L 15 SF 201/14 E

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 SF 120/14 E
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SF 201/14 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
Damit die Prozesserklärung einer Partei als Vergleich qualifiziert werden kann, ist es erforderlich, dass die denkbaren weiteren Ansprüche, auf welche die Partei durch die Annahme eines Anerkenntnisses verzichtet, näher konkretisiert sind; diese müssen auch realistisch und für die Parteien relevant sein. Vom Anerkenntnis nicht umfassste außergerichtliche Kosten genügen dabei regelmäßig nicht.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 7. Juli 2014 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdeführer nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse (Beschwerdegegner) zusteht. Streitig ist die Einigungsgebühr.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth (SG), Az.: S 8 KR 339/13, ging es um die Weitergewährung von Krankengeld über den 08.04.2013 hinaus bis zum Ende der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit. Am 23.07.2013 erhob die Klägerin über ihren Bevollmächtigten, den Beschwerdeführer, Klage. Nach der Durchführung von Sachermittlungen beantragte der Beschwerdeführer am 03.03.2014 PKH. Diesem Antrag wurde mit gerichtlichem Beschluss vom 10.03.2014 entsprochen; der Beschwerdeführer wurde mit Wirkung ab 05.03.2014 beigeordnet. Nach Erstellung eines Termingutachtens fand am 13.03.2014 ein Erörterungstermin der Kammer statt. In diesem Termin gab der Beklagte nach Erörterung der Sach- und Rechtslage und insbesondere der Besprechung des Sachverständigengutachtens ein Anerkenntnis ab, in dem er sich verpflichtete, der Klägerin für die Zeit vom 09.04.2013 bis 13.10.2013 Krankengeld in der gesetzlichen Höhe nachzuzahlen und die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu übernehmen. Der Beschwerdeführer nahm dieses Anerkenntnis mit Einverständnis der ebenfalls anwesenden Klägerin an. Der Rechtsstreit war damit erledigt.

Mit Schreiben vom 17.04.2014 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung der Vergütung gegen die Staatskasse in Höhe von insgesamt 426,37 EUR (hälftiger Betrag nach Abzug des von der Beklagten zu übernehmenden Anteils). U.a. setzte der Beschwerdeführer dabei eine Einigungsgebühr gemäß Nr. 1006 VV RVG in Höhe von 190,00 EUR (netto) an.

Mit Beschluss vom 02.06.2014 setzte die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG die Vergütung des Beschwerdeführers auf insgesamt 313,33 EUR fest, indem sie die Einigungsgebühr nicht berücksichtigte. Diese sei wegen des Anerkenntnisses nicht angefallen. Gegen diese Kostenfestsetzung hat der Beschwerdeführer am 04.06.2014 Erinnerung eingelegt und diese im Wesentlichen damit begründet, dass ein "zeitabschnittsweises Anerkenntnis" durch die Beklagte abgegeben worden sei, obwohl aus einem parallel geführten Rentenversicherungsverfahren ein Gutachten mit gegenläufigem Ergebnis bekannt gewesen sei. Im Gegenzug habe dies die Klägerin bei hälftiger Kostentragung als sachgerechtes Gesamtergebnis unter Aufgabe gegebenenfalls bestehender weiterer und durch das eingeholte Gutachten grundsätzlich ebenfalls denkbarer Ansprüche akzeptiert. Auf die formale Bezeichnung in einer Sitzungsniederschrift komme es nicht an; entscheidend sei, dass nach materiell-rechtlichen Kriterien ein Vergleich vorliege, da eine im Wege des gegenseitigen Nachgebens liegende Gesamtlösung gefunden habe werden können.

Mit Beschluss vom 07.07.2014 hat das SG die Erinnerung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Die vom Beschwerdeführer verlangte Einigungsgebühr sei, so das SG, unbillig, da sie nicht entstehe, wenn sich der Vertrag ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht beschränkte. Vorliegend liege in der Sache zweifelsfrei ein Anerkenntnis vor, das den gesamten denkbaren Anspruch auf Krankengeld bejahe. So habe nach dem 13.10.2013 keine ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit mehr vorgelegen. Eine solche sei jedoch zwingende Tatbestandsvoraussetzung für einen Krankengeldanspruch. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, auf denkbare weitere Ansprüche verzichtet zu haben, sei absurd, weil es denkbare weitere Ansprüche schlicht nicht gebe. Ebenso fehl gehe der Hinweis auf das Rentenversicherungsverfahren, da es hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch und dem Anspruch auf Krankengeld um zwei völlig verschiedene Sachverhalte und Rechtslagen gehe. Nicht zuletzt wisse "das Fachgericht sehr wohl, was es tut, wenn es ein Anerkenntnis in der Sitzungsniederschrift protokolliert!". Die Erinnerung sei daher offensichtlich unbegründet.

Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 21.07.2014 Beschwerde erhoben und erneut auf die Irrelevanz der förmlichen Bezeichnung in der Sitzungsniederschrift verwiesen. Die Einigung sei vorliegend darin zu sehen, dass einerseits von der Beklagten trotz völlig entgegengesetzter medizinischer Gutachten Krankengeld bis 13.10.2013 gewährt worden sei. Andererseits seien durch das im vorliegenden Verfahren eingeholte Gutachten die medizinischen Voraussetzungen für eine Krankengeldgewährung auch über den genannten Zeitpunkt hinaus als gegeben angesehen worden. Der Aspekt der Anspruchsdauer sei vorher nicht weitergehend thematisiert worden. Zudem hat der Beschwerdeführer auf den ausdrücklichen Hinweis des SG im Erörterungstermin verwiesen, dass man von der Beklagtenseite der Klägerin bereits entgegengekommen sei und somit im Gegenzug ein Kostenzugeständnis zur vollständigen Beilegung der gesamten Angelegenheit dringend nahegelegt habe. Dem sei die Klägerseite dann auch nachgekommen. Allein das Zugestehen eines Anspruchs dem Grunde nach und das kostenseitige Entgegenkommen der Klägerin seien für das Entstehen einer Einigungsgebühr ausreichend.

Der Staatskasse ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie des Erinnerungsverfahrens und des erstinstanzlichen Klageverfahrens des SG verwiesen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Zuständig für die Entscheidung ist der Einzelrichter gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG.

Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall gemäß der Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG auch nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Zweites Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl S. 2586, 2681 ff.) die Regelungen des RVG in der bis 31.07.2013 geltenden Fassung. Denn der unbedingte Auftrag im Sinne der genannten Vorschrift ist dem Beschwerdeführer vor diesem Zeitpunkt erteilt worden. Der Zeitpunkt der Beiordnung durch das Gericht ist für die Bestimmung des maßgeblichen Gebührenrechts dann entscheidend, wenn ein bedingter Klageauftrag, d.h. ein Klageauftrag unter der Bedingung der Bewilligung von PKH erteilt worden ist (vgl. z.B. Straßfeld, Sgb 2013, 562, 568, m.w.N.). Entgegen der Auffassung des SG sieht der Senat vorliegend keine Anhaltspunkte für einen bedingten Klageauftrag. Vielmehr geht er nach Betrachtung der Klageschrift und der dort gestellten Anträge davon aus, dass der unbedingte Auftrag (spätestens) wenige Tage vor dem genannten Stichtag, nämlich am 20.07.2013, erteilt worden ist. Dies ergibt sich vor allem auch daraus, dass PKH erst wesentlich später beantragt worden ist (siehe oben).

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist auch fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG eingelegt worden. Maßgeblich hinsichtlich des Beschwerdewerts ist der Bruttobetrag der geltend gemachten Einigungsgebühr in Höhe von 190,00 EUR.

2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Der Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf eine höhere Rechtsanwaltsvergütung.

Die Kostenbeamtin und die Kostenrichterin des SG haben die Vergütung des Beschwerdeführers zutreffend festgesetzt.

Der diesem zuerkannte Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse beruht auf §§ 45 ff. RVG. Streitig ist allein die Einigungsgebühr gemäß Nr. 1006 VV RVG (a.F.).

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers steht ihm eine solche Gebühr nicht zu, da die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind.

Eine Einigungsgebühr (Nrn. 1006, 1000 VV RVG) setzt voraus, dass ein Vertrag zustande kommt, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich wie vorliegend ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht (Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV RVG). Der Sondertatbestand Nr. 1006 VV RVG für das sozialgerichtliche Verfahren, in dem regelmäßig Betragsrahmen- anstatt Streitwertgebühren entstehen, ändert an den Voraussetzungen des Nr. 1000 VV RVG für das Entstehen einer Einigungsgebühr nichts. Vorliegend bedarf es keiner weiteren Ausführungen, unter welchen Voraussetzungen ein solcher Vertrag überhaupt zustande kommt. Denn selbst wenn man hier einen Vertrag bejahen würde, so würde dieser ein bloßes Anerkenntnis beinhalten (vgl. die Entscheidung des Senats vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 338/11 B, Beschluss des Thüringer Landessozialgerichts vom 04.06.2015, Az.: L 6 SF 472/15 B). Das Vorbringen des Beschwerdeführers überzeugt insoweit nicht. Im Einzelnen kann auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses verwiesen werden. Der Senat schließt sich zwar nicht der Auffassung des SG an, dass die Argumentation des Beschwerdeführers "absurd" sei. Denn theoretisch hat der Beschwerdeführer durchaus auf weitere denkbare Ansprüche verzichtet, indem er das Anerkenntnis angenommen hat. Damit die Prozesserklärung einer Partei jedoch als Vergleich qualifiziert werden kann, ist es erforderlich, dass die weiteren Ansprüche näher konkretisiert sind; diese müssen auch realistisch und für die Parteien relevant sein. Vom Anerkenntnis nicht umfasste außergerichtliche Kosten genügen dabei nicht. Die genannten Voraussetzungen sieht der Senat vorliegend nicht für gegeben an. Im Übrigen besteht durchaus Anlass für die Vermutung, dass ein Vorsitzender des jeweiligen Spruchkörpers der Sozialgerichtsbarkeit in der Sitzungsniederschrift die prozessbeendigenden Erklärungen von Parteien in materiell zutreffender Weise bezeichnet. Ausschlaggebend ist die förmliche Bezeichnung - entsprechend der zutreffenden Ansicht des Beschwerdeführers - freilich nicht. Hierauf kommt es vorliegend jedoch nicht an, da aus Sicht des Senats am Vorliegen eines Anerkenntnisses keine Zweifel bestehen.

Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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