Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 20 R 5407/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 355/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. April 2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1965 geborene Kläger ließ sich in der Zeit vom 12. April 1999 bis 19. Januar 2001 zum Bankkaufmann umschulen, wobei er von der Bundesanstalt für Arbeit ein Unterhaltsgeld (Ug) aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) bezog. Mit Bescheid vom 25. Februar 2009 stellte die Beklagte nach § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) für die Zeit bis zum 31. Dezember 2002 die im beigefügten Versicherungsverlauf (VV) enthaltenen Daten verbindlich fest, wobei für die Zeit vom 29. Dezember 1998 bis 19. Januar 2001 Zeiten der "Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug" vorgemerkt wurden. Der gegen den Bescheid vom 25. Februar 2009 unter Hinweis auf "unverständliche" Aussagen erhobene Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 13. Mai 2009 mit dem Hinweis als unzulässig zurückgewiesen, der Kläger könne wegen im VV nicht enthaltener rechtserheblicher Zeiten eine entsprechende Ergänzung seines Versicherungskontos beantragen. Nachdem der Kläger im hiergegen gerichteten Klageverfahren (S 12 R 2881/09) vor dem Sozialgericht (SG) Berlin u.a. die Anerkennung der "arbeitsamtgeförderten Umschulungszeit" aus Gründen der Gleichbehandlung als Pflichtversicherungszeit begehrt hatte, teilte die Beklagte mit Schriftsatz vom 11. März 2010 mit, sie habe mit Bescheid vom 8. März 2010 einen neuen Versicherungsverlauf erteilt mit zusätzlicher Anerkennung von Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit für die Zeit vom 28. November 1998 bis 28. Dezember 1998 und vom 20. Januar 2001 bis 22. August 2002. Die Umschulungsmaßnahme vom 12. April 1999 bis 19. Januar 2001 könne nicht als Beitragszeit anerkannt werden, da keine Rentenversicherungspflicht nach §§ 3 Satz 1 Nr. 3, 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VI gegeben sei. In der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2012 vor dem SG Berlin nahm der Kläger die Klage zurück und beantragte die Überprüfung des Bescheides vom 25. Februar 2009. Hauptgegenstand dieses Antrags sollte die ESF- geförderte Ausbildung zum Bankkaufmann sein. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 14. August 2012, bestätigt mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2012, den Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 25. Februar 2009 ab.
Das SG hat die auf teilweise Rücknahme des Bescheides vom 25. Februar 2009 und auf Verpflichtung der Beklagten zur Vormerkung der Zeit vom 12. April 1999 bis 19. Januar 2001 als Pflichtbeitragszeit gerichtete Klage mit dem dem Kläger am 27. April 2015 zugestellten Gerichtsbescheid vom 21. April 2015 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei nicht begründet. Die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 25. Februar 2009 zurückzunehmen und die Zeit vom 12. April 1999 bis 19. Januar 2001 als Pflichtbeitragszeit anzuerkennen. Der Bezug von Ug aus dem ESF begründe keine Versicherungs- und Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI. Danach seien Personen in der Zeit versicherungspflichtig, für die sie von einem innerstaatlicher Leistungsträger Entgeltersatzleistungen bezögen, wenn sie im letzten Jahr vor Beginn der Leistung zuletzt versicherungspflichtig gewesen seien. Das Ug aus dem ESF werde aber nicht von einem innerstaatlichen Leistungsträger erbracht (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Juli 2009 - L 3 R 448/09 -). Eine Versicherungspflicht auf Antrag nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI komme auch nicht in Betracht, wenn Entgeltersatzleistungen von einem nichtdeutschen Leistungsträger bezogen würden.
