Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 471/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 43/15
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Befundmitteilung oder der einfache Befundbericht ist mit der Gebühr für die zugrundeliegende Leistung abgegolten. Der ausführliche schriftliche Krankheits- und Befundbericht nach Nr. 7750 GOÄ-82 muss über den einfachen Befundbericht hinaus, unter Berücksichtigung der aktuellen anamnestischen Daten, eine epikritische Bewertung des Befundes beinhalten und/oder einen epikritischen Vergleich mit Vorbefunden und sonstigen Informationen. Die Epikrise bzw. epikritische Bewertung verlangt einen zusammenfassenden kritischen Bericht über den Ablauf einer Krankheit nach Abschluss des Falles oder nach endgültiger Diagnosestellung. Es reicht nicht aus, dass sich die epikritische Bewertung durchgehend auf die Zusammenfassung des Therapieverlaufs und die geplante Weiterbehandlung beschränkt, wobei angemerkt wird, dass sich der Patient im Folgequartal nicht wieder vorgestellt habe, verbunden mit der Bitte, den Patienten zur Wiedervorstellung zu schicken.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und die Gerichtskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Berichtigung der konservierend-chirurgischen Abrechnung für das Quartal IV/11 in 101 Behandlungsfällen und hierbei um die Absetzung von je einer Leistung nach Nr. 7750 und 602 GOÄ-82 pro Behandlungsfall in Höhe von insgesamt 1.792,85 EUR, weil der Leistungsinhalt nicht erfüllt sei.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis. Herr Dr. Dr. A1 ist Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und Zahnarzt, Herr A2 ist Zahnarzt und Frau Dr. A3 ist Zahnärztin. Sie sind zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Die Beklagte wandte sich mit Datum vom 29.11.2011 an die Klägerin, weil die AOK in Hessen in 102 Behandlungsfällen die Abrechnung der Nr. 7750 GOÄ beanstandet habe. Die Abrechnung bestehe zu einem großen Anteil aus den beiden Nr. 602 (Telefon-, Versand-, Portokosten) und 7750 (Ausführlicher schriftlicher Krankheits- und Befundbericht) ohne jegliche Begleitleistungen, auf die sich der Arztbrief beziehen könnten. Am Zuzahlungskennzeichen "2" sei zu erkennen, dass die Praxis aufgrund einer Überweisung in 101 Fällen tätig geworden sei. Im Verlauf einer Therapie könne ein ausführlicher Krankheits- und Befundbericht über den Krankheitsverlauf und die vorliegenden Befunde notwendig sein. Der Bericht beinhalte eine umfassende Darstellung des Krankheitsverlaufs, die Behandlungsschritte würden systematisch dargestellt und bestünden aus Anamnese, Befund, Diagnose, Therapie und Epikrise, was sie im Einzelnen weiter erläuterte. Ferner legte sie dar, was insb. nicht abrechenbar sei. Sie bat um Übersendung von Kopien der ausführlicher Krankheits- und Befundberichte unter Beifügung einer Liste mit den 102 Patientennamen.
Die Klägerin erwiderte unter Datum vom 24.012012, sie widerspreche ausdrücklich einer evtl. Rückbelastung und bitte ggf. um einen Bescheid.
