Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 4239/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine 20-jährige, tatsächlich ausgeübte Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hat einen stärkeren Beweiswert als medizinische Feststellungen
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Der 1969 geborene Kläger besuchte eine Förderberufsschule im Berufsbildungswerk M. und absolvierte eine Ausbildung zum Metallfeinbearbeiter. In den Jahren 1990 bis 2010 war er bei der Firma O. als Maschinenbediener, im Folgenden für ein halbes Jahr in einer Transfergesellschaft und im Mai 2011 bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt. Seit dem bezieht er Arbeitslosengeld I bzw. II. Die Firma O. bescheinigte ihm folgende Beschäftigung: "Zunächst wurde Herr A. im Bereich Montage- und Verbindungstechnik bis Ende März 1998 eingesetzt. Vom 1. April 1998 bis 31. Januar 2009 war er als Anlagebediener in der Gleitschleiferei tätig. Seine Hauptaufgaben waren dort Bedienung von sechs Tellerfliehkraftanlagen, Mitarbeit an Rundvibratoren und Troganlagen. Hr. A. übernahm die Verantwortung über die Strahlkabinen und führte sämtliche Strahlaufträge selbstständig durch. Seit 1.02.2009 wurde Herr A. als Springer eingesetzt und war zuständig für Aufsetzen von MIM-Grünlingen von Hand auf Keramikplatten unter Beachtung der Vorgaben zur Lage der Teile, Beschicken von Schraubenumspritzmaschinen." Die Kündigung erfolgte betriebsbedingt. Er wurde nach dem gültigen Tarifvertrag Schmuck und Uhren Entgeltgruppe 1 vergütet.
Die Beklagte hatte dem Kläger vom 6. Oktober bis 7. November 2011 eine medizinische Rehabilitation mit einer Belastungserprobung bewilligt. Aus Sicht der Klinik hatte bei Entlassung trotz einer Anpassungsstörung ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestanden. Im Anschluss hieran hatte die Beklagte von April bis November 2012 eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Integrationsmaßnahme beim Internationalen Bund in P. gewährt. Im Rahmen dessen absolvierte er ein sechswöchiges Praktikum als Maschinenbediener.
Am 11. Februar 2013 beantragte er bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung. Er begründete seinen Antrag mit seinen körperlichen und psychischen Leiden. Daraufhin holte die Beklagte Befundberichte der behandelnden Ärzte ein und ließ den Kläger durch die Internistin Dr. S. untersuchen und begutachten. Trotz einer Anpassungsstörung, Bluthochdruck und chronischen rezidivierenden Lumboischialgien stellte Dr. S. noch ein über sechsstündiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Tätigkeiten fest.
Durch Bescheid vom 1. März 2013 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Nach den ärztlichen Untersuchungsergebnissen könne mit dem vorhandenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden. Die erforderliche Wartezeit mit fünf Jahren anrechenbaren Zeiten sei dagegen erfüllt.
Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs trug der Kläger vor, die Hausärztin attestiere eine verminderte psychische Belastbarkeit bei kognitiven Beeinträchtigungen. Eine Berufstätigkeit sei ihm nicht mehr möglich.
Daraufhin ließ die Beklagte den Kläger durch den Neurologen und Psychiater Dr. Sch. begutachten. Aus Sicht des Gutachters bestehe beim Kläger eine frühkindlich erworbene grenzwertig niedrige Intelligenz sowie eine Anpassungsstörung. Dennoch sei ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich mittelschwere und geistig-seelisch einfache Tätigkeiten gegeben. Im Folgenden wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2013 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 5. Dezember 2013 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Die behandelnde Ärzte gingen von einem aufgehobenen Leistungsvermögen aus und empfehlen eine Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 30. Oktober 2013 zu verurteilen, dem Kläger auf seinen Antrag vom 11. Februar 2013 eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Vermeidung von Wiederholungen auf die den angefochtenen Bescheiden zugrundeliegenden Ausführungen und trägt vor, die medizinischen Ermittlungen des Gerichts hätten ihre bisherige Auffassung bestätigt.
Das Gericht hat zunächst die von dem Kläger als behandelnden Ärzte benannten Mediziner im Wege schriftlicher sachverständiger Zeugenaussagen gehört. Auf den Inhalt der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. K. und Dr. V. wird Bezug genommen.