Am 27. Mai 2015 ist um 21:25 Uhr eine auf diesen Tag datierte Berufung " als Fax vorab zur Fristwahrung !" ("Fristablauf: 27. Mai 2015") gegen das "Urteil des Sozialgerichtes Berlin vom 21.04.2015" bei dem erkennenden Gericht eingegangen, die als Absender den Namen des Klägers unter Angabe der (dem Rubrum entsprechenden) B Postanschrift sowie der Fax-Nummer und einer E-Mailadresse auswies. In den beiden Kopfzeilen enthielt das Fax die Kennung "Arcor Fax" bzw. die Angabe "27.05.2015 / 21:25:25". Die Berufung bezog sich auf das (erstinstanzliche) Aktenzeichen S 20 R 5407/12 und die "Rentenversichertennummer". Die maschinenschriftliche Berufung enthielt keine Unterschrift, sie schloss mit den Zeilen "Mit freundlichen Grüßen J K". Am 29. Mai 2015 ist bei dem erkennenden Gericht eine (erkennbar mit "J K" unterschriebene und inhaltlich mit dem Fax vom 27. Mai 2015 identische, formal leicht abweichende (handschriftliche Verbesserungen bzw. Zusätze) Berufungsschrift eingegangen Der Kläger trägt vor, er könne keinen sachlichen Grund für die unterschiedliche Behandlung des Bezugs von Arbeitslosengeld oder von Leistungen aus dem ESF erkennen. Da seine Eltern freiwillige Beiträge als Kleinrentner u.a. während der Umschulungszeit für ihn entrichtet hätten, sei eine Umwandlung der freiwilligen Beitragszeiten in Pflichtbeitragszeiten als sozial ausgleichender Gerichtsbeschluss möglich und sinnvoll.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Berlin vom 21. April 2015 und des Bescheides vom 14. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2012 zu verpflichten, den Bescheid vom 25. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 2009 in der Fassung des Bescheides vom 8. März 2010 zu ändern und die Zeit vom 12. April 1999 bis 19. Januar 2001 als Pflichtbeitragszeit vorzumerken.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Verwaltungsakte und die Gerichtsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet
Die statthafte Berufung ist innerhalb der Monatsfrist des § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform eingelegt worden.
Was unter "schriftlich" im Sinne der genannten Vorschriften zu verstehen ist, ist im SGG nicht geregelt. Zwar wird dem Schriftformerfordernis in der Regel durch die eigenhändige Unterschrift des Berechtigten Rechnung zu tragen sein (vgl. Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 151 Rn. 3a; vgl. hierzu § 126 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches, nach dem die Urkunde, wenn durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben ist, eigenhändig von dem Antragsteller durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden muss). Entscheidend für die Auslegung des Begriffs "schriftlich" in § 151 SGG ist aber, dass mit dem Schriftformerfordernis gewährleistet werden soll, dass die abzugebende Erklärung dem Schriftstück hinreichend zuverlässig entnommen und außerdem festgestellt werden kann, dass es sich nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass das Schriftstück mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist. Daher kann das Schriftformerfordernis in vielen Fällen auch dann erfüllt sein, wenn es an einer Unterschrift fehlt, wenn sich jedoch aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen, das Schreiben in den Verkehr zu bringen, ergibt (Leitherer, ebd.). Dabei sind nur die bis zum Fristablauf eingetretenen Umstände zu berücksichtigen (Leitherer, aaO, Rn. 5).
Nachdem der angegriffene Gerichtsbescheid des SG Berlin, der eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung enthält, dem Kläger ausweislich des Empfangsbekenntnisses seiner damaligen Prozessbevollmächtigten am 27. April 2015 zugestellt worden ist, wurde die Zustellung an diesem Tag bewirkt (§§ 63 Abs. 2 Satz 1, 73 Abs. 6 Satz 6 SGG iVm § 74 Abs. 1 und 4 Zivilprozessordnung). Die Berufungsfrist begann am 28. April 2015 und endete mit Ablauf des 27. Mai 2015 (Mittwoch).