Die Beklagte forderte unter Datum vom 14.11.2012 weitere Unterlagen an.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 22.05.2013 in den namentlich genannten 101 Fällen die Leistungen nach Nr. 602 BEMA und 7750 GOÄ-82 ab. Insgesamt betrug die Berichtigung 1.792,85 EUR. Zur Begründung führte sie aus, die Befundmitteilung oder der einfache Befundbericht als Bestandteil der zu Grunde liegenden Leistungen sei nicht gesondert berechnungsfähig. Die Befundmitteilung beschränke sich im Wesentlich auf die Beschreibung des Befundes. Der einfache Befundbericht gehe im Umfang über die bloße Befundmitteilung hinaus und enthalte ggf. zusätzlich eine Verdachtsdiagnose bzw. eine Auswahl möglicher Diagnosen. Die Leistungslegende der Nr. 7750 GOÄ-82 laute: "Ausführlicher schriftlicher Krankheits- und Befundbericht, einschließlich Angaben zur Anamnese, zu dem(n) Befund(en), zur epikritischen Bewertung und ggf. zur Therapie". Die Leistungslegende gelte dann als erfüllt, wenn über dem einfachen Befundbericht hinaus, unter Berücksichtigung der aktuellen anamnestischen Daten, eine epikritische Bewertung des Befundes erfolgt und/oder ein epikritischer Vergleich mit Vorbefunden und sonstigen Informationen gezogen werde. Die Epikrise bzw. epikritische Bewertung sei definiert als ein zusammenfassender kritischer Bericht über den Ablauf einer Krankheit nach Abschluss des Falles oder nach endgültiger Diagnosestellung (Pschyrembel). Für acht Fälle seien keine Behandlungsunterlagen vorgelegt worden. Damit fehle es am Nachweis der Leistung. Die Einzelabsetzungen in den übrigen Behandlungsfällen begründete sie gleichlautend damit, dass der Arztbrief einen direkten zeitlichen Bezug zur erbrachten Leistung vermissen lasse. Ein therapeutischer Nutzen könne nur angenommen werden, wenn die Übersendung eines Arztbriefes an den weiterbehandelnden Arzt zeitnah, also nach Abschluss einer Behandlung, erfolge.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 22.06.2013 Widerspruch ein. Sie trug vor, die Beklagte verwende eine Standardbegründung für alle 101 Briefe. Allein dieses mache bereits die fehlende Fundiertheit der Absetzung deutlich. In jedem Einzelfall werde auf den individuellen Behandlungsfall Bezug genommen. Ein Arztbrief mache gerade nach chirurgischen Leistungen oder auch nach umfangreichen prothetischen Leistungen einige Monate nach Abschluss der Behandlung wesentlich mehr Sinn als unmittelbar nachdem die Fäden gezogen worden seien. Komplikationen träten auch häufig erst nach vielen Monaten postoperativ in Form eines sog. Spätabszesses auf. Auch Gewöhnungsprobleme und Veränderungen im Bereich des Kiefergelenks seien keine Angelegenheit von wenigen Wochen. In all diesen Briefen sei ein entsprechender Zusammenhang dargestellt und der Hausarzt bzw. der weiterbehandelnde Arzt darauf hingewiesen worden. Die Beklagte habe schließlich auch nicht die Auffassung vertreten, dass inhaltlich an den Briefen irgendetwas zu bemängeln sei.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2014 den Widerspruch als unbegründet zurück. Darin verwies sie auf den angefochtenen Ausgangsbescheid und die einschlägigen Abrechnungsvoraussetzungen. Ergänzend führte sie aus, nach Nr. 7750 GOÄ-82 sei die Befundmitteilung oder der einfache Befundbericht als Bestandteil der zu Grunde liegenden Leistungen nicht gesondert berechnungsfähig. Die Befundmitteilung beschränke sich im Wesentlich auf die Beschreibung des Befundes. Der einfache Befundbericht gehe im Umfang über die bloße Befundmitteilung hinaus und enthalte ggf. zusätzlich eine Verdachtsdiagnose bzw. eine Auswahl möglicher Diagnosen. Gebührenrechtlich wichtig sei die genaue Fassung "Angaben zur Anamnese", welches nicht die (eigene) erhebende Anamnese bedeute, sondern eine Berücksichtigung und Erwähnung der vorliegenden anamnestischen Angaben. Die Leistungslegende gelte dann als erfüllt, wenn über dem einfachen Befundbericht hinaus, unter Berücksichtigung der