Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
17
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 VG 4648/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Beschädigtenrente nach dem Ge-setz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) i.V.m. dem Bundes-versorgungsgesetz (BVG).
1. Die am XX.XX.1973 geborene Klägerin erstattete am 20.07.1995 Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern. Dabei gab die Klägerin an, M. habe sie vor sechszehn Jahren sexuell missbraucht. Sie sei seit zehn Jahren regelmäßig in psy-chotherapeutischer Behandlung. Bereits im Alter von sechs bis sieben Jahren habe sie psychotherapeutische Gespräche geführt. Durch die Psychotherapie in den letz-ten Jahren sei letztlich herausgekommen, ihre ganze seelische Verfassung basiere zum größten Teil darauf, im Alter von fünf Jahren von dem Tierarzt M. sexuell miss-braucht worden zu sein. Im Alter von etwa vier Jahren seien ihre Eltern nach S. ver-zogen, da sie dort das Vereinsheim des Hockey- und Tennisclubs (HTC) gepachtet hätten. M. sei Gast im Vereinsheim des HTC gewesen. Dort sei es auch zu dem Übergriff gekommen. Sie mache die Anzeige erst nach sechzehn Jahren, da sie erst mit zehn oder elf Jahren die ersten Vermutungen gehegt habe und eigentlich erst seit eineinhalb Jahren sicher wisse, sexuell missbraucht worden zu sein. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren am 13.09.1995 wegen Strafverfolgungsverjährung ein.
In der Zeit vom 17.07.1996 bis 30.10.1996 befand sich die Klägerin in stationärer psychotherapeutischer Behandlung in der K-Klinik (vgl. Entlassbericht vom 08.11.1996). Dort diagnostizierten die Ärzte eine Reifungskrise bei V. a. Borderline-Persönlichkeitsstörung mit hysterischen Anteilen sowie eine Somatisierungsstörung. In dem Entlassbericht berichten die Ärzte, die Mutter sei bei Geburt der Tochter 19 Jahre alt gewesen, bei ungewollter Schwangerschaft sei ihr zur Abtreibung geraten worden. Da die Mutter selbst eine Ausbildung habe machen wollen, sei das Kind trotz heftiger Gegenwehr tagsüber durch eine Pflegefamilie betreut worden. 1976 habe der Vater einen Suizidversuch unternommen und sei von der dreijährigen Tochter gefunden worden. Schon als Kind hätten sich multiple körperliche Beschwerden wie Bauchschmerzen und Kopfschmerzen entwickelt. Ihre Mutter habe sich häufig mit der Betreuung der Tochter überfordert gefühlt. 1984 hätten sich die Eltern getrennt und zwei Jahre später scheiden lassen, als die Patientin dreizehn Jahre alt gewesen sei. Ab diesem Zeitpunkt hätten die psychogenen Anfälle begonnen. Mit acht Jahren sei sie erstmals psychotherapeutisch behandelt worden, mit neunzehn Jahren sei ein sechsmonatiger stationärer Therapieaufenthalt, ein Jahr später ein achtwöchiger er-folgt. Von 1993 bis 1994 habe sie sich in einer Einrichtung betreuten Wohnens be-funden und sei dann in eine eigene Wohnung mit ihrem Freund verzogen. Auffällig sei, dass sie mehrmals erwähne, sexuell missbraucht worden zu sein.
Vom 27.01.1998 bis 24.04.1998 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung in der M.-Klinik. Dort diagnostizierten die Ärzte eine emotional instabile Persönlich-keitsstörung, Borderline-Typus mit histrionischen und aggressiven Zügen. In dem Entlassbericht wird beschrieben, die Ehe der Eltern sei von häufigen Streitereien und Handgreiflichkeiten geprägt gewesen, das Familienleben wegen des Gaststättenbe-triebs sehr chaotisch. Die Klägerin habe als Mädchen immer das Gefühl gehabt, zu kurz zu kommen. Die Klägerin sei für die Mutter ein offensichtlich ungewolltes Kind gewesen. Im Alter von zwei Jahren habe die Klägerin den Nachbarn tot im Garten gefunden. Die Klägerin gab an, im Alter von fünf Jahren sei sie von einem ihr gut vertrauten Mann, einem Tierarzt, der ihr eine Katze geschenkt habe, im elterlichen Gaststättenbetrieb sexuell (oral) missbraucht worden. Da der Mann ihr gedroht habe, wenn sie über dieses Erlebnis anderen erzähle, werde seine Katze ihm das berich-ten, habe sie in ihrer Verzweiflung versucht, die Katze zu ertränken, was aber miss-lungen sei. Schon früh seien Bauchschmerzen und Kopfschmerzen bei der Klägerin aufgetreten. Als die Klägerin elf Jahre alt gewesen sei, hätten sich die Eltern ge-trennt, zwei Jahre später sei die Scheidung erfolgt. Anschließend erfolgten erstmals psychogene Ohnmachtsanfälle. Alpträume mit Händen, die aus der Wand kämen und Schatten, die sie verfolgten, hätten sie die ganze Kindheit und Jugend über ver-folgt.
Im Juni 1997 beantragte die Klägerin bei der Staatsanwaltschaft S. die Ermittlungen wegen des sexuellen Missbrauchs unter Hinweis auf § 78b StGB wieder aufzuneh-men. Die Staatsanwaltschaft lehnte die Wiederaufnahme ab, da die Verjährungsvor-schrift des § 78b StGB in Kraft getreten sei, als die angezeigte Tat bereits verjährt gewesen sei.
Am 02.03.2006 fertigte die Klägerin einen Eigenbericht (Lebenslauf). Sie sei mit fünf Jahren in der Gaststätte auf der Kegelbahn von einem Gast sexuell missbraucht worden, welcher ihr eine Katze geschenkt habe und das als Gegenleistung erwartet hätte. Sie hätte versucht, die Katze in der Badewanne zu ertränken. Vermutlich sei das nicht das einzige Erlebnis dieser Art gewesen. Sie hätte oft Bauchschmerzen gehabt und habe wieder angefangen, in das Bett einzunässen. 1992 sei sie für ein halbes Jahr in eine psychotherapeutische Klinik in S. gekommen. Dort sei der Miss-brauch langsam ans Tageslicht gekommen, aber wieder runtergedrückt worden. In dieser Zeit sei es auch zur Trennung des damaligen Freundes gekommen.
Die Fachärztin für psychotherapeutische Medizin Dr. L. teilte mit, die Klägerin befinde sich seit dem 19.12.2002 in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung mit den Diagnosen: Chronifizierte, komplexe posttraumatische Belastungsstörung mit disso-ziativen Krampfanfällen, dissoziativer Fugue, Agoraphobie mit Panikstörung, rezidi-vierende depressive Störung, Asthma bronchiale (ärztliche Bescheinigung vom 03.07.2006). Die psychische Symptomatik sei auf eine schwere sexuelle Traumati-sierung im Alter von fünf Jahren und wiederholt Gewalterfahrungen seit früher Kind-heit im familiären Umfeld zurückzuführen.
Im Zeitraum 22.07.2008 bis zum 02.09.2008 befand sich die Klägerin in der Klinik H. in der psychosomatischen Abteilung in Behandlung. In dem ärztlichen Entlassbericht vom 12.09.2008 berichten die Ärzte u.a. folgendes (Biographische Anamnese): Der Vater sei "Quartalssäufer" gewesen. Als die Klägerin drei Jahre alt gewesen sei, ha-be sich der Vater versucht das Leben zu nehmen. Die Klägerin berichte, sie habe große Angst wegen des aufbrausenden Verhaltens des Vaters in Konfliktsituationen gehabt. Die Mutter habe gemeint, sie sei hysterisch und sie solle sich nicht so anstel-len. Sie habe bis zum 18. Lebensjahr anhaltende Flashbacks nach einer Vergewalti-gung im fünften Lebensjahr gehabt. Weitere belastende Lebensereignisse: Der zwei-te Freund sei Alkoholiker gewesen, Trennung nach drei Jahren, danach Alpträume, Panikzustände und zunehmend Ganzkörperschmerzen. Im Jahr 200 habe sich der Onkel das Leben genommen. 2004 sei der Großvater verstorben. Im Jahr 2004 sei die Klägerin von einer Nachbarin tyrannisiert worden. Aus diesem Grund sei ein Um-zug erfolgt.
