L 6 VH 3264/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 VH 1039/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VH 3264/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Juli 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Neufestsetzung der Versorgungsbezüge des Klägers ab 1. Juli 2013 und die Neubezeichnung der anerkannten Schädigungsfolgen nach einer insoweit erfolgreichen Petition streitig.

Der 1928 geborene Kläger wurde mit 15 Jahren als Marinehelfer verpflichtet, geriet dann in englische Gefangenschaft und kehrte schließlich 1946 nach Gadebusch/ehemalige SBZ/DDR zurück, wo er am 1. Januar 1948 eine Schuhmacherlehre begann. Er war dann von 21. Oktober 1948 bis 17. Januar 1954 in verschiedenen Haftanstalten, zuletzt in Bautzen, wegen der Verurteilung zu einer 20jährigen Haft wegen illegaler Organisation inhaftiert. Im Rahmen einer Amnestie wurde er im Januar 1954 begnadigt, floh im März 1954 in die Bundesrepublik, wo er seine Schuhmacherlehre fortsetzte und wenige Jahre darauf die Meisterprüfung ablegte. 1955 heiratete er und hatte mit seiner Frau drei Kinder. Er arbeitete bis 1962 als Schuhmacher, gab diesen Beruf wegen immer wieder auftretender Kreuzschmerzen auf und ging schließlich zu Esso, wo er betriebsintern eine Weiterbildung im Labor durchführte. Nach siebeneinhalb Jahren beendete er wegen anhaltender Nackenschmerzen auch diese Tätigkeit und ging dann 1969 zur Bayerischen Landeskommunalbank. Seine Tätigkeit als Bank-Bote beendete er vorzeitig wegen Schwerbehinderung 61jährig zum 31. Dezember 1989.

Bereits am 27. Juni 1954 hatte der Kläger erstmalig einen Antrag auf Leistungen gestellt. Mit Bescheid vom 20. August 1954 wurden folgende kriegsbedingte Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anerkannt: Erschöpfungszustand, Eiweißmangelschaden, Zwerchfellschwarte links, Narbe nach Strumektomie". Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde zunächst mit 70 vom Hundert (v. H.) ab 1. Juni 1954 festgestellt.

Im Anschluss an diese Entscheidung kam es zu zahlreichen Neufeststellungen und Anträgen/Petitionen im Hinblick auf die anerkannten Schädigungsfolgen und die hieraus folgende MdE. Aufgrund eines vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) geschlossenen Vergleichs (Az. S 6 V 1130/92) wurden mit Ausführungsbescheid vom 25. September 1995 zusätzlich anerkannt

"Völlig vernarbte geringfügige Lungentuberkulose, zwei Narben nach Kropfoperation, geringgradige Schwerhörigkeit rechts bei Narbentrommelfellen beiderseits, leichte Rippenfellschwarte rechts, psychische Störungen"

als Schädigungsfolgen nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) in Verbindung mit dem BVG seit 01.01.1984. Die MdE (seit 21.12.2007 Grad der Schädigungsfolgen [GdS]) wurde unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit gem. § 30 Abs. 2 BVG um 40 mit Hundert (v. H.) bewertet. Zusätzlich bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Ergänzungsbescheid vom 13.09.1996 ab 01.01.1984 einen BSA und ging bei der Berechnung des BSA im Hinblick auf das von Seiten des Klägers angegebene Berufsziel einer selbstständigen Tätigkeit als Orthopädieschuhmachermeister als Vergleichseinkommen von dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A9 aus. Der vom Kläger gegen diese Einstufung eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10.02.1997). Seinen unter dem 21.03.1998 gestellten Antrag, im Zugunstenwege für die Berechnung des BSA ein höheres Vergleichseinkommen zugrunde zu legen, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 02.06.1998 mit der Begründung ab, ohne die Schädigung hätte der Kläger wahrscheinlich die Zusatzprüfung "Orthopädie" abgelegt und sich als Schuhmachermeister selbstständig gemacht. Ausgehend von einer selbstständigen Tätigkeit des Klägers sei dementsprechend als Vergleichseinkommen zu Recht das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A9 angesetzt worden. Neue Gesichtspunkte oder rechtserhebliche Tatsachen, die die frühere Entscheidung als rechtswidrig erscheinen lassen könnten, seien nicht vorgebracht worden. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2000 zurückgewiesen. Die hiergegen beim SG erhobene Klage (Az. S 6 V 1962/00) blieb ebenso erfolglos (Urteil vom 10.04.2001) wie die dagegen eingelegte Berufung (Landessozialgericht Baden-Württemberg [LSG], Beschluss vom 22.08.2001 - L 11 V 2435/01).

