L 7 SO 1475/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 2439/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 1475/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die "Übernahme von Versicherungsprämien" bildet keinen eigenständig abgrenzbaren Streitgegenstand, der zum alleinigen Inhalt eines Rechtsstreits gemacht werden könnte, sondern steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit den für den Bedarfsmonat, in dem die Versicherungsprämien fällig werden, bewilligten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Die Entscheidung, ob die Aufwendungen für eine Versicherungsprämie als Absetzbetrag nach § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII einkommensmindernd berücksichtigt werden können, kann nicht isoliert getroffen werden.


L 7 SO 1475/15

S 4 SO 2439/14

Im Namen des Volkes Urteil

Der 7. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart hat auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2015 für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25. März 2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme der jährlich entstehenden Versicherungsbeiträge einer "Nulltarif-Versicherung" für die Anfertigung von Sehhilfen streitig.

Der 1933 geborene, alleinstehende Kläger, der bei der A. in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner versichert ist und über kein Vermögen verfügt, bezieht - ergänzend neben seiner Altersrente seitens der D. (monatlich 329,10 EUR, ab Juli 2014 334,60 EUR, ab Januar 2015 333,48 EUR und ab Juli 2015 340,48 EUR) und des französischen Rentenversicherungsträgers (monatlich 67,29 EUR) - durch den Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII), wobei der Beklagte den Regelbedarf, einen Mehrbedarf für dezentrale Warmwassererzeugung und die Kosten für Unterkunft und Heizung berücksichtigt. Der Beklagte bewilligte dem Kläger für die Bewilligungsabschnitte vom 1. Juli 2013 bis zum 30. Juni 2014 Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 284,48 EUR und vom 1. Juli 2014 bis zum 30. Juni 2015 von 373,90 Euro, ab Januar 2015 377,71 Euro (Regelbedarf 382,00 Euro, ab 1. Juli 2014 391,00 Euro, ab Januar 2015 399,00 Euro + Mehrbedarf dezentrale Warmwassererzeugung 8,79 Euro, ab Juli 2014 8,99 Euro, ab Januar 9,81 Euro + Kosten der Unterkunft und Heizung 370,30 Euro - 80,22 Euro Aufrechnung [1. Juli 2013 bis 30. Juni 2014]) (Bescheid vom 4. Juli 2013 in Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2013 für den Bewilligungsabschnitt vom 1. Juli 2013 bis 30. Juni 2014; Bescheide vom 16. Juni 2014, 26. Juni 2014 und 24. Februar 2015 für den Bewilligungsabschnitt vom 1. Juli 2014 bis zum 30. Juni 2015). Für die Zeit vom 1. Juli 2015 bis zum 30. Juni 2016 bewilligte er weiterhin einen monatlichen Leistungsbetrag in Höhe von 377,71 Euro (Bescheid vom 15. Juni 2015).

Am 15. August 2014 beantragte der Kläger bei dem Beklagten "die Übernahme der Versicherungsprämie zur kostenfreien Anfertigung von Sehhilfen" und legte zwei Rechnungen der H. vom 24. Juli 2014 über "Nulltarif-Versicherung" Nr. 000043579956 und 000043579945 für die Zeit vom 1. September 2014 bis zum 31. August 2015 mit einem Beitrag in Höhe von 10,00 Euro bzw. 50,00 Euro, insgesamt 60,00 Euro, fällig zum 1. September 2014, vor. Die Anfertigung von Sehhilfen wäre ihm - dem Kläger - ohne Schutzversicherung nicht möglich. Durch die Versicherung werde das Erlangen von Brillen nicht unwesentlich erleichtert, da die jährlichen Versicherungsprämien wesentlich günstiger seien als der Direktkauf einer Brille.

Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 26. August 2014 ab. Eine Übernahme von Versicherungsprämien zur kostenfreien Anfertigung von Sehhilfen könne nicht erfolgen. Diese Aufwendungen seien mit dem Regelsatz abgegolten. Nach § 5 Abs. 1, Abteilung 6 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) sei für die Gesundheitspflege ein Betrag von 15,55 Euro im Regelbedarf enthalten. Der dagegen eingelegte Widerspruch (Schreiben vom 2. September 2014) hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 11. September 2014).

