Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 3 R 7782/11
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 91/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 9. Dezember 2014 abgeändert und die Klage auch insoweit abgewiesen, als das Sozialgericht die Beklagte verurteilt hat, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung von Juni 2006 bis Mai 2015 zu gewähren. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der 1974 geborene Kläger in der Zeit von Juni 2006 bis Mai 2015 Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) hat. Er ist seit Dezember 2002 arbeitsunfähig erkrankt bzw. arbeitslos.
Seinen Antrag vom April 2004 auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit lehnte die Beklagte nach Beiziehung diverser medizinischer Unterlagen und eines orthopädischen Gutachtens des Dr. St. vom 24. Juni 2004 (leichte bis mittelschwere Arbeiten 6 Stunden und mehr möglich) mit Bescheid vom 29. Juni 2004 ab und wies den Widerspruch mit Wider-spruchsbescheid vom 21. September 2004 zurück. Auf die Klageerhebung (S 4 RJ 1844/04) am 14. Oktober 2004 holte das Sozialgericht u.a. ein orthopädisches Gutachten des Dipl.-Med. A. vom 2. Dezember 2005 ein, wonach der Kläger unter Funktions- und Belastungseinschränkung der LWS bei muskulären Dysbalancen und chronischer Reizung der rechten ISG mit pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung in das rechte Bein ohne neurologische Ausfälle und einer Belastungseinschränkung des rechten Kniegelenks nach zweimaliger Kniegelenksarthrose litt und leichte sowie zeitweise mittelschwere Arbeiten ca. 8 Stunden täglich ausüben konnte. Mit Urteil vom 27. Juli 2006 wies das Sozialgericht die Klage ab. Im Berufungsverfahren erstattete Dr. O. nach Untersuchung am 6. Februar 2008 das neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 8. Februar 2008 und berichtete über massive Aggravierungen des Klägers. Es bestehe ein chronisches lumbales Schmerzsyndrom ohne neurologische Beteiligung aber mangels andauernder, schwerer und quälender Schmerzen keine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Der Kläger könne noch vollschichtig leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne Zwangshaltungen für die Lendenwirbelsäule in geschlossenen und warmen Räumen ohne Gefährdung durch Kälte, Nässe, Zugluft ausüben. Die Berufung des Klägers wies der 2. Senat des Thüringer Landessozialgerichts mit Beschluss vom 7. November 2008 (L 2 R 989/06) zurück und schloss sich der Einschätzung der Sachverständigen an.
Im April 2011 beantragte der Kläger, ihm rückwirkend Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren, weil das Gutachten des Dipl.-Med. A. nach dem Privatgutachten des Dr. V. vom 2. Juli 2010 in wesentlichen Punkten gravierend fehlerhaft sei. Die Beklagte zog einen Entlas-sungsbericht der Orthopädischen Klinik des M. A. vom 5. Juli 2011 bei und lehnte unter dem 19. Juli 2011 den Antrag auf Überprüfung nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ab, weil weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung vorliege. Mit Wi-derspruchsbescheid vom 20. Oktober 2011 wies sie den Widerspruch zurück.
Auf die Klageerhebung hat das Sozialgericht diverse medizinische Unterlagen sowie ein be-rufskundliches Gutachten der H. J. vom 25. Dezember 2000 (L 6 RJ 695/98) zur Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle beigezogen und zwei Gutachten eingeholt. • Dr. H. hat in seinem orthopädischen Zusatzgutachten vom 13. Mai 2013 folgende Di-agnosen gestellt: chronische pseudoradikuläre Lumboischialgie rechts bei Osteochondose L5/S1 und ISG-Arthrose rechts mit schmerzhafter Belastungs- und Bewegungseinschränkung und Muskelspannungsstörungen ohne neurologisches Defizit, Varusgonarthrose rechts 2. Grades, klinisch Chondropathia patellae rechts ohne relevantes Funktionsdefizit, Coxarthrose rechts 2. Grades ohne relevantes Funktionsdefizit und somatoforme Schmerzstörung (Stadium 3 nach Gerbershagen). Auf orthopädischem Gebiet könne der Kläger noch leichte Tätigkeiten überwiegend im Stehen und Sitzen ausüben. • Auf nervenärztlichem Gebiet hat Dr. K. im Gutachten vom 21. Mai 2013 eine chroni-sche Lumboischialgie S1 rechts ohne Nachweis einer höherwertigen Nervenwurzelschädigung (ICD-10 M51.1), eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10 F45.41) und eine Anpassungsstörung (ICD-10 F43.2) diagnostiziert; auf orthopädischem Gebiet bestehe eine chronische pseudoradikuläre Lumboischialgie ohne neurologisches Defizit, Varusgonarthrose rechts und Coxarthrose rechts. Die körperlich fundierten Beeinträchtigungen seien auf neurologischem und orthopädischem Gebiet eher gering ausgeprägt. Insgesamt sei ab Juli 2011 das Leistungsvermögen vor allem auf Grund der gravierenden maladaptiven Schmerzver-arbeitung und deren Verhaltenskonsequenzen auf drei bis unter sechs Stunden täglich gemindert; zuvor scheine die Beeinträchtigung des Klägers noch ausgeprägter gewesen zu sein. Seine Diskrepanz zu dem Gutachten des Dr. O. erkläre sich aus der unterschiedlichen Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Klägers. Er und Dr. H. hätten nennenswerte Aggravationen oder Hinweise auf eine suboptimale Mitarbeit oder negative Antwortverzerrungen nicht feststellen können. Ausgehend von der Glaubwürdigkeit des Klägers sei von einer erheblichen Auswirkung auf das Funktionsniveau auszugehen.
Die Beklagte hat unter dem 28. August 2013 darauf hingewiesen, ihr ärztlicher Dienst gehe von einem Leistungsfall am 18. April 2013 (Untersuchung bei Dr. K.) aus. Allerdings seien dann die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung nicht erfüllt
Daraufhin hat das Sozialgericht weitere medizinische Unterlagen, u.a. das Gutachten des Dipl.-Med. A. vom 26. September 2011 für das Landgericht E. (3 O 1840/10) beigezogen und ergänzende Stellungnahmen des Dr. K. vom 15. Mai 2014 und des Dr. H. vom 26. Mai 2014 zum Leistungsvermögen des Klägers im Zeitraum vom 23. August 2002 bis Juli 2011 eingeholt. Dr. K. hat mitgeteilt, bis 10. Dezember 2005 resultiere aus der Diagnose Lumboischialgie S1 rechts ohne neurologische Ausfälle keine quantitative Beeinträchtigung des Leistungsvermögens. Danach scheine bis Juli 2011 eine erheblich zunehmende Schmerzbelastung mit Entwicklung eines ausgeprägten Schon- und Vermeidungsverhaltens vorgelegen zu haben. Da er der Einschätzung des Dr. O. zu massiven Aggravationen nicht folge, könne seines Erachtens mit "hinreichender Wahrscheinlichkeit" davon ausgegangen werden, dass die inzwischen chronifizierte Schmerzsymptomatik durch ein maladaptives und dysfunktionales Verhalten wesentlich überlagert und geprägt wurde; sie habe zu einer Leistungsbeeinträchtigung in quantitativer Hinsicht geführt. Anzunehmen sei ein auf mindestens drei aber weniger als vier Stunden vermindertes Leistungsvermögen; Wegstrecken viermal täglich über 500 Meter ohne erhebliche Schmerzen seien dem Kläger nicht zumutbar gewesen. Dr. H. hat ausgeführt, nach Aktenlage sei der Kläger damals in der Lage gewesen, leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit sei nicht ersichtlich.
Mit Urteil vom 9. Dezember 2014 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 19. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Oktober 2011 abgeändert und die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 29. Juni 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. September 2004 abzuändern und dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung im Zeitraum Juni 2006 bis Mai 2015 zu gewähren und im Übrigen die Klage abgewiesen. Der Kläger sei ab 1. Dezember 2005 bis Mai 2015 nur noch in der Lage gewesen, leichte Tätigkeiten unter 6 Stunden täglich zu verrichten. Das ergebe sich aus dem Gutachten und der Stellungnahme des Dr. K., der alle Unterlagen sorgfältig ausgewertet habe. Dies sei für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend. Die Kritik der Beklagten habe Dr. K. nachvollziehbar und überzeugend widerlegt. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig und nach § 44 Abs. 1 SGB X zurückzunehmen.
Im Berufungsverfahren macht die Beklagte geltend, aufgrund des Gutachtens des Dr. K. komme nur ein Leistungsfall der verminderten Erwerbsfähigkeit ab 18. April 2013 in Betracht. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung seien aber letztmalig im Januar 2008 erfüllt. Bei dem vom Sozialgericht angenommenen Leistungsfall am 1. Dezember 2005 wäre der korrekte Rentenbeginn am 1. Juli 2006. Der Vier-Jahres-Zeitraum des § 44 Abs. 4 SGB X beginne bei einem Antrag am 6. April 2011 am 1. Januar 2007. Im Übrigen sei § 44 Abs. 1 SGB X nicht einschlägig, weil das Sozialgericht einen Leistungsfall am 1. Dezember 2005 angenommen habe, der nach Erlass der früheren Bescheide liege. Einschlägige Norm sei dann § 48 SGB X.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 9. Dezember 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach seiner Ansicht ist dem Urteil der Vorinstanz zu folgen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe klargestellt, dass nicht nur bei zu niedrig festgestellter Rente sondern auch bei Ablehnung eines früheren Rentenantrags ein Versicherter so zu stellen sei, wie er bei richtiger Rechtsanwendung zum Zeitpunkt der erstmaligen Bescheiderteilung gestanden hätte (vgl. BSGE 90, 136). Die Rente sei beim ersten Verfahrensgang vor allem wegen der Angaben des Dipl.-Med. A. zur Aggravation des Klägers verweigert worden; er habe sie aber in dem Verfahren vor dem Landgericht E. 2013 relativiert.
Am 18. September 2015 hat der Senatsvorsitzende einen Erörterungstermin durchgeführt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Niederschrift verwiesen. Die Beteiligten haben sich dort mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Senatsvorsitzenden ein-verstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund des ausdrücklich erklärten Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) durch den Senats-vorsitzenden anstelle des Senats (§ 155 Abs. 3 SGG) entscheiden
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht § 44 Abs. 1 SGB X bejaht und zudem verkannt, dass der Leistungsfall mit Vollbeweis festzustellen ist.
Nach § 44 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind (Absatz 1 S. 1); ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des Gesetzbuchs längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (Absatz 4 S. 1), dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (Absatz 4 S. 2). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (Absatz 4 S. 3).
Hier war der Rentenablehnungsbescheid vom 29. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheids rechtmäßig. Dies beurteilt sich nach der zum Zeitpunkt seines Erlasses bestehenden Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht (vgl. BSG, Urteil vom 14. November 2002 - B 13 RJ 47/01 R = BSGE 90, 136). Maßgebend ist der Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vom 21. September 2004, denn der Ausgangsbescheid fand erst mit ihm seine abschließende Gestalt (vgl. BSG, Urteil vom 4. November 1998 - B 13 RJ 27/98 R, nach juris). Ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI scheidet aus, denn die Leistungsfähigkeit des Klägers war damals nicht in dem für eine Rentengewährung erforderlichen Umfang herabgesunken. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wenn die Versicherten voll erwerbsgemindert sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Voll erwerbsgemindert sind sie, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger war am 21. September 2004 nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert im Sinne von § 43 SGB VI, weil seine Leistungsfähigkeit nicht im erforderlichen Umfang herabgesunken war. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des Dr. K. Er hat zwar in seinem Gutachten vom 21. Mai 2013 ausgeführt, ein Leistungsvermögen drei bis von unter sechs Stunden könne am Juli 2011 angenommen werden und zuvor "scheine" die Beeinträchtigung des Klägers noch ausgeprägter gewesen zu sein. Auf konkrete Anfrage des Sozialgerichts hat er in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 15. Mai 2014 dann aber ausführlich erläutert, bis zum 10. Dezember 2005 habe aus der Diagnose Lumboischialgie S1 rechts ohne neurologische Anfälle keine quantitative Beeinträchtigung des Leistungsvermögens resultiert; erst danach (Dezember 2005 bis Juli 2011) werde nach Aktenlage eine Schmerzchronifizierung im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung beschrieben. Der Kläger habe öffentliche Verkehrsmittel benutzen und eine Wegstrecke von 500 Metern viermal täglich zurücklegen können. Auch die Tätigkeit als Mitarbeiter in der Poststelle sei ihm vollschichtig möglich gewesen. Diese Ausführungen schließen für den relevanten Zeitpunkt ein wesentlich eingeschränktes Leistungsvermögen aus. Insoweit liegt auch keine unterschiedliche Beurteilung zum Gutachten des Dr. O. vor. Eine nochmalige Anfrage bei Dr. K. ist nicht erforderlich, denn er hat die Frage, ob das Leistungsvermögen zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide der Beklagten relevant eingeschränkt war, bereits eindeutig beantwortet. Im Übrigen wird, insbesondere hinsichtlich der orthopädischen Leiden und der daraus resultierenden Leistungseinschätzung, auf die Ausführungen im Beschluss des 2. Senats des Thüringer Landessozialgerichts vom 7. November 2008 - L 2 R 989/06 verwiesen. Der Einschätzung des Dipl.-Med. A. im Gutachten vom 2. Dezember 2005 hat sich Dr. H. in seinem Gutachten vom 13. Mai 2013 angeschlossen. Die von ihm bei der Untersuchung am 30. April 2013 festgestellten Diagnosen und Einschränkungen begründen gegenüber dem früheren Gutachten nur eine leichte Progredienz der Befunde ohne wesentliche Verschlechterung des Leistungsver-mögens. Sie ermöglichen weiterhin leichte Tätigkeiten mehr als 6 Stunden täglich. Dem kann nicht das Gutachten des Dr. V. vom 2. Juli 2010 entgegen gehalten werden. Seine Behauptung, die Untersuchung durch Dipl.-Med. A. sei fehlerhaft lediglich in Ruhebedingungen erfolgt und seine Leistungseinschätzung sei spekulativ, ist nicht nachvollziehbar. Wie Dr. H. im Gutachten vom 14. Mai 2013 zu Recht ausführt, ergibt sich die Leistungseinschätzung aus den vorliegenden Befunden auch in Ruhebedingungen. Die von Dr. V. geforderte Untersuchung unter körperlicher Belastung ist nicht üblich und war hier nicht erforderlich. Die angegebenen Beschwerden des Klägers konnten auch in einer Untersuchungssituation unter Ruhebedingungen in Korrelation zu den vorliegenden anderen Befunden aufgezeigt werden.
Es steht auch nicht im Sinne des Vollbeweises (d.h. mit an Gewissheit grenzender Wahr-scheinlichkeit) fest, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers zum 1. Dezember 2005 (so die Vorinstanz) in dem für eine Rentengewährung erforderlichen Umfang herabgesunken ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2010 - B 4 AL 35/09 R, nach juris; Senatsurteil vom 26. August 2014 - L 6 R 36/12). Dies gilt unabhängig davon, dass es nicht auf diesen Zeitpunkt sondern auf den 21. September 2004 ankommt, für den aber erst recht ein entsprechender Nachweis fehlt. Erforderlich wäre eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juli 2006 - B 2 U 20/04 R, nach juris), die dann erreicht ist, wenn die Tatsache in so hohem Maß wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 128 Rdnr. 3b). Auch Dr. K. hat nicht diese an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit für einen Leistungsfall Dezember 2005 angenommen. Er spricht in der Stellungnahme vom 15. Mai 2013 lediglich von einer "hinreichenden Wahrscheinlichkeit". Es scheine seit Dezember 2005 eine erheblich zunehmende Schmerzbelastung mit Entwicklung eines ausgeprägten Schon- und Vermeidungsverhaltens vorgelegen zu haben. Diese Vermutungen genügen den Anforderungen an den Vollbeweis nicht. Zur Vollständigkeit ist darauf hinzuweisen, dass seine Behauptung inhaltlich zudem nicht nachvollziehbar ist. Aus der Feststellung, bei der eigenen Untersuchung am 18. April 2013 habe der Kläger nicht aggraviert, kann nicht der Schluss gezogen werden, er habe dies auch nicht bei der Untersuchung am 6. Februar 2008 (d.h. fünf Jahre zuvor) bei Dr. O. getan. Eine solche Behauptung ist nicht nachvollziehbar und spekulativ.
Zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass Dr. O. die Aggravation des Klägers vor allem auf eigene Beobachtungen (vgl. Blatt 14 und 15 des Gutachtens) gestützt und fachspezifisch beurteilt hatte. U.a. berichtet er, dass sich im Rahmen der Untersuchung massive Aggravierungen fanden und beschreibt u.a. "groteske, zum Teil bizarr anmutende Bewegungsabläufe" ohne erkennbaren Zusammenhang mit dem lumbalen Schmerzsyndrom. Es ist insofern unrichtig, dass seine Annahme auf einer Aussage von Dipl.-Med. A. im Gutachten vom 2. Dezember 2005 beruht. Im Übrigen wären bei einem Überprüfungsantrag im April 2011 Leistungen für die Vergangenheit nur ab 2007 nachzuzahlen (§ 44 Abs. 4 SGB X).
Nachdem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmalig im Januar 2008 vorlagen, kommt es nicht darauf an, ob seit der Antragstellung im April 2011 bzw. bei der Untersuchung durch Dr. K. am 18. April 2013 tatsächlich eine relevante Leistungseinschränkung vorliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der 1974 geborene Kläger in der Zeit von Juni 2006 bis Mai 2015 Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) hat. Er ist seit Dezember 2002 arbeitsunfähig erkrankt bzw. arbeitslos.
Seinen Antrag vom April 2004 auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit lehnte die Beklagte nach Beiziehung diverser medizinischer Unterlagen und eines orthopädischen Gutachtens des Dr. St. vom 24. Juni 2004 (leichte bis mittelschwere Arbeiten 6 Stunden und mehr möglich) mit Bescheid vom 29. Juni 2004 ab und wies den Widerspruch mit Wider-spruchsbescheid vom 21. September 2004 zurück. Auf die Klageerhebung (S 4 RJ 1844/04) am 14. Oktober 2004 holte das Sozialgericht u.a. ein orthopädisches Gutachten des Dipl.-Med. A. vom 2. Dezember 2005 ein, wonach der Kläger unter Funktions- und Belastungseinschränkung der LWS bei muskulären Dysbalancen und chronischer Reizung der rechten ISG mit pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung in das rechte Bein ohne neurologische Ausfälle und einer Belastungseinschränkung des rechten Kniegelenks nach zweimaliger Kniegelenksarthrose litt und leichte sowie zeitweise mittelschwere Arbeiten ca. 8 Stunden täglich ausüben konnte. Mit Urteil vom 27. Juli 2006 wies das Sozialgericht die Klage ab. Im Berufungsverfahren erstattete Dr. O. nach Untersuchung am 6. Februar 2008 das neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 8. Februar 2008 und berichtete über massive Aggravierungen des Klägers. Es bestehe ein chronisches lumbales Schmerzsyndrom ohne neurologische Beteiligung aber mangels andauernder, schwerer und quälender Schmerzen keine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Der Kläger könne noch vollschichtig leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne Zwangshaltungen für die Lendenwirbelsäule in geschlossenen und warmen Räumen ohne Gefährdung durch Kälte, Nässe, Zugluft ausüben. Die Berufung des Klägers wies der 2. Senat des Thüringer Landessozialgerichts mit Beschluss vom 7. November 2008 (L 2 R 989/06) zurück und schloss sich der Einschätzung der Sachverständigen an.
Im April 2011 beantragte der Kläger, ihm rückwirkend Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren, weil das Gutachten des Dipl.-Med. A. nach dem Privatgutachten des Dr. V. vom 2. Juli 2010 in wesentlichen Punkten gravierend fehlerhaft sei. Die Beklagte zog einen Entlas-sungsbericht der Orthopädischen Klinik des M. A. vom 5. Juli 2011 bei und lehnte unter dem 19. Juli 2011 den Antrag auf Überprüfung nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ab, weil weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung vorliege. Mit Wi-derspruchsbescheid vom 20. Oktober 2011 wies sie den Widerspruch zurück.
Auf die Klageerhebung hat das Sozialgericht diverse medizinische Unterlagen sowie ein be-rufskundliches Gutachten der H. J. vom 25. Dezember 2000 (L 6 RJ 695/98) zur Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle beigezogen und zwei Gutachten eingeholt. • Dr. H. hat in seinem orthopädischen Zusatzgutachten vom 13. Mai 2013 folgende Di-agnosen gestellt: chronische pseudoradikuläre Lumboischialgie rechts bei Osteochondose L5/S1 und ISG-Arthrose rechts mit schmerzhafter Belastungs- und Bewegungseinschränkung und Muskelspannungsstörungen ohne neurologisches Defizit, Varusgonarthrose rechts 2. Grades, klinisch Chondropathia patellae rechts ohne relevantes Funktionsdefizit, Coxarthrose rechts 2. Grades ohne relevantes Funktionsdefizit und somatoforme Schmerzstörung (Stadium 3 nach Gerbershagen). Auf orthopädischem Gebiet könne der Kläger noch leichte Tätigkeiten überwiegend im Stehen und Sitzen ausüben. • Auf nervenärztlichem Gebiet hat Dr. K. im Gutachten vom 21. Mai 2013 eine chroni-sche Lumboischialgie S1 rechts ohne Nachweis einer höherwertigen Nervenwurzelschädigung (ICD-10 M51.1), eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10 F45.41) und eine Anpassungsstörung (ICD-10 F43.2) diagnostiziert; auf orthopädischem Gebiet bestehe eine chronische pseudoradikuläre Lumboischialgie ohne neurologisches Defizit, Varusgonarthrose rechts und Coxarthrose rechts. Die körperlich fundierten Beeinträchtigungen seien auf neurologischem und orthopädischem Gebiet eher gering ausgeprägt. Insgesamt sei ab Juli 2011 das Leistungsvermögen vor allem auf Grund der gravierenden maladaptiven Schmerzver-arbeitung und deren Verhaltenskonsequenzen auf drei bis unter sechs Stunden täglich gemindert; zuvor scheine die Beeinträchtigung des Klägers noch ausgeprägter gewesen zu sein. Seine Diskrepanz zu dem Gutachten des Dr. O. erkläre sich aus der unterschiedlichen Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Klägers. Er und Dr. H. hätten nennenswerte Aggravationen oder Hinweise auf eine suboptimale Mitarbeit oder negative Antwortverzerrungen nicht feststellen können. Ausgehend von der Glaubwürdigkeit des Klägers sei von einer erheblichen Auswirkung auf das Funktionsniveau auszugehen.
Die Beklagte hat unter dem 28. August 2013 darauf hingewiesen, ihr ärztlicher Dienst gehe von einem Leistungsfall am 18. April 2013 (Untersuchung bei Dr. K.) aus. Allerdings seien dann die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung nicht erfüllt
Daraufhin hat das Sozialgericht weitere medizinische Unterlagen, u.a. das Gutachten des Dipl.-Med. A. vom 26. September 2011 für das Landgericht E. (3 O 1840/10) beigezogen und ergänzende Stellungnahmen des Dr. K. vom 15. Mai 2014 und des Dr. H. vom 26. Mai 2014 zum Leistungsvermögen des Klägers im Zeitraum vom 23. August 2002 bis Juli 2011 eingeholt. Dr. K. hat mitgeteilt, bis 10. Dezember 2005 resultiere aus der Diagnose Lumboischialgie S1 rechts ohne neurologische Ausfälle keine quantitative Beeinträchtigung des Leistungsvermögens. Danach scheine bis Juli 2011 eine erheblich zunehmende Schmerzbelastung mit Entwicklung eines ausgeprägten Schon- und Vermeidungsverhaltens vorgelegen zu haben. Da er der Einschätzung des Dr. O. zu massiven Aggravationen nicht folge, könne seines Erachtens mit "hinreichender Wahrscheinlichkeit" davon ausgegangen werden, dass die inzwischen chronifizierte Schmerzsymptomatik durch ein maladaptives und dysfunktionales Verhalten wesentlich überlagert und geprägt wurde; sie habe zu einer Leistungsbeeinträchtigung in quantitativer Hinsicht geführt. Anzunehmen sei ein auf mindestens drei aber weniger als vier Stunden vermindertes Leistungsvermögen; Wegstrecken viermal täglich über 500 Meter ohne erhebliche Schmerzen seien dem Kläger nicht zumutbar gewesen. Dr. H. hat ausgeführt, nach Aktenlage sei der Kläger damals in der Lage gewesen, leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit sei nicht ersichtlich.
Mit Urteil vom 9. Dezember 2014 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 19. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Oktober 2011 abgeändert und die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 29. Juni 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. September 2004 abzuändern und dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung im Zeitraum Juni 2006 bis Mai 2015 zu gewähren und im Übrigen die Klage abgewiesen. Der Kläger sei ab 1. Dezember 2005 bis Mai 2015 nur noch in der Lage gewesen, leichte Tätigkeiten unter 6 Stunden täglich zu verrichten. Das ergebe sich aus dem Gutachten und der Stellungnahme des Dr. K., der alle Unterlagen sorgfältig ausgewertet habe. Dies sei für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend. Die Kritik der Beklagten habe Dr. K. nachvollziehbar und überzeugend widerlegt. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig und nach § 44 Abs. 1 SGB X zurückzunehmen.
Im Berufungsverfahren macht die Beklagte geltend, aufgrund des Gutachtens des Dr. K. komme nur ein Leistungsfall der verminderten Erwerbsfähigkeit ab 18. April 2013 in Betracht. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung seien aber letztmalig im Januar 2008 erfüllt. Bei dem vom Sozialgericht angenommenen Leistungsfall am 1. Dezember 2005 wäre der korrekte Rentenbeginn am 1. Juli 2006. Der Vier-Jahres-Zeitraum des § 44 Abs. 4 SGB X beginne bei einem Antrag am 6. April 2011 am 1. Januar 2007. Im Übrigen sei § 44 Abs. 1 SGB X nicht einschlägig, weil das Sozialgericht einen Leistungsfall am 1. Dezember 2005 angenommen habe, der nach Erlass der früheren Bescheide liege. Einschlägige Norm sei dann § 48 SGB X.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 9. Dezember 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach seiner Ansicht ist dem Urteil der Vorinstanz zu folgen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe klargestellt, dass nicht nur bei zu niedrig festgestellter Rente sondern auch bei Ablehnung eines früheren Rentenantrags ein Versicherter so zu stellen sei, wie er bei richtiger Rechtsanwendung zum Zeitpunkt der erstmaligen Bescheiderteilung gestanden hätte (vgl. BSGE 90, 136). Die Rente sei beim ersten Verfahrensgang vor allem wegen der Angaben des Dipl.-Med. A. zur Aggravation des Klägers verweigert worden; er habe sie aber in dem Verfahren vor dem Landgericht E. 2013 relativiert.
Am 18. September 2015 hat der Senatsvorsitzende einen Erörterungstermin durchgeführt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Niederschrift verwiesen. Die Beteiligten haben sich dort mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Senatsvorsitzenden ein-verstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund des ausdrücklich erklärten Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) durch den Senats-vorsitzenden anstelle des Senats (§ 155 Abs. 3 SGG) entscheiden
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht § 44 Abs. 1 SGB X bejaht und zudem verkannt, dass der Leistungsfall mit Vollbeweis festzustellen ist.
Nach § 44 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind (Absatz 1 S. 1); ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des Gesetzbuchs längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (Absatz 4 S. 1), dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (Absatz 4 S. 2). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (Absatz 4 S. 3).
Hier war der Rentenablehnungsbescheid vom 29. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheids rechtmäßig. Dies beurteilt sich nach der zum Zeitpunkt seines Erlasses bestehenden Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht (vgl. BSG, Urteil vom 14. November 2002 - B 13 RJ 47/01 R = BSGE 90, 136). Maßgebend ist der Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vom 21. September 2004, denn der Ausgangsbescheid fand erst mit ihm seine abschließende Gestalt (vgl. BSG, Urteil vom 4. November 1998 - B 13 RJ 27/98 R, nach juris). Ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI scheidet aus, denn die Leistungsfähigkeit des Klägers war damals nicht in dem für eine Rentengewährung erforderlichen Umfang herabgesunken. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wenn die Versicherten voll erwerbsgemindert sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Voll erwerbsgemindert sind sie, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger war am 21. September 2004 nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert im Sinne von § 43 SGB VI, weil seine Leistungsfähigkeit nicht im erforderlichen Umfang herabgesunken war. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des Dr. K. Er hat zwar in seinem Gutachten vom 21. Mai 2013 ausgeführt, ein Leistungsvermögen drei bis von unter sechs Stunden könne am Juli 2011 angenommen werden und zuvor "scheine" die Beeinträchtigung des Klägers noch ausgeprägter gewesen zu sein. Auf konkrete Anfrage des Sozialgerichts hat er in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 15. Mai 2014 dann aber ausführlich erläutert, bis zum 10. Dezember 2005 habe aus der Diagnose Lumboischialgie S1 rechts ohne neurologische Anfälle keine quantitative Beeinträchtigung des Leistungsvermögens resultiert; erst danach (Dezember 2005 bis Juli 2011) werde nach Aktenlage eine Schmerzchronifizierung im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung beschrieben. Der Kläger habe öffentliche Verkehrsmittel benutzen und eine Wegstrecke von 500 Metern viermal täglich zurücklegen können. Auch die Tätigkeit als Mitarbeiter in der Poststelle sei ihm vollschichtig möglich gewesen. Diese Ausführungen schließen für den relevanten Zeitpunkt ein wesentlich eingeschränktes Leistungsvermögen aus. Insoweit liegt auch keine unterschiedliche Beurteilung zum Gutachten des Dr. O. vor. Eine nochmalige Anfrage bei Dr. K. ist nicht erforderlich, denn er hat die Frage, ob das Leistungsvermögen zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide der Beklagten relevant eingeschränkt war, bereits eindeutig beantwortet. Im Übrigen wird, insbesondere hinsichtlich der orthopädischen Leiden und der daraus resultierenden Leistungseinschätzung, auf die Ausführungen im Beschluss des 2. Senats des Thüringer Landessozialgerichts vom 7. November 2008 - L 2 R 989/06 verwiesen. Der Einschätzung des Dipl.-Med. A. im Gutachten vom 2. Dezember 2005 hat sich Dr. H. in seinem Gutachten vom 13. Mai 2013 angeschlossen. Die von ihm bei der Untersuchung am 30. April 2013 festgestellten Diagnosen und Einschränkungen begründen gegenüber dem früheren Gutachten nur eine leichte Progredienz der Befunde ohne wesentliche Verschlechterung des Leistungsver-mögens. Sie ermöglichen weiterhin leichte Tätigkeiten mehr als 6 Stunden täglich. Dem kann nicht das Gutachten des Dr. V. vom 2. Juli 2010 entgegen gehalten werden. Seine Behauptung, die Untersuchung durch Dipl.-Med. A. sei fehlerhaft lediglich in Ruhebedingungen erfolgt und seine Leistungseinschätzung sei spekulativ, ist nicht nachvollziehbar. Wie Dr. H. im Gutachten vom 14. Mai 2013 zu Recht ausführt, ergibt sich die Leistungseinschätzung aus den vorliegenden Befunden auch in Ruhebedingungen. Die von Dr. V. geforderte Untersuchung unter körperlicher Belastung ist nicht üblich und war hier nicht erforderlich. Die angegebenen Beschwerden des Klägers konnten auch in einer Untersuchungssituation unter Ruhebedingungen in Korrelation zu den vorliegenden anderen Befunden aufgezeigt werden.
Es steht auch nicht im Sinne des Vollbeweises (d.h. mit an Gewissheit grenzender Wahr-scheinlichkeit) fest, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers zum 1. Dezember 2005 (so die Vorinstanz) in dem für eine Rentengewährung erforderlichen Umfang herabgesunken ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2010 - B 4 AL 35/09 R, nach juris; Senatsurteil vom 26. August 2014 - L 6 R 36/12). Dies gilt unabhängig davon, dass es nicht auf diesen Zeitpunkt sondern auf den 21. September 2004 ankommt, für den aber erst recht ein entsprechender Nachweis fehlt. Erforderlich wäre eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juli 2006 - B 2 U 20/04 R, nach juris), die dann erreicht ist, wenn die Tatsache in so hohem Maß wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 128 Rdnr. 3b). Auch Dr. K. hat nicht diese an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit für einen Leistungsfall Dezember 2005 angenommen. Er spricht in der Stellungnahme vom 15. Mai 2013 lediglich von einer "hinreichenden Wahrscheinlichkeit". Es scheine seit Dezember 2005 eine erheblich zunehmende Schmerzbelastung mit Entwicklung eines ausgeprägten Schon- und Vermeidungsverhaltens vorgelegen zu haben. Diese Vermutungen genügen den Anforderungen an den Vollbeweis nicht. Zur Vollständigkeit ist darauf hinzuweisen, dass seine Behauptung inhaltlich zudem nicht nachvollziehbar ist. Aus der Feststellung, bei der eigenen Untersuchung am 18. April 2013 habe der Kläger nicht aggraviert, kann nicht der Schluss gezogen werden, er habe dies auch nicht bei der Untersuchung am 6. Februar 2008 (d.h. fünf Jahre zuvor) bei Dr. O. getan. Eine solche Behauptung ist nicht nachvollziehbar und spekulativ.
Zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass Dr. O. die Aggravation des Klägers vor allem auf eigene Beobachtungen (vgl. Blatt 14 und 15 des Gutachtens) gestützt und fachspezifisch beurteilt hatte. U.a. berichtet er, dass sich im Rahmen der Untersuchung massive Aggravierungen fanden und beschreibt u.a. "groteske, zum Teil bizarr anmutende Bewegungsabläufe" ohne erkennbaren Zusammenhang mit dem lumbalen Schmerzsyndrom. Es ist insofern unrichtig, dass seine Annahme auf einer Aussage von Dipl.-Med. A. im Gutachten vom 2. Dezember 2005 beruht. Im Übrigen wären bei einem Überprüfungsantrag im April 2011 Leistungen für die Vergangenheit nur ab 2007 nachzuzahlen (§ 44 Abs. 4 SGB X).
Nachdem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmalig im Januar 2008 vorlagen, kommt es nicht darauf an, ob seit der Antragstellung im April 2011 bzw. bei der Untersuchung durch Dr. K. am 18. April 2013 tatsächlich eine relevante Leistungseinschränkung vorliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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