L 18 KN 104/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 7 KN 615/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 KN 104/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 17/16 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB wurde zurückgenommen
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 23.7.2014 geändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist (große) Witwenrente.

Die 1955 geborene Klägerin war in zweiter Ehe mit dem 1944 geborenen und am 00.9.2011 verstorbenen E L (fortan: Versicherter) verheiratet. Nach Angaben der Klägerin waren der Versicherte und sie seit 1984 ein Paar und lebten zunächst mit Unterbrechungen, seit etwa 2007 durchgehend zusammen in der Wohnung des Versicherten. Die Eheschließung erfolgte am 11.8.2011 vor dem Standesamt S.

Anfang April 2011 wurde beim Versicherten ein etwa 5 cm großes Harnblasenkarzinom in fortgeschrittenem Zustand diagnostiziert und zur Beseitigung einer Nierenstauung entfernt (stationäre Behandlung im Q Hospital S vom 14.-20.4.2011). Kurz darauf (am 24.4.2011) erteilte der Versicherte der Klägerin eine umfassende Vorsorgevollmacht. Bei der vereinbarten weiteren stationären Behandlung im gleichen Krankenhaus (vom 26.5.-18.6.2011) wurde ein Harnblasenkarzinom (Stadium pT4a pN3 (29/58) pL1 pV1) mit ausgeprägter Tumorinfiltration des kleinen Beckens sowie des Sigma (im Becken liegender Teil des Dickdarms) mit Rektumbeteiligung (Mastdarmbeteiligung), beider Samenblasen und der Prostata diagnostiziert. Auch in zahlreichen Lymphknoten wurden Karzinommetastasen festgestellt. Es erfolgten eine Zystoprostatovesikulektomie (operative Entfernung von Harnblase, Prostata und Samenblasen) mit Anlage eines Ileum-Conduits (Dünndarm-Ersatzplastik) und eine Sigmaresektion mit Anlage eines Dünndarmstomas (künstlicher Dünndarmausgang). Aus der sich unmittelbar anschließenden vierwöchigen (Anschluss-)Heilbehandlung in der Klinik R/Bad X wurde der Versicherte in deutlich gebessertem Allgemeinzustand und mit gesteigerter Leistungsfähigkeit entlassen. Abschließend habe keinerlei Pflegebedürftigkeit vorgelegen. Er habe die täglichen Verrichtungen des Alltags weiter selbständig verrichten können. Der Vitamin B 12 - Spiegel sollte im Intervall von 2 Jahren überprüft werden (Bericht des Chefarztes Prof. Dr. P). Im Verlauf der danach durchgeführten (Poly-)Chemotherapie wurde der Versicherte vom 4. bis 5.8.2011 im Q-Hospital stationär mit Verdacht auf Herzinfarkt behandelt. Am 22.8.2011 wurde beim Versicherten ein Fortschreiten des Harnblasenkarzinoms mit neu aufgetretener hepatitischer und peritonialer (die Leber und das Bauchfell betreffender) Metastasierung festgestellt. Am 5.9.2011 wurde der Versicherte erneut stationär im Q Hospital aufgenommen, wo er am 00.9.2011 verstarb.

Am 10.11.2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Hinterbliebenenrente. In der Anlage für weniger als ein Jahr dauernde (fortan: unterjährige) Ehen kreuzte sie die Alternativen "Die Heirat erfolgte zur Sicherung der erforderlichen Betreuung/Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Ehegatten, und der Tod des Ehegatten war bei Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten" sowie "Die tödlichen Folgen einer Krankheit waren bei Eheschließung nach ärztlicher Auffassung nicht zu erwarten" an. Nach Hinweis der Beklagten, dass den Angaben keine Beweismittel beigefügt worden seien, legte sie den Entlassungsbericht des Prof. Dr. P vom Juli 2011 sowie eine mit einem PC - Schreibprogramm gefertigte und von ihr unterschriebene Stellungnahme vor. Darin gab sie an, den Versicherten aus Liebe geheiratet zu haben. Bereits seit 1984 habe man in Lebenspartnerschaft in einem gemeinsamen Haushalt gewohnt; etwa vier Jahre vor der Hochzeit habe sie ihre bis dahin nebenher bestehende eigene Wohnung vollständig aufgegeben. Dass der Versicherte so schnell nach der Hochzeit sterben würde, sei weder von ihr noch von ihren Bekannten und Freunden oder den behandelnden Ärzten vorherzusehen gewesen. So sei noch im Entlassungsbericht der Anschlussheilbehandlung die Rede davon gewesen, der Vitamin B 12 - Spiegel des Versicherten solle im Intervall von zwei Jahren überprüft werden. Im Übrigen hätten sie beide schon lange vor der Hochzeit den Plan gehabt zu heiraten. Wegen einer Schmerzerkrankung, wegen der sie seit 2005 in Behandlung sei, seien die Heiratspläne etwa ab April 2011 wieder aufgegriffen worden. Mit der Heirat habe sie dem Versicherten neuen Lebensmut und Motivation im Kampf gegen den Krebs geben wollen. Wirtschaftliche Gründe hätten keine Rolle für die Heirat gespielt. Sie sei nicht auf die strittige Witwenrente angewiesen. So sei sie Inhaberin einer Näherei und habe daneben abends noch in einer Spielothek gearbeitet. Die Tätigkeit in der Spielothek habe sie nach Absprache mit dem Versicherten aufgegeben, um genügend Zeit zu haben, für ihn zu sorgen. Diese Entscheidung habe man getroffen, da auch bei wiederholter Nachfrage keiner der behandelnden Ärzte von einem schnellen Ableben des Versicherten ausgegangen sei (Stellungnahme vom 23.10.2012).