Dagegen hat der Kläger am 25. September 2014 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und geltend gemacht, den "dem Kläger entstehenden Aufwand in Gestalt jährlicher Versicherungsprämien zwecks Anfertigung von Sehhilfen zum "Null-Tarif" zu übernehmen". Der Regelbedarf umfasse Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat und Haushaltsenergie, jedoch nicht die Aufwendungen für Gesundheitspflege. Insbesondere umfasse der Regelbedarf keinesfalls Sehhilfen. Im Übrigen entspreche die Entscheidung des Beklagten nicht der einschlägigen Rechtsprechung.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25. März 2015 abgewiesen. Der Kläger habe gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Übernahme der geltend gemachten Versicherungsbeiträge.

Gegen das ihm am 31. März 2015 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger - entsprechend der Rechtsmittelbelehrung des SG - mit seiner am 14. April 2015 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Verfügung vom 4. Mai 2015 darauf hingewiesen, dass die Statthaftigkeit der Berufung zweifelhaft sein könnte, nachdem die im Juni 2014 fällig gewordene Versicherungsprämie sich nur auf insgesamt 60,00 Euro belaufen hat und damit die Berufungssumme des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht erreicht werde.

Dazu hat der Beklagte dahingehend Stellung genommen, dass er die Übernahme von Versicherungsprämien generell, mithin also auch für die Zukunft, abgelehnt habe. Der Kläger hat betont, dass er die Übernahme der jährlichen Versicherungsbeiträge auch für die Zukunft begehre.

Der Kläger beantragt (teilweise) sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25. März 2015 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 26. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. September 2014 sowie unter teilweiser Aufhebung der Bescheide vom 16. Juni 2014 und 26. Juni 2014 zu verurteilen, ihm für September 2014 höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu zahlen und "die ihm jährlich entstehenden Kosten in der Gestalt von Versicherungsprämien in Höhe von derzeit EUR 50,00 + 10,00 (60,00 EUR) zwecks Anfertigung von Sehhilfen zum "Null-Tarif" zu übernehmen".

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält das angefochtene Urteil des SG für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die gem. § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Denn der Kläger begehrt mit seiner Berufung (vgl. Klageschrift vom 23. September 2014, Berufungsschrift vom 11. April 2015 sowie Schreiben vom 8. Mai 2015) laufende bzw. wiederkehrende Leistungen für mehr als 1 Jahr, nämlich - zeitlich unbeschränkt - die wiederkehrende Übernahme der jährlich im September fällig werdenden Versicherungsprämien für seine beiden "Nulltarif-Versicherungen" bei der H. ab 2014.