Zwar ging die unterschriebene Berufungsschrift vom 27. Mai 2015 erst am 29. Mai 2015 und damit nicht innerhalb der Berufungsfrist beim Landessozialgericht ein. Die Berufungsfrist wurde indes mit dem am 27. Mai 2015 eingegangenen Faxschreiben gewahrt, denn die Unterschrift des Klägers auf diesem Fax war entbehrlich. Bei diesem Fax handelte es sich um ein Computerfax, bei dem aus technischen Gründen eine eigenhändige Unterschrift nicht dargestellt werden kann. Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits im Jahre 1996 entschieden, dass mit einem solchen Computerfax grundsätzlich dem Schriftformerfordernis des § 151 Abs. 1 SGG genügt werden kann (BSG, Beschluss vom 15. Oktober 1996 – 14 BEg 9/96 = SozR 3-1500 § 151 Nr. 2). Dabei hat es maßgeblich darauf abgestellt, dass der Urheber des Faxes durch die Angabe seines Namen und seiner Anschrift und die vom Absendegerät beigefügte Faxnummer identifiziert werden könne und der Absender durch einen Hinweis auf die maschinelle Erzeugung deutlich gemacht habe, dass aus technischen Gründen auf eine Unterschrift verzichtet werde. Der vorliegende Fall liegt zwar insofern etwas anders, als der Kläger weder seinen Verzicht auf die Unterschrift ausdrücklich kenntlich gemacht hat noch seine Faxnummer vom Absendegerät dem Fax beigefügt worden war. Allerdings hatte er das Fax maschinenschriftlich unterzeichnet und neben der Anschrift auch seine Faxnummer und seine Emailadresse in der am 27. Mai 2015 eingegangenen Berufungsschrift angegeben. Soweit das BSG in der angefügten Entscheidung ferner ausgeführt hat, dass der Umstand, dass das Fax kurz vor Ablauf der Berufungsfrist abgesandt worden war, dagegen spreche, dass die Mitteilung unbewusst oder versehentlich in Verkehr gebracht worden sei, liegen die Dinge hier ähnlich. Das Fax wurde nur wenige Stunden vor Ablauf der Berufungsfrist abgesandt und enthielt außerdem den ausdrücklichen Hinweis "Vorab als Fax zur Fristwahrung!". U.a unter Bezugnahme auf den angeführten Beschluss des BSG vom 15. Oktober 1996 hat der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes mit Beschluss vom 5. April 2000 – GmS-OGB 1/98 = SozR 3-1750 § 130 Nr. 1 festgestellt, dass in Prozessen mit Vertretungszwang bestimmende Schriftsätze formwirksam durch elektronische Übertragung einer Textdatei auf ein Faxgerät des Gerichts übermittelt werden könnten. Er hat ferner ausgeführt, dass die Person des Erklärenden in der Regel dadurch eindeutig bestimmt werde, dass seine Unterschrift eingescannt oder der Hinweis angebracht sei, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen könne. Im Urteil vom 30. Januar 2002 – B 5 RJ 10/01 R = SozR 3-1500 § 67 Nr. 21 hat das BSG detaillierte Angaben zum Rechtstreit in einer nicht unterschriebenen Berufungsschrift grundsätzlich als Hinweis für ein willentliches Inverkehrbringen der Berufungsschrift gewertet. Schließlich hat das BSG mit Beschluss vom 30. März 2015 - B 12 KR 102/13 B -, juris, die Urheberschaft des Rechtsmittelführers hinsichtlich eines Computerfaxes "vor allem" dem Umstand entnommen, dass – entsprechend der vorliegenden Konstellation – neben dem das erstinstanzliche Aktenzeichen enthaltenden Betreff "Berufung" die postalische Anschrift und die Emailadresse angegeben gewesen seien und die Berufung mit dem Namen des Klägers abschließe.