Die Beklagte lehnte die Gewährung von Witwenrente unter Hinweis auf die unterjährige Ehedauer ab. Die von der Klägerin genannten Gründe seien nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung einer sogenannten "Versorgungsehe" zu widerlegen. Spätestens ab dem Zeitpunkt der Radikaloperation des Versicherten Ende Mai 2011 sei dessen schlechter Gesundheitszustand klar erkennbar gewesen; bei der Eheschließung im August 2011 sei der Tod absehbar gewesen (Bescheid vom 7.11.2012).

Der im Widerspruchsverfahren von der Beklagten eingeschaltete Allgemeinmediziner Dr. T vom Sozialmedizinischen Dienst S führte in Auswertung der vom behandelnden Urologen übersandten Befundberichte aus: Ob dem Versicherten der ungünstige Verlauf seiner Erkrankung mit möglichem letalem (tödlichen) Ausgang zum Zeitpunkt der Eheschließung am 11.8.2011 bekannt gewesen sei, wisse er nicht. Einschätzungen im Hinblick auf den letalen Ausgang der Erkrankung seien präsumtiv (Mutmaßungen), eine engere zeitliche Eingrenzung im Hinblick auf das Eintreten des Todes könne nicht formuliert werden. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 5.7.2013). Der Widerspruchsbescheid ging der Klägerin nach eidesstattlicher Versicherung ihres Bevollmächtigten und ausweislich des Eingangsstempels auf dem Widerspruchsbescheid am 1.8.2013 zu. Mit ihrer am 2.9.2013 eingegangenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Sie hat ein handschriftliches Testament des Versicherten vom 25.7.2011 in Kopie zu den Akten gereicht, in dem dieser sie zur Alleinerbin bestimmt hat. Die Vermögenswerte des Versicherten (Grundbesitz, Pkw, Campingwagen, Ansprüche aus privaten Rentenversicherungen und Barguthaben von über 343.000 EUR) hätten "eine Eheschließung ohnehin geboten", um sie "zweifelsfrei allein in den Besitz des Nachlasses zu bringen". Die privaten Rentenversicherungsverträge seien mit Rentengarantiezeiten von 10 Jahren und mehr abgeschlossen worden. Bei Verzicht auf diese Rentengarantiezeiten hätte der Verstorbene deutlich höhere Rentenanwartschaften erhalten können. Dass er sich dennoch für Versicherungen mit Garantiezeit entschlossen habe, spreche für einen bereits bei Abschluss der Versicherungen im Jahr 1998 bestehenden Heiratswillen. Der Versicherte und sie hätten bereits früher die Absicht gehabt, die Ehe zu schließen, sobald ihre Schmerzkrankheit dies zuließ. Das könnten mehrere Zeugen bestätigen. Finanzielle Motive seien daher für sie kein Grund für die Heirat gewesen. Den Heiratsantrag habe der Versicherte während der Kur im Juni/Juli 2011 gemacht. Bei der Hochzeit seien nur noch ihre Tochter, ihr Schwiegersohn und deren Kleinkind zugegen gewesen. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 07.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2013 zu verurteilen, ihr wegen des Todes des Versicherten E L Witwenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nachdem sie die Klagefrist zunächst für versäumt gehalten hatte, ist sie später aufgrund der Angaben des Klägerbevollmächtigten davon ausgegangen, dass die Klage fristgerecht erhoben worden ist. Die getroffene Entscheidung sei in der Sache richtig: Die Klägerin habe keine besonderen Umstände dargelegt, die die Annahme rechtfertigten, dass bei mindestens einem Ehepartner von der gesetzlich vermuteten Versorgungsabsicht verschiedene Beweggründe für die Eheschließung maßgeblich waren. Vielmehr habe der Versicherte zugunsten der Klägerin am 25.7.2011 - also kurz nach der festgestellten Krebserkrankung - ein Testament verfasst und sie so auch erbrechtlich "versorgt". Zudem dürfte der Klägerin bekannt gewesen sein, dass der Versicherte an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten hat. Schließlich habe der Versicherte der Klägerin unmittelbar nach seiner erstmaligen stationären Behandlung im April 2011 eine umfassende Vorsorgevollmacht erteilt. Es sei nicht zu erkennen, dass seit den ersten Heiratsabsichten des Versicherten und der Klägerin im Jahre 2006 durchgehend Hinderungsgründe einer Heirat entgegen gestanden hätten. Einen Heiratsantrag habe der Versicherte der Klägerin erst nach Eintritt der schweren Erkrankung während der onkologischen Nachsorgeleistung im Juni/Juli 2011 gemacht. Das Sozialgericht (SG) hat - nach persönlicher Anhörung der Klägerin in einem Erörterungstermin am 28.3.2014 - die Beklagte antragsgemäß verurteilt: Nach den besonderen Umständen des Falles sei die Annahme gerechtfertigt, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat der Klägerin und des Versicherten nicht die Schaffung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gewesen sei. Gegen eine "Versorgungsehe" spreche, dass die Klägerin ihrem Ehemann durch die Heirat neuen Lebensmut und Motivation im Kampf gegen den Krebs habe geben wollen. Sie habe den Versicherten - wie von diesem gewünscht - auch versorgt. Das Gericht sehe als nachgewiesen an, dass die Klägerin und der Versicherte in erster Linie aus gegenseitiger Zuneigung zusammengelebt und schließlich geheiratet hätten. Es verkenne bei seiner Entscheidung nicht, dass bei der Bewertung, ob es sich um eine "Versorgungsehe" handele, nahezu jede Tatsache und jedes Indiz sowohl als Argument dafür als auch dagegen genutzt werden könne und werde (Urteil vom 23.7.2014, der Beklagten am 7.8.2014 zugestellt). Mit ihrer noch im August 2014 eingegangenen Berufung trägt die Beklagte vor, Klägerin und Versicherter hätten vor der Heirat von der lebensbedrohlichen Erkrankung gewusst. Deshalb habe der Versicherte bereits nach dem ersten Krankenhausaufenthalt im April 2011 die Klägerin bevollmächtigt, Auskünfte über seinen Gesundheitszustand einzuholen. Soweit die Klägerin angegeben habe, bereits seit 1984 mit dem Versicherten in einem gemeinsamen Haushalt gelebt zu haben, sei anzumerken, dass sie erst 2007 ihre eigene Wohnung aufgegeben hat. Allein eine Liebesbeziehung und die wiederholte Äußerung von Heiratsabsichten genügten nicht, die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen. Für die Annahme einer Versorgungsehe genüge, wenn sich die Versorgungsabsicht auf die Versorgung des Ehegatten mit privaten Vermögenswerten beziehe und die Versorgung mit Ansprüchen der gesetzlichen Rentenversicherung wirtschaftlich dahinter zurücktrete. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 23.7.2014 zu ändern und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Es sei eine Liebesheirat gewesen. Über finanzielle oder steuerrechtliche Aspekte der Heirat sei nicht gesprochen worden. Sie habe mehr als 30 Jahre gut als Selbständige verdient und bei Eingehung der Ehe über eigenes Kapital von 176.330,66 EUR verfügt. Sie habe gewusst, dass der Versicherte Blasenkrebs gehabt und an der Blase operiert worden sei und dass unter Umständen auch etwas am Darm gewesen sei. Das sei aber positiv gelaufen. Sie hätten natürlich auch Gespräche mit dem behandelnden Arzt, Dr. L geführt. Da sei nicht die Rede davon gewesen, dass der Versicherte sterben würde oder dies gar kurzfristig der Fall sein würde. Sie habe ihre Arbeit reduziert, um für ihn da zu sein. Auch während der Reha habe sie ihn begleitet. Die Hochzeit habe im engsten Familienkreis stattgefunden, weil sie und der Versicherte als Geschäftsleute kaum Zeit für gesellschaftliche Aktivitäten und Freunde gehabt hätten. Großartige Pflegemaßnahmen seien beim Versicherten trotz der Erkrankung nicht erforderlich gewesen. Es sei lediglich ein oder zwei Mal pro Woche ein Mitarbeiter des Q-Hospitals zum Auswechseln der Stoma-Beutel erschienen.