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist zunächst der Bescheid vom 26. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. September 2014 (§ 95 SGG), mit dem der Beklagte den Antrag des Klägers vom 15. August 2014 auf Übernahme der zum 1. September 2014 fällig werdenden Versicherungsprämien der beiden "Nulltarif-Versicherungen" bei der H. für die Zeit vom 1. September 2014 bis zum 31. August 2015 in Höhe von insgesamt 60,00 Euro abgelehnt hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten enthält der Bescheid - aus Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers - keine generelle und für die Zukunft geltende Regelung betreffend die Ablehnung der Übernahme der Versicherungsprämie für die "Nulltarif-Versicherungen" bei der H., sondern lediglich die Ablehnung der zum 1. September 2014 fällig gewordenen Versicherungsprämien in Höhe von insgesamt 60,00 Euro. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger seinem Antrag "auf Übernahme der Versicherungsprämien" (Schreiben vom 13. August 2014) die Beitragsrechnungen der H. vom 24. Juni 2014 über insgesamt 60,00 Euro beigelegt hatte. Diesen Betrag sollte der Beklagte erkennbar erstatten. Entscheidend ist weiter zu beachten, dass die "Übernahme der Versicherungsprämien" keinen eigenständig abgrenzbaren Streitgegenstand, der zum alleinigen Inhalt eines Rechtsstreits gemacht werden könnte (vgl. dazu z.B. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 26. August 2008 - B 8/9b SO 10/06 R - BSGE 101, 217 - juris Rdnr. 12 ff.; Urteil vom 19. Mai 2009 - B 8 SO 8/08 R - BSGE 103, 181 - juris Rdnr. 13; Urteil vom 15. November 2012 - B 8 SO 3/11 R - juris Rdnr. 11) bildet, sondern in einem untrennbaren Zusammenhang mit den für den Bedarfsmonat September 2014, in dem die Prämien fällig geworden sind, durch Bescheide vom 16. Juni 2014 und 26. Juni 2014 bewilligten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung steht. Denn der in erster Linie maßgebliche rechtliche Anknüpfungspunkt für das Begehren des Klägers ist § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII, wonach von dem bedarfsmindernd zu berücksichtigenden Einkommen (§§ 19 Abs. 2 Satz 1, 41 Abs. 1 Satz 1, 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII) - vorliegend die deutsche und französische Altersrente - u.a. Beiträge zu privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, im Fälligkeitsmonat (vgl. Geiger in LPK-SGB XII, 10. Aufl. 2015, § 82 Rdnr. 77; Lücking in Hauck/Noftz, § 82 SGB XII Rdnr. 83; Schmidt in jurisPK-SGB XII, § 82 Rdnr. 66; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 82 Rdnr. 79; vgl. ferner zum Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) BSG, Urteil vom 27. September 2011 - B 4 AS 180/10 R - juris Rdnr. 33) abzusetzen sind. Die Entscheidung, ob die Aufwendungen des Klägers für die "Nulltarif-Versicherungen" im September 2014 als Absetzbetrag einkommensmindernd berücksichtigt werden können, kann nicht isoliert getroffen werden. Die Frage, ob die streitigen Versicherungsprämien von dem dem Kläger im September 2014 zugeflossenen Einkommen abzusetzen sind und die in den Bescheiden vom 16. Juni 2014 und 26. Juni 2014 erfolgte Leistungsbewilligung zugunsten des Klägers auf Grundlage des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) - zu ändern ist, hat der Beklagte geprüft und verneint (vgl. Widerspruchsbescheid vom 11. September 2014). Dass er das klägerische Begehren auch unter dem Gesichtspunkt eines zusätzlichen Bedarfs i.S. der §§ 42 Nr. 2, 30 ff. SGB XII geprüft hat, ändert nichts daran, dass die Berücksichtigung von Absetzbeträgen lediglich ein unselbständiges Berechnungselement der Grundsicherungsleistungen darstellt. Vor diesem Hintergrund enthält der Bescheid vom 26. August 2014 auch keine Regelung über "die Übernahme" der im Folgejahr (September 2015) fällig gewordenen Versicherungsprämien, zumal der Kläger den Fortzahlungsantrag für den Bewilligungsabschnitt ab Juli 2015 erst am 8. Juni 2015, mithin nach Erlass des hier streitigen Bescheids vom 26. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. September 2014, gestellt und der Beklagte über diesen Antrag mit Bescheid vom 15. Juni 2015 entschieden hat. Dieser Bescheid ist auch nicht gem. § 96 SGG Gegenstand des Gerichtsverfahrens geworden, weil er den Bescheid vom 26. August 2014 betreffend die Übernahme der im September 2014 fällig gewordenen Versicherungsprämien nicht abändert oder ersetzt. Ebenfalls nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind (höhere) Leistungen für Unterkunft und Heizung für September 2014, die einen abtrennbaren Streitgegenstand bilden (z.B. BSG, Urteil vom 14. April 2011 - B 8 SO 18/09 R - juris Rdnr. 10).

Neben dem mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG) verfolgten Begehren auf um 60,00 Euro höhere Grundsicherungsleistungen für September 2014 verlangt der Kläger darüber hinaus auch die zeitlich unbegrenzte Übernahme der Versicherungsprämien für seine "Nulltarif-Versicherungen" bei der H. in den Folgejahren (ab 2015).

3. Die Berufung des Klägers betreffend die Übernahme der Versicherungsprämien für seine "Nulltarif-Versicherungen" mit einer Vertragslaufzeit ab 1. September 2015 bei der H. ist bereits deshalb unbegründet, weil die Klage insoweit von Anfang an unzulässig gewesen ist. Vor Bekanntgabe des Verwaltungsakts ist die Klage mangels gegenwärtiger Beschwer nicht zulässig; eine "Heilung" tritt selbst durch eine spätere Bekanntgabe nicht ein (Senatsurteil vom 16. Oktober 2014 - L 7 AS 5359/11 -; Bayerisches LSG, Urteil vom 20. Januar 2009 - L 15 VG 20/08 - juris Rdnr. 10). Hinsichtlich des Fälligkeitsmonats September 2015 hat der Beklagte aber erst mit Bescheid vom 15. Juni 2015 über die Gewährung von Grundsicherungsleistungen - einschließlich des zu berücksichtigenden Einkommens - entschieden. Im Übrigen dürfte dieser Bescheid bestandkräftig und daher in der Sache bindend (§ 77 SGG) geworden sein, da eine Anfechtung des Bescheids vom 15. Juni 2015 betreffend die Grundsicherungsleistungen für den Bewilligungsabschnitt vom 1. Juli 2015 bis zum 30. Juni 2016 - trotz zutreffender Rechtsbehelfsbelehrung - durch den Kläger zu keiner Zeit erfolgt sein dürfte. Hinsichtlich der Übernahme der in den Folgejahren ab 2016 ggf. fällig werdenden Versicherungsprämien fehlt es an einer anfechtbaren Verwaltungsentscheidung, die zum Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung gemacht werden könnte (vgl. § 54 Abs. 1 und 4 SGG).