Anschließend hat das Gericht die Untersuchung und Begutachtung des Klägers durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. veranlasst. Dieser hat in seinem im Oktober 2014 erstatteten Gutachten folgende Diagnosen erhoben: leichte Intelligenzminderung, Anpassungsstörung mit rezidivierenden leichten depressiven Episoden. Es bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Der Kläger beantragte die Einholung eines Gutachtens gem. § 109 SGG beim Psychiater Dr. B. sowie ein psychologisches Zusatzgutachten bei Dr. A ... Aus Sicht der Gutachter lägen beim Kläger eine leichte Intelligenzminderung mit ausgeprägten kognitiven Teilleistungsstörungen sowie eine Anpassungsstörung vor. Es bestehe ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen im Hinblick auf eine arbeitstägliche Arbeitszeit von 3 bis unter 6 Stunden.
In der mündlichen Verhandlung vom 7. Oktober 2015 hat der Kläger erklärt, er habe sich auf Anregung des Arbeitsamts bei der Firma O. beworben und ein übliches Bewerbungsverfahren samt Probezeit durchlaufen. Persönliche oder verwandtschaftliche Beziehungen zu einem Mitarbeiter dieser Firma habe er nicht. Er sei jeweils in einer Gruppe mit bis zu ca. 8 Arbeitern eingesetzt gewesen, wobei zwei eine Vorarbeiter-/Meisterfunktion ausgeübt hätten. Die übrigen Arbeiter hätten dieselbe Tätigkeit wie er verrichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Behördenakte und der Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheides vom 1. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 30. Oktober 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.
Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teil-weiser Erwerbsminderung, wenn sie (1) voll oder teilweise erwerbsgemindert sind (medizinische Voraussetzung), (2) in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt haben und (3) vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 43 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch -SGB VI-).
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Darüber hinaus ist generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
1. Gemessen an diesen gesetzlichen Vorgaben ist der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts 46 Jahre alte Kläger nicht erwerbsgemindert, da er auf dem allgemeinen Arbeits-markt über ein arbeitstägliches Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche verfügt.
Die im Rahmen der gerichtlichen Beweisaufnahme ermittelten Gesundheitsstörungen mit Schwerpunkt auf psychiatrisch-neurologischem Gebiet schränken das qualitative Leistungs-vermögen des Klägers ein, berühren aber seine quantitative körperliche und geistige Leistungsfähigkeit für die Verrichtung leichter Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht. Die Kammer macht sich diesbezüglich die Einschätzung des Dr. E. nach eigener kritischer Urteils- und Überzeugungsbildung zu eigen. Die bereits im Verwaltungsverfahren ein-geholten Sachverständigengutachten von Dr. S. und Dr. Sch. verwertet die Kammer dabei im Wege des Urkundsbeweises.
Nach Überzeugung des Gerichts verfügt der Kläger sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht über ein vollschichtiges Leistungsvermögen von arbeitstäglich sechs Stunden für körperlich leichte bis mittelschwere, einfache Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Gegen eine Einschränkung des Leistungsvermögens spricht insbesondere die vom Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über 20 Jahre ausgeübte Tätigkeit bei der Firma O ...
a) Der Kläger leidet seit seiner Geburt unter einer leichten Intelligenzminderung. Hinzu kam durch den Verlust des Arbeitsplatzes im Jahr 2010 eine Anpassungsstörung mit rezidivieren-den leichten depressiven Episoden. Schließlich besteht ein medikamentös behandelter Bluthochdruck. Aus diesen Erkrankungen ergeben sich nach Überzeugung des Gericht qualitative Leistungseinschränkungen. Nicht mehr möglich sind dem Kläger schwere körperliche Tätigkeiten, Tätigkeiten in Wechselschicht, Akkord- und Fließbandarbeiten, geistig oder seelisch belastende Tätigkeiten, Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Konzentration, Arbeiten mit mehr als geringen Anforderungen an die Anpassungsfähigkeit und das Umstellungsvermögen, Arbeiten mit überwiegendem Publikumsverkehr.