Aus einer von der Klägerin vorgelegten für die Agentur für Arbeit erstellten Arbeitsbescheinigung ergibt sich, dass die Tätigkeit der Klägerin als "Spielhallenaufsicht" von vorneherein bis zum 30.09.2011 befristet war und (überdies?) vom Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt gekündigt wurde. Der Senat hat die Klägerin in einem Erörterungs- und im Verhandlungstermin zu den Motiven und den näheren Umstände der Eheschließung befragt; in der mündlichen Verhandlung hat er außerdem die Tochter und den Schwiegersohn der Klägerin als Zeugen gehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das SG der Klage stattgegeben. Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 7.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.7.2013 nicht beschwert, §§ 54 Abs 2 S 1, 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Dieser Bescheid ist rechtmäßig, weil die Klägerin keinen Anspruch auf große Witwerrente hat.

1. Die Klage ist zulässig, insbesondere fristgerecht binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben worden, § 87 Abs 1 S 1 SGG. Die Monatsfrist endete mit Ablauf des 2.9.2013. An diesem letzten Tag der Frist ist die Klage beim SG eingegangen.

Die Monatsfrist berechnet sich dergestalt, dass die Frist mit Ablauf des Tages des letzten Monats endet, der dem Tag entspricht, in den der maßgebliche Zeitpunkt - hier die Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids vom 25.7.2013 - fällt, § 64 Abs 2 S 1 SGG. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten ist dem Klägerbevollmächtigten (erst) am 1.8.2013 bekannt gegeben worden. Das steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der entsprechenden eidesstattlichen Versicherung des Bevollmächtigten sowie aufgrund des auf dem Widerspruchsbescheid von diesem bei Eingang angebrachten Stempelaufdrucks vom 1.8.2013 fest. Die (widerlegliche) Vermutung des § 37 Abs 2 S 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), nach der ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post (das wäre hier der 29.7.2013) als bekannt gegeben gilt, ist hier iS des § 37 Abs 2 S 3 SGB X widerlegt, da nach dem zuvor Gesagten erwiesen ist, dass der Verwaltungsakt zu einem späteren Zeitpunkt (nämlich erst am 1.8.2013) zugegangen ist. Die Frist zur Erhebung der Klage endete somit rechnerisch am Sonntag, dem 1.9.2013. Fällt der maßgebliche Tag indes auf einen Sonntag, endet die Frist (erst) mit Ablauf des nächsten Werktags, § 64 Abs 3 SGG. An diesem (Montag, dem 2.9.2013) ist die Klage bei Gericht eingegangen.

2. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf (große) Witwenrente.