aktuellen anamnestischen Daten, eine epikritische Bewertung des Befundes erfolgt und/oder ein epikritischer Vergleich mit Vorbefunden und sonstigen Informationen gezogen werde. Die Epikrise bzw. epikritische Bewertung sei definiert als ein zusammenfassender kritischer Bericht über den Ablauf einer Krankheit nach Abschluss des Falles oder nach endgültiger Diagnosestellung (Pschyrembel). Die Einzelabsetzungen begründete sie wie im Ausgangsbescheid. Ferner wies sie darauf hin, dass der Arztbrief an den Patienten adressiert sei mit dem Hinweis "mit der Bitte um Weiterleitung an den Hausarzt". Ein Arztbrief ohne direkten ärztlichen Adressaten sei nicht nachvollziehbar. In der Epikrise sei keine fachkundige medizinische Beurteilung eines Krankheitsverlaufes erkennbar. Für eine bloße Befundmitteilung und/oder Befundberichte sei kein zusätzliches Honorar abrechenbar, weil diese Leistung mit der zugrundeliegenden Leistung bereits abgegolten sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 22.10.2014 die Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, der Hinweis "mit der Bitte um Weiterleitung an den Hausarzt" reiche aus. Der Vorwurf fehlender fachkundiger medizinischer Beurteilung ersetze keine Einzelfallbegründung. Die Artbriefe enthielten eine Epikrise. Die Leistungslegende beinhalte keine konkreten Zeitvorgaben. Auch aus zahnärztlicher Sicht könne es sinnvoll sein, mehrere Monate nach Abschluss der Behandlung Kontakt zum Hausarzt aufzunehmen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 22.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid, insb. der Begründung in jedem Einzelfall. Es fehle jeweils an einer Epikrise. Die Absetzungen seien in jedem Einzelfall hinreichend begründet. Die Arztbriefe seien alle mit Datum vom 31.03.2011 und mindestens vier Monate nach Beendigung der Behandlung abgesandt worden. Bereits dies rechtfertige die Absetzung. Inwieweit der Patient einer Nach- und Weiterbehandlung bedürfe, könne nach diesem Zeitablauf vom Zahnarzt nicht mehr beurteilt werden. Als Adressat komme auch nur ein Arzt oder Zahnarzt in Betracht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragszahnärzte verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragszahnärzte handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 22.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2014 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.
Die Beklagte war zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.
Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertrags(zahn)ärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertrags(zahn)ärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertrags(zahn)ärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V). Es obliegt deshalb nach § 19 BMV-Z/§ 17 Abs. 1 Satz 1 EKV-Z der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen (vgl. BSG, Urt. v. 10.05.1995 - 6 RKa 30/94 - SozR 3-5525 § 32 Nr. 1 = NZS 1996, 134 = Breith 1996, 280 = USK 95120, juris Rdnr. 12; BSG, Urt. v. 28.04.2004 - B 6 KA 19/03 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 5, juris Rdnr. 15; BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 11 = BSGE 93, 69 = SGb 2004, 474 = GesR 2004, 522 = MedR 2005, 52 = NZS 2005, 549, juris Rdnr. 17) bzw. § 12 Abs. 1 Satz 1 EKV-Z (vgl. BSG, Urt. v. 13.05.1998 - B 6 KA 34/97 R - SozR 3-5555 § 10 Nr. 1 = USK 98155, juris Rdnr. 13; BSG, Urt. v. 28.04.2004 - B 6 KA 19/03 R – a.a.O.; BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R – a.a.O.).
Bei den Absetzungen handelt sich auch um sachlich-rechnerische Berichtigungen. Die Beklagte geht davon aus, dass der Leistungsinhalt nicht erfüllt ist. Von daher war sie für die Berichtigung zuständig.
Zum Zeitpunkt des Zugangs des angefochtenen Bescheids war die Ausschlussfrist von vier Jahren noch nicht verstrichen. Der Berichtigungsbescheid erging etwa innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss des Behandlungsquartals.