b) Entgegen der Auffassung des Klägers, seiner behandelnden Ärzte und dem Gutachten von Dr. B. folgt aus den bestehenden Erkrankungen aber keine Leistungseinschränkung in zeitlicher Hinsicht.
aa) Dagegen lassen sich zunächst die schlüssigen und nachvollziehbaren Darstellungen der Gutachter Dr. E., Dr. Sch. und Dr. S. anführen. Zunächst konnten diese erheben, dass der Kläger trotz seiner Einschränkungen in der Lage ist seinen Tagesablauf hinreichend zu strukturieren. Zwar unterhält er ca. einmal im Monat Unterstützung durch den sozialpsychiatrischen Dienst, im Übrigen ist er aber in der Lage sich selbst zu versorgen und den Haushalt zu führen. So hat er angegeben, er stehe kurz vor 9 Uhr auf, gehe einkaufen, mache den Haushalt, versorge die Wellensittiche, sitze am Computer, koche, gehe nachmittags sparzieren, gelegentlich treffe er sich mit Bekannten. Dr. Essinger hat nur leichte Auffassungserschwernisse feststellen können, der Antrieb und der Affekt des Klägers waren unauffällig. Hiervon konnte sich das Gericht auch durch den persönlichen Eindruck vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 7. Oktober 2015 überzeugen.
bb) Gegen eine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögen sprechen die erreichten Ergebnisse des Klägers in der durchgeführten medizinischen Rehabilitation samt Belastungserprobung. Dort wird bescheinigt, dass "bei einfacher Aufgabengestaltung die Handlungsplanung, Handlungsorganisation sowie das Aufgabenverständnis als gut zu bezeichnen sind". Bei komplexeren Aufgabenstellungen hat der Kläger vermehrt Hilfestellungen und klare Arbeitsanweisungen benötigt. Zwar war sein Arbeitstempo verlangsamt, aber die Arbeitsqualität war gut. Erst bei wachsenden Anforderungen an Konzentration, Reaktion, Merkfähigkeit und Aufmerksamkeit ist es zu Auffälligkeiten, aber durch Wiederholung und Training konnte die Leistungsfähigkeit gesteigert werden. Nach nachvollziehbarer Einschätzung des Reha-Trägers bestand ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
bb) Entscheidend für das Gericht ist aber, dass der Kläger trotz der bereits von Geburt an bestehenden leichten Intelligenzminderung, bereits über 20 Jahre auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig gewesen ist. Denn die nach dem Verlust des Arbeitsplatzes 2010 erstmals aufgetretene Anpassungsstörung erreicht nach den vorliegenden Befunden und Feststellungen der Ärzte nicht einen solchen Schweregrad, der eine Aufhebung oder Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens begründen könnte. Eine Antriebs- oder Affektstörung ließ sich gerade nicht nachweisen, und auch der hinreichend strukturierte Tagesablauf sprechen gegen eine schwergradige Anpassungsstörung.
Die tatsächliche Ausübung einer Erwerbstätigkeit stellt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung einen erheblichen Beweiswert dar. Das BSG führt hierzu aus, dass medizinischen Befunden in der Regel kein so starker Beweiswert zu komme wie dem Umstand, dass der Versicherte eine Erwerbstätigkeit tatsächlich noch ausübt. (vgl. BSG, Urteil vom 26. September 1975 – 12 RJ 208/74 –, SozR 2200 § 1247 Nr 12, Rn. 15) Dies gilt nur dann nicht, wenn der dem Kläger zur Verfügung gestellte Arbeitsplatz eine vom Regelfall abweichende günstige Arbeitsgelegenheit darstellt oder das Beschäftigungsverhältnis nur vergönnungsweise begründet oder fortgesetzt wird. Für eine Tätigkeit "vergönnungsweise" können zum einen enge verwandtschaftliche oder freundschaftliche Verhältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sprechen. Wichtiger ist, ob der Arbeitnehmer noch in der Lage ist, die ihm übertragenen Arbeiten vollwertig auszuüben. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, dass es eine gewisse "Spanne" von Arbeitsqualität gibt, die dem gezahlten Lohn noch entspricht, sodass nicht jedes Zurückbleiben hinter einer Arbeitsleistung von mittlerer Art und Güte auf eine atypisch günstige Arbeitsgelegenheit schließen lassen muss. Wesentliches Kriterium ist daher immer, ob der Arbeitgeber die geleistete Arbeit (trotz Abstrichen) noch als dem gezahlten Arbeitslohn entsprechend bewertet. (vgl. Ulrich Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 43 SGB VI, Rn. 89)
Orientiert an diesen gesetzlichen Vorgaben bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der vom Kläger für die Firma O. ausgeübten Tätigkeit nicht um eine dem Regelfall entsprechende Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gehandelt hat.
Dagegen spricht zum einen das dem Kläger über die Tätigkeit ausgestellte Arbeitszeugnis. Dort wird beschrieben, welche Aufgaben der Kläger im Bereich Montage- und Verbindungstechnik im vollschichtigen Zwei-Schichtbetrieb ausgeübt hat. Hieraus ist nicht erkennbar, dass er nicht den allgemeinen Anforderungen der von ihm tatsächlich ausgeübten Tätigkeit erfüllt hat. So bescheinigt der Arbeitgeber: "Die ihm übertragenen Arbeiten wurden immer zuverlässig und stets zu unserer vollsten Zufriedenheit ausgeführt."
Desweiteren wurde der Kläger nach dem Tarif Schmuck und Uhren Entgeltgruppe 1 vergütet. Er war vollschichtig 35 Wochenstunden tätig. Der Arbeitsvertrag ist nicht aufgrund eines persönlichen Näheverhältnisses zum Arbeitgeber entstanden, sondern der Kläger hat ein normales Bewerbungsverfahren samt Probezeit durchlaufen.
Für das Gericht steht fest, dass die Tätigkeit bei der Firma O. eine dem Regelfall entsprechende Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt war und damit der Kläger tatsächlich bereits trotz der bestehenden Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über 20 Jahre hat Fuß fassen können.
cc) Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen ist den behandelnden Ärzten und dem Gutachter Dr. B. und Dr. A. nicht zuzustimmen, die aufgrund der leichten Intelligenzminderung von einen eingeschränkten bzw. aufgehobenen Leistungsvermögen ausgehen wollen. Sie nehmen jeweils an, dass die Intelligenzminderung seit Geburt bzw. spätestens seit der frühkindlichen Entwicklung bestanden hat und damit vom Kläger gewissermaßen von Beginn an in das Arbeitsleben eingebracht worden ist.
Der Einschätzung, hierdurch sei sein zeitliches Leistungsvermögen eingeschränkt oder gar aufgehoben, steht aber die tatsächlich über 20 Jahre ausgeübte Tätigkeit des Klägers bei der Firma O. entgegen. Hier hat er gezeigt, dass er trotz seiner insbesondere kognitiven Einschränkungen Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausführen konnte. Da sich sein Gesundheitszustand in Bezug auf die Intelligenzminderung nicht wesentlich geändert, insbesondere verschlechtert hat, und die Anpassungsstörung, wie zuvor ausgeführt infolge des geringen Ausprägungsgrades, nicht zur zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögen führen kann, sind damit die Einschätzungen von Dr. B. und Dr. A. sowie der behandelnden Ärzte weder schlüssig noch nachvollziehbar.
c) Auch die Wegefähigkeit des Klägers, d.h. die Fähigkeit von seiner Wohnung zu einem Arbeitsplatz und zurück zu gelangen, ist erhalten. Er ist noch in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 m binnen höchsten 15 Minuten zu Fuß zurückzulegen und darüber hinaus auch zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel selbständig zu benutzen. Es liegen keine Erkrankungen vor, die sich auf die Gehfähigkeit des Klägers erheblich auswirken könnten.
d) Im Ergebnis verfügt der Kläger daher über ein arbeitstägliches Leistungsvermögen von 6 Stunden im Rahmen einer 5-Tage-Woche im Hinblick auf eine leichte bis zeitweise mittel-schwere Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung.
2. Dem Kläger steht auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu, weil er - wie oben bereits erläutert - körperlich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeitstäglich über sechs und mehr Stunden ohne Gefahr für seine Restgesundheit verrichten kann.