Nach § 46 Abs 2 S 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente ua, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Versicherte hatte die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs 1 SGB VI erfüllt. Die Klägerin hatte am 00.9.2011 das 45. Lebensjahr vollendet und war die Witwe des Versicherten.

Zu Recht hält die Beklagte dem Anspruch der Klägerin auf großen Witwenrente jedoch den Einwand der unterjährigen Ehedauer entgegen, § 46 Abs 2a SGB VI (in Kraft seit dem 1.1.2002). Nach dieser Vorschrift ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

a. Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert, nämlich (nur) vom 11.8. bis zum 00.9.2011, also etwa 7 Wochen.

b. Die aus dieser unterjährigen Ehedauer kraft Gesetzes zwingend folgende (widerlegbare) Vermutung, es sei alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat gewesen, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen, ist vorliegend nicht widerlegt. Zur Überzeugung des Senats sind keine besonderen Umstände erwiesen, die mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit auf ein weiteres für die Eheschließung mindestens gleichwertiges Motiv schließen lassen oder mindestens (negativ abgrenzend) eine Versorgungsabsicht als (Haupt-)Ursache für die Heirat ausschließen. Dies gilt selbst dann, wenn man die unmittelbaren (d.h. bei den Anhörungen vor Gericht gemachten) Angaben der Klägerin (auch über innere Tatsachen) dort, wo weitere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen, als wahr zugrunde legte.

Was unter den "besonderen Umständen" des Falles im Sinne des § 46 Abs 2a SGB VI zu verstehen ist, ergibt sich nicht unmittelbar aus der Vorschrift. Da § 46 Abs 2a SGB VI jedoch vom Gesetzgeber bewusst den entsprechenden Vorschriften in der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 65 Abs 6 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch, vormals § 594 RVO) und der Kriegsopferversorgung (§ 38 Abs 2 des Bundesversorgungsgesetzes) nachgebildet ist (vgl BT-Drucks 14/4595 S 44; s auch die inhaltsgleiche Norm des § 19 Abs 1 Satz 2 Nr 1 des Beamtenversorgungsgesetzes), kann an die bisherige Rechtsprechung des BSG zum Begriff der "besonderen Umstände" in diesen Bestimmungen angeknüpft werden (BSG, Urteil vom 5.5.2009, Aktenzeichen (Az) B 13 R 55/08 R = BSGE 103, 99ff = SozR 4-2600 § 46 Nr 5 mwN; Senatsurteil vom 3.12.2013, Az L 18 KN 29/13 mwN). Nach der dazu ergangenen Rechtsprechung des BSG sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles als "besondere Umstände" im Sinne des § 46 Abs 2a SGB VI anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen (BSG, aaO; BSGE 35, 272ff = SozR 2 zu § 594 RVO; BSGE 60, 204ff = SozR 3100 § 38 Nr 5). Maßgebend sind die Beweggründe beider Ehegatten, wobei die Annahme einer "Versorgungsehe" nur dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Unterschiedliche Beweggründe sind in der Gesamtbetrachtung bereits dann als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat. Eine Beschränkung auf objektiv nach außen tretende Umstände bei der Ermittlung der Beweggründe für die Heirat bzw des Zweckes der Heirat darf nicht stattfinden, da dann die Möglichkeiten des hinterbliebenen Ehegatten, die gesetzliche Annahme eine Versorgungsehe zu entkräften, in unzulässiger Weise beschnitten würden. Allerdings sind von dem hinterbliebenen Ehegatten glaubhaft behauptete innere Umstände für die Heirat nicht isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung einzustellen (BSG, Urteil vom 5.5.2009, Az B 13 R 55/08 R = BSGE 103, 99ff = SozR 4-2600 § 46 Nr 5; BSG, Urteil vom 6.5.2010, Az B 13 R 134/08 = SGb 2010, 412f; Senatsurteil vom 3.12.2013, Az L 18 KN 29/13 mwN; Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Urteil vom 16.10.2012, Az L 11 R 392/11).

Im (Sonder-)Fall der Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten ist der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI regelmäßig nicht erfüllt (BSG, aaO; Senatsurteil vom 3.12.2013, Az L 18 KN 29/13 mwN; Hess LSG, Urteil vom 16.11.2011, Az L 5 R 320/10). Jedoch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht gänzlich ausgeschlossen, dass die Eheschließung gleichwohl (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen erfolgte. In einem solchen Fall müssen allerdings bei der Gesamtbewertung diejenigen besonderen inneren und äußeren Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist. Mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit der Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit dieses Umstands zum Zeitpunkt der Eheschließung steigt nämlich der Grad des Zweifels am Vorliegen solcher - vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisender - "besonderer Umstände", (BSG, aaO; BSG, Urteil vom 6.5.2010, Az B 13 R 134/08 R = SGb 2010, 412f; Senatsurteil vom 3.12.2013, Az L 18 KN 29/13 mwN).