Unter Beachtung der angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt, genügt das Fax vom 27. Mai 2015 dem Schriftformerfordernis des § 151 SGG. Der Senat hat weder Zweifel an der Urheberschaft des Klägers in Bezug auf diese Berufungsschrift noch an dem Umstand, dass dieses Fax von ihm in Verkehr gebracht worden ist. Für die Urheberschaft des Klägers sprechen nicht nur die im Wesentlichen zutreffende Bezeichnung der angegriffenen Entscheidung und die Angaben zu Post- und Emailadresse sowie Faxnummer, sondern auch die detaillierte inhaltliche Auseinandersetzung mit dem hier angegriffenen Gerichtsbescheid. Zwar hat der Kläger den technikbedingten Verzicht auf die Unterschrift nicht durch eine entsprechende Klausel erläutert. Der Umstand, dass das Fax kurz vor Ablauf der Berufungsfrist abgesendet und im Fax (mehrfach) auch ein unmissverständlicher Hinweis auf den drohenden Ablauf dieser Frist enthalten ist, lässt indes den sicheren Schluss zu, dass es sich hier nicht nur um einen Entwurf handeln sollte.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Änderung des Bescheides vom 25. Februar 2009 und Anerkennung der Zeit vom 12. April 1999 bis 19. Januar 2001 als Pflichtbeitragszeit. Zur näheren Begründung verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides. Ergänzend ist lediglich auszuführen: Nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI in der hier maßgeblichen und bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung (aF) unterfielen - neben Zeiten des Bezugs von Ug - Zeiten, für die von einem Leistungsträger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bezogen wurden, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Bei diesen neben dem Ug genannten Leistungen handelte es sich sämtlich um auf Gesetz beruhende Entgeltersatzleistungen aus einem Sozialversicherungsverhältnis. Eine solche sozialversicherungsrechtliche und damit folgerichtig durch § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI aF der Rentenversicherungspflicht unterworfene Entgeltersatzleistung stellte auch das nach §§ 153 ff. Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung bei Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnehme zu gewährende Ug dar. Hingegen liegt bei dem aus ESF-Mitteln erbrachten Ug eine - bei systematischer Auslegung des § 3 Satz 1 Nr. SGB VI aF für eine Einbeziehung in die Rentenversicherungspflicht erforderliche - sozialversicherungsrechtliche Anknüpfung gerade nicht vor, denn diese dem Kläger gewährte (Ermessens-)Leistung beruhte nicht auf einem gesetzlichen Versicherungsverhältnis. Sie wurde lediglich auf der Grundlage von Verwaltungsvorschriften als Fürsorgeleistung bzw. Subvention erbracht. Im Übrigen hat der Bundesgesetzgeber mit der Einführung des Arbeitslosengeldes bei beruflicher Weiterbildung zum 1. Januar 2005, welches das nach dem SGB III zu gewährende Ug ersetzte, zugleich das Ug aus dem Katalog des § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI gestrichen (vgl. Art. 1 Nr. 62, 86 sowie Art. 5 Nr. 1a des Dritten Gesetzes über moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003, BGBl. I S. 2848). Dies erhellt, dass das aus ESF-Mitteln erbrachte Ug zu keinem Zeitpunkt als Anknüpfungspunkt für die Begründung einer Rentenversicherungspflicht in Betracht gekommen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der 1965 geborene Kläger ließ sich in der Zeit vom 12. April 1999 bis 19. Januar 2001 zum Bankkaufmann umschulen, wobei er von der Bundesanstalt für Arbeit ein Unterhaltsgeld (Ug) aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) bezog. Mit Bescheid vom 25. Februar 2009 stellte die Beklagte nach § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) für die Zeit bis zum 31. Dezember 2002 die im beigefügten Versicherungsverlauf (VV) enthaltenen Daten verbindlich fest, wobei für die Zeit vom 29. Dezember 1998 bis 19. Januar 2001 Zeiten der "Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug" vorgemerkt wurden. Der gegen den Bescheid vom 25. Februar 2009 unter Hinweis auf "unverständliche" Aussagen erhobene Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 13. Mai 2009 mit dem Hinweis als unzulässig zurückgewiesen, der Kläger könne wegen im VV nicht enthaltener rechtserheblicher Zeiten eine entsprechende Ergänzung seines Versicherungskontos beantragen. Nachdem der Kläger im hiergegen gerichteten Klageverfahren (S 12 R 2881/09) vor dem Sozialgericht (SG) Berlin u.a. die Anerkennung der "arbeitsamtgeförderten Umschulungszeit" aus Gründen der Gleichbehandlung als Pflichtversicherungszeit begehrt hatte, teilte die Beklagte mit Schriftsatz vom 11. März 2010 mit, sie habe mit Bescheid vom 8. März 2010 einen neuen Versicherungsverlauf erteilt mit zusätzlicher Anerkennung von Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit für die Zeit vom 28. November 1998 bis 28. Dezember 1998 und vom 20. Januar 2001 bis 22. August 2002. Die Umschulungsmaßnahme vom 12. April 1999 bis 19. Januar 2001 könne nicht als Beitragszeit anerkannt werden, da keine Rentenversicherungspflicht nach §§ 3 Satz 1 Nr. 3, 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VI gegeben sei. In der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2012 vor dem SG Berlin nahm der Kläger die Klage zurück und beantragte die Überprüfung des Bescheides vom 25. Februar 2009. Hauptgegenstand dieses Antrags sollte die ESF- geförderte Ausbildung zum Bankkaufmann sein. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 14. August 2012, bestätigt mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2012, den Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 25. Februar 2009 ab.