Mit Bescheid vom 25.03.2009 stellte das Landratsamt B. einen Grad der Behinde-rung (GdB) von 50 seit 17.09.2008 bei der Klägerin fest, da sie an einer Persönlich-keitsstörung, funktionellen Organbeschwerden, Fibromyalgie-Syndrom, Bronchial-asthma, Allergie und chronischer Nebenhöhlenentzündung leide. Grundlage der Ent-scheidung war ein nervenärztliches Gutachten vom 07.11.2006 der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie E ... In ihrem Gutachten teilt die Gutachterin mit, es ent-stehe der Eindruck, die Klägerin wisse aufgrund ihrer jahrelangen Psychotherapeu-ten-Erfahrung natürlich genau, welche Argumente sie bei Untersuchungen vorbrin-gen müsse.
2. Am 13.11.2000 stellte die Klägerin erstmals beim Landratsamt (LRA) einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Mit Bescheid vom 05.08.2002 lehnte das Versorgungsamt den Antrag ab, da ein tätlicher Angriff nicht nachgewiesen sei.
Am 21.05.2010 stellte die Klägerin beim LRA erneut einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Das LRA lehnte auch diesen Antrag ab (Bescheid vom 09.06.2011). Mit dem Antrag habe die Klägerin keine neuen Ge-sichtspunkte oder rechtserheblichen Tatsachen vorgebracht, die nicht schon bei Er-teilung des inzwischen rechtsverbindlich geworden Bescheides vom 05.08.2002 be-kannt gewesen seien.
3. Am 13.06.2013 beantragte die Klägerin beim Versorgungsamt unter Hinweis auf § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) erneut die Gewährung einer Versorgung. Danach könnten Versorgungsleistungen beansprucht werden, auch wenn kein Tatzeuge vorhanden sei. Sie gab an, als Kind im Degerloch zweimal sexuell missbraucht worden zu sein. Ein Tierarzt habe sich auf der Kegelbahn zum Oralverkehr gezwungen als Gegenleistung für ein geschenktes Kätzchen. Er habe gesagt, wenn sie etwas sage, höre es die Katze und sage es ihm. Daher habe sie die Katze vermutlich ertränken wollen. Ein zweiter Missbrauch sei in einer Schrebergartensiedlung in der Nähe vom Elternhaus erfolgt. Sie sei von einem Mann mit Hund angesprochen und gefragt worden, ob sie sehen möchte, wo sein Hund schlafe. Sie sei mit ihm gegangen und wisse nur noch, in einem Gartenhäus-chen etwas getrunken zu haben und sich dann an nichts mehr erinnern zu können. Mit hoher Wahrscheinlichkeit seien KO-Tropfen darin gewesen und sie sei betäubt worden. Vermutlich sei es zu einem Ritus gekommen, denn sie habe immer Erinne-rungen an drei schwarzen Kapuzenmenschen. Sie habe weitere einschneidende Er-lebnisse in ihrer Kindheit erfahren. Die sexuellen Übergriffe seien jedoch die schlimmsten gewesen. Ihr ganzer Alltag richte sich nach dem Trauma aus. In der Küche hätte sie keine Messer/Scheren mit schwarzen Griffen. Sie könne an man-chen Tagen nicht zum Friseur, weil sie Panik vor der Schere habe. Sie könne nicht im Erdgeschoss wohnen. Durch die orale Vergewaltigung sei eine elektronische Zahnbürste stressfreier. Sie könne keine Bananen normal essen. Zahnarztbesuche seien blanker Horror und hätten früher nicht selten mit einem dissoziativen Krampf-anfall geendet. Sie könne nicht arbeiten gehen und auch nicht alleine Bus oder S-Bahn fahren.
Mit Bescheid vom 18.07.2013 lehnte das LRA den Antrag auf Erteilung eines Rück-nahmebescheids nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ab. Der Antrag stütze sich auf dasselbe Vorbringen, welches bereits Gegenstand der Ent-scheidung vom 05.08.2002 gewesen sei. Die Ausführungen zum § 15 KOVVfG führ-ten zu keiner Änderung der Rechtsauffassung.
Dr. L.-K. teilte im Rahmen einer ärztlichen Bescheinigung vom 07.08.2013 ihre aktu-ellen Diagnosen mit. Die Klägerin leide an einer komplexen posttraumatischen Belas-tungsstörung mit dissoziativen Krampfanfällen, dissoziativer Fugue, dissoziativen Lähmungen und Sensibilitätsstörungen von Extremitäten sowie Sprachverlust und außerdem rezidivierend depressiven Störungen, somatoformen Schmerzstörungen, Fibromyalgie-Syndrom, Asthma bronchiale, Lipödem und Zustand nach Schub einer rheumatoiden Arthritis. Die zeitweise gestellte Borderline-Diagnose habe bei Testung in der Borderline Spezialsprechstunde der psychiatrischen Uniklinik Tübingen am 29.05.2015 nicht vollständig erhärtet werden können. Im Vordergrund der Sympto-matik stehe eine Traumafolgenstörung, zurückzuführen auf Traumatisierungen in Kindheit und Jugend und durch Vergewaltigung und weitere sexuelle Übergriffe, Un-geborgenheit in der elterlichen Gastwirtschaft und Erleben von körperlichen Gewalt.
Den gegen den Bescheid vom 18.07.2013 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2013 zurück.
Mit der 23.12.2013 zum Sozialgericht Karlsruhe erhobenen Klage verfolgt die Kläge-rin ihr Begehren weiter. Zur Begründung trägt sie vor, sie sei nach dem Maßstab des § 15 KOVVfG Opfer eines tätlichen Angriffs geworden. Ihre Angaben würden durch Dr. L.-K. gestützt. Der Vortrag, ein Tierarzt habe sie zu Oralverkehr gezwungen, sei glaubhaft, da sie sich detailliert daran erinnere. Der Versuch des Ertränkens der Kat-ze und die Wut auf das Tier ließen auf einen schlimmen Vorfall schließen. Der zweite vorgetragene tägliche Angriff sei ebenfalls glaubhaft, da sich die Klägerin genauer an den Ort des Geschehens erinnere.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 18.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2015 zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz ab 13.11.2000 zu erbringen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, § 15 KOVVfG ermögliche eine Beweislasterleichterung, keine Beweislastumkehr. Der sexuelle Missbrauch durch M. sei nicht nachgewiesen. Ein vernünftiger Zweifel an den Tatgeschehnissen, wie vom Gesetz gefordert, könne somit nicht ausgeschlossen werden. Die Zeugenbefragung von M. habe keine rele-vanten Gesichtspunkte ergeben, ebenso wenig wie die Befragung der Eltern. Die Zeugenaussagen der Eltern hätten nur die schwierigen Sozialisationsbedingungen der Klägerin im Umfeld einer Gaststätte hervorgehoben, unter denen sie aufgewach-sen sei.
Das Gericht hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich an-gehört. Die Eltern der Klägerin sowie M. hörte das Gericht als Zeugen persönlich an.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte des Landratsamts sowie den der Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung. Der Beklagte hat daher ihren hierauf gerichteten Überprüfungsantrag zu Recht abgelehnt. Der Be-scheid des Beklagten vom 18.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
1. Die Klägerin begehrt mit der hier statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leis-tungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4 SGG die Aufhebung der ihren Antrag ablehnen-den Entscheidung sowie die Verurteilung des Beklagten zur Feststellung gesundheit-licher körperlicher und seelischer Schädigungen aufgrund eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs (vgl. zur Unzulässigkeit einer kombinierten Anfech-tungs- und Feststellungsklage auf isolierte Feststellung, Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden zu sein, BSG, U.v. 16.12.2014 - B 9 V 1/13 R - juris und LSG Baden-Württemberg, U.v. 27.8.2015 – L 6 VG 5227/14 – ju-ris).
2. Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nach-dem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzuneh-men (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch -SGB X).