Mit Bescheid vom 11. September 2002 berechnete der Beklagte die Versorgungsbezüge wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse (Änderung der Zusatz-/Betriebsrente) ab 1. Juli 2002 neu und forderte die dadurch eingetretene Überzahlung zurück. Nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2002) erhob der Kläger hiergegen Klage beim SG, die erneut ebenso erfolglos blieb (Urteil vom 28. Oktober 2003 - S 6 V 3843/02) wie die Berufung (LSG, Urteil vom 13. März 2008 - L 6 VH 5227/07) und die Nichtzulassungsbeschwerde (Bundessozialgericht - BSG -, Beschluss vom 7. Mai 2008 - B 9 VH 1/08).

Am 19. April 2006 wandte sich der Kläger erneut an den Petitions-Ausschuss des Landtags von Baden-Württemberg. Der Petitions-Ausschuss gab die Beschluss-Empfehlung, dass über die teilweise Neubezeichnung der Schädigungsfolgen hinaus der Petition nicht abgeholfen werden könne (Drs. 14/1751, S. 26). Es sollten nunmehr u. a. "Narben nach Kropfoperation" anerkannt werden, wodurch sich eine Änderung der MdE nicht ergebe.

"Auf Weisung" bezeichnete der Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 5. November 2007 daraufhin die anerkannten Schädigungsfolgen wie folgt: "Völlig vernarbte geringfügige Lungentuberkulose, Narben nach Kropfoperation, geringgradige Schwerhörigkeit rechts bei Narben-Trommelfellen beiderseits, leichte Rippenfellschwarte rechts, psychische Störungen". Außerdem stellte der Beklagte fest, dass der Kläger durch diese Gesundheitsstörungen in seiner Erwerbsfähigkeit unverändert um 40 v. H. nach § 30 Abs. 1 und 2 BVG erwerbsgemindert sei, wodurch sich keine Änderung in der laufenden Zahlung der Versorgungsbezüge ergebe sei (Bl. 1229 f., Band VI).

Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Neubezeichnung sei unpräzise, weiterhin blieben die innere Narben unberücksichtigt, außerdem seien alle Bescheide mit der Schädigungsfolge "zwei Narben" aufzuheben. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2014 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Ausführungsbescheid setze lediglich die Petition hinsichtlich der anerkannten Schädigungsfolgen nach dem HHG um.

Mit weiterem streitgegenständlichen Bescheid vom 20. Juni 2013 berechnete der Beklagte die Versorgungsbezüge aufgrund der 19. Verordnung zur Anpassung des Vermessungsbetrages und von Geldleistungen nach dem BVG 2013 (19. KOV-AnpV 2013) ab 1. Juli 2013 neu. Bei der Berechnung der einkommensabhängigen Leistungen wurden sonstige Zuwendungen (55,50 EUR), die Zusatzrente (482,67 EUR) sowie eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (1.284,91 EUR) berücksichtigt und dem Kläger eine Beschädigtengrundrente in Höhe von 174,00 EUR, ein BSA in Höhe von 79,00 EUR, d. h. insgesamt Versorgungsbezüge in Höhe von 253,00 EUR gewährt (Bl. 2243 f., Band X V-Akte).

Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch wandte sich der Kläger gegen die Berechnung des BSA nach einem Vergleichseinkommen der Besoldungsgruppe A 9. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. März 2014 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, es handle sich lediglich um einen Anpassungsbescheid, Einwendungen gegen die bindende Einstufung seien daher nicht möglich.

Hiergegen hat der Kläger Klage beim SG erhoben, mit der er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und dem vorangegangenen Verfahren wiederholt hat.