Der angefochtene Berichtigungsbescheid ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Nr. 7750 GOÄ beinhalte einen ausführlichen schriftlichen Krankheits- und Befundbericht, einschließlich Angaben zur Anamnese, zu dem(n) Befund(en), zur epikritischen Bewertung und ggf. zur Therapie. Die Befundmitteilung oder der einfache Befundbericht ist mit der Gebühr für die zugrundeliegende Leistung abgegolten. Dies folgt aus dem ausdrücklichen Zusatz zur Leistungslegende. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass die Leistungslegende erst dann erfüllt ist, wenn über dem einfachen Befundbericht hinaus, unter Berücksichtigung der aktuellen anamnestischen Daten, eine epikritische Bewertung des Befundes erfolgt und/oder ein epikritischer Vergleich mit Vorbefunden und sonstigen Informationen gezogen wird. Die Epikrise bzw. epikritische Bewertung verlangt einen zusammenfassenden kritischen Bericht über den Ablauf einer Krankheit nach Abschluss des Falles oder nach endgültiger Diagnosestellung.
Dem genügen die vorgelegten Berichte nicht. Die Beklagte hat ausführlich im angefochtenen Widerspruchsbescheid dargelegt, dass die Leistungslegende nach Nr. 7750 GOÄ nicht erfüllt wird. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist die Kammer auf die Ausführungen der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid (§ 136 Abs. 3 SGG). Ergänzend weist sie darauf hin, dass sich die epikritische Bewertung durchgehend auf die Zusammenfassung des Therapieverlaufs und die geplante Weiterbehandlung beschränkt, wobei angemerkt wird, dass sich der Patient im Folgequartal nicht wieder vorgestellt habe, verbunden mit der Bitte, den Patienten zur Wiedervorstellung zu schicken. Alle Berichte wurden unter Datum vom 31.03.2011 abgefasst, also am Ende des Folgequartals, in dem sich der Patient nicht gemeldet hatte. Insofern kommt den Schreiben die Funktion eines Recalls zu. Dies erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Abrechnung eines ausführlichen Befundberichts. Die bloße Befundmitteilung und/oder Befundbericht wird bereits mit der Leistung vergütet und reicht für die Erfüllung der Leistungslegende nach Nr. 7750 GOÄ nicht aus.
Mit Wegfall der Hauptleistung entfällt auch eine Leistung nach Nr. 602 BEMA (Versand- und Portokosten) als Begleitleistung.
Nach allem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Die Klägerin hat der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und die Gerichtskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Berichtigung der konservierend-chirurgischen Abrechnung für das Quartal IV/11 in 101 Behandlungsfällen und hierbei um die Absetzung von je einer Leistung nach Nr. 7750 und 602 GOÄ-82 pro Behandlungsfall in Höhe von insgesamt 1.792,85 EUR, weil der Leistungsinhalt nicht erfüllt sei.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis. Herr Dr. Dr. A1 ist Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und Zahnarzt, Herr A2 ist Zahnarzt und Frau Dr. A3 ist Zahnärztin. Sie sind zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Die Beklagte wandte sich mit Datum vom 29.11.2011 an die Klägerin, weil die AOK in Hessen in 102 Behandlungsfällen die Abrechnung der Nr. 7750 GOÄ beanstandet habe. Die Abrechnung bestehe zu einem großen Anteil aus den beiden Nr. 602 (Telefon-, Versand-, Portokosten) und 7750 (Ausführlicher schriftlicher Krankheits- und Befundbericht) ohne jegliche Begleitleistungen, auf die sich der Arztbrief beziehen könnten. Am Zuzahlungskennzeichen "2" sei zu erkennen, dass die Praxis aufgrund einer Überweisung in 101 Fällen tätig geworden sei. Im Verlauf einer Therapie könne ein ausführlicher Krankheits- und Befundbericht über den Krankheitsverlauf und die vorliegenden Befunde notwendig sein. Der Bericht beinhalte eine umfassende Darstellung des Krankheitsverlaufs, die Behandlungsschritte würden systematisch dargestellt und bestünden aus Anamnese, Befund, Diagnose, Therapie und Epikrise, was sie im Einzelnen weiter erläuterte. Ferner legte sie dar, was insb. nicht abrechenbar sei. Sie bat um Übersendung von Kopien der ausführlicher Krankheits- und Befundberichte unter Beifügung einer Liste mit den 102 Patientennamen.