Nach diesem Maßstab hat der Beklagte den Überprüfungsantrag der Klägerin in rechtlich nicht zu beanstandender Weise abgelehnt: Der Beklagte hat nämlich weder das Recht unrichtig angewandt, noch ist er von einem unrichtigen Sachverhalt aus-gegangen.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält, wer im Geltungsbereich des OEG infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person und durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). In Altfällen - also bei Schädigungen zwischen dem Inkrafttreten des GG (23.05.1949) und dem Inkrafttreten des OEG (16.05.1976) - müssen daneben noch die besonderen Voraussetzungen gemäß § 10 S. 2 OEG i.V.m. § 10a Abs. 1 S 1 OEG erfüllt sein (BSG, U.v. 17.4.2013 – B 9 V 1/12 R – BSGE 113, 205). Nach die-ser Härteregelung erhalten Personen, die in der Zeit vom 23.05.1949 bis 15.05.1976 geschädigt worden sind, auf Antrag Versorgung, solange sie allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt und bedürftig sind und im Geltungsbereich des OEG ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Als tätlicher Angriff i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG ist grundsätzlich ein in Feindseliger bzw. rechtsfeindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zie-lende gewaltsame Einwirkung anzusehen, wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer - jedenfalls versuchten - vorsätzlichen Straftat gegen das Le-ben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt. Der tätliche Angriff zeichnet sich durch eine körperliche Gewaltanwendung (Tätlichkeit) gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen ein. In Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern im Sinne von § 173 StGB versteht das Bundessozialgericht den Begriff des tätlichen Angriffs aus Gründen sozialen und psychischen Schutzes der Opfer unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des OEG weiter. Der sexuelle Miss-brauch von Kindern, durch den der Tatbestand des § 176 StGB erfüllt wird, indem der Täter sexuelle Handlungen an einem Kind vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, ist stets ein Angriff nach § 1 OEG (ständige Rechtsprechung, vgl. BSGE 77, 11; LSG Baden-Württemberg, U.v. 21.4.2015 - L 6 VG 2096/13 - juris).
Nach § 30 Abs. 16 BVG wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermäch-tigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustim-mung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 BVG maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) am 10.12.2008, in Kraft getreten am 01.01.2009, erlassen. Alle Einzelheiten werden in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV geregelt. Danach wird als Schädigungsfolge im sozialen Entschä-digungsrecht jede Gesundheitsstörung bezeichnet, die in ursächlichem Zusammen-hang mit einer Schädigung steht, die nach dem entsprechenden Gesetz zu berück-sichtigen ist (VG, Teil A, Nr. 1 a) und ist Ursache im Sinne der Versorgungsgesetze die Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, die wegen ihrer be-sonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat (VG, Teil C, Nr. 1 b Satz 1).
3. Grundsätzlich müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 OEG voll be-wiesen sein. Zu den Fakten, die vor der Beurteilung eines ursächlichen Zusammen-hangs geklärt ("voll bewiesen") sein müssen, gehören der schädigende Vorgang, die gesundheitliche Schädigung und die zu beurteilende Gesundheitsstörung (VG, Teil C, Nr. 2 a). Der schädigende Vorgang ist das Ereignis, das zu einer Gesundheits-schädigung führt (VG, Teil C, Nr. 2 b Satz 1 Halbsatz 1). Die gesundheitliche Schädi-gung ist die primäre Beeinträchtigung der Gesundheit durch den schädigenden Vor-gang (VG, Teil C, Nr. 2 c Halbsatz 1).
Ein solcher Nachweis eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs ist vorlie-gend nicht erbracht. Unmittelbarer Zeuge des geschilderten sexuellen Missbrauchs auf der Kegelbahn war nur der vermeintliche Täter selbst. Dieser hat im Rahmen der Befragung jedoch den Vorfall bestritten. Zeugen für den behaupteten zweiten sexuel-len Übergriffs in einem Schrebergartenhäuschen existieren nicht.
4. Nach § 6 Abs. 3 OEG ist allerdings auch im Anwendungsbereich des OEG das KOVVfG (mit Ausnahme der §§ 3 bis 5) anzuwenden, insbesondere auch die für Kriegsopfer geschaffene spezielle Beweiserleichterung des § 15 KOVVfG. Danach sind die Angaben des Antragsstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zu-sammenhang stehenden Tatsachen beziehen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hin-terbliebenen verlorengegangen sind, der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.
a. Glaubhaftmachung im Sinne des § 15 KOVVfG bedeutet das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit, d.h. der guten Möglichkeit, der Vorgang hat sich so zugetragen, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (LSG Baden-Württemberg, U.v. 21.4.2015 - L 6 VG 2096/13 - juris mit Hinweis auf BSG, B.v. 8.8.2001 - B 9 V 23/01 B - juris; BSG, U.v. 21.9.1977 - 10 RV 15/77 - juris).
Dieser Beweisstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs, mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, d.h. es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstli-chen in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit der Tatsache genügt je-doch nicht, die Beweisanforderungen zu erfüllen. Ob das Gericht die Beweisanforde-rung als erfüllt ansieht, obliegt nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG seiner freien richterli-chen Beweiswürdigung (LSG Baden-Württemberg, U.v. 21.4.2015 - L 6 VG 2096/13 - juris; BSG, U.v. 17.4.2013 - B 9 V 1/12 R - juris).
b. Auch unter Anlegung diesen abgesenkten Beweismaßstabes hält es das erkennende Gericht nicht für gut möglich, dass die persönlich angehörte Klägerin in der Zeit von 1978 bis 1979 Opfer vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe geworden ist.
aa. Hinsichtlich des sexuellen Missbrauchs durch M. hält die erkennende Kammer das Tatgeschehen nach den Gesamtumständen, wie sie sich aus den Akten und dem Vorbringen der Klägerin sowie der gehörten Zeugen ergeben, nicht für gut möglich.
Angesicht der detaillierten Schilderung des vermeintlichen sexuellen Missbrauchs von M. durch die Klägerin seit Beginn des Verwaltungsverfahrens und im gerichtlichen Verfahren ist es nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin angesichts ihrer vielfältigen stationären und ambulanten psychotherapeutischen Gesprächen bzw. Behandlungen in der Zeit seit 1979 bis zu ihrer Erkenntnis im Jahr 1994, sexuell missbraucht worden zu sein, niemals eine sexuelle oder sonstige Gewalttätigkeit auch nur angedeutet hat.
Die ersten Schilderungen von Übergriffen erfolgten erst im Rahmen einer mehrjähri-gen Psychotherapie und sind deshalb mit Vorsicht zu betrachten, weil die Aussage der Klägerin damit erst zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, zu dem sie sich wegen der streitgegenständlichen Gesundheitsstörungen bereits in Therapie befand. Insoweit ist nicht auszuschließen, dass etwa im Zusammenhang mit den therapeutischen Bemü-hungen Gedächtnisinhalte erzeugt oder verändert worden sind (vgl. insoweit auch LSG Baden-Württemberg, U.v. 26.2.2015 - L 6 VG 1832/12 - juris). Die Klägerin führte erstmals im Alter von sechs bis sieben Jahren psychotherapeutische Gespräche. Seit etwa dem elften Lebensjahr befindet sie sich in psychotherapeutischer Behandlung. Die Klägerin hat im Rahmen der Anzeigenerstattung im Jahre 1995 angegeben, erst mit zehn oder elf Jahren habe sie die ersten Vermutungen gehegt und seit eineinhalb Jahren wisse sie sicher, von M. sexuell missbraucht worden zu sein. Davor, nämlich nach dem Klinikaufenthalt in S. mit ca. 17 Jahren, hat die Klägerin allerdings vermehrt Fragen zu den Gästen an ihre Eltern gerichtet. Ob es sich demnach um ihre eigene Erinnerung handelt ist für die Kammer fraglich. Darüber hinaus hat die Klägerin im Verlauf ihres Lebens trotz der immer weiter zurückliegenden Ereignissen neue Episoden, wie etwa den Vorfall im Schrebergartenhaus oder den Namen des vermeintlichen Täters, geschildert. Nach ihrer eigenen Aussage, hat sich alles nach und nach wie ein Puzzle zusammengesetzt. Als besonders problematisch sind jedoch solch vermeintlich wiederentdeckte Aussagen u. a. dann zu betrachten, wenn mit oder ohne therapeutische Unterstützung explizite Bemühungen vorgenommen wurden, sich an nicht zugängliche Erlebnisse zu erinnern, wenn Erinnerungen erst im Laufe wiederholter Erinnerungsbemühungen entstanden sind, wenn im Laufe der Zeit immer mehr Erlebnisse berichtet werden oder wenn die berichteten Erlebnisse bizarre und extreme Erfahrungen beinhalten (SG Braunschweig, U.v. 10.12.2008 – S 38 VG 40/04 – juris, m.w.N.). Das Gericht konnte sich daher nicht davon überzeugen, dass die Erinnerungen der Klägerin nicht in den Therapien erzeugt oder verändert worden sind. Bereits im Rahmen der nervenärztlichen Begutachtung 2006 beschreibt die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie E., es entstehe der Eindruck, die Klägerin wisse aufgrund ihrer jahrelangen Psychotherapeuten-Erfahrung genau, welche Argumente sie bei Untersuchungen vorbringen müsse.