4. Im Übrigen ist die Berufung des Klägers unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung höherer Grundsicherungsleistungen für September 2014.

a. Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII haben gem. §§ 19 Abs. 2, 41 SGB XII Personen, die - wie der 1933 geborene Kläger - die Altersgrenze des § 41 Abs. 2 SGB XII erreicht und ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben sowie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen bestreiten können.

b. Für den hier streitigen Monat hat der Beklagte zugunsten des Klägers den Regelsatz nach Regelbedarfsstufe 1 in Höhe von 391,00 Euro angesetzt. Ein weiterer grundsicherungsrechtlicher Bedarf hinsichtlich der geltend gemachten Versicherungsprämien für die beiden "Nulltarif-Versicherungen" ist nicht ersichtlich. Nach § 27a Abs. 1 SGB XII umfasst der notwendige Lebensunterhalt insbesondere Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehören in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilhabe am kulturellen Leben (§ 27a Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts außerhalb von Einrichtungen mit Ausnahme der zusätzlichen Leistung für Bildung und Teilhabe (§§ 34 f. SGB XII) sowie von Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 35 SGB XII) und der Sonderbedarfe nach den §§ 30 bis 33 SGB XII wird nach Regelsätzen erbracht (§ 27a Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Zur Deckung der Regelbedarfe, die sich nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28 SGB XII - vorliegend Regelbedarfsstufe 1: 391,00 Euro monatlich - ergeben, sind monatliche Regelsätze zu gewähren (§ 27a Abs. 3 Satz 1 SGB XII). Der Regelsatz stellt einen monatlichen Pauschalbetrag zur Bestreitung des Regelbedarfs dar, über dessen Verwendung die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich entscheiden; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen (§ 27a Abs. 3 Satz 2 SGB XII). Eine abweichende Bedarfsfestsetzung nach §§ 42 Nr. 2, 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII ist in den hier streitigen Bescheiden des Beklagten vom 16. Juni 2014, 26. Juni 2014 und 26. August 2014 betreffend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für September 2014 zu Recht nicht erfolgt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Bedarf des Klägers seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. An die abweichende Bemessung zugunsten des Hilfesuchenden sind hohe Anforderungen zu stellen. Es reicht nicht die pauschale Behauptung, dass Mehrkosten entstehen würden. Der Hilfesuchende muss darlegen, dass der geltend gemachte zusätzliche Bedarf durch die Bedarfsgruppen nicht erfasst wird. Der vom Kläger geltend gemachte Bedarf im Bereich der Gesundheitspflege ist hinreichend im Regelbedarf enthalten.