Die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung erfordert gemäß § 202 SGG iVm § 292 der Zivilprozessordnung (ZPO) den vollen Beweis des Gegenteils (vgl BSG, Urteil vom 03.09.1986, aaO). Dieser Vollbeweis erfordert einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit reicht nicht aus. Eine Tatsache ist erst bewiesen, wenn alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon oder doch zumindest einen so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit zu begründen, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt (BSG, Urteil vom 28.6.2000, Az B 9 VG 3/99 R, SozR 3-3900 §15 Nr 3 mwN). Wenn die danach erforderliche richterliche Überzeugung nicht vorliegt, treffen nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast die Folgen denjenigen, der aus der Tatsache einen Anspruch begründen will. Das ist vorliegend die Klägerin, da sie sich auf die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung beruft (BSG, aaO; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer. SGG. Kommentar. 11. Aufl. 2014, § 118 RdNr 6 mwN).

c. Nach diesen Maßstäben steht zur Überzeugung des Gerichts nicht mit der erforderlichen Sicherheit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass für die konkrete Heirat am 11.8.2011 neben oder anstelle der vom Gesetz vermuteten Versorgungsabsicht eine hinreichend gewichtige sonstige wesentliche (d.h. mindestens annähernd gleichwertige) Ursache vorlag. Die entsprechenden Ausführungen des SG sind nicht folgerichtig. Wenn das SG ausführt, nahezu jede Tatsache und jedes Indiz könnten sowohl als Argumente für, als auch als Argumente gegen eine Versorgungsehe benutzt werden, bedeutet dies, dass alle von dieser Aussage erfassten Tatsachen unergiebig und damit zur sicheren Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nicht geeignet sind. Wenn das SG gleichwohl die gesetzliche Vermutung "in Würdigung aller bekannten (gemeint sind offenbar die von ihm zuvor erörterten) Umstände des Einzelfalls" als widerlegt ansieht, überzeugt dies den Senat folglich nicht.

Im Einzelnen:

Der Versicherte litt offenkundig (d.h. auch für die Klägerin erkennbar) an einer lebensbedrohlichen Krankheit (1). Die von der Klägerin benannten inneren und äußeren Umstände (Liebe; langjährige Heiratsabsicht; langjähriges Zusammenleben seit 1984; Pflege) lassen nicht den zwingenden Schluss auf eine der gesetzlich vermuteten mindestens gleichwertige Alternativursache zu (2). Ob dies auch für die Behauptung gilt, sie habe dem Versicherten durch die Heirat neuen Lebensmut und Motivation im Kampf gegen den Krebs geben wollen, kann hier dahinstehen. Der Senat ist nämlich von der Richtigkeit dieser inneren Tatsache nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit überzeugt (3). Schließlich sprechen weitere äußere Umstände (Testament; Absicht der Vermögensübertragung; Rentenverträge mit Garantielaufzeiten) nicht gegen, sondern eher für eine Versorgungsabsicht (4).

(1) Der Versicherte litt zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig an einer lebensbedrohlichen Erkrankung, die innerhalb kurzer Zeit zum Tode führen konnte. Dies steht aufgrund der Behandlungsberichte des Hospitals Q vom 20.4., 6.6., 5.8. und 4.10.2011 sowie des Reha-Entlassungsberichts vom Juli 2011 zur Überzeugung des Senats fest. Danach ist der Versicherte nach einer ersten stationären Behandlung im April 2011 mit Entfernung eines etwa 5 cm großen Blasentumors bereits anlässlich einer weiteren stationären Behandlung vom 26.5. bis 18.6.2011 erneut operiert worden. Dabei wurde ein Harnblasenkarzinom mit ausgeprägter Tumorinfiltration des kleinen Beckens sowie des Sigma (im Becken liegender Teil des Dickdarms) mit Rektumbeteiligung (Mastdarmbeteiligung) beider Samenblasen und der Prostata diagnostiziert. Auch in zahlreichen Lymphknoten wurden Karzinommetastasen festgestellt. Die Harnblase musste entfernt, ein Ileum-Conduit (Dünndarm-Ersatzplastik) sowie ein Anus praeter (künstlicher Darmausgang) mussten angelegt werden. Aufgrund des hohen Tumorgrads bedurfte es nach Ende der sich an die Operation anschließenden Heilbehandlung einer Chemotherapie. Die Behandlung führte zu einer deutlichen Reduzierung des Allgemeinzustands. Es ist offenkundig (§§ 202 SGG iVm 291 ZPO), dass eine derart schwere Blasenkrebserkrankung mit zahlreichen Metastasen ("Streuungen") im Dickdarm, im Mastdarm, im kleinen Becken sowie in zahlreichen Lymphknoten zum Tode führen kann.

Daran ändern die Stellungnahme des von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeschalteten Arztes für Allgemeinmedizin Dr. T (vom 15.3.2013) und der Bericht des Prof. Dr. P vom Juli 2011 nichts. Dr. T bestätigt zunächst den im Zeitpunkt der Heirat aus medizinischer Sicht objektiv "möglichen letalen Ausgang" der Erkrankung. Es ist nachvollziehbar, dass er nach Lage der Akten keine Mutmaßungen zu einem möglichen Todeszeitpunkt anstellen konnte und wollte. Anders als die Klägerin vorträgt und das SG angenommen hat, haben die Ärzte der Klinik R den Versicherten nicht etwa zu einer Nachuntersuchung in 2 Jahren geladen, sind also nicht etwa davon ausgegangen, er werde (ohne Behandlung und Kontrollen) bis dahin sicher weiter leben. Vielmehr geht aus dem Reha-Entlassungsbericht vom Juli 2011 deutlich hervor, dass trotz der umfangreichen Operation unmittelbar nach Stärkung des deutlich reduzierten Allgemeinzustand des Klägers durch eine Anschlussheilbehandlung eine Chemotherapie notwendig ist und damit kontinuierliche, zeitnahe ärztliche Kontrollen. Der Kläger ist lediglich im Zusammenhang mit dem B 12 Vitaminspiegel darauf aufmerksam gemacht worden, dass dieser im Auge zu behalten und regelhaft im Abstand von 2 Jahren zu kontrollieren sei.

Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme geht der Senat sicher davon aus, dass dem Versicherten und der Klägerin das Vorliegen einer schweren Erkrankung, die zum Tode führen konnte, bewusst war. So ergibt sich aus dem Reha-Entlassungsbericht vom Juli 2011, dass der Versicherte in zahlreichen ärztlichen Einzelgesprächen und durch Fachvorträge intensiv über sein Krankheitsbild informiert worden ist. Er hat in Konsequenz dieser Erkenntnisse seinen Nachlass geregelt, am 25.7.2011 ein Testament errichtet und die Klägerin zu seiner Alleinerbin gemacht. Diese zeitnah zur Totaloperation Ende Mai und zur Heirat Anfang August kurz nach Ende der Anschlussrehabilitation erfolgte Be(s)tätigung des Willens, die Klägerin als Alleinerbin einzusetzen, dokumentiert, dass der Versicherte wegen seiner schweren, möglicherweise tödlichen Erkrankung seine "Vermögensverhältnisse post mortem" genau zu diesem Zeitpunkt für regelungsbedürftig hielt.

Es kann als lebensnah und richtig unterstellt werden, dass die Klägerin (und der Versicherte) nicht an den (nahen) Tod des Versicherten geglaubt (, sondern auf eine weit längere Lebenszeit gehofft) haben, und die behandelnden Ärzte - jedenfalls die Klägerin - nicht darauf hingewiesen haben, dass der Versicherte zeitnah an der Krebserkrankung sterben könnte. Entscheidend ist, dass auch der Klägerin die grundsätzliche Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung bewusst war. Das bestreitet sie zunächst nicht. Es wird auch durch ihr Verhalten bestätigt. Sie war nämlich bereit, in Anbetracht der schweren Erkrankung ihre gesamte Lebensführung umzustellen. So hat sie wegen der Schwere der Erkrankung des Versicherten ihre abhängige Beschäftigung als Spielhallenaufsicht eingeschränkt (nach eigenen Angaben sogar aufgegeben) und ihre Schneiderwerkstatt im Juli/August 2011 für 4 Wochen geschlossen. Weiter hat sie erklärt, sie wäre auf Wunsch des Versicherten sogar bereit gewesen, die Tätigkeit als selbstständige Schneiderin vollständig aufzugeben, obwohl sie dann über eigene laufende Einkünfte nicht mehr verfügt hätte. Die Aussagen der Zeugen bestätigen, dass der gesamten Familie die Lebensbedrohlichkeit der Krebserkrankung des Versicherten bewusst war. So hat die Tochter der Klägerin ausgesagt, sie sei im Zeitpunkt der Heirat über den Krankheitsverlauf von ihrer Mutter (!) informiert gewesen, über die "Diagnose Blasenkrebs" und die zwischenzeitlich unternommenen unterschiedlichen ("mehreren") Therapien. Auch der Umstand, dass zum Zeitpunkt der Hochzeit die (Chemo-) Therapie noch andauerte, war ihr bekannt. In diesem Zusammenhang gibt die Zeugin an, dass man "natürlich das Beste für ihn gehofft, insbesondere [ ] auf Genesung" und auch gehofft habe "dass es mit der Krankheit gut gehe, sie irgendwann austherapiert ist und das Leben dann normal weitergeht". Auch der Schwiegersohn der Klägerin hat bestätigt, dass er über die Schwere der Erkrankung des Versicherten informiert war, sich um ihn gesorgt und für ihn gebetet habe.

(2) Auf dieser Grundlage sind gewichtige, für ein abweichendes wesentliches (weiteres) Motiv sprechende innere oder äußere Umstände nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit erwiesen. Als solche kommen weder das langjährige Zusammenleben (aa.) oder die Pflege des Versicherten (bb.) noch Liebe (cc.) oder bereits zuvor bestehende Heiratsabsichten (dd.) in Betracht.

aa. Das langjährige (seit 1984) Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, auf das die Klägerin hingewiesen hat, ist kein überzeugend gegen eine "Versorgungsehe" sprechender Umstand (so auch: Bay LSG, Urteil vom 20.2.2013, Az L 1 R 304/11 = NZS 2013, 511; LSG BW, Urteil vom 16.10.2012, Az L 11 R 392/11= FamFR 2013, 65; Senatsurteil vom 3.12.2013, Az L 18 KN 29/13). Einem Zusammenleben als Paar "ohne Trauschein" liegt nämlich in der Regel die bewusste, freie Entscheidung zugrunde, nicht zu heiraten und damit nicht den vielfältigen gesetzlichen Regelungen zu unterliegen, die für Eheleute gelten. Vorliegend kommt hinzu, dass die Klägerin ihre eigene Wohnung nicht bereits bei Beginn der Beziehung im Jahre 1984, sondern erst rund 4 Jahre vor dem Tod des Versicherten im Jahr 2011 aufgegeben und ihr eine möglichst vollständige finanzielle Unabhängigkeit vom Versicherten bis zu dessen bzw. bis kurz vor dessen Tod besonders wichtig war.

bb. Soweit die Klägerin die Sicherung der erforderlichen Betreuung/Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Ehegatten als wesentliches Motiv für die Eheschließung angegeben hat, kann dahinstehen, ob und inwiefern dies nur oder hauptsächlich durch eine Eheschließung bewirkt werden kann. Denn der Versicherte war augenscheinlich (außerhalb der bei stationären Aufenthalten erforderlichen Krankenpflege) nicht ständig auf Pflege angewiesen. So ist dem Entlassungsbericht der Klinik R ausdrücklich zu entnehmen, dass bei der Entlassung keinerlei Pflegebedürftigkeit vorgelegen habe; der Versicherte habe die täglichen Verrichtungen des Alltags weiter selbständig verrichten können. Da nach Angaben der Klägerin offenbar erst während der Rehabilitationsmaßnahme die Entscheidung zu heiraten getroffen wurde (und nicht, wie schriftlich vorgetragen, bereits im April 2011 die Heiratspläne wieder aufgegriffen wurden), war auch und besonders der Klägerin bekannt, dass der Versicherte zum Zeitpunkt der Heirat nicht (mehr?) auf Pflege angewiesen war.