3. Die Klage konnte aus den oben genannten Gründen keinen Erfolg haben und war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG abzuweisen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Der 1969 geborene Kläger besuchte eine Förderberufsschule im Berufsbildungswerk M. und absolvierte eine Ausbildung zum Metallfeinbearbeiter. In den Jahren 1990 bis 2010 war er bei der Firma O. als Maschinenbediener, im Folgenden für ein halbes Jahr in einer Transfergesellschaft und im Mai 2011 bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt. Seit dem bezieht er Arbeitslosengeld I bzw. II. Die Firma O. bescheinigte ihm folgende Beschäftigung: "Zunächst wurde Herr A. im Bereich Montage- und Verbindungstechnik bis Ende März 1998 eingesetzt. Vom 1. April 1998 bis 31. Januar 2009 war er als Anlagebediener in der Gleitschleiferei tätig. Seine Hauptaufgaben waren dort Bedienung von sechs Tellerfliehkraftanlagen, Mitarbeit an Rundvibratoren und Troganlagen. Hr. A. übernahm die Verantwortung über die Strahlkabinen und führte sämtliche Strahlaufträge selbstständig durch. Seit 1.02.2009 wurde Herr A. als Springer eingesetzt und war zuständig für Aufsetzen von MIM-Grünlingen von Hand auf Keramikplatten unter Beachtung der Vorgaben zur Lage der Teile, Beschicken von Schraubenumspritzmaschinen." Die Kündigung erfolgte betriebsbedingt. Er wurde nach dem gültigen Tarifvertrag Schmuck und Uhren Entgeltgruppe 1 vergütet.
Die Beklagte hatte dem Kläger vom 6. Oktober bis 7. November 2011 eine medizinische Rehabilitation mit einer Belastungserprobung bewilligt. Aus Sicht der Klinik hatte bei Entlassung trotz einer Anpassungsstörung ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestanden. Im Anschluss hieran hatte die Beklagte von April bis November 2012 eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Integrationsmaßnahme beim Internationalen Bund in P. gewährt. Im Rahmen dessen absolvierte er ein sechswöchiges Praktikum als Maschinenbediener.
Am 11. Februar 2013 beantragte er bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung. Er begründete seinen Antrag mit seinen körperlichen und psychischen Leiden. Daraufhin holte die Beklagte Befundberichte der behandelnden Ärzte ein und ließ den Kläger durch die Internistin Dr. S. untersuchen und begutachten. Trotz einer Anpassungsstörung, Bluthochdruck und chronischen rezidivierenden Lumboischialgien stellte Dr. S. noch ein über sechsstündiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Tätigkeiten fest.
Durch Bescheid vom 1. März 2013 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Nach den ärztlichen Untersuchungsergebnissen könne mit dem vorhandenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden. Die erforderliche Wartezeit mit fünf Jahren anrechenbaren Zeiten sei dagegen erfüllt.
Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs trug der Kläger vor, die Hausärztin attestiere eine verminderte psychische Belastbarkeit bei kognitiven Beeinträchtigungen. Eine Berufstätigkeit sei ihm nicht mehr möglich.
Daraufhin ließ die Beklagte den Kläger durch den Neurologen und Psychiater Dr. Sch. begutachten. Aus Sicht des Gutachters bestehe beim Kläger eine frühkindlich erworbene grenzwertig niedrige Intelligenz sowie eine Anpassungsstörung. Dennoch sei ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich mittelschwere und geistig-seelisch einfache Tätigkeiten gegeben. Im Folgenden wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2013 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 5. Dezember 2013 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Die behandelnde Ärzte gingen von einem aufgehobenen Leistungsvermögen aus und empfehlen eine Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 30. Oktober 2013 zu verurteilen, dem Kläger auf seinen Antrag vom 11. Februar 2013 eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Vermeidung von Wiederholungen auf die den angefochtenen Bescheiden zugrundeliegenden Ausführungen und trägt vor, die medizinischen Ermittlungen des Gerichts hätten ihre bisherige Auffassung bestätigt.
Das Gericht hat zunächst die von dem Kläger als behandelnden Ärzte benannten Mediziner im Wege schriftlicher sachverständiger Zeugenaussagen gehört. Auf den Inhalt der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. K. und Dr. V. wird Bezug genommen.
