L 3 AS 4651/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 2956/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 4651/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27. August 2014 sowie der Bescheid vom 2. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2012 aufgehoben.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Kostenersatzanspruch des Beklagten gegen die Klägerin in Höhe von 5.164,12 EUR wegen der ihr nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.

Die 1965 geborene Klägerin ist von Beruf Fremdsprachenkorrespondentin und lebt alleine. Sie bezieht seit 2005 nahezu durchgängig Arbeitslosengeld II (Alg II), unterbrochen von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen (vom 29.06.2006 bis 22.08.2006, vom 29.05.2007 bis 10.09.2007 und vom 01.07.2008 bis 29.07.2008 - die Beendigung erfolgte jeweils durch arbeitgeberseitige Kündigung in der Probezeit). Zuletzt wurden ihr seitens der Agentur für Arbeit Ulm (Regelleistung) sowie der Stadt Ulm (Kosten der Unterkunft - KdU) als Rechtsvorgänger der Beklagten Alg II in Höhe von insgesamt 674,58 EUR monatlich bis einschließlich 30.06.2011 bewilligt.

Nach dem Tod ihrer Mutter im Februar 2011 erbte die Klägerin eine Reihe von Geldanlagen mit unterschiedlichen Fälligkeitszeitpunkten. Hiervon wurden der Klägerin Anfang Mai insgesamt 15.549,87 EUR auf ihr Konto überwiesen. Dies teilte die Klägerin dem Beklagten auch im Fortzahlungsantrag vom Mai 2011 mit. Mit Bescheid vom 30.05.2011 lehnte die Agentur für Arbeit Ulm den Leistungsantrag. Die Klägerin verfüge über verwertbares Vermögen in Höhe von 15.549.87 EUR, welches die Vermögensfreibeträge in Höhe von 7.650,00 EUR übersteige. Sie sei daher nicht hilfebedürftig. Weiterhin hoben die Rechtsvorgänger der Beklagten für Mai und Juni 2011 die Bewilligung der Regelleistung mit jeweils 364,00 EUR (Bescheid vom 15.06.2011) sowie die Bewilligung der Leistungen für Unterkunft und Heizung mit jeweils 310,58 EUR (Bescheid vom 16.06.2011) auf und forderten von der Klägerin den überzahlten Betrag zurück.

Die Klägerin beantragte am 09.11.2011 neuerlich die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Sie verfügte zu Beginn des Monats noch über Geldmittel in Höhe von ca. 2.700,00 EUR. Am 08.11.2011 wurden ihr aus einer erst jetzt fällig gewordenen, im Februar vererbten Geldanlage 2.537,50 EUR überwiesen. Die Rechtsvorgänger des Beklagten bewilligten mit Bescheiden vom 08.12.2011 und vom 14.12.2011 daraufhin erneut Alg II ab dem 01.11.2011 bis zum 30.04.2012, nämlich Regelleistung in Höhe von 364,00 EUR monatlich bzw. 374,00 EUR ab 01.01.2012 und KdU in Höhe von monatlich 310,58 EUR bzw. 351,58 EUR ab 01.01.2012. Auf den Fortzahlungsantrag vom 20.03.2012 gewährte sodann der Beklagte vom 01.05.2012 bis 31.10. 2012 Alg II in Höhe von monatlich 725,58 EUR. Die Klägerin erhielt am 18.04.2012 aus der Erbschaft ihrer Mutter einen weiteren Geldbetrag in Höhe von 4.078,46 EUR aus einem in diesem Monat fällig gewordenen Sparvertrag gutgeschrieben. Der Beklagte hob daraufhin mit Bescheid vom 03.05.2012 die Bewilligung von Alg II für April 2012 ganz auf und machte die Erstattung von 725,58 EUR geltend. Mit Abhilfebescheid vom 21.05.2012 hob er im Widerspruchsverfahren diesen Bescheid wieder auf.