cc) Auch die - auch nach Auffassung des Senats unzweifelhaft bestehende - langjährige Liebesbeziehung zwischen dem Versicherten und der Klägerin ist kein gewichtiger gegen eine "Versorgungsehe" sprechender Umstand (so auch: Bay LSG, aaO; LSG BW, aaO; Urteil des Senats vom 3.12.2013, Az L 18 KN 29/13). Sie dokumentiert im Gegenteil, dass man sich auch lieben kann ohne zu heiraten. Die Klägerin behauptet gerade nicht, dass die Liebe erst mit der ungünstigen Prognose der Krankheit in einer solchen Intensität entstanden sei, dass dadurch der Entschluss zur Eheschließung ursächlich hervorgerufen wurde. Im Gegenteil habe man, obwohl die Liebesbeziehung nach Auftreten der Krankheit intensiver geworden sei, zunächst nicht an Heirat gedacht. Vielmehr sei es zur Eheschließung aufgrund eines vom Versicherten erst während der stationären Rehabilitation spontan gemachten Heiratsantrags gekommen.

dd. Es kann dahinstehen, ob bei der Klägerin und dem Versicherten bereits seit 2005/6 (oder gar seit 1998) ernsthafte Heiratsabsichten bestanden. Die Eheschließung im August 2011 stellt sich jedenfalls nicht als konsequente Verwirklichung einer bereits zuvor bestehenden Heiratsabsicht dar.

Die Behauptung, die Hochzeit sei seit 1998 oder jedenfalls seit 2006 durchweg beabsichtigt gewesen und habe nur wegen ihrer Schmerzerkrankung nicht stattgefunden, vermag die Verschiebung der Heiratspläne seit 2006 bis zur Hochzeit im August 2011 zur Überzeugung des Senats nicht zu erklären. Aus den von der Klägerin vorgelegten Behandlungsunterlagen - insbesondere aus den Bescheinigungen der Zahnklinik Bochum vom 16.11.2012 und der Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapie Dr. P vom 26.11.2012 - geht hervor, dass die Schmerzbehandlung auch noch im Zeitpunkt der Hochzeit und darüber hinaus erforderlich war. Von der Heirat mit dem Versicherten hat dies die Klägerin nach Kenntniserlangung von dessen Krebserkrankung nicht (mehr) abgehalten. Soweit aus der Bescheinigung der Kliniken F vom 13.10.2010 zumindest eine zwischenzeitliche psychovegetative Stabilisierung und Schmerzlinderung bestätigt wird, trat diese bereits fast ein Jahr vor der Hochzeit ein. Noch in Unkenntnis der Erkrankung des Versicherten sind nach Angaben der Klägerin die Hochzeitspläne nicht wieder aufgegriffen worden. Es wäre überdies nicht folgerichtig, wenn die Schmerzerkrankung der Klägerin zur Verschiebung der Heiratspläne geführt hat, die vergleichsweise schwerere Erkrankung des Versicherten indes nicht. Dies gilt besonders, wenn - wie die Tochter der Klägerin ausgesagt hat - die Familie davon ausging, dass die Erkrankung irgendwann austherapiert sein würde und das Leben dann normal weiterginge.

Im Übrigen könnten Hochzeitsplanungen nur dann die Vermutung der Versorgungsehe widerlegen, wenn sie hinreichend konkret sind und sich als die konsequente Verwirklichung einer schon vor Bekanntwerden der Erkrankung gefassten Heiratsabsicht darstellen (Bay LSG, Urteile vom 23. Juli 2003, Az L 2 U 360/01, und vom 20.2.2013, Az L 1 R 304/11; LSG BW, aaO; LSG BW, Urteil vom 22.6.2010, Az L 11 R 1116/08; Hess VGH FamRZ 2004, 177; s auch die entsprechend abweichende Fallgestaltung in LSG NRW, Urteil vom 18.5.2009, Az L 3 R 115/08; Urteil des Senats vom 3.12.2013, Az L 18 KN 29/13). Lediglich abstrakte Pläne zur Heirat, ohne entsprechende Vorbereitungen und ohne definitiv ins Auge gefassten Termin reichen nicht aus, um einen bereits vor dem Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung gefassten Heiratsentschluss zu beweisen (LSG BW, Urteil vom 16.10.2012, Az L 11 R 392/11= FamFR 2013, 65; Urteil des Senats vom 3.12.2013, Az L 18 KN 29/13). Die Klägerin - vom Senat hierzu angehört - hat nicht behauptet, vorhandene Heiratsabsichten konsequent verfolgt zu haben. Vielmehr sei nach Auftreten der Erkrankung zunächst nicht über Heirat gesprochen worden, man habe an Ehe zunächst nicht gedacht. Erst während der "Kurmaßnahme" habe ihr der Versicherte in einem italienischen Restaurant spontan einen Heiratsantrag gemacht, in den sie sofort eingewilligt habe.

