L 18 AS 1613/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 36 AS 2474/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 1613/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 10. Juni 2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Der Beklagte bewilligte der Klägerin und der mit ihr in einer Haushaltsgemeinschaft lebenden Tochter S mit Bescheid vom 26. Januar 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Zeit vom 1. März 2010 bis 31. August 2010 (Regelleistung Klägerin = 322,61 EUR monatlich, Leistungen für Unterkunft und Heizung – KdU – monatlich 36,68 EUR). Auf den Widerspruch der Klägerin hob der Beklagte den Bescheid vom 26. (25.) Januar 2010 auf und bewilligte der Klägerin nunmehr für die Zeit vom 1. März 2010 bis 31. August 2010 Regelleistungen iHv monatlich 325,64 EUR bei unveränderten KdU-Leistungen (Bescheide vom 16. März 2010). Mit Bescheid vom 17. März 2010 gewährte der Beklagte für den in Rede stehenden Bewilligungszeitraum der Klägerin nunmehr Regelleistungen iHv 325,72 EUR monatlich und KdU-Leistungen iHv monatlich 40,25 EUR.

Im August 2010 bat die Klägerin um Übernahme der Kosten für erworbenes Heizöl (Rechnung vom 27. August 2010 iHv 1.577,10 EUR, zahlbar "sofort nach Erhalt der Rechnung"). Unter Berücksichtigung der vier Bewohner des Hauses übernahm der Beklagte hiervon für September 2010 weitere KdU iHv 788,55 EUR (anteilig für die Klägerin 435,70 EUR; Bescheid vom 6. September 2010).

Im März 2011 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides vom 26. (25.) Januar 2010 "inklusive aller Änderungsbescheide". Es seien die KdU zu überprüfen, ferner die Einkommensanrechnung. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 25. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2011 ab. Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat die auf Verpflichtung des Beklagten zur Änderung des "Bescheides vom 25. Januar 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. März 2010" und Gewährung höherer KdU-Leistungen für die Zeit vom 1. März 2010 bis 31. August 2010 gerichtete Klage, mit der die Klägerin mit Schriftsatz vom 2. Juni 2015 eine Aufstellung ihrer KdU vorlegte, abgewiesen (Urteil vom 10. Juni 2015). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Eine Sachprüfung habe der Beklagte mangels Konkretisierung des Überprüfungsantrags im Verwaltungs- bzw Widerspruchsverfahren nicht vornehmen müssen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin, die nunmehr weitere KdU-Leistungen für August 2010 iHv 788,55 EUR geltend macht, ihr Begehren weiter; auf ihren Schriftsatz vom 25. Juni 2015 wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt nach ihrem Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 10. Juni 2015 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 25. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2011 zu verpflichten, ihr unter Änderung der Bescheide vom 16. und 17. März 2010 für August 2010 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 788,55 EUR zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakte beider Instanzen Bezug genommen.

II. Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung der Klägerin durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl § 153 Abs 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung der Klägerin, mit der sie bei verständiger Würdigung (vgl § 123 SGG) im Zugunstenverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) unter Änderung der Bescheide vom 16. bzw 17. März 2010 weitere KdU-Leistungen für August 2010 iHv 788,55 EUR geltend macht, ist nicht begründet.

Soweit die Klägerin nunmehr ausdrücklich (nur noch) für August 2010 die Zahlung der von dem Beklagten für September 2010 bewilligten (vgl Bescheid vom 6. September 2010) anteiligen Heizölkosten iHv 788,55 EUR begehrt, ist die Klage bereits unzulässig, soweit sie sich auf den hiervon auf die Tochter der Klägerin entfallenden Kopfanteil (= 395,45 EUR) bezieht; die Klägerin ist insoweit nicht befugt, Individualansprüche ihrer am Verfahren nicht beteiligten Tochter geltend zu machen.

Im Übrigen ist die Klage nicht begründet. Die Klägerin hatte nämlich keinen Überprüfungsantrag gestellt, der zu einer inhaltlichen Überprüfung der benannten Verwaltungsakte – der Bescheid vom 26. (25.) Januar 2010 hatte sich bereits durch die Aufhebungsentscheidung des Beklagten vom 16. März 2010 erledigt – hätte führen müssen. Zu den Voraussetzungen für einen Überprüfungsantrag eines Leistungsberechtigten nach § 44 SGB X hat der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Urteil vom 13. Februar 2014 (- B 4 AS 22/13 R = SozR 4-1300 § 44 Nr 28 mwN), dem sich der 14. Senat des BSG angeschlossen hat (Beschluss vom 4. Juni 2014 - B 14 AS 335/13 B - juris; Urteil vom 28. Oktober 2014 - B 14 AS 39/13 R = SozR 4-1300 § 44 Nr 31), ausgeführt: Erfolgt die Überprüfung aufgrund eines Antrags des Leistungsberechtigten, löst dieser Antrag zwar grundsätzlich eine Prüfpflicht des Leistungsträgers aus, deren Umfang aber von dem Antrag und dessen Begründung abhängig ist. Eine solche Prüfung erfordert, dass der Antrag konkretisierbar ist und entweder aus dem Antrag selbst – ggf nach Auslegung – oder aus einer Antwort des Antragstellers auf eine Nachfrage des Leistungsträgers der Umfang der Prüfpflicht für die Verwaltung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar ist. Andernfalls ist der Leistungsträger berechtigt, von einer inhaltlichen Prüfung des Antrags abzusehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, nach dem "im Einzelfall" beim Vorliegen der Voraussetzungen die Rücknahme eines Verwaltungsaktes erfolgen soll, was in der Konsequenz bedeutet, dass der Überprüfungsantrag des Leistungsberechtigten einen oder ggf mehrere zu überprüfende Verwaltungsakte konkret aufführen muss. Dafür streitet auch der Sinn und Zweck des § 44 SGB X, der die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zugunsten letzterer auflösen will, was jedoch nur möglich ist, wenn der Verwaltung der zu lösende Konflikt bekannt ist.

Die Klägerin hatte zwar mit ihrem Überprüfungsantrag vom März 2011 den – seinerzeit bereits aufgehobenen – Bescheid vom 26. (25.) Januar 2010 benannt, nicht aber die in Bezug genommenen "Änderungsbescheide". Gegen den zuletzt ergangenen und für den streitigen Bewilligungszeitraum vom 1. März 2010 bis 31. August 2010 letztlich maßgebenden Änderungsbescheid vom 17. März 2010 hat sie sich selbst mit ihrem zuletzt beim SG gestellten Prozessantrag gar nicht gewandt. Dem Überprüfungsantrag vom März 2011, den die Klägerin mit gleichlautender Pauschalbegründung hinsichtlich zahlreicher anderer Bescheide des Beklagten gestellt hatte, konnte zudem aufgrund der in ihm angeführten, zu überprüfenden Umstände keine Konkretisierung entnommen werden, die bezogen auf die genannten Bescheide eine einzelfallbezogene Überprüfung ermöglicht hätte. Letztlich hat die Klägerin erstmals im Klageverfahren Tatsachen vorgebracht, aus denen konkrete einzelfallbezogene Prüfungspunkte hinsichtlich der benannten Verwaltungsakte hätten abgeleitet werden können (vgl BSG aaO). Dabei gilt aber, dass zumindest in Rechtsstreitigkeiten über die Beurteilung, ob ein hinreichend konkretisierter Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X vorliegt, auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung über diesen Überprüfungsantrag abzustellen ist (vgl BSG aaO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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