Der Beklagte hörte mit Schreiben vom 25.06.2012 und 03.07.2012 die Klägerin zur beabsichtigten Geltendmachung eines Ersatzanspruches an. Die Klägerin habe ihre Hilfebedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt. Mit den wegen der Erbschaft zugeflossenen Geldmitteln hätte sie insgesamt für mindestens 17 Monate ihre Hilfebedürftigkeit beseitigen können, also bis einschließlich Oktober 2012. Hierbei habe man einen Bedarf mit monatlich 818,38 EUR bzw. monatlich 873,47 EUR angesetzt und die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung berücksichtigt. Die Klägerin habe insgesamt 5.164,12 EUR für die Zeit vom 01.11.2011 bis 30.04.2012 zu erstatten. Maßgebend für die Erstattungspflicht sei, dass die Klägerin die Geldbeträge aus der Erbschaft vergeudet habe und hierdurch wieder Hilfebedürftigkeit eingetreten sei.

Die Klägerin wies im Anhörungsverfahren u.a. darauf hin, dass sie ihre Vermögensverhältnisse in vollem Umfange offen gelegt habe. Sie habe weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt. Nach Einstellung der Leistungen habe sie sich freiwillig krankenversichert, dies sei mit erheblichen Zusatzkosten verbunden gewesen. In den Monaten ohne Leistungsbezug habe sie ihren Lebensunterhalt mit den Geldern aus der Erbschaft finanziert. Sie habe neben den notwendigen Lebenshaltungskosten (Kosten für Ernährung, Miete, Müllgebühren, Strom und Krankenkassenbeiträge) auch Mitgliedsbeiträge und GEZ-Gebühren zahlen müssen und Haushaltswaren erworben. Zudem seien Kosten für bestimmte Medien zu berücksichtigen, gleichfalls Ausgaben für Büromaterial und Postgebühren, sowie für Friseurbesuche, Kultur, Reisen und Freizeitaktivitäten. Neben einer Bahncard habe sie auch Dekorationsartikel erworben und für Bekleidung, Schmuck und Accessoires 5.533,77 EUR ausgegeben. Sie benötige für Bewerbungen und Vorstellungsgespräche um Stellen im gehobenen Sekretariat ein gewisses Business-Outfit und hierfür sei ein gepflegtes Äußeres Voraussetzung.

Mit Bescheid vom 02.08.2012 machte der Beklagte gegenüber der Klägerin bezüglich der für die Zeit vom 01.11.2011 bis 30.04.2012 erbrachten Leistungen (Regelleistung 2.224,00 EUR, KdU 2.027,48 EUR, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge 912,64 EUR) einen Erstattungsanspruch gemäß § 34 SGB II in Höhe von 5.164,12 EUR geltend.

Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.08.2012 als unbegründet zurück. Die Klägerin habe in grob fahrlässiger Weise ohne wichtigen Grund die Hilfebedürftigkeit herbeigeführt. Sie habe von Mai bis Dezember 2011 nach eigenen Angaben insgesamt EUR 19.411,79 ausgegeben. Sie habe insbesondere im Bereich Kleidung, Dekoration und Haushaltswaren überdurchschnittlich hohe Ausgaben getätigt. Zwar habe sich die Klägerin nicht zwingend auf dasselbe Lebenshaltungsniveau beschränken müssen, wie im Rahmen des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II. Jedoch sei von jedem vernünftig denkenden Menschen zu erwarten, dass mit den vorhandenen finanziellen Mitteln gehaushaltet werde.

Hiergegen hat die Klägerin am 13.09.2012 Klage beim Sozialgericht Ulm erhoben und ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Sie hat ergänzend vorgetragen, sie habe sich nicht sozialwidrig verhalten. Sie habe keine Luxusartikel erworben und die Erbschaft auch nicht innerhalb kürzester Zeit verbraucht. Vielmehr habe sie einen angemessenen Lebensstil geführt und Konsumgüter angeschafft, wie sie in jedem normalen Haushalt vorhanden seien. Sie habe sich auch einige Dinge geleistet, die sie sich zuvor nicht habe kaufen können. Auch wenn sie sich etwas gegönnt habe, sei dies nicht als sozialwidrig zu werten, denn sie habe kein Einkommen oder Vermögen vergeudet. Bei fiktiver Verteilung eines Gesamtbedarfs von 15.549,87 EUR auf sechs Monate wäre zumindest der überschießende Betrag als Vermögen zu werten gewesen und im Rahmen der Vermögensfreibeträge geschützt gewesen. In Anbetracht des verbleibenden Betrags und der Ausgaben, die die Klägerin im Einzelnen dargelegt habe, könne dann nicht von einem wenigstens grob fahrlässigen sozialwidrigem Verhalten gesprochen werden.

Mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.08.2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 S. 1 SGB II seien erfüllt. Die Leistungsbewilligung in der Zeit von November 2011 bis April 2012 sei rechtmäßig gewesen. Die Klägerin habe sich ohne wichtigen Grund sozialwidrig verhalten und dadurch ihre Hilfebedürftigkeit herbeigeführt. Die aus dem Nachlass ihrer Mutter im Mai 2011 erhaltenen 15.549,87 EUR seien im Zeitpunkt des Zuflusses Einkommen gewesen. Durch den vollständigen Verbrauch dieses Geldes in lediglich sechs Monaten bis zum 31.10.2011 habe die Klägerin ihre Hilfebedürftigkeit wenigstens grob fahrlässig herbeigeführt. Die Klägerin, die bereits seit vielen Jahren im Leistungsbezug gestanden habe, und der bekannt gewesen sei, dass sich der ihr zustehende monatliche Bedarf auf lediglich 850,00 EUR belaufe, habe davon ausgehen müssen, dass sie nach Verbrauch des zugeflossenen Geldes wieder hilfebedürftig werden würde. Selbst bei Annahme einer monatlichen Überschreitung des klägerischen Bedarfssatzes von ca. 30-40 %, d.h. bei Annahme eines Bedarfes von ca. 1.300,00 EUR, wäre die Klägerin in der Lage gewesen, zumindest bis Ende April 2012 von den erhaltenen 15.549,87 EUR zu leben. Die Klägerin hätte somit bei vernünftiger Haushaltsführung jedenfalls bis Ende April 2012 nicht im Leistungsbezug gestanden. Zwar wäre bei der rechnerischen Verteilung des im Mai 2011 zugeflossenen Gesamtbetrags auf sechs Monate bei einer sich anschließenden Antragstellung zu prüfen gewesen, ob der dann noch vorhandene Restbetrag Schonvermögen gewesen wäre. § 34 SGB II biete indes für die Berücksichtigung fiktiver Sachverhalte keine rechtliche Grundlage.

Gegen das der Klägerin am 13.10.2014 zugestellte Urteil hat diese am 10.11.2014 Berufung eingelegt. Sie hat zu deren Begründung ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und weiterhin vorgetragen, bei Zufluss eines höheren Einkommens mit der Folge, dass der Leistungsbezug entfalle, sei sie nicht mehr auf die Höhe der SGB II-Leistungen beschränkt gewesen, sondern habe ihr Einkommen in den Grenzen des § 34 SGB II verwerten dürfen. Ein sozialwidriges Verhalten liege nicht vor. Sie sei nach Zufluss der Erbschaft in der Lage gewesen, endlich wieder Anschaffungen zu tätigen, auf die sie in der vergangenen Zeit des Leistungsbezugs habe verzichten müssen. Weiterhin müsse berücksichtigt werden, dass ihr nicht bekannt gewesen sei, in welcher Höhe der Beklagte ihr Ausgaben zubillige und der Beklagte ihr diesbezüglich auch keine Hinweise gegeben habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27. August 2014 sowie den Bescheid vom 2. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2012 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, bei der Beurteilung der Kausalität zwischen sozialwidrigem Verhalten und der Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit dürfe kein fiktiver Geschehensablauf berücksichtigt werden. Im Übrigen könne bei einer Aufteilung des Einkommens auf den Sechs-Monats-Zeitraum nach § 11 Abs. 3 S. 3 SGB II nicht ein fiktiv angenommener monatlicher Betrag von 1.300,00 EUR gegenübergestellt werden, sondern sei vielmehr der tatsächliche Bedarf nach dem SGB II zugrunde zu legen, welcher monatlich 914,00 EUR (einschließlich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung) betragen habe. In diesem Fall hätte nach Ablauf des Sechs-Monats-Zeitraums das zu berücksichtigende Vermögen weiterhin den Freibetrag von 7.650,00 EUR überschritten so dass ein Anspruch auf Alg II ab November nicht bestanden hätte.