Anschließend hat das Gericht die Untersuchung und Begutachtung des Klägers durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. veranlasst. Dieser hat in seinem im Oktober 2014 erstatteten Gutachten folgende Diagnosen erhoben: leichte Intelligenzminderung, Anpassungsstörung mit rezidivierenden leichten depressiven Episoden. Es bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Der Kläger beantragte die Einholung eines Gutachtens gem. § 109 SGG beim Psychiater Dr. B. sowie ein psychologisches Zusatzgutachten bei Dr. A ... Aus Sicht der Gutachter lägen beim Kläger eine leichte Intelligenzminderung mit ausgeprägten kognitiven Teilleistungsstörungen sowie eine Anpassungsstörung vor. Es bestehe ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen im Hinblick auf eine arbeitstägliche Arbeitszeit von 3 bis unter 6 Stunden.
In der mündlichen Verhandlung vom 7. Oktober 2015 hat der Kläger erklärt, er habe sich auf Anregung des Arbeitsamts bei der Firma O. beworben und ein übliches Bewerbungsverfahren samt Probezeit durchlaufen. Persönliche oder verwandtschaftliche Beziehungen zu einem Mitarbeiter dieser Firma habe er nicht. Er sei jeweils in einer Gruppe mit bis zu ca. 8 Arbeitern eingesetzt gewesen, wobei zwei eine Vorarbeiter-/Meisterfunktion ausgeübt hätten. Die übrigen Arbeiter hätten dieselbe Tätigkeit wie er verrichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Behördenakte und der Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheides vom 1. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 30. Oktober 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.
Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teil-weiser Erwerbsminderung, wenn sie (1) voll oder teilweise erwerbsgemindert sind (medizinische Voraussetzung), (2) in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt haben und (3) vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 43 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch -SGB VI-).
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Darüber hinaus ist generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
1. Gemessen an diesen gesetzlichen Vorgaben ist der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts 46 Jahre alte Kläger nicht erwerbsgemindert, da er auf dem allgemeinen Arbeits-markt über ein arbeitstägliches Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche verfügt.
Die im Rahmen der gerichtlichen Beweisaufnahme ermittelten Gesundheitsstörungen mit Schwerpunkt auf psychiatrisch-neurologischem Gebiet schränken das qualitative Leistungs-vermögen des Klägers ein, berühren aber seine quantitative körperliche und geistige Leistungsfähigkeit für die Verrichtung leichter Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht. Die Kammer macht sich diesbezüglich die Einschätzung des Dr. E. nach eigener kritischer Urteils- und Überzeugungsbildung zu eigen. Die bereits im Verwaltungsverfahren ein-geholten Sachverständigengutachten von Dr. S. und Dr. Sch. verwertet die Kammer dabei im Wege des Urkundsbeweises.
Nach Überzeugung des Gerichts verfügt der Kläger sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht über ein vollschichtiges Leistungsvermögen von arbeitstäglich sechs Stunden für körperlich leichte bis mittelschwere, einfache Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Gegen eine Einschränkung des Leistungsvermögens spricht insbesondere die vom Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über 20 Jahre ausgeübte Tätigkeit bei der Firma O ...
a) Der Kläger leidet seit seiner Geburt unter einer leichten Intelligenzminderung. Hinzu kam durch den Verlust des Arbeitsplatzes im Jahr 2010 eine Anpassungsstörung mit rezidivieren-den leichten depressiven Episoden. Schließlich besteht ein medikamentös behandelter Bluthochdruck. Aus diesen Erkrankungen ergeben sich nach Überzeugung des Gericht qualitative Leistungseinschränkungen. Nicht mehr möglich sind dem Kläger schwere körperliche Tätigkeiten, Tätigkeiten in Wechselschicht, Akkord- und Fließbandarbeiten, geistig oder seelisch belastende Tätigkeiten, Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Konzentration, Arbeiten mit mehr als geringen Anforderungen an die Anpassungsfähigkeit und das Umstellungsvermögen, Arbeiten mit überwiegendem Publikumsverkehr.