Auch die Aussagen der gehörten Zeugen konnten die erkennende Kammer nicht von der guten Möglichkeit des Tatgeschehens überzeugen. Die Eltern der Klägerin haben in ihren Aussagen die Erzählungen der Klägerin zwar im Wesentlichen wiederholt. (Kleinere) Widersprüche oder Abweichungen zum Vortrag der Klägerin, welche bei Schilderungen über Vorgänge nach mehreren Jahrzehnten zu erwarten sind, liegen nicht vor. Aber auch weiterführende Aussagen konnten von den Zeugen im Rahmen ihrer Befragungen nicht getroffen werden. Dies zeigt sich insbesondere im Zusam-menhang mit der von der Klägerin berichteten geschenkten Katze des vermeintlichen Täters: Nach Aussagen der Klägerin habe sie von M. als eine Art Gegenleistung eine Katze geschenkt bekommen. Die Eltern der Klägerin erklärten zwar übereinstim-mend, sie gehen davon aus, M. habe ihrer Tochter die Katze geschenkt. Eine echte Erinnerung an die Schenkung hatten beide jedoch nicht, was in Anbetracht der Jahre zurückliegenden Vorgänge zunächst nicht ungewöhnlich ist. Allerdings konnte sich keiner von Beiden daran erinnern, was mit der Katze - insbesondere nach dem von der Mutter der Klägerin geschilderten Vorfällen in der Badewanne - geschehen ist. Zur Überzeugung der Kammer konnten die Eltern folglich im Wesentlichen lediglich Erinnerungen, welche sie über die Jahre wiederholt von der Klägerin erzählt bekom-men haben, wiedergeben.
Nach alledem ist die erkennende Kammer nicht zu der Auffassung gelangt, die von der Klägerin geschilderte Vorfälle sind am relativ wahrscheinlichsten. Zwar ist die Klägerin selbst von dem von ihr geschilderten Tatgeschehen auf der Kegelbahn überzeugt. Die Klägerin hat allerdings im Laufe ihres Lebens eine Vielzahl von Schicksalsschlägen erleiden müssen. Sie ist trotz heftiger Gegenwehr zeitweise durch eine Pflegefamilie betreut worden. Die Ehe der Eltern ist von häufigen Streite-reien und Handgreiflichkeiten geprägt gewesen. Im Alter von ca. elf Jahren trennten sich die Eltern und ließen sich zwei Jahre später scheiden. Als Kind hat die Klägerin nach dem Entlassbericht der M.-Klinik aus dem Jahr 1998 immer das Gefühl gehabt zu kurz zu kommen. Die ersten psychogenen Ohnmachtsanfällt erfolgten nach der Scheidung der Eltern (so auch Entlassbericht der K.-Klinik vom 08.11.1996). Zudem fand die Klägerin den Nachbar im Alter von zwei Jahren tot im Garten. 1976 unter-nahm der Vater der Klägerin einen Suizidversuch und wurde von der damals Dreijäh-rigen gefunden. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass der geschilderte Missbrauch für die Klägerin lediglich eine Erklärung für die Ursache ihrer gesundheitlichen (insbesondere psychischen) Leiden darstellt, wenngleich deren Ursache möglicherweise auch auf die Vielzahl der genannten Schicksalsschläge zurückzuführen ist.
Zur Überzeugung der erkennenden Kammer spricht daher nach der Gesamtwürdi-gung aller Umstände nicht besonders viel für die von der Klägerin behaupteten Vor-gänge.
bb. Selbst wenn eine psychische Gesundheitsstörung gesichert festgestellt werden könn-te, so kann diese nicht überwiegend wahrscheinlich auf die vorgetragenen Schädi-gungen zurückgeführt werden. Insoweit ist nämlich zu betrachten, das bei der Kläge-rin die oben dargestellte erhebliche familiäre Belastung besteht. Diese könnte bei der Ausprägung der psychischen Erkrankung eine maßgebende Rolle gespielt haben, was die Kammer letztlich aber dahingestellt lassen kann.
cc. Hinsichtlich eines etwaigen Missbrauchs in einem Schrebergartenhaus ist § 15 KOVVfG bereits nicht anwendbar.
Die Beweiserleichterung erfordert jedoch zumindest, dass der Antragsteller Angaben aus eigenem Wissen, jedenfalls aber überhaupt Angaben machen kann (vgl. BSG, U.v. 28.6.2000 - B 9 VG 3/99 R - juris).
Nach § 15 KOVVfG lässt darf die Verwaltungsbehörde bzw. Gerichte der Sozialge-richtsbarkeit Tatsachen, die lediglich glaubhaft oder überwiegend wahrscheinlich sind, in seiner Entscheidung grundsätzlich nur dann zugrunde legen, wenn zugleich der Antragsteller die strafrechtliche Verantwortung dafür übernimmt, seine Angaben - zumindest subjektiv - entsprechen den Tatsachen (a.a.O.). Die Klägerin hat angeben, sie könne sich nur teilweise an den Übergriff erinnern. Sie wisse lediglich noch, sie sei mit einem Mann mit einem Hund mitgegangen zu einem Schrebergartenhäuschen. Sie habe dort etwas getrunken. Dann sei ein Blackout erfolgt und sie wisse nur noch, sie sei von ihren Eltern gefunden worden und mit nach Hause genommen worden sei. Ein tätlicher Angriff müsse vorgefallen sein, da sie Bilder aus ihrer Erinnerung male, die durch jahrelange Therapien mittlerweile ans Licht gekommen seien. An einen eigentlichen Übergriff kann sich die Klägern jedoch nicht erinnern. Auch die angehörten Zeugen haben insoweit nichts zur Sachverhaltsaufklärung beitragen können.
6. Zu weiteren - über die Auswertung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen hinausge-henden - medizinischen Ermittlungen besteht ebenfalls kein Anlass. Ein Rückschluss von einer psychiatrischen Erkrankung auf die zugrundeliegende Tat ist nicht möglich, sondern zirkelschlüssig (vgl. (Bay. LSG, U.v. 30.4.2015 – L 15 VG 24/09 – juris, m.w.N.). Auch geben die psychischen Probleme der Klägerin nicht einmal einen (brauchbaren) Hinweis auf die Möglichkeit der Faktizität des geltend gemachten Ge-schehens.
Die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachten von Amts wegen war nicht erforder-lich. Die Kammer konnte nach Anhörung der Klägerin entscheiden. Denn die Würdi-gung von Aussagen nicht nur erwachsener, sondern auch kindlicher oder jugendli-cher Personen gehört zum Wesen richterlicher Rechtsfindung und ist daher grund-sätzlich dem Tatrichter anvertraut. Eine aussagepsychologische Begutachtung (Glaubhaftigkeitsgutachten) kommt nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht, nämlich wenn dem Gericht die Sachkunde für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit fehlt (LSG Baden-Württemberg, U.v. 21.4.2015 - L 6 VG 2096/13 - juris, m.w.N.). Die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens ist nur geboten, wenn der Sachverhalt oder die Aussageperson solche Besonderheiten aufweist, die eine Sachkunde erfordern, die ein Richter normalerweise nicht hat (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O., m.w.N.). Das ist vorliegend nicht der Fall. Weder weist die Aussageperson solche Besonderheiten auf, noch ist der Sachverhalt besonders gelagert, sondern im OEG eine durchaus typische Fallgestaltung. Der Beitrag von aussagepsychologischen Glaubhaftigkeitsgutachten zur Aufklärung ist gerade in Fällen zweifelhaft, in denen in der Vergangenheit mit therapeutischer Unterstützung explizit Bemühungen unternommen worden sind, sich an nicht zugängliche Erlebnisse zu erinnern oder in denen die Erinnerungen erst im Laufe wiederholter Erinnerungsbemühungen entstanden sind. Zu berücksichtigen ist, auch Personen, die einer Gedächtnistäuschung unterliegen, können von der Richtigkeit ihrer Erinnerung überzeugt sein (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Dies ist bei der Klägerin zur Überzeugung der Kammer auch aufgrund des persönlichen Eindrucks der Fall.
Nach alledem ist der Nachweis für das Vorliegen eines Angriffs im Sinn des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG, nicht erbracht. Auf die gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin kommt es somit ebenso wie auf Kausalitätsfragen nicht an. Gleiches gilt für die Fra-ge, ob ein Versagungsgrund gemäß § 2 Abs. 2 OEG gegeben ist.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Beschädigtenrente nach dem Ge-setz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) i.V.m. dem Bundes-versorgungsgesetz (BVG).
1. Die am XX.XX.1973 geborene Klägerin erstattete am 20.07.1995 Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern. Dabei gab die Klägerin an, M. habe sie vor sechszehn Jahren sexuell missbraucht. Sie sei seit zehn Jahren regelmäßig in psy-chotherapeutischer Behandlung. Bereits im Alter von sechs bis sieben Jahren habe sie psychotherapeutische Gespräche geführt. Durch die Psychotherapie in den letz-ten Jahren sei letztlich herausgekommen, ihre ganze seelische Verfassung basiere zum größten Teil darauf, im Alter von fünf Jahren von dem Tierarzt M. sexuell miss-braucht worden zu sein. Im Alter von etwa vier Jahren seien ihre Eltern nach S. ver-zogen, da sie dort das Vereinsheim des Hockey- und Tennisclubs (HTC) gepachtet hätten. M. sei Gast im Vereinsheim des HTC gewesen. Dort sei es auch zu dem Übergriff gekommen. Sie mache die Anzeige erst nach sechzehn Jahren, da sie erst mit zehn oder elf Jahren die ersten Vermutungen gehegt habe und eigentlich erst seit eineinhalb Jahren sicher wisse, sexuell missbraucht worden zu sein. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren am 13.09.1995 wegen Strafverfolgungsverjährung ein.
In der Zeit vom 17.07.1996 bis 30.10.1996 befand sich die Klägerin in stationärer psychotherapeutischer Behandlung in der K-Klinik (vgl. Entlassbericht vom 08.11.1996). Dort diagnostizierten die Ärzte eine Reifungskrise bei V. a. Borderline-Persönlichkeitsstörung mit hysterischen Anteilen sowie eine Somatisierungsstörung. In dem Entlassbericht berichten die Ärzte, die Mutter sei bei Geburt der Tochter 19 Jahre alt gewesen, bei ungewollter Schwangerschaft sei ihr zur Abtreibung geraten worden. Da die Mutter selbst eine Ausbildung habe machen wollen, sei das Kind trotz heftiger Gegenwehr tagsüber durch eine Pflegefamilie betreut worden. 1976 habe der Vater einen Suizidversuch unternommen und sei von der dreijährigen Tochter gefunden worden. Schon als Kind hätten sich multiple körperliche Beschwerden wie Bauchschmerzen und Kopfschmerzen entwickelt. Ihre Mutter habe sich häufig mit der Betreuung der Tochter überfordert gefühlt. 1984 hätten sich die Eltern getrennt und zwei Jahre später scheiden lassen, als die Patientin dreizehn Jahre alt gewesen sei. Ab diesem Zeitpunkt hätten die psychogenen Anfälle begonnen. Mit acht Jahren sei sie erstmals psychotherapeutisch behandelt worden, mit neunzehn Jahren sei ein sechsmonatiger stationärer Therapieaufenthalt, ein Jahr später ein achtwöchiger er-folgt. Von 1993 bis 1994 habe sie sich in einer Einrichtung betreuten Wohnens be-funden und sei dann in eine eigene Wohnung mit ihrem Freund verzogen. Auffällig sei, dass sie mehrmals erwähne, sexuell missbraucht worden zu sein.
Vom 27.01.1998 bis 24.04.1998 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung in der M.-Klinik. Dort diagnostizierten die Ärzte eine emotional instabile Persönlich-keitsstörung, Borderline-Typus mit histrionischen und aggressiven Zügen. In dem Entlassbericht wird beschrieben, die Ehe der Eltern sei von häufigen Streitereien und Handgreiflichkeiten geprägt gewesen, das Familienleben wegen des Gaststättenbe-triebs sehr chaotisch. Die Klägerin habe als Mädchen immer das Gefühl gehabt, zu kurz zu kommen. Die Klägerin sei für die Mutter ein offensichtlich ungewolltes Kind gewesen. Im Alter von zwei Jahren habe die Klägerin den Nachbarn tot im Garten gefunden. Die Klägerin gab an, im Alter von fünf Jahren sei sie von einem ihr gut vertrauten Mann, einem Tierarzt, der ihr eine Katze geschenkt habe, im elterlichen Gaststättenbetrieb sexuell (oral) missbraucht worden. Da der Mann ihr gedroht habe, wenn sie über dieses Erlebnis anderen erzähle, werde seine Katze ihm das berich-ten, habe sie in ihrer Verzweiflung versucht, die Katze zu ertränken, was aber miss-lungen sei. Schon früh seien Bauchschmerzen und Kopfschmerzen bei der Klägerin aufgetreten. Als die Klägerin elf Jahre alt gewesen sei, hätten sich die Eltern ge-trennt, zwei Jahre später sei die Scheidung erfolgt. Anschließend erfolgten erstmals psychogene Ohnmachtsanfälle. Alpträume mit Händen, die aus der Wand kämen und Schatten, die sie verfolgten, hätten sie die ganze Kindheit und Jugend über ver-folgt.
Im Juni 1997 beantragte die Klägerin bei der Staatsanwaltschaft S. die Ermittlungen wegen des sexuellen Missbrauchs unter Hinweis auf § 78b StGB wieder aufzuneh-men. Die Staatsanwaltschaft lehnte die Wiederaufnahme ab, da die Verjährungsvor-schrift des § 78b StGB in Kraft getreten sei, als die angezeigte Tat bereits verjährt gewesen sei.
Am 02.03.2006 fertigte die Klägerin einen Eigenbericht (Lebenslauf). Sie sei mit fünf Jahren in der Gaststätte auf der Kegelbahn von einem Gast sexuell missbraucht worden, welcher ihr eine Katze geschenkt habe und das als Gegenleistung erwartet hätte. Sie hätte versucht, die Katze in der Badewanne zu ertränken. Vermutlich sei das nicht das einzige Erlebnis dieser Art gewesen. Sie hätte oft Bauchschmerzen gehabt und habe wieder angefangen, in das Bett einzunässen. 1992 sei sie für ein halbes Jahr in eine psychotherapeutische Klinik in S. gekommen. Dort sei der Miss-brauch langsam ans Tageslicht gekommen, aber wieder runtergedrückt worden. In dieser Zeit sei es auch zur Trennung des damaligen Freundes gekommen.
Die Fachärztin für psychotherapeutische Medizin Dr. L. teilte mit, die Klägerin befinde sich seit dem 19.12.2002 in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung mit den Diagnosen: Chronifizierte, komplexe posttraumatische Belastungsstörung mit disso-ziativen Krampfanfällen, dissoziativer Fugue, Agoraphobie mit Panikstörung, rezidi-vierende depressive Störung, Asthma bronchiale (ärztliche Bescheinigung vom 03.07.2006). Die psychische Symptomatik sei auf eine schwere sexuelle Traumati-sierung im Alter von fünf Jahren und wiederholt Gewalterfahrungen seit früher Kind-heit im familiären Umfeld zurückzuführen.
Im Zeitraum 22.07.2008 bis zum 02.09.2008 befand sich die Klägerin in der Klinik H. in der psychosomatischen Abteilung in Behandlung. In dem ärztlichen Entlassbericht vom 12.09.2008 berichten die Ärzte u.a. folgendes (Biographische Anamnese): Der Vater sei "Quartalssäufer" gewesen. Als die Klägerin drei Jahre alt gewesen sei, ha-be sich der Vater versucht das Leben zu nehmen. Die Klägerin berichte, sie habe große Angst wegen des aufbrausenden Verhaltens des Vaters in Konfliktsituationen gehabt. Die Mutter habe gemeint, sie sei hysterisch und sie solle sich nicht so anstel-len. Sie habe bis zum 18. Lebensjahr anhaltende Flashbacks nach einer Vergewalti-gung im fünften Lebensjahr gehabt. Weitere belastende Lebensereignisse: Der zwei-te Freund sei Alkoholiker gewesen, Trennung nach drei Jahren, danach Alpträume, Panikzustände und zunehmend Ganzkörperschmerzen. Im Jahr 200 habe sich der Onkel das Leben genommen. 2004 sei der Großvater verstorben. Im Jahr 2004 sei die Klägerin von einer Nachbarin tyrannisiert worden. Aus diesem Grund sei ein Um-zug erfolgt.
Mit Bescheid vom 25.03.2009 stellte das Landratsamt B. einen Grad der Behinde-rung (GdB) von 50 seit 17.09.2008 bei der Klägerin fest, da sie an einer Persönlich-keitsstörung, funktionellen Organbeschwerden, Fibromyalgie-Syndrom, Bronchial-asthma, Allergie und chronischer Nebenhöhlenentzündung leide. Grundlage der Ent-scheidung war ein nervenärztliches Gutachten vom 07.11.2006 der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie E ... In ihrem Gutachten teilt die Gutachterin mit, es ent-stehe der Eindruck, die Klägerin wisse aufgrund ihrer jahrelangen Psychotherapeu-ten-Erfahrung natürlich genau, welche Argumente sie bei Untersuchungen vorbrin-gen müsse.
2. Am 13.11.2000 stellte die Klägerin erstmals beim Landratsamt (LRA) einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Mit Bescheid vom 05.08.2002 lehnte das Versorgungsamt den Antrag ab, da ein tätlicher Angriff nicht nachgewiesen sei.
Am 21.05.2010 stellte die Klägerin beim LRA erneut einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Das LRA lehnte auch diesen Antrag ab (Bescheid vom 09.06.2011). Mit dem Antrag habe die Klägerin keine neuen Ge-sichtspunkte oder rechtserheblichen Tatsachen vorgebracht, die nicht schon bei Er-teilung des inzwischen rechtsverbindlich geworden Bescheides vom 05.08.2002 be-kannt gewesen seien.
3. Am 13.06.2013 beantragte die Klägerin beim Versorgungsamt unter Hinweis auf § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) erneut die Gewährung einer Versorgung. Danach könnten Versorgungsleistungen beansprucht werden, auch wenn kein Tatzeuge vorhanden sei. Sie gab an, als Kind im Degerloch zweimal sexuell missbraucht worden zu sein. Ein Tierarzt habe sich auf der Kegelbahn zum Oralverkehr gezwungen als Gegenleistung für ein geschenktes Kätzchen. Er habe gesagt, wenn sie etwas sage, höre es die Katze und sage es ihm. Daher habe sie die Katze vermutlich ertränken wollen. Ein zweiter Missbrauch sei in einer Schrebergartensiedlung in der Nähe vom Elternhaus erfolgt. Sie sei von einem Mann mit Hund angesprochen und gefragt worden, ob sie sehen möchte, wo sein Hund schlafe. Sie sei mit ihm gegangen und wisse nur noch, in einem Gartenhäus-chen etwas getrunken zu haben und sich dann an nichts mehr erinnern zu können. Mit hoher Wahrscheinlichkeit seien KO-Tropfen darin gewesen und sie sei betäubt worden. Vermutlich sei es zu einem Ritus gekommen, denn sie habe immer Erinne-rungen an drei schwarzen Kapuzenmenschen. Sie habe weitere einschneidende Er-lebnisse in ihrer Kindheit erfahren. Die sexuellen Übergriffe seien jedoch die schlimmsten gewesen. Ihr ganzer Alltag richte sich nach dem Trauma aus. In der Küche hätte sie keine Messer/Scheren mit schwarzen Griffen. Sie könne an man-chen Tagen nicht zum Friseur, weil sie Panik vor der Schere habe. Sie könne nicht im Erdgeschoss wohnen. Durch die orale Vergewaltigung sei eine elektronische Zahnbürste stressfreier. Sie könne keine Bananen normal essen. Zahnarztbesuche seien blanker Horror und hätten früher nicht selten mit einem dissoziativen Krampf-anfall geendet. Sie könne nicht arbeiten gehen und auch nicht alleine Bus oder S-Bahn fahren.
Mit Bescheid vom 18.07.2013 lehnte das LRA den Antrag auf Erteilung eines Rück-nahmebescheids nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ab. Der Antrag stütze sich auf dasselbe Vorbringen, welches bereits Gegenstand der Ent-scheidung vom 05.08.2002 gewesen sei. Die Ausführungen zum § 15 KOVVfG führ-ten zu keiner Änderung der Rechtsauffassung.
Dr. L.-K. teilte im Rahmen einer ärztlichen Bescheinigung vom 07.08.2013 ihre aktu-ellen Diagnosen mit. Die Klägerin leide an einer komplexen posttraumatischen Belas-tungsstörung mit dissoziativen Krampfanfällen, dissoziativer Fugue, dissoziativen Lähmungen und Sensibilitätsstörungen von Extremitäten sowie Sprachverlust und außerdem rezidivierend depressiven Störungen, somatoformen Schmerzstörungen, Fibromyalgie-Syndrom, Asthma bronchiale, Lipödem und Zustand nach Schub einer rheumatoiden Arthritis. Die zeitweise gestellte Borderline-Diagnose habe bei Testung in der Borderline Spezialsprechstunde der psychiatrischen Uniklinik Tübingen am 29.05.2015 nicht vollständig erhärtet werden können. Im Vordergrund der Sympto-matik stehe eine Traumafolgenstörung, zurückzuführen auf Traumatisierungen in Kindheit und Jugend und durch Vergewaltigung und weitere sexuelle Übergriffe, Un-geborgenheit in der elterlichen Gastwirtschaft und Erleben von körperlichen Gewalt.
Den gegen den Bescheid vom 18.07.2013 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2013 zurück.
Mit der 23.12.2013 zum Sozialgericht Karlsruhe erhobenen Klage verfolgt die Kläge-rin ihr Begehren weiter. Zur Begründung trägt sie vor, sie sei nach dem Maßstab des § 15 KOVVfG Opfer eines tätlichen Angriffs geworden. Ihre Angaben würden durch Dr. L.-K. gestützt. Der Vortrag, ein Tierarzt habe sie zu Oralverkehr gezwungen, sei glaubhaft, da sie sich detailliert daran erinnere. Der Versuch des Ertränkens der Kat-ze und die Wut auf das Tier ließen auf einen schlimmen Vorfall schließen. Der zweite vorgetragene tägliche Angriff sei ebenfalls glaubhaft, da sich die Klägerin genauer an den Ort des Geschehens erinnere.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 18.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2015 zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz ab 13.11.2000 zu erbringen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, § 15 KOVVfG ermögliche eine Beweislasterleichterung, keine Beweislastumkehr. Der sexuelle Missbrauch durch M. sei nicht nachgewiesen. Ein vernünftiger Zweifel an den Tatgeschehnissen, wie vom Gesetz gefordert, könne somit nicht ausgeschlossen werden. Die Zeugenbefragung von M. habe keine rele-vanten Gesichtspunkte ergeben, ebenso wenig wie die Befragung der Eltern. Die Zeugenaussagen der Eltern hätten nur die schwierigen Sozialisationsbedingungen der Klägerin im Umfeld einer Gaststätte hervorgehoben, unter denen sie aufgewach-sen sei.
Das Gericht hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich an-gehört. Die Eltern der Klägerin sowie M. hörte das Gericht als Zeugen persönlich an.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte des Landratsamts sowie den der Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung. Der Beklagte hat daher ihren hierauf gerichteten Überprüfungsantrag zu Recht abgelehnt. Der Be-scheid des Beklagten vom 18.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
1. Die Klägerin begehrt mit der hier statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leis-tungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4 SGG die Aufhebung der ihren Antrag ablehnen-den Entscheidung sowie die Verurteilung des Beklagten zur Feststellung gesundheit-licher körperlicher und seelischer Schädigungen aufgrund eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs (vgl. zur Unzulässigkeit einer kombinierten Anfech-tungs- und Feststellungsklage auf isolierte Feststellung, Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden zu sein, BSG, U.v. 16.12.2014 - B 9 V 1/13 R - juris und LSG Baden-Württemberg, U.v. 27.8.2015 – L 6 VG 5227/14 – ju-ris).
2. Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nach-dem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzuneh-men (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch -SGB X).