Das SG hat die auf teilweise Rücknahme des Bescheides vom 25. Februar 2009 und auf Verpflichtung der Beklagten zur Vormerkung der Zeit vom 12. April 1999 bis 19. Januar 2001 als Pflichtbeitragszeit gerichtete Klage mit dem dem Kläger am 27. April 2015 zugestellten Gerichtsbescheid vom 21. April 2015 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei nicht begründet. Die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 25. Februar 2009 zurückzunehmen und die Zeit vom 12. April 1999 bis 19. Januar 2001 als Pflichtbeitragszeit anzuerkennen. Der Bezug von Ug aus dem ESF begründe keine Versicherungs- und Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI. Danach seien Personen in der Zeit versicherungspflichtig, für die sie von einem innerstaatlicher Leistungsträger Entgeltersatzleistungen bezögen, wenn sie im letzten Jahr vor Beginn der Leistung zuletzt versicherungspflichtig gewesen seien. Das Ug aus dem ESF werde aber nicht von einem innerstaatlichen Leistungsträger erbracht (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Juli 2009 - L 3 R 448/09 -). Eine Versicherungspflicht auf Antrag nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI komme auch nicht in Betracht, wenn Entgeltersatzleistungen von einem nichtdeutschen Leistungsträger bezogen würden.
Am 27. Mai 2015 ist um 21:25 Uhr eine auf diesen Tag datierte Berufung " als Fax vorab zur Fristwahrung !" ("Fristablauf: 27. Mai 2015") gegen das "Urteil des Sozialgerichtes Berlin vom 21.04.2015" bei dem erkennenden Gericht eingegangen, die als Absender den Namen des Klägers unter Angabe der (dem Rubrum entsprechenden) B Postanschrift sowie der Fax-Nummer und einer E-Mailadresse auswies. In den beiden Kopfzeilen enthielt das Fax die Kennung "Arcor Fax" bzw. die Angabe "27.05.2015 / 21:25:25". Die Berufung bezog sich auf das (erstinstanzliche) Aktenzeichen S 20 R 5407/12 und die "Rentenversichertennummer". Die maschinenschriftliche Berufung enthielt keine Unterschrift, sie schloss mit den Zeilen "Mit freundlichen Grüßen J K". Am 29. Mai 2015 ist bei dem erkennenden Gericht eine (erkennbar mit "J K" unterschriebene und inhaltlich mit dem Fax vom 27. Mai 2015 identische, formal leicht abweichende (handschriftliche Verbesserungen bzw. Zusätze) Berufungsschrift eingegangen Der Kläger trägt vor, er könne keinen sachlichen Grund für die unterschiedliche Behandlung des Bezugs von Arbeitslosengeld oder von Leistungen aus dem ESF erkennen. Da seine Eltern freiwillige Beiträge als Kleinrentner u.a. während der Umschulungszeit für ihn entrichtet hätten, sei eine Umwandlung der freiwilligen Beitragszeiten in Pflichtbeitragszeiten als sozial ausgleichender Gerichtsbeschluss möglich und sinnvoll.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Berlin vom 21. April 2015 und des Bescheides vom 14. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2012 zu verpflichten, den Bescheid vom 25. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 2009 in der Fassung des Bescheides vom 8. März 2010 zu ändern und die Zeit vom 12. April 1999 bis 19. Januar 2001 als Pflichtbeitragszeit vorzumerken.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Verwaltungsakte und die Gerichtsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet
Die statthafte Berufung ist innerhalb der Monatsfrist des § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform eingelegt worden.