Zur weiteren Darstellung der Sach- und Rechtslage wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist auch im Übrigen zulässig; sie ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist auch begründet; die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtswidrig.

Das Sozialgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend die Berechtigung des Beklagten, als Rechtsnachfolger der Agentur für Arbeit Ulm und der Stadt Ulm einen möglichen Ersatzanspruch geltend zu machen, bejaht (§ 76 Abs. 3 S. 1 SGB II) und die Voraussetzungen für den Ersatzanspruch gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB II in der hier anzuwendenden Fassung vom 13.05.2011 dargelegt. Das Sozialgericht hat weiterhin den Bedarf der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum zutreffend mit monatlich 674,58 EUR bzw. ab 01.01.2012 mit monatlich 725,58 EUR festgestellt. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die diesbezüglichen Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG).

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts waren die im Zeitraum vom 01.11.2011 bis 30.04.2012 gewährten Leistungen nach dem SGB II indes in der konkreten Höhe nicht rechtmäßig; denn die beiden Rechtsvorgänger des Beklagten ließen bei der Leistungsbewilligung die im November 2011 der Klägerin aus dem Erbe zugeflossenen Geldbeträge aus fällig gewordenen Sparanlagen außer Acht. Wie indes bereits das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, ist Voraussetzung für den Kostenersatzanspruch unter anderem, dass die gewährten Leistungen rechtmäßig waren, d.h. mit dem materiellen Recht im Einklang standen (vgl. hierzu im einzelnen Link, in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 34 Rn. 17).

Die Geldzuflüsse im November 2011 (und im April 2012) stellen, wie zuvor auch die Geldzuflüsse im Mai 2011, Einkommen im Sinne des § 11 SGB II dar. Wie die für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen in ständiger Rechtsprechung entscheiden, ist Einkommen dabei grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte (BSG, Urteil vom 17.02.2015, B 14 KG 1/14 R, in juris Rn. 16 ff., auch zum Nachfolgenden). Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt. Ein solcher Zufluss ergibt sich bei einem Erbfall aus § 1922 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), nach dem mit dem Tode einer Person deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben übergeht (Gesamtrechtsnachfolge). Bereits ab diesem Zeitpunkt kann ein Erbe aufgrund seiner durch den Erbfall erlangten Position über seinen Anteil am Nachlass verfügen und diesen z.B. nach § 2371 BGB verkaufen. Diese Besonderheiten der Gesamtrechtsnachfolge im BGB sind für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen nach dem SGB II zu beachten. Ob der Erbe schon zum Zeitpunkt des Erbfalls tatsächlich - nach dem SGB II zu berücksichtigende - Vorteile aus seiner Erbenstellung ziehen kann, ist dabei zunächst ohne Belang. Entscheidend für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen ist vielmehr, ob der Erbfall vor der (ersten) Antragstellung eingetreten ist. Liegt der Erbfall vor der ersten Antragstellung, handelt es sich um Vermögen (BSG a.a.O.). Nach diesen Grundsätzen stellt das Erbe insgesamt Einkommen dar, weil der Tod der Mutter der Klägerin im Februar 2011 und damit während des laufenden Bezugs von Alg II eintrat.

Trotz des sich aus dem Todestag des Erblassers ergebenden Stichtags für die (normative) Abgrenzung von Einkommen und Vermögen im Falle der Klägerin ist das Erbe dem Bedarf als Einkommen erst ab dem Zeitpunkt gegenüberzustellen, in dem es der Klägerin tatsächlich als bereite Mittel zur Deckung ihres Bedarfs zur Verfügung stand. In Abhängigkeit von diesem Tag ist zunächst ein Verteilzeitraum zu bestimmen; erst anschließend kommt eine Berücksichtigung des Erbes als Vermögen in Betracht (BSG, a.a.O., Rn. 20, m.w.N.).