Die Grundlage der Bemessung der Regelbedarfe bilden die Einkommens- und Verbrauchsstichproben nebst Sonderauswertungen (vgl. §§ 28 Abs. 1 und 2 SGB XII, 1 RBEG), wobei hierfür die in den Einkommens- und Verbrauchsstichproben nachgewiesenen tatsächlichen Verbrauchsausgaben unterer Einkommensschichten maßgeblich sind. Bei der Bestimmung des hier maßgeblichen Referenzhaushaltes "Einpersonenhaushalt" (§§ 28 Abs. SGB XII, 2 Nr. 1 RBEG) sind in der Abteilung 6 (Gesundheitspflege) gem. § 5 Abs. 1 RBEG 15,55 EUR enthalten. Dabei hat der Gesetzgeber die durchschnittlichen monatlichen Ausgaben für pharmazeutische Erzeugnisse mit Rezept (nur Eigenanteile und Rezeptgebühren) (3,47 Euro), pharmazeutische Erzeugnisse ohne Rezept (5,07 Euro), andere medizinische Erzeugnisse mit Rezept (0,67 Euro), andere medizinische Erzeugnisse ohne Rezept (1,44 Euro), therapeutische Mittel und Geräte einschließlich Eigenanteil (2,26 Euro) und Praxisgebühren (2,63 Euro) als regelbedarfsrelevante Verbrauchsausgaben berücksichtigt (BT-Drs. 17/3404, S. 58). Er ist davon ausgegangen, dass die Verbrauchsausgaben der Abteilung 6 für Gesundheitspflege über die Krankenversicherung und bei nicht krankenversicherten Leistungsberechtigten nach dem SGB XII über die Hilfen zur Gesundheit (§§ 47 ff. SGB XII) abgedeckt und insoweit nicht regelbedarfsrelevant sind (zustimmend BSG, Urteil vom 12. Juli 2012 - B 14 AS 153/11 R - BSGE 111, 211 - juris Rdnr. 71; Urteil vom 26. Mai 2011 - B 14 AS 146/10 R - BSGE 108, 235 - juris Rdnr. 23 ff.). Hinsichtlich der Positionen "Therapeutische Mittel und Geräte (einschließlich Eigenanteile)" hat der Gesetzgeber darauf hingewiesen, dass die in der Sonderauswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 als regelbedarfsrelevant zugrunde gelegten Positionen "Orthopädische Schuhe", "Reparaturen von therapeutischen Geräten" sowie "Miete von therapeutischen Geräten" nicht mehr als regelbedarfsrelevant berücksichtigt worden sind, da hierfür ein neuer einmaliger Bedarf in § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII eingeführt worden ist. Im Hinblick auf die Fortschreibung der Regelsätze (vgl. § 29 SGB XII) zum 1. Januar 2014 sind für den hier streitigen Monat September 2014 in der Abteilung 6 (Gesundheitspflege) Ausgaben für pharmazeutische Erzeugnisse mit Rezept (nur Eigenanteile und Rezeptgebühren) (3,75 Euro), pharmazeutische Erzeugnisse ohne Rezept (5,48 Euro), andere medizinische Erzeugnisse mit Rezept (0,72 Euro), andere medizinische Erzeugnisse ohne Rezept (1,56 Euro), therapeutische Mittel und Geräte einschließlich Eigenanteil (2,44 Euro) und die - ab dem 1. Januar 2013 nicht mehr erhobene (vgl. § 28 Abs. 4 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung) - Praxisgebühren (2,85 Euro) eingestellt, mithin insgesamt 16,80 Euro (vgl. Schwabe, ZfF 2014, 1/9). Mit den Leistungen nach dem SGB V, die der Kläger als Mitglied der AOK erhält und die auch den Leistungsumfang im Rahmen des SGB XII bestimmen (z.B. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Juni 2014 - L 9 SO 84/14 B - juris Rdnr. 6; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Mai 2014 - L 2 SO 1431/14 - juris Rdnr. 27), dem Regelsatz einschließlich des Anteils für die Gesundheitspflege sowie dem in § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII vorgesehenen Mehrbedarf ist die Gesundheitspflege des Klägers hinreichend gesichert. Ein zusätzlicher grundsicherungsrechtlich relevanter Bedarf für die Beiträge zu einer ergänzenden (privaten) Krankenkostenversicherung (vorliegend für Sehhilfen) ist nicht erkennbar. Auch werden Versicherungsbeiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen, soweit diese gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, nach dem Konzept des SGB XII einkommensmindernd berücksichtigt (§ 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII).

Hinsichtlich der Aufwendungen für die beiden "Nulltarif-Versicherungen" bei der H. im September 2014 in Höhe von insgesamt 60,00 Euro ist auch kein zusätzlicher Bedarf i.S. der §§ 30 ff. SGB XII anzuerkennen. Insbesondere sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII nicht gegeben. Danach werden Leistungen für die Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten gesondert erbracht. Vorliegend geht es nicht um die Übernahme von Aufwendungen betreffend therapeutische Geräte, sondern um die Übernahme von Versicherungsprämien. Im Übrigen ist zweifelhaft, ob Brillen überhaupt "therapeutische Geräte" i.S. des § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII darstellen (vgl. Falterbaum in Hauck/Noftz, § 31 SGB XII Rdnr. 40; SG Karlsruhe, Urteil vom 16. April 2015 - S 1 SO 1636/14 - juris Rdnr. 39; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. August 2014 - L 7 AS 269/14 - juris Rdnr. 44 zur Regelung des § 24 Abs. 3 Nr. 3 SGB II). Auch können bei therapeutischen Geräten lediglich die Aufwendungen für die Reparatur und die Miete übernommen werden, nicht jedoch für deren Anschaffung (Blüggel in jurisPK-SGB XII, § 31 Rdnr. 49; von Boetticher/Münder in LPK-SGB XII, 10. Aufl. 2015, § 31 Rdnr. 14; Falterbaum, a.a.O. Rdnr. 41). Auch die Voraussetzungen des § 32 SGB XII liegen nicht vor, da der Kläger keine Beiträge für eine Pflichtversicherung i.S. des § 32 Abs. 1 SGB XII oder eine freiwillige Versicherung i.S. des § 32 Abs. 2 SGB XII geltend macht und er nicht privat i.S. des § 32 Abs. 5 SGB XII, sondern im Rahmen der Krankenversicherung der Rentner gesetzlich versichert ist (vgl. § 5 Nr. 11 SGB V).

