Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 9 KR 319/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1) Der Bescheid vom 31.07.2014 und der Widerspruchsbescheid vom 16.12.2014 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Magenbypassoperation als Sachleistung zu genehmigen.
2) Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Kostenübernahme für eine Magenbypass-Operation.
Die 1959 geborene Klägerin leidet an Adipositas, einem schlecht eingestellten insulinpflichtigen Diabetes mellitus, Wirbelsäulenbeschwerden und intermittierenden Herzrhythmusstörungen sowie an einer Polyneuropathie. Die Klägerin wiegt bei einer Größe von 1,68 m 154,4 kg, dies entspricht einem BMI von 54,6 kg/m². Die Klägerin beantragte unter Vorlage eines Antrages auf Genehmigung einer Magenbypass-Operation des Krankenhauses C. vom 07.05.2014 bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Magenbypass-Operation. Die Klägerin legte auf Anforderung noch eine Bescheinigung von Dr. D. vom 08.05.2014 sowie eine Stellungnahme zu ihren gesundheitlichen Einschränkungen vor. Die Beklagte ließ beim MDK - Dr. E. - ein Gutachten zur Notwendigkeit der Magenbypass-Operation erstellen. Mit Bescheid vom 31.07.2014 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die medizinischen Voraussetzungen für den geplanten Eingriff nicht erfüllt seien. Aus sozialmedizinischer Sicht würden die bislang unternommenen Therapieversuche nicht dem multimodalen Therapiekonzept (Bewegung-Ernährung und Psychotherapie) entsprechen. Der MDK habe das Ausschöpfen einer konservativen Therapie im multimodalen Setting mit ernährungsmedizinischer Unterstützung empfohlen.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 26.08.2014 Widerspruch.
Am 21.08.2014 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben und die Feststellung beantragt, dass ihr Antrag auf Gewährung einer adipositaschirurgischen Operation als Sachleistung aus dem Mai 2014 gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V als genehmigt gelte.
Am 16.12.2014 erließ die Beklagte den Widerspruchsbescheid. Zur Begründung führte die Beklagte u. a. aus, operative Magenverkleinerungen seien zur Behandlung des extremen krankhaften Übergewichts nur in besonderen Ausnahmefällen als letzte Behandlungsmöglichkeit (sogenannte Ultima-ratio) gerechtfertigt. Die Krankenkassen dürften die Kosten für diese Maßnahme daher nur übernehmen, wenn sämtliche konservativen Behandlungsmethoden (diätetische, medikamentöse, Psycho- und/oder Bewegungstherapie) erfolglos durchgeführt worden seien. Darüber müsse der Body-Maß-Index mindestens 35 betragen und erhebliche Begleiterkrankungen müssten eingetreten sein. Der MDK sei in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass die medizinische Notwendigkeit der beantragten bariatrischen Operation zum jetzigen Zeitpunkt nicht bestehe und eine Ultima-ratio-Situation nicht nachvollzogen werden könne. Der MDK habe das Ausschöpfen der konservativen Therapie empfohlen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 31.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.0214 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Magenbypass-Operation als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Parteien, wird auf die Gerichts- und die Beklagtenakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Durchführung einer Magenbypass-Operation.
