L 11 R 4436/15 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 2189/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4436/15 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 10.09.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die Übernahme von Kosten eines nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachtens auf die Staatskasse.

Der 1951 geborene Kläger bezog von 01.01.2004 bis 31.10.2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung. In einem orthopädischen Gutachten vom 08.08.2008 war von Dr. B. eine Besserung des Gesundheitszustands festgestellt worden. Ab 2006 war der Kläger als Taxifahrer tätig, zeitweise im Umfang von 60 Stunden wöchentlich. Im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) mit dem Ziel der Gewährung voller Erwerbsminderungsrente über den 31.10.2008 hinaus wurde der Kläger erneut begutachtet orthopädisch durch Dr. R. (22.06.2011; leichte Tätigkeiten vollschichtig, als Taxifahrer 3)6 Stunden) und nervenärztlich durch Dr. Bu. (20.06.2011; 3)6 Stunden). Der Überprüfungsantrag blieb ohne Erfolg (Bescheide vom 19.10.2011, 26.10.2011, Widerspruchsbescheid vom 09.07.2012).

Am 08.08.2012 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) und legte zahlreiche ärztliche Unterlagen vor; insbesondere verwies er auf die Folgen eines häuslichen Leitersturzes am 01.07.2011. Die Beklagte anerkannte mit Schreiben vom 29.11.2012 den Eintritt voller Erwerbsminderung am 01.07.2011 und gewährte die Rente in der Folge ab 01.08.2011. Das SG befragte die behandelnden Ärzte des Klägers. Bei dem Orthopäden Dr. Bo. und bei der Universitätsklinik T., Psychosomatik, hatte sich der Kläger 2008 bis 30.06.2011 jeweils nur einmal vorgestellt. Der HNO-Arzt Dr. Br. sah keine wesentliche Beeinträchtigung. Ein von Amts wegen eingeholtes orthopädisches Gutachten bei Dr. H. vom 06.01.2014 ergab ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Auf Antrag des Klägers wurde ein weiteres orthopädisches Gutachten bei Dr. K. eingeholt. Auch diese kam in ihrem Gutachten vom 15.05.2014 zu der Einschätzung, dass für den Zeitraum 11/08 bis 08/11 leichte Tätigkeiten sechs Stunden zumutbar gewesen seien. Sie empfahl jedoch die Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens. Von Amts wegen holte das SG daraufhin ein Gutachten bei Dr. St. ein, der für die streitige Zeit ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen annahm. Am 03.06.2015 nahm der Kläger daraufhin die Klage zurück.

Am 09.09.2015 hat der Bevollmächtigte des Klägers die Übernahme der Kosten für das Gutachten von Dr. K. auf die Staatskasse beantragt. Für die Zeit ab November 2008 habe die Gutachterin entscheidende Aussagen getroffen, die so eindeutig gewesen seien, dass auch eine erneute Begutachtung nach § 109 SGG wohl kein anderes Ergebnis erbracht hätte. Der Verzicht auf ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG und die Klagerücknahme hätten zur Entlastung des Gerichts beigetragen.

Mit Beschluss vom 10.09.2015 hat das SG entschieden, dass der Kläger die Kosten des Gutachtens von Dr. K. selbst zu tragen sind. Das Gutachten habe den medizinischen Sachverhalt gemessen am Prozessziel des Klägers nicht wesentlich gefördert, denn der Nachweis eines Leistungsfalls im streitgegenständlichen Zeitraum sei nicht erfolgt.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 18.09.2015 zugestellten Beschluss richtet sich die am 19.10.2015 (Montag) eingelegte Beschwerde des Klägers. Als der Antrag nach § 109 SGG gestellt worden sei, sei das Ergebnis der Begutachtung nicht vorauszusehen gewesen. Erst die Begutachtung habe ergeben, dass eine Rückschau und Bewertung früherer ärztlicher Stellungnahmen nicht möglich sein sollte. Das Gutachten von Dr. K. habe entscheidende Klarheit für das Verfahren geschaffen. Die Beklagte habe mit Rentenbescheid vom 20.12.2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer bewilligt; damit sei das Klageziel erreicht gewesen.

II.

Die gemäß §§ 172, 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Beschwerde des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Übernahme der Kosten für das Gutachten von Dr. K. auf die Staatskasse abgelehnt.

Gemäß § 109 Abs 1 Satz 2 SGG kann die von einem Versicherten beantragte gutachtliche Äußerung eines bestimmten Arztes davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Angesichts der gesetzlichen Regelung steht es im Ermessen des Gerichts, ob und in welchem Umfang es die Kosten endgültig dem Antragsteller auferlegt. Bei dieser Ermessensentscheidung ist zu berücksichtigen, ob das Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war bzw ob es zusätzliche, gemessen am Prozessziel des Klägers für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht, diese also objektiv gefördert hat (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl, § 109 RdNr 16a). Dabei kann nicht in jedem Gesichtspunkt ein Beitrag zur Sachaufklärung gesehen werden. Es muss sich vielmehr, gemessen an dem Prozessziel des Rechtschutzsuchenden, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben und dementsprechend die Entscheidung des Rechtsstreits (oder die sonstige Erledigung) maßgeblich beeinflusst haben. Durch die Anbindung an das Prozessziel wird verdeutlicht, dass es nicht genügt, wenn eine für den Erfolg der Klage unmaßgebliche Abklärung eines medizinischen Sachverhalts durch das Gutachten nach § 109 SGG vorangetrieben worden ist (vgl Senatsbeschluss vom 14.06.2013, L 11 R 5317/10). Ob aus Sicht des Klägers bei Antragstellung die Erwartung eines positiven Ergebnisses bestand, kann indes keine Rolle spielen.

Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Gutachten von Dr. K. die Sachaufklärung nicht gefördert. Es wurde vielmehr bestätigt, dass im Zeitraum November 2008 bis zum Unfalltag 01.07.2011 noch ein sechsstündiges Leistungsvermögen bestand. Damit wurde die bisherige Beurteilung der Beklagten voll bestätigt, ohne dass sich ein wesentlich neuer Sachverhalt ergeben hätte. Dem Prozessziel der Erlangung einer Erwerbsminderungsrente hat das Gutachten den Kläger nicht näher gebracht. Wenn der Bevollmächtigte des Klägers jetzt geltend macht, das Prozessziel sei mit dem Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 20.12.2012 über die Rentengewährung ab 01.08.2011 in Umsetzung des Anerkenntnisses erreicht gewesen, stellt sich die Frage, warum dann überhaupt noch nachfolgend ein Antrag nach § 109 SGG gestellt wurde.

Auch wenn Dr. K. die Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens angeregt hatte und das SG nachfolgend ein entsprechendes Gutachten bei Dr. St. von Amts wegen in Auftrag gab, ist auch insoweit der Kläger seinem Prozessziel nicht näher gekommen, denn auch Dr. St. hat ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen angenommen.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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