Nach diesem Maßstab hat der Beklagte den Überprüfungsantrag der Klägerin in rechtlich nicht zu beanstandender Weise abgelehnt: Der Beklagte hat nämlich weder das Recht unrichtig angewandt, noch ist er von einem unrichtigen Sachverhalt aus-gegangen.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält, wer im Geltungsbereich des OEG infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person und durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). In Altfällen - also bei Schädigungen zwischen dem Inkrafttreten des GG (23.05.1949) und dem Inkrafttreten des OEG (16.05.1976) - müssen daneben noch die besonderen Voraussetzungen gemäß § 10 S. 2 OEG i.V.m. § 10a Abs. 1 S 1 OEG erfüllt sein (BSG, U.v. 17.4.2013 – B 9 V 1/12 R – BSGE 113, 205). Nach die-ser Härteregelung erhalten Personen, die in der Zeit vom 23.05.1949 bis 15.05.1976 geschädigt worden sind, auf Antrag Versorgung, solange sie allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt und bedürftig sind und im Geltungsbereich des OEG ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Als tätlicher Angriff i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG ist grundsätzlich ein in Feindseliger bzw. rechtsfeindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zie-lende gewaltsame Einwirkung anzusehen, wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer - jedenfalls versuchten - vorsätzlichen Straftat gegen das Le-ben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt. Der tätliche Angriff zeichnet sich durch eine körperliche Gewaltanwendung (Tätlichkeit) gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen ein. In Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern im Sinne von § 173 StGB versteht das Bundessozialgericht den Begriff des tätlichen Angriffs aus Gründen sozialen und psychischen Schutzes der Opfer unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des OEG weiter. Der sexuelle Miss-brauch von Kindern, durch den der Tatbestand des § 176 StGB erfüllt wird, indem der Täter sexuelle Handlungen an einem Kind vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, ist stets ein Angriff nach § 1 OEG (ständige Rechtsprechung, vgl. BSGE 77, 11; LSG Baden-Württemberg, U.v. 21.4.2015 - L 6 VG 2096/13 - juris).
Nach § 30 Abs. 16 BVG wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermäch-tigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustim-mung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 BVG maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) am 10.12.2008, in Kraft getreten am 01.01.2009, erlassen. Alle Einzelheiten werden in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV geregelt. Danach wird als Schädigungsfolge im sozialen Entschä-digungsrecht jede Gesundheitsstörung bezeichnet, die in ursächlichem Zusammen-hang mit einer Schädigung steht, die nach dem entsprechenden Gesetz zu berück-sichtigen ist (VG, Teil A, Nr. 1 a) und ist Ursache im Sinne der Versorgungsgesetze die Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, die wegen ihrer be-sonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat (VG, Teil C, Nr. 1 b Satz 1).
3. Grundsätzlich müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 OEG voll be-wiesen sein. Zu den Fakten, die vor der Beurteilung eines ursächlichen Zusammen-hangs geklärt ("voll bewiesen") sein müssen, gehören der schädigende Vorgang, die gesundheitliche Schädigung und die zu beurteilende Gesundheitsstörung (VG, Teil C, Nr. 2 a). Der schädigende Vorgang ist das Ereignis, das zu einer Gesundheits-schädigung führt (VG, Teil C, Nr. 2 b Satz 1 Halbsatz 1). Die gesundheitliche Schädi-gung ist die primäre Beeinträchtigung der Gesundheit durch den schädigenden Vor-gang (VG, Teil C, Nr. 2 c Halbsatz 1).
Ein solcher Nachweis eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs ist vorlie-gend nicht erbracht. Unmittelbarer Zeuge des geschilderten sexuellen Missbrauchs auf der Kegelbahn war nur der vermeintliche Täter selbst. Dieser hat im Rahmen der Befragung jedoch den Vorfall bestritten. Zeugen für den behaupteten zweiten sexuel-len Übergriffs in einem Schrebergartenhäuschen existieren nicht.
4. Nach § 6 Abs. 3 OEG ist allerdings auch im Anwendungsbereich des OEG das KOVVfG (mit Ausnahme der §§ 3 bis 5) anzuwenden, insbesondere auch die für Kriegsopfer geschaffene spezielle Beweiserleichterung des § 15 KOVVfG. Danach sind die Angaben des Antragsstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zu-sammenhang stehenden Tatsachen beziehen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hin-terbliebenen verlorengegangen sind, der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.
a. Glaubhaftmachung im Sinne des § 15 KOVVfG bedeutet das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit, d.h. der guten Möglichkeit, der Vorgang hat sich so zugetragen, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (LSG Baden-Württemberg, U.v. 21.4.2015 - L 6 VG 2096/13 - juris mit Hinweis auf BSG, B.v. 8.8.2001 - B 9 V 23/01 B - juris; BSG, U.v. 21.9.1977 - 10 RV 15/77 - juris).
Dieser Beweisstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs, mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, d.h. es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstli-chen in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit der Tatsache genügt je-doch nicht, die Beweisanforderungen zu erfüllen. Ob das Gericht die Beweisanforde-rung als erfüllt ansieht, obliegt nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG seiner freien richterli-chen Beweiswürdigung (LSG Baden-Württemberg, U.v. 21.4.2015 - L 6 VG 2096/13 - juris; BSG, U.v. 17.4.2013 - B 9 V 1/12 R - juris).
b. Auch unter Anlegung diesen abgesenkten Beweismaßstabes hält es das erkennende Gericht nicht für gut möglich, dass die persönlich angehörte Klägerin in der Zeit von 1978 bis 1979 Opfer vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe geworden ist.
aa. Hinsichtlich des sexuellen Missbrauchs durch M. hält die erkennende Kammer das Tatgeschehen nach den Gesamtumständen, wie sie sich aus den Akten und dem Vorbringen der Klägerin sowie der gehörten Zeugen ergeben, nicht für gut möglich.
Angesicht der detaillierten Schilderung des vermeintlichen sexuellen Missbrauchs von M. durch die Klägerin seit Beginn des Verwaltungsverfahrens und im gerichtlichen Verfahren ist es nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin angesichts ihrer vielfältigen stationären und ambulanten psychotherapeutischen Gesprächen bzw. Behandlungen in der Zeit seit 1979 bis zu ihrer Erkenntnis im Jahr 1994, sexuell missbraucht worden zu sein, niemals eine sexuelle oder sonstige Gewalttätigkeit auch nur angedeutet hat.
Die ersten Schilderungen von Übergriffen erfolgten erst im Rahmen einer mehrjähri-gen Psychotherapie und sind deshalb mit Vorsicht zu betrachten, weil die Aussage der Klägerin damit erst zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, zu dem sie sich wegen der streitgegenständlichen Gesundheitsstörungen bereits in Therapie befand. Insoweit ist nicht auszuschließen, dass etwa im Zusammenhang mit den therapeutischen Bemü-hungen Gedächtnisinhalte erzeugt oder verändert worden sind (vgl. insoweit auch LSG Baden-Württemberg, U.v. 26.2.2015 - L 6 VG 1832/12 - juris). Die Klägerin führte erstmals im Alter von sechs bis sieben Jahren psychotherapeutische Gespräche. Seit etwa dem elften Lebensjahr befindet sie sich in psychotherapeutischer Behandlung. Die Klägerin hat im Rahmen der Anzeigenerstattung im Jahre 1995 angegeben, erst mit zehn oder elf Jahren habe sie die ersten Vermutungen gehegt und seit eineinhalb Jahren wisse sie sicher, von M. sexuell missbraucht worden zu sein. Davor, nämlich nach dem Klinikaufenthalt in S. mit ca. 17 Jahren, hat die Klägerin allerdings vermehrt Fragen zu den Gästen an ihre Eltern gerichtet. Ob es sich demnach um ihre eigene Erinnerung handelt ist für die Kammer fraglich. Darüber hinaus hat die Klägerin im Verlauf ihres Lebens trotz der immer weiter zurückliegenden Ereignissen neue Episoden, wie etwa den Vorfall im Schrebergartenhaus oder den Namen des vermeintlichen Täters, geschildert. Nach ihrer eigenen Aussage, hat sich alles nach und nach wie ein Puzzle zusammengesetzt. Als besonders problematisch sind jedoch solch vermeintlich wiederentdeckte Aussagen u. a. dann zu betrachten, wenn mit oder ohne therapeutische Unterstützung explizite Bemühungen vorgenommen wurden, sich an nicht zugängliche Erlebnisse zu erinnern, wenn Erinnerungen erst im Laufe wiederholter Erinnerungsbemühungen entstanden sind, wenn im Laufe der Zeit immer mehr Erlebnisse berichtet werden oder wenn die berichteten Erlebnisse bizarre und extreme Erfahrungen beinhalten (SG Braunschweig, U.v. 10.12.2008 – S 38 VG 40/04 – juris, m.w.N.). Das Gericht konnte sich daher nicht davon überzeugen, dass die Erinnerungen der Klägerin nicht in den Therapien erzeugt oder verändert worden sind. Bereits im Rahmen der nervenärztlichen Begutachtung 2006 beschreibt die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie E., es entstehe der Eindruck, die Klägerin wisse aufgrund ihrer jahrelangen Psychotherapeuten-Erfahrung genau, welche Argumente sie bei Untersuchungen vorbringen müsse.