Gemäß § 27 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u. a. die ärztliche Behandlung sowie die Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 1 und Ziffer 5 SGB V). Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- oder Dienstleistung, soweit das Gesetz nichts Abweichendes vorsieht. Eine Krankheit im Sinne des § 27 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (vgl. ständige Rechtsprechung des BSG, u. a. BSGE 93, 252). Die Klägerin leidet an Adipositas per magna mit einem BMI von 54 kg/m² und erheblichen Folgeerkrankungen wie einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus nebst Gefühlsstörungen in den Beinen. Mit der Magenbypass-Operation soll eine erhebliche Gewichtsreduktion erfolgen mit positiven Auswirkungen auf den Diabetes mellitus. Die Gewichtsreduktion kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden. Eine Magenbypass-Operation zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse ist nur dann von der Krankenkasse zu erbringen, wenn Behandlungsalternativen, die notwendig, wirtschaftlich und aussichtsreich sind, nicht bestehen oder bereits ohne Erfolg angewandt wurden. Bei den Behandlungsalternativen handelt es sich um eine diätetische Therapie, Bewegungstherapie, medikamentöse Therapie und Psychotherapie. Außerdem muss nachgewiesen sein, dass die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft zu fordernden Bedingungen einer erfolgreichen Behandlung erfüllt sind wie z. B. BMI ) 40, Erschöpfung konservativer Behandlungsmöglichkeiten, tolerables Operationsrisiko, ausreichende Motivation, keine manifeste psychische Erkrankung, Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachbetreuung (vgl. dazu BSG, Urteil vom 16.12.2008, Az. B 1 KR 2/08 R - Magenband - und Urteil vom BSG vom 19.02.2003, Az. B 1 KR 1/02 R). Eine entsprechende konservative Behandlung im Sinne der Leitlinie der Deutschen Adipositas Gesellschaft hat die Klägerin bisher nicht durchgeführt. Die Klägerin hat jedoch an Ernährungsberatungen im Rahmen der Einstellung des Diabetes mellitus teilgenommen, verschiedene Diäten durchgeführt und an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme teilgenommen.
Die Klägerin hat vorliegend trotz des Nichtausschöpfens aller konservativen Behandlungsmöglichkeiten einen Anspruch auf Gewährung der Magenbypass-Operation als Sachleistung.
Nach der interdisziplinären Leitlinie der Qualität S3 zur "Prävention und Therapie der Adipositas", 2014, der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie der Adipositas e. V. kann eine chirurgische Therapie auch primär ohne eine präoperative konservative Therapie durchgeführt werden, wenn die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist oder der Gesundheitszustand des Patienten keinen Aufschub eines operativen Eingriffs zur Besserung durch Gewichtsreduktion erlaubt. Dies ist unter folgenden Umständen gegeben: - besondere Schwere von Begleit- und Folgekrankheiten der Adipositas - BMI ) 40 kg/m² - persönliche psychosoziale Umstände, die keinen Erfolg einer Lebensstiländerung in Aussicht stellen. In einem Sondervotum zu dieser Empfehlung führt die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) aus, dass eine chirurgische Therapie auch primär ohne eine präoperative konservative Therapie in Ausnahmefällen durchgeführt werden kann, wenn die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist. Kriterien für solche Ausnahmefälle sind nicht der BMI oder die Schwere der Begleiterkrankungen, sondern Immobilität des Patienten oder andere Umstände, die eine erfolgreiche diätetische Therapie praktisch nicht ermöglichen, wie beispielsweise extrem hoher Insulinbedarf.
Die Klägerin hat einen BMI von 54,6 kg/m² und es besteht ein schlecht einstellbarer Diabetes mellitus II. Die Behandlung erfolgt mit Insulin. Zwischenzeitlich sind aber bereits Folgeerkrankungen, u. a. eine Polyneuropathie, wie Dr. D. in seiner Bescheinigung vom 08.05.2014 mitteilte, aufgetreten. Der Diabetes mellitus wird mit hohen Insulindosen behandelt, wie auch Dr. E. im Gutachten vom 14.07.2014 feststellte. Dr. E. führte auch aus, dass die Behandlung mit hohen Insulindosen einer Gewichtsabnahme im konservativen Regime entgegenstehe. Aufgrund der hohen Insulindosis und des BMI von 54,6 kg/m² ist eine erhebliche Gewichtsabnahme, die erst zu einer Besserung des Diabetes mellitus führen würde, nicht zu erwarten. Der Klägerin ist auch nicht zumutbar, eine konservative Therapie im Sinne der Leitlinien durchzuführen, da im Hinblick auf die Polyneuropathie eine Magenbypass-Operation umgehend erfolgen muss, um weitere Gesundheitsstörungen zu vermeiden und eine erhebliche Gewichtsabnahme, wenn überhaupt möglich, Jahre dauern würde.
Es bestehen auch keine Kontraindikationen bezüglich der Magenbypass-Operation. Das Krankenhaus C. hat die Klägerin untersucht und die Operation als Behandlung dringend empfohlen.