Nach vorangegangenem Hinweis hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25. Juli 2014 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei bereits unzulässig, denn die angegriffenen Bescheide träfen keine Regelungen, die Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung sein könnten. Der Bescheid vom 7. November 2007 beinhalte keine Regelung hinsichtlich der anerkannten Schädigungsfolgen, sondern setze lediglich den Beschluss des Landtags auf Weisung des Ministeriums um, ohne hierbei einen eigenen Entscheidungsspielraum zu haben. Hierbei sei die Formulierung des Petitions-Ausschusses sogar wörtlich übernommen worden. Wie der Ausführungsbescheid nach einem sozialgerichtlichen Vergleich oder einem rechtskräftigen Urteil, der keine vom Urteilsausspruch abweichende Regelung enthalte, sei der Bescheid mangels eigenen Regelungsgehalts nicht zulässigerweise anfechtbar. Hinsichtlich des Bescheides vom 20. Juni 2013 gelte, dass eine Leistungsklage auf Erhöhung des BSA unzulässig sei. Diesbezüglich enthalte der Bescheid keine Regelungen, was dem Kläger bereits in mehreren erst- und zweitinstanzlichen Entscheidungen dargelegt worden sei und der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung entspreche. Denn Anpassungsbescheide träfen keine Entscheidungen dem Grunde nach, sondern knüpften an den bisherigen Grundlagenbescheid an. Für einkommensabhängige Leistungen wie den BSA gelte insoweit nichts Besonderes.

Hiergegen hat der Kläger am 5. August 2014 Berufung eingelegt, mit der er geltend macht, das SG habe den Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Art nicht aufgeklärt, deswegen nicht berücksichtigt, dass er wesentlich höhere Entschädigungsansprüche habe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Juli 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 5. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2014 als anerkannte Schädigungsfolgen zusätzlich mehrere nicht sichtbare Kropfoperationsarben im Hals, Operationsnarben an der Schilddrüse und an den Stimmbändern aufzunehmen sowie den Beklagten zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 20. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2014 einen höheren Berufsschadensausgleich unter Berücksichtigung eines Grades der Schädigungsfolgen von 40 sowie eine Einstufung nach A 11/DA 12 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat zur Begründung auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorgelegten Verwaltungsakten, die Akten des Sozialgerichts sowie des LSG (2 Bände) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige, insbesondere statthafte Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 2. Oktober 2012 ausgeführt hat, ist die Klage hinsichtlich des Anpassungsbescheides vom 20. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2014 unzulässig. Denn der Bescheid trifft keine Regelung, kann somit mangels eigenen Regelungsgehaltes nicht zulässigerweise Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung sein, welches das SG zutreffend dargelegt hat, weswegen der Senat insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG Abstand nimmt.

Hinsichtlich der Umsetzung des Beschlusses des Landtags hat der Beklagte zwar richtigerweise nicht auf Weisung des Ministeriums gehandelt, denn der Petitionsausschuss ist gegenüber dem Beklagten nicht weisungsbefugt. Seine begrenzten Rechte ergeben sich vielmehr aus dem Gesetz über den Petitionsausschuss des Landtags (vom 20. Februar 1979, GBl. S. 85), wonach Verwaltungsbehörden wie der Beklagte gemäß dessen § 4 lediglich zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet sind. Der Beklagte ist aber zutreffenderweise nur hinsichtlich der Anerkennung der Schädigungsfolgen in eine erneute Sachprüfung eingetreten, während es bezüglich des vom Kläger in erster Linie begehrten höheren Berufsschadensausgleichs bereits an einer anfechtbaren Verwaltungsentscheidung fehlt. Danach sind mehrere nicht sichtbare Kropfoperationsarben im Hals, Operationsnarben an der Schilddrüse und an den Stimmbändern auch zur Überzeugung des Senats keine anzuerkennenden Schädigungsfolgen der Haft, der Beklagte hat sie deswegen zu Recht mit den angefochtenen Bescheiden nicht anerkannt. Vielmehr hat die normale Kropfoperation, wie sie beim Kläger nach haftbedingt aufgetretenem Kropf durchgeführt worden ist, keine innenliegenden Operationsnarben zur Folge. Diese treten nur bei Fistelungen und Halsweichteilentfernungen auf, also bei Folgestörungen, von denen beim Kläger nichts bekannt ist.

Die Berufung des Klägers war nach alledem mit der Kostenfolge des § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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