Auch die Aussagen der gehörten Zeugen konnten die erkennende Kammer nicht von der guten Möglichkeit des Tatgeschehens überzeugen. Die Eltern der Klägerin haben in ihren Aussagen die Erzählungen der Klägerin zwar im Wesentlichen wiederholt. (Kleinere) Widersprüche oder Abweichungen zum Vortrag der Klägerin, welche bei Schilderungen über Vorgänge nach mehreren Jahrzehnten zu erwarten sind, liegen nicht vor. Aber auch weiterführende Aussagen konnten von den Zeugen im Rahmen ihrer Befragungen nicht getroffen werden. Dies zeigt sich insbesondere im Zusam-menhang mit der von der Klägerin berichteten geschenkten Katze des vermeintlichen Täters: Nach Aussagen der Klägerin habe sie von M. als eine Art Gegenleistung eine Katze geschenkt bekommen. Die Eltern der Klägerin erklärten zwar übereinstim-mend, sie gehen davon aus, M. habe ihrer Tochter die Katze geschenkt. Eine echte Erinnerung an die Schenkung hatten beide jedoch nicht, was in Anbetracht der Jahre zurückliegenden Vorgänge zunächst nicht ungewöhnlich ist. Allerdings konnte sich keiner von Beiden daran erinnern, was mit der Katze - insbesondere nach dem von der Mutter der Klägerin geschilderten Vorfällen in der Badewanne - geschehen ist. Zur Überzeugung der Kammer konnten die Eltern folglich im Wesentlichen lediglich Erinnerungen, welche sie über die Jahre wiederholt von der Klägerin erzählt bekom-men haben, wiedergeben.
Nach alledem ist die erkennende Kammer nicht zu der Auffassung gelangt, die von der Klägerin geschilderte Vorfälle sind am relativ wahrscheinlichsten. Zwar ist die Klägerin selbst von dem von ihr geschilderten Tatgeschehen auf der Kegelbahn überzeugt. Die Klägerin hat allerdings im Laufe ihres Lebens eine Vielzahl von Schicksalsschlägen erleiden müssen. Sie ist trotz heftiger Gegenwehr zeitweise durch eine Pflegefamilie betreut worden. Die Ehe der Eltern ist von häufigen Streite-reien und Handgreiflichkeiten geprägt gewesen. Im Alter von ca. elf Jahren trennten sich die Eltern und ließen sich zwei Jahre später scheiden. Als Kind hat die Klägerin nach dem Entlassbericht der M.-Klinik aus dem Jahr 1998 immer das Gefühl gehabt zu kurz zu kommen. Die ersten psychogenen Ohnmachtsanfällt erfolgten nach der Scheidung der Eltern (so auch Entlassbericht der K.-Klinik vom 08.11.1996). Zudem fand die Klägerin den Nachbar im Alter von zwei Jahren tot im Garten. 1976 unter-nahm der Vater der Klägerin einen Suizidversuch und wurde von der damals Dreijäh-rigen gefunden. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass der geschilderte Missbrauch für die Klägerin lediglich eine Erklärung für die Ursache ihrer gesundheitlichen (insbesondere psychischen) Leiden darstellt, wenngleich deren Ursache möglicherweise auch auf die Vielzahl der genannten Schicksalsschläge zurückzuführen ist.
Zur Überzeugung der erkennenden Kammer spricht daher nach der Gesamtwürdi-gung aller Umstände nicht besonders viel für die von der Klägerin behaupteten Vor-gänge.
bb. Selbst wenn eine psychische Gesundheitsstörung gesichert festgestellt werden könn-te, so kann diese nicht überwiegend wahrscheinlich auf die vorgetragenen Schädi-gungen zurückgeführt werden. Insoweit ist nämlich zu betrachten, das bei der Kläge-rin die oben dargestellte erhebliche familiäre Belastung besteht. Diese könnte bei der Ausprägung der psychischen Erkrankung eine maßgebende Rolle gespielt haben, was die Kammer letztlich aber dahingestellt lassen kann.
cc. Hinsichtlich eines etwaigen Missbrauchs in einem Schrebergartenhaus ist § 15 KOVVfG bereits nicht anwendbar.
Die Beweiserleichterung erfordert jedoch zumindest, dass der Antragsteller Angaben aus eigenem Wissen, jedenfalls aber überhaupt Angaben machen kann (vgl. BSG, U.v. 28.6.2000 - B 9 VG 3/99 R - juris).
Nach § 15 KOVVfG lässt darf die Verwaltungsbehörde bzw. Gerichte der Sozialge-richtsbarkeit Tatsachen, die lediglich glaubhaft oder überwiegend wahrscheinlich sind, in seiner Entscheidung grundsätzlich nur dann zugrunde legen, wenn zugleich der Antragsteller die strafrechtliche Verantwortung dafür übernimmt, seine Angaben - zumindest subjektiv - entsprechen den Tatsachen (a.a.O.). Die Klägerin hat angeben, sie könne sich nur teilweise an den Übergriff erinnern. Sie wisse lediglich noch, sie sei mit einem Mann mit einem Hund mitgegangen zu einem Schrebergartenhäuschen. Sie habe dort etwas getrunken. Dann sei ein Blackout erfolgt und sie wisse nur noch, sie sei von ihren Eltern gefunden worden und mit nach Hause genommen worden sei. Ein tätlicher Angriff müsse vorgefallen sein, da sie Bilder aus ihrer Erinnerung male, die durch jahrelange Therapien mittlerweile ans Licht gekommen seien. An einen eigentlichen Übergriff kann sich die Klägern jedoch nicht erinnern. Auch die angehörten Zeugen haben insoweit nichts zur Sachverhaltsaufklärung beitragen können.
6. Zu weiteren - über die Auswertung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen hinausge-henden - medizinischen Ermittlungen besteht ebenfalls kein Anlass. Ein Rückschluss von einer psychiatrischen Erkrankung auf die zugrundeliegende Tat ist nicht möglich, sondern zirkelschlüssig (vgl. (Bay. LSG, U.v. 30.4.2015 – L 15 VG 24/09 – juris, m.w.N.). Auch geben die psychischen Probleme der Klägerin nicht einmal einen (brauchbaren) Hinweis auf die Möglichkeit der Faktizität des geltend gemachten Ge-schehens.
Die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachten von Amts wegen war nicht erforder-lich. Die Kammer konnte nach Anhörung der Klägerin entscheiden. Denn die Würdi-gung von Aussagen nicht nur erwachsener, sondern auch kindlicher oder jugendli-cher Personen gehört zum Wesen richterlicher Rechtsfindung und ist daher grund-sätzlich dem Tatrichter anvertraut. Eine aussagepsychologische Begutachtung (Glaubhaftigkeitsgutachten) kommt nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht, nämlich wenn dem Gericht die Sachkunde für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit fehlt (LSG Baden-Württemberg, U.v. 21.4.2015 - L 6 VG 2096/13 - juris, m.w.N.). Die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens ist nur geboten, wenn der Sachverhalt oder die Aussageperson solche Besonderheiten aufweist, die eine Sachkunde erfordern, die ein Richter normalerweise nicht hat (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O., m.w.N.). Das ist vorliegend nicht der Fall. Weder weist die Aussageperson solche Besonderheiten auf, noch ist der Sachverhalt besonders gelagert, sondern im OEG eine durchaus typische Fallgestaltung. Der Beitrag von aussagepsychologischen Glaubhaftigkeitsgutachten zur Aufklärung ist gerade in Fällen zweifelhaft, in denen in der Vergangenheit mit therapeutischer Unterstützung explizit Bemühungen unternommen worden sind, sich an nicht zugängliche Erlebnisse zu erinnern oder in denen die Erinnerungen erst im Laufe wiederholter Erinnerungsbemühungen entstanden sind. Zu berücksichtigen ist, auch Personen, die einer Gedächtnistäuschung unterliegen, können von der Richtigkeit ihrer Erinnerung überzeugt sein (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Dies ist bei der Klägerin zur Überzeugung der Kammer auch aufgrund des persönlichen Eindrucks der Fall.
Nach alledem ist der Nachweis für das Vorliegen eines Angriffs im Sinn des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG, nicht erbracht. Auf die gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin kommt es somit ebenso wie auf Kausalitätsfragen nicht an. Gleiches gilt für die Fra-ge, ob ein Versagungsgrund gemäß § 2 Abs. 2 OEG gegeben ist.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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