3. Das schriftlich behauptete Motiv, dem Versicherten durch die Heirat neuen Lebensmut und Motivation im Kampf gegen den Krebs zu geben, hält der Senat nicht für erwiesen, so dass unentschieden bleiben kann, ob es sich dabei überhaupt um ein (mindestens) gleichwertig neben der Versorgungsabsicht bestehendes Motiv gehandelt haben kann (vgl dazu BSG, Urteil vom 5.5.2009, Az B 13 R 55/08 R = BSGE 103, 99ff = SozR 4-2600 § 46 Nr 5). Für sicher hält der Senat allerdings, dass die Klägerin (aus Liebe) bereit war, ihre Berufstätigkeit und ihre Lebensführung einzuschränken, um dem Versicherten die größtmögliche Unterstützung zuteilwerden zu lassen. Allenfalls für möglich, aber nicht für sicher hält er hingegen, dass die Klägerin genau deshalb sofort in den während der Kur 2011 spontan geäußerten Heiratswunsch des Versicherten eingewilligt hat. Die Zweifel gründen sich darauf, dass die Klägerin weder bei der Antragstellung noch bei ihren persönlichen Befragungen entsprechende Motive angegeben hat. Bei der Antragstellung hat sie stattdessen zwei - nach dem zuvor Ausgeführten nicht tragfähige - Begründungen genannt; bei ihren persönlichen Äußerungen - nach ausdrücklicher Befragung zu den Gründen der Eheschließung - hat sie diese zuvor schriftsätzlich vorgebrachten Aspekte mit keinem Wort erwähnt, sondern ausgesagt, sie hätte dem Heiratsantrag des Versicherten während der Kur "sofort" zugestimmt, "weil zwischen ihr und dem Versicherten eigentlich immer klar gewesen sei, dass sie irgendwann mal heiraten würden" und "weil Sie es nun wahrmachen wollten, als verheiratete Menschen zusammenzuleben". Die - jeweiligen - persönlichen Angaben der Klägerin belegen, dass ihre schriftlichen Äußerungen in der Stellungnahme vom 23.10.2012 und das schriftsätzliche Vorbringen im gerichtlichen Verfahren nicht in allen Punkten der Wahrheit entsprechen dürften. So hat sie in der Stellungnahme vom 23.10.2012 auch ausgeführt, die Heiratspläne seien etwa ab April 2011 wieder aufgegriffen worden. In der mündlichen Verhandlung - persönlich und zielgerichtet befragt - hat sie dies dann völlig anders dargestellt.

4. Das planmäßige Vorgehen des Versicherten nach Bekanntwerden der Krankheit zur Regelung seiner (Vermögens-)Verhältnisse spricht nicht gegen, sondern für eine (generelle, also auch die Witwenversorgung umfassende) Versorgungsabsicht.

In diese Richtung deutet zunächst das Testament vom 25.7.2011. Dadurch übertrug der Versicherte der Klägerin nach deren Vortrag für den Fall seines Todes Vermögenswerte von mehr als 340.000 EUR. Zudem bewirkte er durch die Heirat, dass die Klägerin als seine Witwe von den Leibrentengarantieleistungen (monatlich rund 1.190 EUR) profitieren konnte. Als "bloße" Lebenspartnerin wäre sie nach den vorgelegten Leibrentenversicherungsverträgen der Signalversicherung nicht bezugsberechtigt gewesen. Schließlich gilt für die Klägerin als Ehefrau des Versicherten ein Erbschaftssteuerfreibetrag von 500.000 EUR. Als "bloße" Lebensgefährtin und Erbin hätte sie für jeden über 20.000 EUR hinausgehenden Euro der Erbschaft 30 Prozent Erbschaftssteuer abführen müssen, §§ 16f Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetz (ErbStG).

An der Behauptung der Klägerin, diese erheblichen finanziellen Aspekte hätten für beide Ehegatten keine Rolle gespielt, hat der Senat erhebliche Zweifel. Zum einen ist der eigene Vortrag der Klägerin zu diesem Gesichtspunkt inkohärent. So hat die Klägerin selbst vorgetragen, dass bereits die zu vererbenden Vermögenswerte von rund 343.000 EUR "eine Eheschließung ohnehin geboten" hätten, um sie "zweifelsfrei allein in den Besitz des Nachlasses zu bringen." Das dokumentiert, dass wirtschaftliche Gesichtspunkte für die Heirat von Bedeutung gewesen sind. Zum anderen war die finanzielle Absicherung der Klägerin vor der Hochzeit nicht derart solide, dass die vorgenannten Zuwendungen (Vermögenswerte von über 340.000 EUR), die privaten Leibrenten (monatlich insgesamt 1.190 EUR) sowie die strittige Witwenrente (rund 190 EUR im Monat) objektiv keine Rolle für die wirtschaftliche Absicherung der Klägerin gespielt haben dürften, zumal sich ihre eigenen Einkünfte durch Reduzierung und geplante Beendigung der Tätigkeit in der Spielothek zum 30.9.2011 und Reduzierung der selbständigen Tätigkeit in der Schneiderwerkstatt bereits weiter verringert hatten. Damit korrespondiert, dass die eigene, von der Klägerin selbst erwirtschaftete gesetzliche Altersrente voraussichtlich lediglich etwa 365 EUR im Monat betragen wird. Im Rentenalter hätte sie damit ohne höhere Erbschaft, Leibrenten und die strittige Witwenrente auf ihr eigenes Vermögen von rund 176.000 EUR zurückgreifen und dieses verwerten müssen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S 1, 193 Abs 1 S 1 SGG.

III. Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Rechtskraft
Aus
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