c. Der Beklagte hat vom Renteneinkommen des Klägers zutreffend die vom Kläger gegenüber der H. geschuldeten Prämien für die beiden "Nulltarif-Versicherungen" in Höhe von 60,00 Euro nicht gem. § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII abgesetzt. Danach sind vom Einkommen abzusetzen Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, sowie geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten. § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII soll gewährleisten, dass dem Leistungsberechtigten ausreichende Mittel für allgemein übliche Beiträge zu öffentlichen und privaten Versicherungen belassen werden. Diese Versicherungen müssen entweder gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sein. Die "Nulltarif-Versicherung", die gegenüber der Firma F. einen "Anspruch auf eine neue, topmodische Brille aus der Nulltarif-Collection in Metall oder Kunststoff mit drei Jahren Garantie" mit "Einstärkengläsern" vermittelt (http://www.H.M.de/produkte/krankenversicherung/brillenversicherung), ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Sie ist auch nicht angemessen. Bei dem Begriff der "Angemessenheit" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfbarkeit unterliegt (Senatsurteil vom 23. April 2015 - L 7 SO 5932/10 - m.w.N.; ferner Geiger, a.a.O., § 82 Rdnr. 82; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 82 Rdnr. 84); die Angemessenheit beurteilt sich einerseits nach der Höhe der zu entrichtenden Beiträge, andererseits aber auch nach dem Umfang des Versicherungsschutzes. Maßgeblich ist, ob ein in bescheidenen Verhältnissen lebender, aber nicht sozialhilfebedürftiger Bürger in einer vergleichbaren Lage den Abschluss einer entsprechenden Versicherung auch als sinnvoll erachtet hätte (vgl. BSG, Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 13/08 R - BSGE 104, 207 - juris Rdnr. 20; Schmidt, a.a.O., § 82 SGB Rdnr. 74 m.w.N.). Eine private Zusatzkrankenversicherung - neben einer gesetzlichen Krankenversicherung - ist nicht angemessen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Oktober 2012 - B 14 AS 11/12 R - juris Rdnr. 47; Urteil vom 16. Februar 2012 - B 4 AS 89/11 R - juris Rdnr. 29 f.; Urteil vom 10. Mai 2011 - B 4 AS 139/10 R - juris Rdnr. 20; Senatsurteil vom 23. April 2015, a.a.O.; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. November 2009 - L 1 SO 36/07 - juris Rdnr. 39; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. Mai 2006 - L 20 SO 11/05 - juris Rdnr. 35; Schmidt, a.a.O. Rdnr. 80), weil die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung für rund 90 v.H. der Bevölkerung nach der Rechtslage im SGB V als ausreichend angesehen werden und dementsprechend höhere Leistungen für die Empfänger von existenzsichernden Leistungen nach den SGB II und SGB XII weder dem Grund noch der Höhe nach als angemessen anzusehen sind. Spezifische Gründe, die beim Kläger ausnahmsweise einen derartigen Versicherungsschutz gerechtfertigt erscheinen ließen, hat der Kläger nicht vorgetragen, solche sind auch nicht ersichtlich.

Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung (vgl. z.B. OVG Lüneburg, Beschluss vom 13. August 2004 - 4 ME 224/04 - juris -; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 2. September 2004 - 12 CE 04.979 - juris -), auf die der Kläger wiederholt verwiesen hat, ist zur alten Rechtslage nach dem Bundessozialhilfegesetz ergangen und damit überholt.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

6. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved