S 14 AS 822/13

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 14 AS 822/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft; Anforderungen an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Landkreis Wittenberg
1. Der Bescheid vom 18. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, der Klägerin zu 1) für den Zeitraum 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 52,82 Euro und dem Kläger zu 2) für den Zeitraum 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 0,81 Euro unter Abänderung des Bescheides vom 12. Januar 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012 zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Beklagte hat den Klägern 50 Prozent der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
3.Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 im Wege des Überprüfungsverfahrens.

Die 1979 geborene Klägerin zu 1) und ihr am ... 2004 geborener Sohn, der Kläger zu 2), standen seit 2005 mit Unterbrechungen im fortlaufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei dem Beklagten. Sie bewohnten ab September 2008 eine ca. 74 m² große Wohnung in der ...-Straße in Wittenberg zur Miete. Laut Mietvertrag vom 22. August 2008 waren eine Grundmiete von 330,00 Euro und eine Betriebskostenvorauszahlung von 85,00 Euro monatlich zu zahlen. Die separaten Abschläge für Gas als Heiz- und Warmwasserbereitungskosten fielen nach Jahresabrechnung vom 31. Dezember 2011 in Höhe von 82,00 Euro ab Februar 2012 bis Dezember 2012 monatlich an.

In der Anlage zum Bewilligungsbescheid vom 4. Juli 2011, in welchem Leistungen für den Zeitraum April 2011 bis September 2011 für beide Kläger bewilligt worden waren, wies der Beklagte darauf hin, dass die Kosten für den angemieteten Wohnraum als unangemessen anzusehen seien. Die Kläger würden aufgefordert, die derzeitigen Kosten der Unterkunft unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember 2011 auf ein angemessenes Maß zu senken. Sollte eine Senkung nicht erfolgen, wäre der Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen und den angemessenen Kosten der Unterkunft durch die Kläger selbst zu tragen. Für einen 2-Personen-Haushalt würden die angemessenen Kosten der Unterkunft (Grundmiete und kalte Betriebskosten) derzeit monatlich 316,20 Euro betragen.

Für den Kläger zu 2) wurden Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro sowie durch den Kindsvater monatlich Unterhalt gezahlt. Dahingehend gab die Klägerin zu 1) im Fortzahlungsantrag vom 31. August 2011 an, dass monatlich 300,00 Euro zufließen würden. Weiteres Einkommen der Kläger wurde verneint.

Mit Bescheid vom 14. September 2011 bewilligte der Beklagte den Klägern für den Zeitraum vom 1. Oktober 2011 bis 31. März 2012 Leistungen, darunter für Februar 2012 bis März 2012 in Höhe von monatlich 604,78 Euro (Klägerin: 601,39 Euro, Kläger: 3,39 Euro). In der Bedarfsberechnung legte der Beklagte bei den Unterkunftskosten einen Betrag von 316,20 Euro und bei den Heiz- und Warmwasserkosten 70,58 Euro zugrunde, kopfanteilig also monatlich 193,39 Euro. Auf den Kindesbedarf rechnete der Beklagte das Kindergeld sowie Unterhalt von lediglich 257,00 Euro an.

Nach Mitteilung der Klägerin zu 1), dass sie ab Oktober 2011 eine Teilzeitbeschäftigung mit einem monatlichen Bruttolohn von 1100,00 Euro bzw. Nettolohn von 863,71 Euro aufgenommen hätte, bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 17. November 2011 geringere Leistungen für den Zeitraum November 2011 bis März 2012 unter Anrechnung des Einkommens, darunter für Februar 2012 bis März 2012 Leistungen in Höhe von monatlich 31,07 Euro (Klägerin: 30,90 Euro, Kläger: 0,17 Euro). Das Arbeitsverhältnis wurde zum 30. November 2011 gekündigt. Daraufhin bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 12. Januar 2012 Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. März 2012 in Höhe von monatlich 615,66 Euro (Klägerin: 612,27 Euro, Kläger: 3,39 Euro) ohne Einkommensanrechnung aus nichtselbständiger Tätigkeit. Der Beklagte berücksichtigte nunmehr auch die Anpassung der Regel- und Mehrbedarfe. Zusätzlich bewilligte der Beklagte dem Kläger zu 2) für Februar 2012 Leistungen für den Schulbedarf in Höhe von 30,00 Euro.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23. April 2012 beantragten die Kläger die Überprüfung des Bescheides für den Bewilligungszeitraum Oktober 2011 bis März 2012. Die Kosten der Unterkunft und Heizung seien ab Januar 2012 nicht vollständig übernommen worden. Die tatsächlichen Mietkosten würden monatlich 429,53 Euro betragen. Es seien lediglich 386,78 Euro berücksichtigt worden. Dies sei rechtswidrig. Soweit der Beklagte sich auf die Angemessenheitsrichtlinie des Landkreises Wittenberg stütze, sei auszuführen, dass diese rechtswidrig sei. Es werde auf die Entscheidung des Sozialgerichts Dessau-Roßlau (S 11 AS 2428/11 ER) verwiesen.

Mit Änderungsbescheid vom 23. April 2012 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 in Höhe von monatlich 620,25 Euro (Klägerin: 614,56 Euro, Kläger: 5,69 Euro). Im Februar 2012 wurden weiterhin zusätzlich Leistungen für den Kläger zu 2) für den Schulbedarf bewilligt. Bei der Bedarfsberechnung berücksichtigte der Beklagte nunmehr als Heiz- und Warmwasserkosten einen monatlichen Betrag von 75,17 Euro.

Am 15. August 2012 gab die Klägerin zu 1) auf Nachfrage des Beklagten an, dass sie bereits seit dem 1. April 2011 monatlich 309,00 Euro als Kindesunterhalt erhalten würde, was der Kindsvater auch schriftlich bestätigte. Eine Abänderung der Leistungsbewilligung erfolgte durch den Beklagten nicht.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2012 erklärte der Beklagte auf den "Antrag auf Überprüfung [seines] Bescheides vom 12. Januar 2012 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)", dass dem Antrag "in voller Höhe entsprochen werden konnte". Für Januar 2012 seien nunmehr die "angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung von 429,53 Euro" berücksichtigt worden (Änderungsbescheid vom 18. Oktober 2012). Gegen die beiden Bescheide vom 18. Oktober 2012 legten die Kläger am 7. November 2012 Widerspruch ein. Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus, dass die Heranziehung der Angemessenheitsrichtlinie des Beklagten rechtswidrig sei. Ein schlüssiges Konzept würde der Verwaltungsvorschrift nicht zugrunde liegen. Im Übrigen würde die verfassungswidrig zu gering bemessene Regelsatzhöhe gerügt. Den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 18. Oktober 2012 für Januar 2012 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2013 zurück, wogegen die Kläger eine separate Klage erhoben (S 14 AS 812/13). Den Widerspruch gegen den Überprüfungsbescheid vom 18. Oktober 2012 wies der Beklagte mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 12. März 2013 als unbegründet zurück. Der Bescheid für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 sei bindend geworden und dürfe nur unter den Voraussetzungen des § 44 SGB X überprüft werden. Die Kläger hätten jedoch nichts vorgebracht, was für die Unrichtigkeit der Entscheidung vom 12. Januar 2012 sprechen würde. Es hätten sich auch keine neuen Erkenntnisse ergeben, die dafür sprechen würden, dass die Entscheidung falsch sei. Eine sachliche Prüfung habe daher abgelehnt werden dürfen.

Unter dem 4. April 2013 haben die Kläger gegen den Bescheid vom 18. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 für den Zeitraum Februar 2012 bis März 2012 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus, dass der Beklagte ihnen rechtswidrig zu geringe Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt hätte. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft würden 415,00 Euro und die tatsächlichen Heizkosten 70,58 Euro betragen. Die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg sei zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht geeignet. Ein schlüssiges Konzept liege der Verwaltungsvorschrift nicht zugrunde. Weder die Schlüssigkeit der Datenerhebung noch die Schlüssigkeit der konkreten Berechnungen seien überprüfbar. Offensichtlich seien sämtliche Erhebungsdaten gelöscht worden. Dem Beklagten habe offenbar das Datenmaterial selbst auch zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Aber selbst bei der Möglichkeit zur nachträglichen Wiederherstellung der Daten sei das Konzept unschlüssig. Nicht schlüssig sei die Herausnahme der Ein- und Zweifamilienhäuser aus der Mietwerterhebung. Es handele sich bei den hier aufgeteilten drei Vergleichsräumen um überwiegend ländlich strukturierte Gebiete. Die Mehrzahl der Wohnungen befinde sich in Ein- und Zweifamilienhäusern. Der gesamte Wohnungsmarkt sei aber zu betrachten. Es seien Daten teilweise nicht bloß empirisch ermittelt, sondern von vornherein – sozusagen zielorientiert – bestimmte Mietwerte ausgesucht worden. Bei den "Wohnungsmarkttypen" könne auch nicht von homogenen Vergleichsräumen ausgegangen werden. Die verkehrstechnische Verbundenheit einzelner Siedlungsgebiete sei gar nicht berücksichtigt worden. Die Verbundenheit der neuen Einheitsgemeinde Zahna-Elster etwa mit Wittenberg und der Umstand, dass dort eine eher gehobene Wohngegend vorzufinden sei, die keinesfalls unter dem Niveau von Wittenberg selbst liege, komme in dem Konzept ohne schlüssigen Grund schon gar nicht vor. Die hinreichende Größe der Vergleichsräume sei auch nicht gegeben. Dies zeige sich u.a. daran, dass in weiten Teilen gar keine Werte haben ermittelt werden können. Es seien in den gebildeten drei Vergleichsräumen nicht jeweils mindestens 10 Prozent des Wohnungsbestandes in die Erhebung einbezogen worden. Auch die Bildung und Bewertung der Vergleichsräume sei im Ergebnis nicht schlüssig, da der Wohnungsmarkt Typ 3 hinsichtlich der Indikatoren mehr +-Zeichen als der Wohnungsmarkt Typ 2 habe. Inwieweit aus der Wahlbeteiligung an einer einzigen Kommunalwahl im Jahr 2007 verlässliche Rückschlüsse auf die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung gezogen werden könnten, sei nicht schlüssig, zumal diese Wahl aufgrund der Kreisgebietsreform stattgefunden habe. Desweiteren sei das Pro-Kopf-Einkommen, was in der Tat ein wesentlicher Indikator sei, aus 2004 gewählt worden. Gerade mit der Einführung des SGB II habe sich das Pro-Kopf-Einkommen im Landkreis bezogen auf die Vergleichsräume erheblich verschoben. Es sei ein starker Zuzug von SGB II-Leistungsbeziehern in Gebiete mit Neubaubebauung erfolgt, während sich ein starker Zuzug von Personen mit höherem Pro-Kopf-Einkommen in die Umlandgegenden sowie die Innenstadt von Wittenberg vollzogen habe. Das Konzept sei nicht schlüssig und könne nicht Grundlage sein. Daher seien mindestens die Kosten nach dem Wohngeldgesetz zzgl. 10 % Sicherheitszuschlag zu Grunde zu legen. Die Kläger würden diese Kosten sogar unterschreiten. Ihnen sei der Differenzbetrag von monatlich 98,80 Euro nachzuzahlen.

Die Kläger beantragen ausdrücklich,

den Beklagten zu verurteilen, den Klägern unter Änderung des Teil-Ablehnungsbescheides vom 18. Oktober 2012 sowie des Bewilligungsbescheides vom 14. September 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 weitere Leistungen für den Bewilligungszeitraum Februar 2012 bis März 2012 in Höhe von 197,60 Euro zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist auf die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zu den Angemessenheitskriterien für Kosten der Unterkunft und Heizung. Der Beklagte sehe es im Übrigen auch nicht als erwiesen an, dass die Kläger nicht bereits vor dem zwischenzeitlich zum 1. Oktober 2012 erfolgten Umzug eine angemessene Unterkunft hätten finden und beziehen können. Es sei nicht nachvollziehbar, warum sich die Klägerin zu 1) nicht sofort an die jetzige Vermieterin gewandt habe. Diese sei ein großer Vermieter und verfüge auch über Wohnraum im Schulumfeld der Grundschule des Klägers zu 2). Tatsächlich sei im Oktober 2012 eine Wohnung bezogen worden, von der aus die Grundschule bequem zu Fuß oder per Fahrrad erreichbar wäre.

Der Beklagte hat dem Gericht einen Abdruck vom durch die Firma A. im Auftrag des kommunalen Trägers erstellten "Endbericht der Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" übersandt. Desweiteren hat er sowohl dem Gericht als auch dem Prozessbevollmächtigten der Kläger Kopien von Rohdaten zur Mietwerterhebung (Aktenordner Band I-III) zur Verfügung gestellt. Schließlich ist noch ein Aktenordner mit einem Abdruck der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg, einer Kopie des Endberichts der Mietwerterhebung sowie zur Indexfortschreibung, Schriftverkehr zur Mieter-/Vermieterbefragung inklusive Anschreiben und Kopien von Stellungnahmen der Firma A. vom 13. Februar 2015, 18. März 2015 und 26. Juni 2015 als Band IV übersandt worden.

Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis zu einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Unterlagen zur Mietwerterhebung haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage hat in der Sache teilweise Erfolg.

1.
Die Kammer konnte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

2.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG zulässig (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Februar 2014, B 4 AS 22/13 R, Rn. 11; Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Dezember 2013, B 4 AS 17/13 R, Rn. 12; aA Bundessozialgericht, Urteil vom 5. September 2006, B 2 U 24/05 R, Rn. 9 ["einer zusätzlichen Verpflichtungsklage bedarf es nicht"] – juris). Die Kläger begehren mit der Anfechtungsklage die (teilweise) Aufhebung des die Überprüfung des Bewilligungsbescheides für den streitgegenständlichen Zeitraum 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 ablehnenden Bescheides vom 18. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013. Die Verpflichtungsklage ist auf die Erteilung eines Bescheides durch den Beklagten gerichtet, mit dem dieser die begehrte Änderung der Bewilligungsbescheide bewirkt. Mit der Leistungsklage beantragen die Kläger die Erbringung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im streitigen Zeitraum. Entgegen der Formulierung im Klageantrag kann bezüglich der Rücknahme eines Verwaltungsaktes zugunsten der Kläger im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB X aber nicht auf den (ursprünglichen) Bewilligungsbescheid vom 14. September 2011 abgestellt werden, da dieser schon vor dem Überprüfungsantrag durch die Bescheide vom 17. November 2011 und 12. Januar 2012 ersetzt worden war. Nach Eingang des Überprüfungsantrags wurde der Änderungsbescheid vom 12. Januar 2012, welchen der Beklagte auch ausdrücklich überprüft hatte, wiederum durch Erlass des Bescheides vom 23. April 2012 abgeändert. Das Klagebegehren ist insoweit aber auslegungsfähig (vgl. § 123 SGG).

3.
Die Klage ist auch teilweise begründet. Die durch den angefochtenen Überprüfungsbescheid vom 18. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 ausgesprochene Ablehnung einer Rücknahme der Bewilligungsentscheidungen für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Die Kläger haben einen Anspruch auf Rücknahme der rechtswidrigen Bewilligungsbescheide im Rahmen des Überprüfungsverfahrens. Die Klägerin zu 1) hat einen Leistungsanspruch für den Zeitraum Februar 2012 bis März 2012 von 667,38 Euro monatlich. Für den Kläger zu 2) ergibt sich ein Leistungsanspruch von monatlich 6,50 Euro (zuzüglich der einmaligen Leistung für den Schulbedarf in Höhe von 30,00 Euro im Februar 2012).

a)
Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 12. Januar 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012 zugunsten der Kläger ist § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Der Antrag der Kläger genügte den Anforderungen für einen Überprüfungsantrag eines Leistungsberechtigten nach § 44 SGB X. Das konkrete Überprüfungsbegehren und damit der Umfang der Prüfpflicht waren für den Beklagten ohne Weiteres erkennbar.

b)
Das Recht wurde durch den Beklagten in unrichtiger Weise angewandt. Die Kläger haben für den streitgegenständlichen Zeitraum 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 einen höheren Leistungsanspruch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung.

aa)
Nach § 19 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Leistungsberechtigt sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

Die im streitgegenständlichen Zeitraum 32-jährige Klägerin zu 1) ist erwerbsfähig gewesen und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Sie war hilfebedürftig, weil sie ihren Bedarf mit Einkommen nicht decken konnte. Verwertbares Vermögen war nicht vorhanden. Zur Bedarfsgemeinschaft gehörte nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II auch der mit im Haushalt lebende minderjährige Sohn der Klägerin, der Kläger zu 2), da dieser seinen Bedarf nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen hat vollumfänglich decken können.

bb)
Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II beträgt der monatliche Regelbedarf der Klägerin zu 1) als alleinstehende bzw. alleinerziehende Person 374,00 Euro. Desweiteren ist bei der Klägerin gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II der Alleinerziehendenmehrbedarf in Höhe von 44,88 Euro (12 Prozent des maßgeblichen Regelbedarfs) zu berücksichtigen. Der am ... 2004 geborene und damit im streitgegenständlichen Zeitraum 7-jährige Kläger zu 2) hat einen Anspruch auf Sozialgeld in Höhe von 251,00 Euro gemäß § 23 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 77 Abs. 4 Nr. 3 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung).

cc)
Hinzuzurechnen sind die Kosten für Unterkunft und Heizung vorliegend in Höhe von monatlich 497,00 Euro, also kopfanteilig 248,50 Euro.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Kosten der Unterkunft und Heizung gehören dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zum aktuellen Bedarf (vgl. u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Februar 2011, B 14 AS 61/10 R, Rn. 14; Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 29; Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7b AS 58/06 R, Rn. 36 – juris). Bei der Nutzung einer Unterkunft durch mehrere Personen erfolgt die Aufteilung der Unterkunftskosten kopfanteilig (st. Rspr., u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7 b AS 58/06 R, Rn. 33; Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/11 b AS 61/06 R, Rn. 19 – juris). Zu den Bedarfen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind dabei auch die auf die Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile der Haushaltsenergie zu zählen, sofern sie zentral erzeugt werden (vgl. §§ 20 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung).

Heiz- und Warmwassererzeugungskosten sind entgegen der Auffassung des Beklagten unter Berücksichtigung der Fälligkeit im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in Höhe von nur 75,17 Euro, sondern in Höhe von monatlich 82,00 Euro angefallen. Für eine Aufteilung von elf Abschlägen auf zwölf Monate gibt es keine gesetzliche Grundlage. Der Gasabschlag war selbst unter Heranziehung der Werte des Heizspiegels für eine Wohnfläche von 60 m² nicht unangemessen.

Eine Bruttokaltmiete wurde in Höhe von 415,00 Euro durch den Mietvertrag nachgewiesen. Eine Abänderung im Rahmen einer Betriebskostenabrechnung durch den privaten Vermieter ist in der Verwaltungsakte nicht erkennbar. Die Kammer geht von einer tatsächlichen Miete in Höhe von monatlich 415,00 Euro (Grundmiete: 330,00 Euro, Betriebskostenvorauszahlung: 85,00 Euro) aus.

Die Unterkunftskosten sind auch nicht auf einen Betrag von 316,20 Euro zu begrenzen, sondern in voller Höhe bei der Berechnung zu berücksichtigen. Dabei hat die Kammer keine Bedenken bezüglich der Kostensenkungsaufforderung vom 4. Juli 2011. Subjektive Gründe für einen (längeren) Verbleib in der vorherigen Wohnung sind nach Auffassung der Kammer nicht anzunehmen. Die Kläger waren tatsächlich (in eine kostengünstigere) Wohnung umgezogen, wenn auch erst nach 15 Monaten. Die der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII zugrunde liegende Mietwerterhebung entspricht aber nach Auffassung der Kammer nicht den Mindestanforderungen des Bundessozialgerichts an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzwerten.

Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen. Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (abstrakt angemessener Quadratmeterpreis) (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 19 – juris).

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt geht der Beklagte zunächst zutreffend davon aus, dass für einen Zwei-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 60 m² angemessen ist. Zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt) zurückzugreifen (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. März 2011, L 5 AS 181/07, Rn. 45; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. Mai 2012, L 5 AS 2/09, Rn. 37 – juris). Die Wohnung der Kläger überschreitet diese Größe, führt aber für sich genommen nicht zur Unangemessenheit der Unterkunftskosten, da auf das Produkt von Wohnfläche und Quadratmeterpreis abzustellen ist.

Der Beklagte unterliegt grundsätzlich einer Methodenfreiheit bei der Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete. Die Unterkunftsbedarfe müssen als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums aber folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht, berechnet werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. November 2014, B 4 AS 9/14 R, Rn. 13 – juris). Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16 – juris). Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

- die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen,
- Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,
- Angaben über den Beobachtungszeitraum,
- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
- Validität der Datenerhebung,
- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
- Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze)
(Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 19 – juris).

Die für die Leistungsberechtigten in Frage kommenden Wohnungen müssen nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen. Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden, gehören von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – juris). Dabei ist die Festlegung des unteren Marktsegments zunächst in die Hände der Verwaltung gelegt, denn diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – juris). Eine solche Bestimmung ist ausweislich des Endberichts zur Mietwerterhebung ausschließlich hinsichtlich der als "Substandardwohnungen" bezeichneten Wohnungen erfolgt. Es seien nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt worden, die "zumindest über die Merkmale Bad und Sammelheizung" verfügen würden (Endbericht S. 7). Es ist für die Kammer aber nicht nachvollziehbar, ob die dem Ausschluss von Wohnungen des untersten Standards dienenden Vorgaben ("Ausstattung, Lage und Bausubstanz") tatsächlich im Ergebnis bei der Mietwerterhebung beachtet worden sind. Der Konzeptersteller kann gerade nicht gewährleisten, dass unzumutbare Wohnungen ohne Sammelheizung bzw. Bad nicht in die Ermittlung eines angemessenen Quadratmeterpreises eingeflossen sind. Weder die Vermieterfragebögen noch die Mieterfragebögen enthalten entsprechende Fragen nach dem Standard. Dass der Ausschluss von Substandardwohnungen im Falle der Datenerhebung bei den Wohnungsunternehmen im "persönlichen Kontakt" erfolgt sein soll (vgl. Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015), kann anhand der noch vorhandenen Datensätze nicht verifiziert werden und führt nicht zu belastbaren Ergebnissen. Es sei noch einmal zu betonen, dass zur Sicherstellung des Existenzminimums der Leistungsberechtigten der Bestimmung von pauschalen Grenzwerten ein transparentes und planmäßiges Verfahren zugrunde liegen muss.

Als fehlerhaft stellt sich aus Sicht der Kammer auch die Herausnahme von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus der Datenerhebung dar. Eine konkrete Begründung findet sich im Endbericht nicht. Der Konzeptersteller wollte ausweislich seiner eigenen Ausführungen den gesamten Wohnungsmarkt des einfachen bis gehobenen Standards zugrunde legen und anschließend mittels Extremwertkappungen und Perzentil-Bildungen einen Durchschnittspreis ermitteln (Endbericht S. 14). In einem ländlich und dörflich geprägten Gebiet wie dem Landkreis Wittenberg ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass die Anmietung einer solchen Wohnung per se dem Luxussegment zuzuordnen wäre. Wenn bei der Datenerhebung aber nur auf den Geschossbau abgestellt wird, verzerrt es im ländlich geprägten Gebiet den abzubildenden gesamten Mietwohnungsmarkt. Nach der ergänzenden Stellungnahme des Konzepterstellers sollen rund 8,3 % der Einfamilienhäuser und 31,6 % der Wohnungen in Zweifamilienhäusern zu Wohnzwecken vermietet sein (Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015). Daten wurden von vornherein nicht erhoben (die ausgewählten Mieter solcher Wohnungen sollten den Fragebogen weder ausfüllen noch zurückschicken), sodass eine Nachbesserung für die Vergangenheit nicht möglich wäre. Die Vermutung der Klägerseite, diese Herangehensweise sei "zielorientiert", um die erst zu ermittelnden Mietobergrenzen so gering wie möglich zu halten, ist damit nicht von der Hand zu weisen.

Die Bildung des Vergleichsraumes ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Denn um prüfen zu können, welche Aufwendungen für eine "einfache" Wohnung abstrakt angemessener Größe im unteren Segment des Wohnungsmarktes zu zahlen ist, muss nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf einer zweiten Prüfungsstufe der maßgebliche räumliche Vergleichsmaßstab festgelegt werden, innerhalb dessen das (durchschnittliche) Mietpreisniveau solcher Wohnungen ermittelt wird. Da es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen geht, sind die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere nach folgenden Kriterien abzustecken: Es geht darum zu beschreiben, welche ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Einer sog. Ghettobildung wird dadurch begegnet, dass hinsichtlich der Referenzmieten zwar auf Mieten für "Wohnungen mit bescheidenem Zuschnitt" abgestellt wird, insoweit aber nicht einzelne, besonders heruntergekommene und daher "billige" Stadtteile herausgegriffen werden dürfen, sondern auf Durchschnittswerte des unteren Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw. räumlichen Vergleichsraum abzustellen ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/08 R, Rn. 21 – juris). Nach ergänzender Erläuterung des Konzepterstellers bilden die Wohnungsmarkttypen nicht den homogenen Wohn- und Lebensbereich ab. Vielmehr wurde wohl zunächst das gesamte Kreisgebiet als Vergleichsraum angesehen (Stellungnahme A. vom 4. Juni 2013). Diese Vorgehensweise kann zwar bei Großstädten zutreffend sein (vgl. München, Berlin, Dresden) und dürfte auch bei kleineren Landkreisen mit einem Mittelzentrum als vertretbar angesehen werden können. Im Falle des Landkreises Wittenberg erachtet die Kammer diese Zuordnung jedoch schon mangels infrastrukturellen Zusammenhangs als abwegig. Gemeinden wie Vockerode und Oranienbaum (jetzige Verwaltungsgemeinschaft Wörlitzer Winkel) sind unabhängig von ihrer verwaltungstechnischen Zuordnung infrastrukturell eindeutig eher der Stadt Dessau-Roßlau als der Lutherstadt Wittenberg oder gar anderen kreisangehörigen Gemeinden wie Jessen oder Bad Schmiedeberg zugewandt. Im Weiteren führt das Unternehmen dann aber aus, dass der Landkreis in zwei unterschiedliche Vergleichsräume differenziert werden könne, mit der Lutherstadt Wittenberg als Mittelzentrum als eigenen Vergleichsraum und "den übrigen Gemeinden des Kreises" als zweiten Vergleichsraum. In dem Endbericht zur Mietwerterhebung finden sich solche Erwägungen nicht. Dort wird allein von drei Wohnungsmarkttypen ausgegangen.

Die vom Konzeptersteller vorgenommene Clusteranalyse kann nach Auffassung der Kammer nicht die Festlegung eines Vergleichsraums ersetzen, da hier die Kriterien für einen homogenen Lebens- und Wohnbereich wie räumliche Nähe und verkehrstechnische Verbundenheit gerade keine Berücksichtigung gefunden haben (vgl. schon Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 17. August 2012, S 11 AS 2430/11, Rn. 19 – juris). Im Endbericht wird sogar ausgeführt, dass "Gemeinden eines Wohnungsmarkttyps [ ] dabei nicht zwingend räumlich nebeneinander liegen [müssten], sondern [ ] sich über das Untersuchungsgebiet (Kreisgebiet) verteilen [könnten]" (Endbericht S. 3). Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass der Wohnungsmarkttyp tatsächlich mit dem Vergleichsraum übereinstimmen kann (vgl. zur Stadt B.: Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 13. März 2015, S 3 AS 168/14, Rn. 33 – juris). Im Übrigen soll die Clusteranalyse ausweislich der Erläuterungen im Endbericht gerade auf Indikatoren beruhen, die Aufschluss auf den Mietpreis geben können. Parameter wie Bevölkerungswachstum und entsprechende Nachfrageerhöhung nach Wohnraum oder das Pro-Kopf-Einkommen – sofern dies nicht auf veralteten Erhebungen beruht – erachtet die Kammer als nachvollziehbar. Inwieweit aber die Wahlbeteiligung an einer Kommunalwahl (hier 2007) im Landkreis Wittenberg tatsächlich Einfluss auf den Wohnungsmarkt gehabt haben soll, erschließt sich nicht, zumal die Wahlbeteiligung in den Gemeinden des Wohnungsmarkttyps 3 durch den Konzeptersteller tatsächlich als höher bewertet worden ist als im Wohnungsmarkttyp 1, der durchschnittliche Mietpreis aber dennoch geringer sein soll.

Nach Auffassung der Kammer ist der Umfang der erhobenen und in das Verfahren eingeführten Daten nicht dazu geeignet, den Mietwohnungsmarkt im Landkreis Wittenberg zuverlässig abzubilden. Eine repräsentative Abbildung des Wohnungsmarktes hat das Bundessozialgericht zwar für den Fall angenommen, wenn die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (vgl. Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16 – juris). Nach den Ausführungen im Endbericht gebe es im Landkreis 72.219 Wohnungen. In einer ergänzenden Stellungnahme wurde dann eine Zahl von 30.300 vermieteten Wohnungen angegeben (Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015). Letztlich in die Auswertung eingeflossen sind 4.632 Datensätze. Sofern man nur auf den Wohnort der Kläger, also die Lutherstadt Wittenberg (=Wohnungsmarkttyp 1) abstellt, dürften die in die Auswertung insgesamt eingeflossenen Mietwerte von 3.148 Wohnungen auch rechnerisch mindestens 10% des Mietwohnungsmarktes umfassen. Dies führt aber nach Auffassung der Kammer noch nicht zu dem belastbaren Ergebnis, dass der gesamte relevante Mietwohnungsmarkt abgebildet worden ist. Eine Konzentration Leistungsberechtigter auf bestimmte Stadtbezirke (sog. Ghettobildung) ist anhand der vorliegenden Datenausdrucke nicht auszuschließen. Es sind keine Straßennamen oder zumindest Ortsteile der größeren Gemeinden, insbesondere der Lutherstadt Wittenberg dargestellt. Eine Nachbesserung ist angesichts der "Löschung sämtlicher Erhebungsdaten nach Beendigung der Auswertungen" (Endbericht S. 2) nicht möglich, sodass es letztlich auch nicht darauf ankommt, ob die Kammer ausschließlich die Lutherstadt Wittenberg (=Wohnungsmarkttyp 1) als für die Kläger maßgeblichen Vergleichsraum ansieht.

Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, gedeckelt im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben durch die Tabellenwerte der rechten Spalte der Wohngeldtabelle zzgl. eines Sicherheitszuschlags von 10 % (u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2012, B 4 AS 16/11 R, Rn. 20 ff. – juris). Einen Betrag von 442,20 Euro überschreiten die Kläger nicht, sodass die tatsächlichen und nachgewiesenen Unterkunftskosten von 415,00 Euro zugrunde zu legen sind.

dd)
Auf den Gesamtbedarf ist gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II das Einkommen anzurechnen. Vermögen im Sinne des § 12 SGB II ist nicht vorhanden. Aus § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II folgt, dass die Errechnung des ungedeckten Bedarfs eines Kindes zunächst unter Berücksichtigung seines eigenen Einkommens erfolgt, da Kindeseinkommen nicht zur Verteilung in der Bedarfsgemeinschaft ansteht, sondern vorrangig den Bedarf des Kindes decken soll (sog. vertikale Berechnungsmethode, vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14 AS 55/07 R, Rn. 24 f.; Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2012, B 4 AS 89/11 R, Rn. 16 – juris). Einkommen der Eltern wäre dagegen nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II bei den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf zu berücksichtigen (sog. horizontale Berechnungsmethode). Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen.

Der Kläger zu 2) hatte tatsächlich ein Einkommen aus Unterhaltsleistungen in Höhe von monatlich 309,00 Euro. Der Beklagte hatte bisher lediglich 257,00 Euro für die streitgegenständlichen Monate angerechnet. Da sich das Einkommen auch auf die mit der Klage geltend gemachten Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung auswirkt, kann die tatsächliche Einkommenshöhe nicht unberücksichtigt bleiben. Daneben wurde für den Kläger zu 2) Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro monatlich bezogen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II (in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) stellt Kindergeld Einkommen des Kindes dar, soweit es bei dem Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Verfügt das Kind über hinreichendes Einkommen, um seinen Bedarf nach dem SGB II zu decken, scheidet es aus der Bedarfsgemeinschaft aus und der dann nicht benötigte Teil des Kindergeldes wird dem Kindergeldberechtigten entsprechend der Regeln des § 62 Einkommensteuergesetz als Einkommen zugerechnet (Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2009, B 4 AS 39/08 R, Rn. 18; Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2012, B 4 AS 89/11 R, Rn. 16 – juris). Nach Anrechnung des Gesamteinkommens in Höhe von 493,00 Euro auf den Kindesbedarf von monatlich 499,50 Euro verbleibt noch ein Rest-Bedarf von 6,50 Euro. Übersteigendes Kindergeld liegt damit nicht vor. Die Klägerin zu 1) erzielte im streitgegenständlichen Zeitraum kein Einkommen.

ee)
Es besteht demnach ein Leistungsanspruch der Klägerin zu 1) von monatlich 667,38 Euro und des Klägers zu 2) von monatlich 6,50 Euro. An die Klägerin zu 1) wurden bereits auf den Bescheid vom 23. April 2012 hin monatlich 614,56 Euro ausgezahlt, sodass für sie noch weitere 52,82 Euro monatlich zu gewähren sind. Für den Kläger zu 2) hat der Beklagte monatlich 5,69 Euro gezahlt (zuzüglich der einmaligen Leistung für den Schulbedarf von 30,00 Euro). Es verbleibt ein weiterer Anspruch von monatlich 0,81 Euro.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens. Die Kläger haben eine Nachzahlung von 197,60 Euro begehrt. Erfolgreich waren sie in Höhe von 107,26 Euro.

III.

Die Berufung ist nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt für beide Beteiligte jeweils nicht mehr als 750,00 Euro. Es liegen nach Auffassung der Kammer aber Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG vor. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage der Schlüssigkeit der "Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" hat im Hinblick auf die Vielzahl der Anwendungsfälle der Verwaltungsvorschrift grundsätzliche Bedeutung.
Rechtskraft
Aus
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