b) Entgegen der Auffassung des Klägers, seiner behandelnden Ärzte und dem Gutachten von Dr. B. folgt aus den bestehenden Erkrankungen aber keine Leistungseinschränkung in zeitlicher Hinsicht.
aa) Dagegen lassen sich zunächst die schlüssigen und nachvollziehbaren Darstellungen der Gutachter Dr. E., Dr. Sch. und Dr. S. anführen. Zunächst konnten diese erheben, dass der Kläger trotz seiner Einschränkungen in der Lage ist seinen Tagesablauf hinreichend zu strukturieren. Zwar unterhält er ca. einmal im Monat Unterstützung durch den sozialpsychiatrischen Dienst, im Übrigen ist er aber in der Lage sich selbst zu versorgen und den Haushalt zu führen. So hat er angegeben, er stehe kurz vor 9 Uhr auf, gehe einkaufen, mache den Haushalt, versorge die Wellensittiche, sitze am Computer, koche, gehe nachmittags sparzieren, gelegentlich treffe er sich mit Bekannten. Dr. Essinger hat nur leichte Auffassungserschwernisse feststellen können, der Antrieb und der Affekt des Klägers waren unauffällig. Hiervon konnte sich das Gericht auch durch den persönlichen Eindruck vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 7. Oktober 2015 überzeugen.
bb) Gegen eine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögen sprechen die erreichten Ergebnisse des Klägers in der durchgeführten medizinischen Rehabilitation samt Belastungserprobung. Dort wird bescheinigt, dass "bei einfacher Aufgabengestaltung die Handlungsplanung, Handlungsorganisation sowie das Aufgabenverständnis als gut zu bezeichnen sind". Bei komplexeren Aufgabenstellungen hat der Kläger vermehrt Hilfestellungen und klare Arbeitsanweisungen benötigt. Zwar war sein Arbeitstempo verlangsamt, aber die Arbeitsqualität war gut. Erst bei wachsenden Anforderungen an Konzentration, Reaktion, Merkfähigkeit und Aufmerksamkeit ist es zu Auffälligkeiten, aber durch Wiederholung und Training konnte die Leistungsfähigkeit gesteigert werden. Nach nachvollziehbarer Einschätzung des Reha-Trägers bestand ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
bb) Entscheidend für das Gericht ist aber, dass der Kläger trotz der bereits von Geburt an bestehenden leichten Intelligenzminderung, bereits über 20 Jahre auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig gewesen ist. Denn die nach dem Verlust des Arbeitsplatzes 2010 erstmals aufgetretene Anpassungsstörung erreicht nach den vorliegenden Befunden und Feststellungen der Ärzte nicht einen solchen Schweregrad, der eine Aufhebung oder Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens begründen könnte. Eine Antriebs- oder Affektstörung ließ sich gerade nicht nachweisen, und auch der hinreichend strukturierte Tagesablauf sprechen gegen eine schwergradige Anpassungsstörung.
Die tatsächliche Ausübung einer Erwerbstätigkeit stellt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung einen erheblichen Beweiswert dar. Das BSG führt hierzu aus, dass medizinischen Befunden in der Regel kein so starker Beweiswert zu komme wie dem Umstand, dass der Versicherte eine Erwerbstätigkeit tatsächlich noch ausübt. (vgl. BSG, Urteil vom 26. September 1975 – 12 RJ 208/74 –, SozR 2200 § 1247 Nr 12, Rn. 15) Dies gilt nur dann nicht, wenn der dem Kläger zur Verfügung gestellte Arbeitsplatz eine vom Regelfall abweichende günstige Arbeitsgelegenheit darstellt oder das Beschäftigungsverhältnis nur vergönnungsweise begründet oder fortgesetzt wird. Für eine Tätigkeit "vergönnungsweise" können zum einen enge verwandtschaftliche oder freundschaftliche Verhältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sprechen. Wichtiger ist, ob der Arbeitnehmer noch in der Lage ist, die ihm übertragenen Arbeiten vollwertig auszuüben. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, dass es eine gewisse "Spanne" von Arbeitsqualität gibt, die dem gezahlten Lohn noch entspricht, sodass nicht jedes Zurückbleiben hinter einer Arbeitsleistung von mittlerer Art und Güte auf eine atypisch günstige Arbeitsgelegenheit schließen lassen muss. Wesentliches Kriterium ist daher immer, ob der Arbeitgeber die geleistete Arbeit (trotz Abstrichen) noch als dem gezahlten Arbeitslohn entsprechend bewertet. (vgl. Ulrich Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 43 SGB VI, Rn. 89)
Orientiert an diesen gesetzlichen Vorgaben bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der vom Kläger für die Firma O. ausgeübten Tätigkeit nicht um eine dem Regelfall entsprechende Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gehandelt hat.