Die Klägerin erwiderte unter Datum vom 24.012012, sie widerspreche ausdrücklich einer evtl. Rückbelastung und bitte ggf. um einen Bescheid.
Die Beklagte forderte unter Datum vom 14.11.2012 weitere Unterlagen an.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 22.05.2013 in den namentlich genannten 101 Fällen die Leistungen nach Nr. 602 BEMA und 7750 GOÄ-82 ab. Insgesamt betrug die Berichtigung 1.792,85 EUR. Zur Begründung führte sie aus, die Befundmitteilung oder der einfache Befundbericht als Bestandteil der zu Grunde liegenden Leistungen sei nicht gesondert berechnungsfähig. Die Befundmitteilung beschränke sich im Wesentlich auf die Beschreibung des Befundes. Der einfache Befundbericht gehe im Umfang über die bloße Befundmitteilung hinaus und enthalte ggf. zusätzlich eine Verdachtsdiagnose bzw. eine Auswahl möglicher Diagnosen. Die Leistungslegende der Nr. 7750 GOÄ-82 laute: "Ausführlicher schriftlicher Krankheits- und Befundbericht, einschließlich Angaben zur Anamnese, zu dem(n) Befund(en), zur epikritischen Bewertung und ggf. zur Therapie". Die Leistungslegende gelte dann als erfüllt, wenn über dem einfachen Befundbericht hinaus, unter Berücksichtigung der aktuellen anamnestischen Daten, eine epikritische Bewertung des Befundes erfolgt und/oder ein epikritischer Vergleich mit Vorbefunden und sonstigen Informationen gezogen werde. Die Epikrise bzw. epikritische Bewertung sei definiert als ein zusammenfassender kritischer Bericht über den Ablauf einer Krankheit nach Abschluss des Falles oder nach endgültiger Diagnosestellung (Pschyrembel). Für acht Fälle seien keine Behandlungsunterlagen vorgelegt worden. Damit fehle es am Nachweis der Leistung. Die Einzelabsetzungen in den übrigen Behandlungsfällen begründete sie gleichlautend damit, dass der Arztbrief einen direkten zeitlichen Bezug zur erbrachten Leistung vermissen lasse. Ein therapeutischer Nutzen könne nur angenommen werden, wenn die Übersendung eines Arztbriefes an den weiterbehandelnden Arzt zeitnah, also nach Abschluss einer Behandlung, erfolge.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 22.06.2013 Widerspruch ein. Sie trug vor, die Beklagte verwende eine Standardbegründung für alle 101 Briefe. Allein dieses mache bereits die fehlende Fundiertheit der Absetzung deutlich. In jedem Einzelfall werde auf den individuellen Behandlungsfall Bezug genommen. Ein Arztbrief mache gerade nach chirurgischen Leistungen oder auch nach umfangreichen prothetischen Leistungen einige Monate nach Abschluss der Behandlung wesentlich mehr Sinn als unmittelbar nachdem die Fäden gezogen worden seien. Komplikationen träten auch häufig erst nach vielen Monaten postoperativ in Form eines sog. Spätabszesses auf. Auch Gewöhnungsprobleme und Veränderungen im Bereich des Kiefergelenks seien keine Angelegenheit von wenigen Wochen. In all diesen Briefen sei ein entsprechender Zusammenhang dargestellt und der Hausarzt bzw. der weiterbehandelnde Arzt darauf hingewiesen worden. Die Beklagte habe schließlich auch nicht die Auffassung vertreten, dass inhaltlich an den Briefen irgendetwas zu bemängeln sei.