Was unter "schriftlich" im Sinne der genannten Vorschriften zu verstehen ist, ist im SGG nicht geregelt. Zwar wird dem Schriftformerfordernis in der Regel durch die eigenhändige Unterschrift des Berechtigten Rechnung zu tragen sein (vgl. Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 151 Rn. 3a; vgl. hierzu § 126 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches, nach dem die Urkunde, wenn durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben ist, eigenhändig von dem Antragsteller durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden muss). Entscheidend für die Auslegung des Begriffs "schriftlich" in § 151 SGG ist aber, dass mit dem Schriftformerfordernis gewährleistet werden soll, dass die abzugebende Erklärung dem Schriftstück hinreichend zuverlässig entnommen und außerdem festgestellt werden kann, dass es sich nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass das Schriftstück mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist. Daher kann das Schriftformerfordernis in vielen Fällen auch dann erfüllt sein, wenn es an einer Unterschrift fehlt, wenn sich jedoch aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen, das Schreiben in den Verkehr zu bringen, ergibt (Leitherer, ebd.). Dabei sind nur die bis zum Fristablauf eingetretenen Umstände zu berücksichtigen (Leitherer, aaO, Rn. 5).
Nachdem der angegriffene Gerichtsbescheid des SG Berlin, der eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung enthält, dem Kläger ausweislich des Empfangsbekenntnisses seiner damaligen Prozessbevollmächtigten am 27. April 2015 zugestellt worden ist, wurde die Zustellung an diesem Tag bewirkt (§§ 63 Abs. 2 Satz 1, 73 Abs. 6 Satz 6 SGG iVm § 74 Abs. 1 und 4 Zivilprozessordnung). Die Berufungsfrist begann am 28. April 2015 und endete mit Ablauf des 27. Mai 2015 (Mittwoch).
Zwar ging die unterschriebene Berufungsschrift vom 27. Mai 2015 erst am 29. Mai 2015 und damit nicht innerhalb der Berufungsfrist beim Landessozialgericht ein. Die Berufungsfrist wurde indes mit dem am 27. Mai 2015 eingegangenen Faxschreiben gewahrt, denn die Unterschrift des Klägers auf diesem Fax war entbehrlich. Bei diesem Fax handelte es sich um ein Computerfax, bei dem aus technischen Gründen eine eigenhändige Unterschrift nicht dargestellt werden kann. Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits im Jahre 1996 entschieden, dass mit einem solchen Computerfax grundsätzlich dem Schriftformerfordernis des § 151 Abs. 1 SGG genügt werden kann (BSG, Beschluss vom 15. Oktober 1996 – 14 BEg 9/96 = SozR 3-1500 § 151 Nr. 2). Dabei hat es maßgeblich darauf abgestellt, dass der Urheber des Faxes durch die Angabe seines Namen und seiner Anschrift und die vom Absendegerät beigefügte Faxnummer identifiziert werden könne und der Absender durch einen Hinweis auf die maschinelle Erzeugung deutlich gemacht habe, dass aus technischen Gründen auf eine Unterschrift verzichtet werde. Der vorliegende Fall liegt zwar insofern etwas anders, als der Kläger weder seinen Verzicht auf die Unterschrift ausdrücklich kenntlich gemacht hat noch seine Faxnummer vom Absendegerät dem Fax beigefügt worden war. Allerdings hatte er das Fax maschinenschriftlich unterzeichnet und neben der Anschrift auch seine Faxnummer und seine Emailadresse in der am 27. Mai 2015 eingegangenen Berufungsschrift angegeben. Soweit das BSG in der angefügten Entscheidung ferner ausgeführt hat, dass der Umstand, dass das Fax kurz vor Ablauf der Berufungsfrist abgesandt worden war, dagegen spreche, dass die Mitteilung unbewusst oder versehentlich in Verkehr gebracht worden sei, liegen die Dinge hier ähnlich. Das Fax wurde nur wenige Stunden vor Ablauf der Berufungsfrist abgesandt und enthielt außerdem den ausdrücklichen Hinweis "Vorab als Fax zur Fristwahrung!". U.a unter Bezugnahme auf den angeführten Beschluss des BSG vom 15. Oktober 1996 hat der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes mit Beschluss vom 5. April 2000 – GmS-OGB 1/98 = SozR 3-1750 § 130 Nr. 1 festgestellt, dass in Prozessen mit Vertretungszwang bestimmende Schriftsätze formwirksam durch elektronische Übertragung einer Textdatei auf ein Faxgerät des Gerichts übermittelt werden könnten. Er hat ferner ausgeführt, dass die Person des Erklärenden in der Regel dadurch eindeutig bestimmt werde, dass seine Unterschrift eingescannt oder der Hinweis angebracht sei, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen könne. Im Urteil vom 30. Januar 2002 – B 5 RJ 10/01 R = SozR 3-1500 § 67 Nr. 21 hat das BSG detaillierte Angaben zum Rechtstreit in einer nicht unterschriebenen Berufungsschrift grundsätzlich als Hinweis für ein willentliches Inverkehrbringen der Berufungsschrift gewertet. Schließlich hat das BSG mit Beschluss vom 30. März 2015 - B 12 KR 102/13 B -, juris, die Urheberschaft des Rechtsmittelführers hinsichtlich eines Computerfaxes "vor allem" dem Umstand entnommen, dass – entsprechend der vorliegenden Konstellation – neben dem das erstinstanzliche Aktenzeichen enthaltenden Betreff "Berufung" die postalische Anschrift und die Emailadresse angegeben gewesen seien und die Berufung mit dem Namen des Klägers abschließe.