Dagegen spricht zum einen das dem Kläger über die Tätigkeit ausgestellte Arbeitszeugnis. Dort wird beschrieben, welche Aufgaben der Kläger im Bereich Montage- und Verbindungstechnik im vollschichtigen Zwei-Schichtbetrieb ausgeübt hat. Hieraus ist nicht erkennbar, dass er nicht den allgemeinen Anforderungen der von ihm tatsächlich ausgeübten Tätigkeit erfüllt hat. So bescheinigt der Arbeitgeber: "Die ihm übertragenen Arbeiten wurden immer zuverlässig und stets zu unserer vollsten Zufriedenheit ausgeführt."
Desweiteren wurde der Kläger nach dem Tarif Schmuck und Uhren Entgeltgruppe 1 vergütet. Er war vollschichtig 35 Wochenstunden tätig. Der Arbeitsvertrag ist nicht aufgrund eines persönlichen Näheverhältnisses zum Arbeitgeber entstanden, sondern der Kläger hat ein normales Bewerbungsverfahren samt Probezeit durchlaufen.
Für das Gericht steht fest, dass die Tätigkeit bei der Firma O. eine dem Regelfall entsprechende Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt war und damit der Kläger tatsächlich bereits trotz der bestehenden Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über 20 Jahre hat Fuß fassen können.
cc) Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen ist den behandelnden Ärzten und dem Gutachter Dr. B. und Dr. A. nicht zuzustimmen, die aufgrund der leichten Intelligenzminderung von einen eingeschränkten bzw. aufgehobenen Leistungsvermögen ausgehen wollen. Sie nehmen jeweils an, dass die Intelligenzminderung seit Geburt bzw. spätestens seit der frühkindlichen Entwicklung bestanden hat und damit vom Kläger gewissermaßen von Beginn an in das Arbeitsleben eingebracht worden ist.
Der Einschätzung, hierdurch sei sein zeitliches Leistungsvermögen eingeschränkt oder gar aufgehoben, steht aber die tatsächlich über 20 Jahre ausgeübte Tätigkeit des Klägers bei der Firma O. entgegen. Hier hat er gezeigt, dass er trotz seiner insbesondere kognitiven Einschränkungen Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausführen konnte. Da sich sein Gesundheitszustand in Bezug auf die Intelligenzminderung nicht wesentlich geändert, insbesondere verschlechtert hat, und die Anpassungsstörung, wie zuvor ausgeführt infolge des geringen Ausprägungsgrades, nicht zur zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögen führen kann, sind damit die Einschätzungen von Dr. B. und Dr. A. sowie der behandelnden Ärzte weder schlüssig noch nachvollziehbar.
c) Auch die Wegefähigkeit des Klägers, d.h. die Fähigkeit von seiner Wohnung zu einem Arbeitsplatz und zurück zu gelangen, ist erhalten. Er ist noch in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 m binnen höchsten 15 Minuten zu Fuß zurückzulegen und darüber hinaus auch zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel selbständig zu benutzen. Es liegen keine Erkrankungen vor, die sich auf die Gehfähigkeit des Klägers erheblich auswirken könnten.
d) Im Ergebnis verfügt der Kläger daher über ein arbeitstägliches Leistungsvermögen von 6 Stunden im Rahmen einer 5-Tage-Woche im Hinblick auf eine leichte bis zeitweise mittel-schwere Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung.
2. Dem Kläger steht auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu, weil er - wie oben bereits erläutert - körperlich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeitstäglich über sechs und mehr Stunden ohne Gefahr für seine Restgesundheit verrichten kann.
3. Die Klage konnte aus den oben genannten Gründen keinen Erfolg haben und war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG abzuweisen.
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