Die Sparanlage über 2.537,50 EUR stand damit erstmals am 08.11.2011 mit der (nach Fälligkeit) durch die kontoführende Bank erfolgten Gutschrift auf das Girokonto der Klägerin zur Verfügung; die Sparanlage über 4.078,46 EUR stand erstmals mit Gutschrift am 18.04.2012 als bereite Mittel zur Deckung ihres Bedarfs zur Verfügung (BSG, Urteil vom 29.04.2015, B 14 AS 10/14 R, in juris Rn. 30). Die beiden Geldanlagen waren zum Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses als Einkommen zu berücksichtigen, entsprechend § 11 Abs. 3 S. 3 SGB II auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen. Dies führt dazu, dass sich die im November 2011, noch vor Antragstellung und erst recht vor Bewilligung bzw. Auszahlung, zugeflossene Geldanlage für diesen und die nachfolgenden fünf Monate in einem betragsmäßigen Umfang von 392,92 EUR monatlich (422,92 EUR abzügl. Versicherungspauschale gem. § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung i.H.v. 30,00 EUR) anspruchsmindernd auswirkt (§ 11 Abs. 3 S. 1 und 3 SGB II). Dagegen wirkte sich die erst nach Auszahlung der Leistungen für den Monat April gutgeschriebene Sparanlage über 4.078,46 EUR erst in den Folgemonaten aus (§ 11 Abs. 3 S. 2 SGB II). Die im Mai 2011 zugeflossene Geldanlage war indes ab November nicht mehr als Einkommen zu berücksichtigen. Nach Ablauf des diesbezüglich gebotenen Verteilzeitraums von Mai bis einschließlich Oktober 2011 (§ 11 Abs. 3 S. 1 und 3 SGB II) konnten die danach noch vorhandenen Geldbeträge nur noch als Vermögen Berücksichtigung finden (BSG, Urteil vom 10.09.2013, B 4 AS 89/12 R, in juris Rn. 23).

Der Klägerin standen demnach für November und Dezember 2011 lediglich Alg II in Höhe von monatlich 281,66 EUR und für Januar bis April 2012 in Höhe von 332,66 EUR zu. Soweit die Rechtsvorgänger des Beklagten der Klägerin darüber hinausgehende Leistungen bewilligten, sind die entsprechenden Bewilligungsbescheide rechtswidrig und vermögen gegebenenfalls einen Aufhebungs- und Erstattungsanspruch gemäß § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu rechtfertigen. Ein Ersatzanspruch gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 SGB II kommt insoweit nicht in Betracht. Eine entsprechende Umdeutung scheitert jedenfalls an § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB X, da die Rechtsfolgen des Erstattungsanspruchs im Hinblick auf § 34 Abs. 1 S. 3 SGB II für den Betroffenen güns¬tiger sind, als die der Rücknahme nach § 45 SGB X (vgl. BSG; Urteil vom 31.01.2006, B 11a AL 5/05 R, in juris Rn. 22).

Aber auch soweit die Bewilligung von Alg II im streitigen Zeitraum rechtmäßig war, steht dem Beklagten kein Ersatzanspruch zu. Denn selbst wenn das Verhalten der Klägerin als sozialwidrig einzustufen wäre, was der Senat hier offenlässt, so handelte sie diesbezüglich jedenfalls nicht wenigstens grob fahrlässig.

Als sozialwidriges Verhalten kommt hier lediglich der Verbrauch von ca. 12.850,00 EUR als Differenz aus der im Mai 2011 zugeflossenen Erbschaft in Höhe von ca. 15.550,00 EUR und dem Anfang November 2011 noch vorhandenen Betrag von ca. 2.700,00 EUR innerhalb von sechs Monaten in Betracht. Inwieweit bei der Beurteilung, ob ein objektiv sozialwidriges Verhalten vorliegt, bereits der der Klägerin zustehende Grundfreibetrag gemäß § 12 Abs. 2 SGB II, gegebenenfalls fiktiv, zu berücksichtigen ist, kann vorliegend dahinstehen. Denn nach § 34 Abs. 1 S. 1 SGB II tritt die Ersatzpflicht nur ein, wenn vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt wird. Voraussetzung ist danach, dass sich der Ersatzpflichtige der Sozialwidrigkeit seines Verhaltens bewusst oder grob fahrlässig nicht bewusst ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.2012, B 4 AS 39/12 R, in juris Rn. 24). Vorsätzlich handelt, wer wissentlich und willentlich die Voraussetzungen der Gewährung von Alg II herbeiführt oder diesen Erfolg als möglich erkennt und billigend in Kauf nimmt; grob fahrlässig handelt, wer die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, mithin dasjenige nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (Link, a.a.O., § 34 Rn. 34).

