S 5 AL 169/13

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 169/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 281/15
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 05.09.2012 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 11.02.2013 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Gründungszuschuss ab dem 01.05.2012, §§ 93 ff. Sozial-gesetzbuch, Drittes Buch – SGB III.

Der Kläger meldete sich zum 05.03.2012 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld, nachdem er mit Aufhebungsvertrag vom 20.09.2011 zum 29.02.2012 sein Arbeitsverhältnis beendet hatte. Hierfür hatte er eine Abfindung in Höhe von 606.019,42 Euro erhalten. Mit Bescheiden vom 16.04.2012 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 01.03. – 23.05.2012 mit Minderung der Anspruchsdauer um 180 Leistungstage sowie das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bis zum 30.04.2012 wegen Erhalts einer Entlassungsentschädigung bei Nichteinhaltung der Kündigungsfrist fest.

Zum 01.05.2012 meldete sich der Kläger in die Selbstständigkeit ab. Bereits am 09.01.2012 stellte er einen Antrag auf Gewährung von Gründungszuschuss für den Betrieb einer Modeagentur in München, genannt C-Firma, ab 01.05.2012. Ab 01.06.2012 beschäftigte er einen Arbeitnehmer (seine Tochter als Designerin). Am 03.04.2012 erfolgte die Gewerbeanmeldung. Mit Bescheid vom 05.09.2012 lehnte die Beklagte mit Hinweis auf die Eigenleistungsfähigkeit aufgrund der erhaltenen ca. 600.000,00 Euro Abfindung die Bewilligung von Gründungszuschuss ab. Im Widerspruch vom 18.09.2012 machte der Kläger geltend, die wirtschaftliche Situation oder die vermutete Ertragslage des Unternehmens dürfe nicht in die Ermessensentscheidung einfließen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.2013 als unbegründet zurück.

Mit der am 11.03.2013 zum Sozialgericht München erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Aus dem Einkommenssteuerbescheid 2012 vom 24.07.2013 ergibt sich, dass der Kläger im Jahre 2012 einen Verlust von knapp 150.000,00 Euro aus Gewerbebetrieb einkommensteuermindernd geltend machte. Privatentnahmen lassen sich den Kontoauszügen für das Jahr 2012 nicht entnehmen. Die Chefdesignerin, seine Tochter, hatte ein Gehalt von 2.200,00 Euro brutto, d.h. 1.388,72 Euro netto pro Monat.

In der mündlichen Verhandlung vom 07.07.2015 beantragt der Kläger, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2013 zu verurteilen, ihm unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts mit einem neuen Bescheid Gründungszuschuss dem Grunde nach zu gewähren.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie der Beratung waren die Arbeitslosengeld- sowie die Gründungzuschussakten der Beklagten. Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird hierauf sowie auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage erweist sich als nicht begründet. Zu Recht hatte die Beklagte die Eigenleistungsfähigkeit aufgrund der erhaltenen Abfindung in ihrer Ermessensausübung berücksichtigt und deshalb die Gewährung von Gründungszuschuss abgelehnt.

Gemäß § 93 SGB III in der Fassung durch die Änderung durch Artikel 13 Abs. 14 des Gesetzes zur Neuordnung der Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunter-haltes und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Gemäß § 93 Abs. 3 SGB III wird Gründungszuschuss nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 – 159 SGB III vorliegen oder vorgelegen hätten. Dies ist bis 23.05.2012 der Fall.

Die weiteren Anspruchsvoraussetzungen sind zwischen den Beteiligten im Wesentlichen unstrittig. Der Kläger hatte bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mehr als 150 Leistungstagen, der jedoch aufgrund der rechts-kräftigen Bescheide bis 23.5.2012 ruhte. Es handelt sich beim Gründungszuschuss um eine Ermessensleistung der aktiven Arbeitsförderung. Dabei besteht auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens ein An-spruch des Klägers, § 39 Abs. 1 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB I. Ob das Ermessen richtig ausgeübt worden ist, kann vom Gericht nur eingeschränkt überprüft werden. Dabei darf es nicht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Verwaltung setzten; es darf vielmehr nur prüfen, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten worden sind. Bei der Überprüfung der eigentlichen Ermessensentscheidung findet daher nur eine Rechtskontrolle, keine Zweckmäßigkeitsprüfung statt. Als rechtswidrig aufgehoben wer-den kann die Entscheidung der Behörde nur bei einem Ermessensfehler. Er liegt vor, wenn entweder eine Ermessensausübung gänzlich unterlassen worden ist (Ermessens-nichtgebrauch) oder wenn vom Zweck der Ermessensregelung her sachfremde, d.h. willkürliche Erwägungen angestellt worden sind (Ermessensfehlgebrauch).

Nach Auffassung des Gerichts ist es vorliegend nicht ermessensfehlerhaft, die Bewilligung von Gründungszuschuss aufgrund der ca. 600.000,00 Euro, die der Kläger als Entlassungsentschädigung erhalten hat, abzulehnen. Dies gleiche gilt hier, wenn nicht der Brutto-, sondern der Nettobetrag zugrunde gelegt würde.

Zwar ist dem Urteil des SG München vom 12.03.2013, Az.: S 35 AL 753/12, zuzustimmen, wenn darlegt wird, dass zur Überbrückung der Gründungsphase eines Unternehmens in der Regel nicht andere Vermögensmittel oder Einkünfte, die nicht aus der streit-gegenständlichen selbstständigen Tätigkeit selbst resultieren, verbraucht werden müssen oder gar Kredite in Anspruch genommen werden müssen. Anders liegt nach Auffassung des Gerichts jedoch der Fall, wenn der Lebensunterhalt des Gründers in der Anfangsphase durch die gezahlte Abfindung des früheren Arbeitgebers gesichert ist, vgl. auch SG Gießen, Urteil vom 29.04.2015, Az.: S 14 AL 6/13. Die Abfindung wurde gerade für den Arbeitsplatzverlust gezahlt. Der Kläger benötigt offensichtlich die Abfindung auch nicht alleine für die Unternehmensgründung, denn laut Businessplan betrug der Finanzbedarf für die ersten sechs Monate 176.959,70 Euro. Seine Einkünfte (Lohn und Abfindung) betrugen im Jahre 2012 641.901,00 Euro. Dieser Betrag reduzierte sich im steuerlichen Sinn im Wesentlichen wegen des Verlustes aus dem Gewerbebetrieb auf 491.969,00 Euro. Deshalb musste er ca. 65.000,00 Euro weniger an Einkommensteuer leisten (eine Ermäßigung durch den Splittingtarif ist insoweit nicht berücksichtigt). Das zu versteuernde Ein-kommen der Eheleute A. im Jahre 2012 betrug trotz Unternehmensgründung noch 483.090,00 Euro, von dem 121.217,00 Euro Steuern zu zahlen waren, also 361.440,00 Euro. Auch nach Abzug des Verlustes aus Gewerbebetrieb verblieben 212.508,00 Euro. Die Sicherung des Lebensunterhaltes des Klägers durch Gewährung des Gründungszuschusses war daher gerade auch wegen des Erhalts der Abfindung keinesfalls erforderlich. Das gleiche gilt für die soziale Sicherung des Klägers.

Die erhaltene Abfindung war für den Verlust des Arbeitsplatzes gedacht. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Beklagte sie bei der Prüfung, ob die Gewährung eines Gründungszuschusses für die Sicherung des Lebensunterhaltes des Klägers bei der Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes durch eine selbstständige Tätigkeit erforderlich ist, in ihrer Ermessensausübung berücksichtigt.

Die Klage war daher in vollem Umfang abzuweisen. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
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