Aus den vorgenannten Gründen war die Klage erfolgreich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG, die Zulässigkeit der Berufung aus § 143 SGG.
2) Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Kostenübernahme für eine Magenbypass-Operation.
Die 1959 geborene Klägerin leidet an Adipositas, einem schlecht eingestellten insulinpflichtigen Diabetes mellitus, Wirbelsäulenbeschwerden und intermittierenden Herzrhythmusstörungen sowie an einer Polyneuropathie. Die Klägerin wiegt bei einer Größe von 1,68 m 154,4 kg, dies entspricht einem BMI von 54,6 kg/m². Die Klägerin beantragte unter Vorlage eines Antrages auf Genehmigung einer Magenbypass-Operation des Krankenhauses C. vom 07.05.2014 bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Magenbypass-Operation. Die Klägerin legte auf Anforderung noch eine Bescheinigung von Dr. D. vom 08.05.2014 sowie eine Stellungnahme zu ihren gesundheitlichen Einschränkungen vor. Die Beklagte ließ beim MDK - Dr. E. - ein Gutachten zur Notwendigkeit der Magenbypass-Operation erstellen. Mit Bescheid vom 31.07.2014 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die medizinischen Voraussetzungen für den geplanten Eingriff nicht erfüllt seien. Aus sozialmedizinischer Sicht würden die bislang unternommenen Therapieversuche nicht dem multimodalen Therapiekonzept (Bewegung-Ernährung und Psychotherapie) entsprechen. Der MDK habe das Ausschöpfen einer konservativen Therapie im multimodalen Setting mit ernährungsmedizinischer Unterstützung empfohlen.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 26.08.2014 Widerspruch.
Am 21.08.2014 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben und die Feststellung beantragt, dass ihr Antrag auf Gewährung einer adipositaschirurgischen Operation als Sachleistung aus dem Mai 2014 gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V als genehmigt gelte.
Am 16.12.2014 erließ die Beklagte den Widerspruchsbescheid. Zur Begründung führte die Beklagte u. a. aus, operative Magenverkleinerungen seien zur Behandlung des extremen krankhaften Übergewichts nur in besonderen Ausnahmefällen als letzte Behandlungsmöglichkeit (sogenannte Ultima-ratio) gerechtfertigt. Die Krankenkassen dürften die Kosten für diese Maßnahme daher nur übernehmen, wenn sämtliche konservativen Behandlungsmethoden (diätetische, medikamentöse, Psycho- und/oder Bewegungstherapie) erfolglos durchgeführt worden seien. Darüber müsse der Body-Maß-Index mindestens 35 betragen und erhebliche Begleiterkrankungen müssten eingetreten sein. Der MDK sei in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass die medizinische Notwendigkeit der beantragten bariatrischen Operation zum jetzigen Zeitpunkt nicht bestehe und eine Ultima-ratio-Situation nicht nachvollzogen werden könne. Der MDK habe das Ausschöpfen der konservativen Therapie empfohlen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 31.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.0214 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Magenbypass-Operation als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Parteien, wird auf die Gerichts- und die Beklagtenakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Durchführung einer Magenbypass-Operation.
Gemäß § 27 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u. a. die ärztliche Behandlung sowie die Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 1 und Ziffer 5 SGB V). Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- oder Dienstleistung, soweit das Gesetz nichts Abweichendes vorsieht. Eine Krankheit im Sinne des § 27 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (vgl. ständige Rechtsprechung des BSG, u. a. BSGE 93, 252). Die Klägerin leidet an Adipositas per magna mit einem BMI von 54 kg/m² und erheblichen Folgeerkrankungen wie einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus nebst Gefühlsstörungen in den Beinen. Mit der Magenbypass-Operation soll eine erhebliche Gewichtsreduktion erfolgen mit positiven Auswirkungen auf den Diabetes mellitus. Die Gewichtsreduktion kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden. Eine Magenbypass-Operation zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse ist nur dann von der Krankenkasse zu erbringen, wenn Behandlungsalternativen, die notwendig, wirtschaftlich und aussichtsreich sind, nicht bestehen oder bereits ohne Erfolg angewandt wurden. Bei den Behandlungsalternativen handelt es sich um eine diätetische Therapie, Bewegungstherapie, medikamentöse Therapie und Psychotherapie. Außerdem muss nachgewiesen sein, dass die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft zu fordernden Bedingungen einer erfolgreichen Behandlung erfüllt sind wie z. B. BMI ) 40, Erschöpfung konservativer Behandlungsmöglichkeiten, tolerables Operationsrisiko, ausreichende Motivation, keine manifeste psychische Erkrankung, Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachbetreuung (vgl. dazu BSG, Urteil vom 16.12.2008, Az. B 1 KR 2/08 R - Magenband - und Urteil vom BSG vom 19.02.2003, Az. B 1 KR 1/02 R). Eine entsprechende konservative Behandlung im Sinne der Leitlinie der Deutschen Adipositas Gesellschaft hat die Klägerin bisher nicht durchgeführt. Die Klägerin hat jedoch an Ernährungsberatungen im Rahmen der Einstellung des Diabetes mellitus teilgenommen, verschiedene Diäten durchgeführt und an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme teilgenommen.
Die Klägerin hat vorliegend trotz des Nichtausschöpfens aller konservativen Behandlungsmöglichkeiten einen Anspruch auf Gewährung der Magenbypass-Operation als Sachleistung.
Nach der interdisziplinären Leitlinie der Qualität S3 zur "Prävention und Therapie der Adipositas", 2014, der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie der Adipositas e. V. kann eine chirurgische Therapie auch primär ohne eine präoperative konservative Therapie durchgeführt werden, wenn die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist oder der Gesundheitszustand des Patienten keinen Aufschub eines operativen Eingriffs zur Besserung durch Gewichtsreduktion erlaubt. Dies ist unter folgenden Umständen gegeben: - besondere Schwere von Begleit- und Folgekrankheiten der Adipositas - BMI ) 40 kg/m² - persönliche psychosoziale Umstände, die keinen Erfolg einer Lebensstiländerung in Aussicht stellen. In einem Sondervotum zu dieser Empfehlung führt die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) aus, dass eine chirurgische Therapie auch primär ohne eine präoperative konservative Therapie in Ausnahmefällen durchgeführt werden kann, wenn die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist. Kriterien für solche Ausnahmefälle sind nicht der BMI oder die Schwere der Begleiterkrankungen, sondern Immobilität des Patienten oder andere Umstände, die eine erfolgreiche diätetische Therapie praktisch nicht ermöglichen, wie beispielsweise extrem hoher Insulinbedarf.
Die Klägerin hat einen BMI von 54,6 kg/m² und es besteht ein schlecht einstellbarer Diabetes mellitus II. Die Behandlung erfolgt mit Insulin. Zwischenzeitlich sind aber bereits Folgeerkrankungen, u. a. eine Polyneuropathie, wie Dr. D. in seiner Bescheinigung vom 08.05.2014 mitteilte, aufgetreten. Der Diabetes mellitus wird mit hohen Insulindosen behandelt, wie auch Dr. E. im Gutachten vom 14.07.2014 feststellte. Dr. E. führte auch aus, dass die Behandlung mit hohen Insulindosen einer Gewichtsabnahme im konservativen Regime entgegenstehe. Aufgrund der hohen Insulindosis und des BMI von 54,6 kg/m² ist eine erhebliche Gewichtsabnahme, die erst zu einer Besserung des Diabetes mellitus führen würde, nicht zu erwarten. Der Klägerin ist auch nicht zumutbar, eine konservative Therapie im Sinne der Leitlinien durchzuführen, da im Hinblick auf die Polyneuropathie eine Magenbypass-Operation umgehend erfolgen muss, um weitere Gesundheitsstörungen zu vermeiden und eine erhebliche Gewichtsabnahme, wenn überhaupt möglich, Jahre dauern würde.
Es bestehen auch keine Kontraindikationen bezüglich der Magenbypass-Operation. Das Krankenhaus C. hat die Klägerin untersucht und die Operation als Behandlung dringend empfohlen.
Aus den vorgenannten Gründen war die Klage erfolgreich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG, die Zulässigkeit der Berufung aus § 143 SGG.
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