Die Klägerin besaß keinen solcherart definierten Vorsatz bezüglich der Sozialwidrigkeit ihres Verhaltens und handelte auch nicht grob fahrlässig. Sie wurde durch die Rechtsvorgänger des Beklagten nicht darüber unterrichtet, in welcher Weise der Einsatz des im Mai 2011 zugeflossenen Einkommens zur Bedarfsdeckung erwartet wird; auch bezog die Klägerin in der Vergangenheit nicht als so genannte Aufstockerin laufendes oder einmaliges Erwerbseinkommen, aufgrund dessen ihr der Mitteleinsatz bekannt war oder hätte bekannt sein müssen (vergl. hierzu BSG, Urteil vom 12.12.2013, B 14 AS 76/12 R, in juris Rn. 13).

Allerdings wurde ihr mit Ablehnungsbescheid vom 30.05.2011 (rechtsfehlerhaft) mitgeteilt, bei dem Erbe handle es sich um verwertbares Vermögen in Höhe von 15.549,87 EUR, welches ihre Vermögensfreibeträge in Höhe von 7.650,00 EUR übersteige. Hieraus durfte die Klägerin den Schluss ziehen (und tat dies ausweislich ihres Vorbringens im Rahmen ihres Widerspruchs gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 03.05.2012 auch), dass ein Anteil am erlangten Erbe in Höhe von 7.650,00 EUR von vornherein bei der Bedarfsermittlung außer Acht bleibe, gewissermaßen zu ihrer freien Disposition stehe und sie somit lediglich 7.899,87 EUR zur Bedarfsdeckung einzusetzen habe. Verteilt auf sechs Monate errechnet sich hieraus ein monatlicher Einsatz von ca. 1.317,00 EUR. Angesichts eines monatlichen Bedarfs in Höhe von ca. 828,00 EUR bzw. ab Juli 2011 ca. 820,00 EUR (674,58 EUR zuzüglich der Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von zunächst 153,54 EUR, ab Juli 2011 dann 145,56 EUR) überschritt der vorwerfbare Mitteleinsatz der Klägerin den nach dem SGB II maßgeblichen Bedarf um ca. 60 %.

Der Senat kann an dieser Stelle offenlassen, in welchem Umfang ein aktuell nicht im Leistungsbezug befindlicher Betroffener, der allerdings (angesichts eines langjährigen vorherigen Leistungsbezugs und nur geringer Aussicht auf ein längerfristiges Beschäftigungsverhältnis) mit einer Rückkehr in den Leistungsbezug rechnen musste, über den nach dem SGB II maßgeblichen Bedarf hinaus Ausgaben ohne den Vorwurf der objektiven Sozialwidrigkeit tätigen darf. Der Senat muss ferner nicht entscheiden, ab welchem Umfang der objektiven Sozialwidrigkeit der Betroffene allein aufgrund des Ausmaßes der Sozialwidrigkeit letztere erkennen musste. Denn jedenfalls bei der der Klägerin vorwerfbaren, vergleichsweise geringen Überschreitung des nach dem SGB II maßgeblichen Bedarfs von nur 60 % musste sich zur Überzeugung des Senats der Klägerin der Gedanke an ein sozialwidriges Verhalten - jedenfalls ohne weitere Anhaltspunkte wie entsprechende Belehrungen durch den Beklagten - nicht aufdrängen. Nachdem solche weiteren Anhaltspunkte aber, wie dargelegt, nicht vorlagen, handelte die Klägerin jedenfalls nicht subjektiv sozialwidrig.

Damit lagen die Voraussetzungen für einen Ersatzanspruch gemäß § 34 SGB II insgesamt nicht vor und waren die angefochtenen Bescheide des Beklagten aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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