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2014 den Widerspruch als unbegründet zurück. Darin verwies sie auf den angefochtenen Ausgangsbescheid und die einschlägigen Abrechnungsvoraussetzungen. Ergänzend führte sie aus, nach Nr. 7750 GOÄ-82 sei die Befundmitteilung oder der einfache Befundbericht als Bestandteil der zu Grunde liegenden Leistungen nicht gesondert berechnungsfähig. Die Befundmitteilung beschränke sich im Wesentlich auf die Beschreibung des Befundes. Der einfache Befundbericht gehe im Umfang über die bloße Befundmitteilung hinaus und enthalte ggf. zusätzlich eine Verdachtsdiagnose bzw. eine Auswahl möglicher Diagnosen. Gebührenrechtlich wichtig sei die genaue Fassung "Angaben zur Anamnese", welches nicht die (eigene) erhebende Anamnese bedeute, sondern eine Berücksichtigung und Erwähnung der vorliegenden anamnestischen Angaben. Die Leistungslegende gelte dann als erfüllt, wenn über dem einfachen Befundbericht hinaus, unter Berücksichtigung der aktuellen anamnestischen Daten, eine epikritische Bewertung des Befundes erfolgt und/oder ein epikritischer Vergleich mit Vorbefunden und sonstigen Informationen gezogen werde. Die Epikrise bzw. epikritische Bewertung sei definiert als ein zusammenfassender kritischer Bericht über den Ablauf einer Krankheit nach Abschluss des Falles oder nach endgültiger Diagnosestellung (Pschyrembel). Die Einzelabsetzungen begründete sie wie im Ausgangsbescheid. Ferner wies sie darauf hin, dass der Arztbrief an den Patienten adressiert sei mit dem Hinweis "mit der Bitte um Weiterleitung an den Hausarzt". Ein Arztbrief ohne direkten ärztlichen Adressaten sei nicht nachvollziehbar. In der Epikrise sei keine fachkundige medizinische Beurteilung eines Krankheitsverlaufes erkennbar. Für eine bloße Befundmitteilung und/oder Befundberichte sei kein zusätzliches Honorar abrechenbar, weil diese Leistung mit der zugrundeliegenden Leistung bereits abgegolten sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 22.10.2014 die Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, der Hinweis "mit der Bitte um Weiterleitung an den Hausarzt" reiche aus. Der Vorwurf fehlender fachkundiger medizinischer Beurteilung ersetze keine Einzelfallbegründung. Die Artbriefe enthielten eine Epikrise. Die Leistungslegende beinhalte keine konkreten Zeitvorgaben. Auch aus zahnärztlicher Sicht könne es sinnvoll sein, mehrere Monate nach Abschluss der Behandlung Kontakt zum Hausarzt aufzunehmen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 22.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid, insb. der Begründung in jedem Einzelfall. Es fehle jeweils an einer Epikrise. Die Absetzungen seien in jedem Einzelfall hinreichend begründet. Die Arztbriefe seien alle mit Datum vom 31.03.2011 und mindestens vier Monate nach Beendigung der Behandlung abgesandt worden. Bereits dies rechtfertige die Absetzung. Inwieweit der Patient einer Nach- und Weiterbehandlung bedürfe, könne nach diesem Zeitablauf vom Zahnarzt nicht mehr beurteilt werden. Als Adressat komme auch nur ein Arzt oder Zahnarzt in Betracht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragszahnärzte verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragszahnärzte handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 22.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2014 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.
Die Beklagte war zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.
Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertrags(zahn)ärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertrags(zahn)ärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertrags(zahn)ärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V). Es obliegt deshalb nach § 19 BMV-Z/§ 17 Abs. 1 Satz 1 EKV-Z der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen (vgl. BSG, Urt. v. 10.05.1995 - 6 RKa 30/94 - SozR 3-5525 § 32 Nr. 1 = NZS 1996, 134 = Breith 1996, 280 = USK 95120, juris Rdnr. 12; BSG, Urt. v. 28.04.2004 - B 6 KA 19/03 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 5, juris Rdnr. 15; BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 11 = BSGE 93, 69 = SGb 2004, 474 = GesR 2004, 522 = MedR 2005, 52 = NZS 2005, 549, juris Rdnr. 17) bzw. § 12 Abs. 1 Satz 1 EKV-Z (vgl. BSG, Urt. v. 13.05.1998 - B 6 KA 34/97 R - SozR 3-5555 § 10 Nr. 1 = USK 98155, juris Rdnr. 13; BSG, Urt. v. 28.04.2004 - B 6 KA 19/03 R – a.a.O.; BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R – a.a.O.).
Bei den Absetzungen handelt sich auch um sachlich-rechnerische Berichtigungen. Die Beklagte geht davon aus, dass der Leistungsinhalt nicht erfüllt ist. Von daher war sie für die Berichtigung zuständig.
Zum Zeitpunkt des Zugangs des angefochtenen Bescheids war die Ausschlussfrist von vier Jahren noch nicht verstrichen. Der Berichtigungsbescheid erging etwa innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss des Behandlungsquartals.
Der angefochtene Berichtigungsbescheid ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Nr. 7750 GOÄ beinhalte einen ausführlichen schriftlichen Krankheits- und Befundbericht, einschließlich Angaben zur Anamnese, zu dem(n) Befund(en), zur epikritischen Bewertung und ggf. zur Therapie. Die Befundmitteilung oder der einfache Befundbericht ist mit der Gebühr für die zugrundeliegende Leistung abgegolten. Dies folgt aus dem ausdrücklichen Zusatz zur Leistungslegende. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass die Leistungslegende erst dann erfüllt ist, wenn über dem einfachen Befundbericht hinaus, unter Berücksichtigung der aktuellen anamnestischen Daten, eine epikritische Bewertung des Befundes erfolgt und/oder ein epikritischer Vergleich mit Vorbefunden und sonstigen Informationen gezogen wird. Die Epikrise bzw. epikritische Bewertung verlangt einen zusammenfassenden kritischen Bericht über den Ablauf einer Krankheit nach Abschluss des Falles oder nach endgültiger Diagnosestellung.
Dem genügen die vorgelegten Berichte nicht. Die Beklagte hat ausführlich im angefochtenen Widerspruchsbescheid dargelegt, dass die Leistungslegende nach Nr. 7750 GOÄ nicht erfüllt wird. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist die Kammer auf die Ausführungen der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid (§ 136 Abs. 3 SGG). Ergänzend weist sie darauf hin, dass sich die epikritische Bewertung durchgehend auf die Zusammenfassung des Therapieverlaufs und die geplante Weiterbehandlung beschränkt, wobei angemerkt wird, dass sich der Patient im Folgequartal nicht wieder vorgestellt habe, verbunden mit der Bitte, den Patienten zur Wiedervorstellung zu schicken. Alle Berichte wurden unter Datum vom 31.03.2011 abgefasst, also am Ende des Folgequartals, in dem sich der Patient nicht gemeldet hatte. Insofern kommt den Schreiben die Funktion eines Recalls zu. Dies erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Abrechnung eines ausführlichen Befundberichts. Die bloße Befundmitteilung und/oder Befundbericht wird bereits mit der Leistung vergütet und reicht für die Erfüllung der Leistungslegende nach Nr. 7750 GOÄ nicht aus.
Mit Wegfall der Hauptleistung entfällt auch eine Leistung nach Nr. 602 BEMA (Versand- und Portokosten) als Begleitleistung.
Nach allem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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