leistungen nach Absatz 1 erbracht werden, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind.
Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen nach § 10 Abs 1 SGB VI erfüllt, 1. deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und 2. bei denen voraussichtlich a. bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann, b. bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann, c. bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann.
Gem. § 12 Abs. 2 SGB VI werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen zur Rehabilitation erbracht, deren Kosten aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden sind. Dies gilt nicht, wenn vorzeitige Leistungen aus gesundheitlichen Gründen dringend erforderlich sind.
Die Klägerin erfüllt die versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen. In Betracht kommt für die Klägerin ausschließlich § 10 Abs 1 Nr 2 lit b SGB VI. Die Klägerin ist bereits in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert. Sie erhält deshalb auch Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Beklagten.
Bei der Klägerin liegen zur Überzeugung des Senats folgende Gesundheitsstörungen vor: &61485; Somatoformes Schmerzsyndrom &61485; Gehörlosigkeit links &61485; Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts &61485; Augenmuskellähmung links &61485; Fehlstatik der Hals- und Rumpfwirbelsäule mit muskulärer Reizung der Lendenwirbelsäule ohne radikuläre Reizerscheinungen oder auffällige degenerative Veränderungen &61485; Schulter-Arm-Syndrom beidseits mit Funktionsschmerzen ohne wesentliche Funktionsbehinderungen &61485; Bewegungsschmerzen beider Hüften und radiologischem Ausschluss einer Hüftgelenksarthrose &61485; Chrondomalazie des linken Kniegelenkes (Knorpelerkrankung) ohne Funktionsbehinderung beider Kniegelenke &61485; linkshinkendes Gangbild mit wechselnder Intensität &61485; grenzwertige Untergewichtigkeit. &61485; bronchiale Hyperreagibilität &61485; THC-Abusus (Cannabis-Abusus) &61485; Nikotinabusus
Dabei stützt sich der Senat auf die vom Sachverständigen Dr. Sch. mitgeteilten Befunde und Diagnosen, auf den Arztbrief des St. M.- und St. A.krankenhauses L. am Rhein aufgrund der ambulanten Untersuchung am 24.02.2014, den vorläufigen Entlassungsbericht der Klinik für Neurologie im Diakonissenkrankenhaus M. bezüglich des stationären Aufenthalts vom 25.11.2014 bis 02.12.2014 sowie die insoweit glaubhaften eigenen Angaben der Klägerin.
Das Gutachten von Dr. Sch. kann verwertet werden. Der Antrag auf Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit vom 19.07.2013 ist unbegründet. Die Beauftragung des gleichen Gutachters in verschiedenen Rechtsstreitigkeiten ist weder unüblich noch bietet sie Anhaltspunkte für eine mögliche Voreingenommenheit. Einwände gegen die Richtigkeit eines Gutachtens betreffen die Beweiswürdigung und nicht die Besorgnis der Befangenheit bzgl eines Gutachters.
Aufgrund der Zusammenschau sämtlicher ärztlicher Unterlagen ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin hauptsächlich durch das somatoforme Schmerzsyndrom beeinträchtigt ist. Darauf haben zuletzt auch die Ärzte der Klinik für Neurologie des Diakonissenkrankenhauses M. hingewiesen. Auch ergibt sich aus den medizinischen Unterlagen, dass sich die von der Klägerin geäußerten Ganzkörperschmerzen nicht aufgrund der vorliegenden orthopädischen Gesundheitsstörungen erklären lassen. Der Senat teilt insoweit die Einschätzungen der erfahrenen Sachverständigen Dr. R. und Prof. Dr. Sch ... Deren Stellungnahmen können, auch wenn die Gutachtensaufträge jeweils aufgehoben worden sind, im Wege der freien Beweiswürdigung vom Senat berücksichtigt werden.
Eine Leistung der medizinischen Rehabilitation auf rein orthopädischem Fachgebiet kann deshalb bei prognostischer Betrachtung nicht zu einer wesentlichen Besserung der Erwerbsfähigkeit führen. Jedoch hat nach Auffassung des Senats eine Leistung der medizinischen Rehabilitation auf psychosomatischem Fachgebiet sehr wohl Aussicht auf Erfolg. Der Senat stützt sich diesbezüglich auf die Ausführungen der behandelnden Ärzte im vorläufigen Entlassungsbericht des Diakonissenkrankenhauses M. bezüglich des stationären Aufenthalts vom 25.11.2014 bis 02.12.2014.
Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Klägerin rehabilitationsfähig ist. Insoweit überzeugen die Ausführungen von Dr. Sch. in dessen Gutachten nicht. Der Sachverständige stützt sich ausschließlich auf den von der Klägerin geschilderten Tagesablauf mit zahlreichen Pausen. Jedoch unterlässt es der Gutachter einen objektiven psychopathologischen Befund zumindest orientierend zu erheben und so die Angaben der Klägerin zu validieren. Vielmehr geht er in seiner Beurteilung ausschließlich auf die orthopädischen Gesundheitsstörungen ein, die er ausführlich würdigt. Dennoch verneint er die Rehabilitationsfähigkeit nur aus Gründen, die nicht das orthopädische Fachgebiet betreffen, unter anderem aufgrund des aus seiner Sicht nicht beherrschbaren chronifizierten Schmerzsyndroms. Dieses hat er auf orthopädischem Fachgebiet noch nicht einmal diagnostiziert. Im Übrigen lässt sich nach Ansicht des Senats auch aus dem von der Klägerin geschilderten Tagesablauf nicht entnehmen, dass diese nicht rehabilitationsfähig ist. Zwar ist eine Tagesstruktur nur auf sehr niedrigem Niveau erhalten. Jedoch geht die Klägerin auch keiner Erwerbstätigkeit nach, ist jedoch in der Lage, ihren Haushalt zu führen und Einkäufe - auch per Fuß - zu erledigen.
Der Senat übersieht auch nicht, dass Dr. Sta. aufgrund der einmaligen Vorstellung der Klägerin in der Schmerzambulanz des St. M.- und St. A.krankenhauses L. am Rhein zum Ergebnis gekommen war, dass die Klägerin für die Teilnahme am Programm der Schmerztagesklinik körperlich derzeit zu wenig belastbar und nicht ausreichend gruppenfähig gewesen war. Diese Einschätzung teilt der Senat zum für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht. Die Klägerin konnte Ende 2014 eine stationäre Behandlung in der Klinik für Neurologie erfolgreich durchlaufen. Die beschriebene deutliche Besserung der Beschwerden widerlegt zudem die Annahme von Dr. Sch., dass das chronifizierte Schmerzsyndrom nicht beherrschbar sei. Vielmehr empfahlen die Ärzte des Diakonissenkrankenhauses M. explizit eine stationäre Aufnahme in eine psychosomatisch orientierte Klinik. Eine solche Empfehlung setzt eine Behandlungsfähigkeit voraus.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und ärztlichen Unterlagen bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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