Unter Beachtung der angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt, genügt das Fax vom 27. Mai 2015 dem Schriftformerfordernis des § 151 SGG. Der Senat hat weder Zweifel an der Urheberschaft des Klägers in Bezug auf diese Berufungsschrift noch an dem Umstand, dass dieses Fax von ihm in Verkehr gebracht worden ist. Für die Urheberschaft des Klägers sprechen nicht nur die im Wesentlichen zutreffende Bezeichnung der angegriffenen Entscheidung und die Angaben zu Post- und Emailadresse sowie Faxnummer, sondern auch die detaillierte inhaltliche Auseinandersetzung mit dem hier angegriffenen Gerichtsbescheid. Zwar hat der Kläger den technikbedingten Verzicht auf die Unterschrift nicht durch eine entsprechende Klausel erläutert. Der Umstand, dass das Fax kurz vor Ablauf der Berufungsfrist abgesendet und im Fax (mehrfach) auch ein unmissverständlicher Hinweis auf den drohenden Ablauf dieser Frist enthalten ist, lässt indes den sicheren Schluss zu, dass es sich hier nicht nur um einen Entwurf handeln sollte.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Änderung des Bescheides vom 25. Februar 2009 und Anerkennung der Zeit vom 12. April 1999 bis 19. Januar 2001 als Pflichtbeitragszeit. Zur näheren Begründung verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides. Ergänzend ist lediglich auszuführen: Nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI in der hier maßgeblichen und bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung (aF) unterfielen - neben Zeiten des Bezugs von Ug - Zeiten, für die von einem Leistungsträger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bezogen wurden, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Bei diesen neben dem Ug genannten Leistungen handelte es sich sämtlich um auf Gesetz beruhende Entgeltersatzleistungen aus einem Sozialversicherungsverhältnis. Eine solche sozialversicherungsrechtliche und damit folgerichtig durch § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI aF der Rentenversicherungspflicht unterworfene Entgeltersatzleistung stellte auch das nach §§ 153 ff. Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung bei Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnehme zu gewährende Ug dar. Hingegen liegt bei dem aus ESF-Mitteln erbrachten Ug eine - bei systematischer Auslegung des § 3 Satz 1 Nr. SGB VI aF für eine Einbeziehung in die Rentenversicherungspflicht erforderliche - sozialversicherungsrechtliche Anknüpfung gerade nicht vor, denn diese dem Kläger gewährte (Ermessens-)Leistung beruhte nicht auf einem gesetzlichen Versicherungsverhältnis. Sie wurde lediglich auf der Grundlage von Verwaltungsvorschriften als Fürsorgeleistung bzw. Subvention erbracht. Im Übrigen hat der Bundesgesetzgeber mit der Einführung des Arbeitslosengeldes bei beruflicher Weiterbildung zum 1. Januar 2005, welches das nach dem SGB III zu gewährende Ug ersetzte, zugleich das Ug aus dem Katalog des § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI gestrichen (vgl. Art. 1 Nr. 62, 86 sowie Art. 5 Nr. 1a des Dritten Gesetzes über moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003, BGBl. I S. 2848). Dies erhellt, dass das aus ESF-Mitteln erbrachte Ug zu keinem Zeitpunkt als Anknüpfungspunkt für die Begründung einer Rentenversicherungspflicht in Betracht gekommen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
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