Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 1 R 2515/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 4937/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 20. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Der Kläger hat nach seinen eigenen Angaben den Beruf des Groß- und Außenhandelskaufmanns (1996 bis 1998) und den Beruf des Netzwerktechnikers (2000 bis 2001) erlernt. Zuletzt war der Kläger als Lagerarbeiter und Leiharbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 25. Januar 2006 ist er arbeitslos.
Am 24. November 2005 hatte der Kläger erstmals die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung beantragt. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 19. Januar 2006 (Widerspruchsbescheid vom 9. August 2006) abgelehnt. Am 13. November 2009 hatte der Kläger die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragt, die mit Bescheid vom 8. Januar 2010 abgelehnt und der dagegen erhobene Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2010 zurückgewiesen wurde. Die hiergegen erhobene Klage zum Sozialgericht (SG) Konstanz (S 9 R 1230/10) hatte der Kläger am 16. November 2011 zurückgenommen.
Am 21. Dezember 2011 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte holte hierauf bei dem Facharzt für Innere Medizin, Psychotherapeutische Medizin und Sozialmedizin Dr. W. das Gutachten vom 8./12. März 2012 ein. Dr. W. stellte darin als Diagnose eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei emotional instabiler Persönlichkeitsakzentuierung, eine beidseitige Cervicobrachialgie, Cervicozephalgie nach Bandscheibenoperation und Spondylodese C5/C7 2004 sowie eine leichtgradige chronische Lumbalgie, Spinalkanalstenose cervicothorakal und einen Nikotinabusus fest. Der Gutachter führte im Weiteren aus, im Vordergrund stehe beim Kläger die somatoforme Schmerzstörung auf der Basis einer Persönlichkeitsproblematik. Der Kläger könne hinsichtlich des Leistungsvermögens noch als Netzwerktechniker, Groß- und Außenhandelskaufmann sechs Stunden und mehr täglich Arbeiten verrichten. Bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt könne er leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Nachtschicht, ohne längere Zwangshaltung der Wirbelsäule, ohne häufige Überkopfarbeiten oder Rotationsstellung sowie ohne Hebe- und Tragebelastung über 15 kg ebenfalls noch sechs Stunden und mehr täglich verrichten.
Mit Bescheid vom 15. März 2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab und führte hierzu aus, der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein, die Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung seien somit nicht erfüllt.
Dagegen erhob die damalige Klägerbevollmächtigte Widerspruch und führte aus, der Kläger leide an den Auswirkungen eines chronischen Schmerzsyndroms Grad III nach Gerbershagen mit Bewegungseinschränkungen. Auch leide der Kläger daher an Schlafstörungen und ferner liege eine Depression vor. In einer ergänzenden Stellungnahme führte Dr. W. am 23. Mai 2012 hierzu aus, es werde von seiner Seite auf die nicht ausgeschöpften Therapieoptionen hingewiesen. Bedenken gegen eine Therapieänderung könne er nicht teilen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie noch aus, der Kläger sei als Netzwerktechniker, Groß- und Außenhandelskaufmann noch sechs Stunden und mehr täglich einsatzfähig. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten, die überwiegend im Stehen, im Gehen und im Sitzen verrichtet würden, ohne längere Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne häufiges Heben, Tragen von Lasten, ohne häufige Überkopfarbeiten oder Rotationsstellungen und ohne Nachtschicht sechs Stunden und mehr täglich verrichten.
Hiergegen erhob der Kläger durch seine Bevollmächtigte am 8. Oktober 2012 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG). Die Bevollmächtigte vertrat die Ansicht, dass der Kläger erwerbsgemindert sei. Er leide erheblich unter den Auswirkungen eines chronischen Schmerzsyndroms, Bewegungseinschränkungen und Depression. Es fehle ihm deshalb am Durchhaltevermögen, der Konzentration und der Flexibilität sowie der Aufmerksamkeit und Stressresistenz, um eine Arbeitsleistung von drei Stunden und mehr zu erbringen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat unter Berufung auf sozialmedizinische Stellungnahmen des Internisten und Sozialmediziners Dr. B. vom 8. März 2013 und 1. Juli 2013 die Ansicht vertreten, Dr. W. habe den Kläger ausführlich untersucht. Eine Kompression nervaler Strukturen bei Zustand nach Spondylodese C5/C7 2004 wegen Bandscheibenvorfällen sei auszuschließen.
Das SG hat im Weiteren sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte eingeholt. Der Orthopäde und Unfallchirurg Dr. N. hat in seiner Auskunft vom 21. Dezember 2012 die Auffassung vertreten, dass im Hinblick auf die beim Kläger bestehenden orthopädischen Leiden und insbesondere der chronischen Schmerzsymptomatik leichte Tätigkeiten, maximal vier Stunden täglich noch möglich seien. Eine Besserung des Beschwerde- und Leistungsbildes sei aus seiner Sicht nicht zu erwarten. Die Diplompsychologin D. hat in ihrer Auskunft vom 8. Januar 2013 mitgeteilt, dass beim Kläger u.a. eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen, histrionischen und dissozialen Anteilen, eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung, eine chronische Schmerzstörung (somatische und psychische Faktoren), eine posttraumatische Belastungsstörung sowie mittelgradige depressive Episoden bestünden. Angesichts der multiplen psychischen Einschränkungen des Klägers erscheine die Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt für den Kläger kaum möglich. Die nötige Konzentration könne nicht über eine Stunde ohne längere Pausen aufgebracht werden. Eine Wiedereingliederung auf dem ersten Arbeitsmarkt erscheine trotz längerer Therapie unrealistisch. Der Arzt Dollinger der Psychiatrischen Tagesklinik Friedrichshafen hat in seiner Auskunft vom 21. Januar 2013 die bereits von der Psychologin D. genannten Diagnosen weitgehend wiederholt und zum Leistungsbild angegeben, dass auch seiner Meinung nach der Kläger nicht in der Lage sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Seiner Meinung nach werde der Kläger von einer langfristigen Psychotherapie gut profitieren, es bleibe allerdings fraglich, inwieweit die Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt werden könne. Der Facharzt für Anästhesie und Schmerztherapie Dr. Asshoff hat in seiner Auskunft vom 20. Februar 2013 unter Hinweis auf beigefügte Sachstandsberichte ausgeführt, dass eine Empfehlung zur weiteren intensiven Physiotherapie und Psychotherapie zur Stabilisierung der allgemeinen Situation vorliege, derzeitige zusätzliche Therapien ihm nicht bekannt seien. Ein therapeutischer Erfolg könne unter einer ambulanten weiterführenden Psychotherapie möglich sein.
Das SG hat im Weiteren bei dem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Sportmedizin - Chirotherapie Dr. B. das Gutachten vom 1. November 2013 eingeholt. Dr. B. hat darin die Diagnosen chronisches ortständiges sowie gemischt pseudoradikuläres und radikuläres cervikales Wirbelsäulensyndrom mit schmerzhafter Funktionsbehinderung der HWS und Cervicobrachialgie beidseits (links ausgeprägter als rechts) mit funktionell unbedeutsamen geringen sensiblen Störungen am linken Arm sowie angedeuteter Schwäche der Beuger im linken Ellenbogengelenk bei Zustand nach interkorporeller Spondylodese C5/6 und C6/7 bei cervikalem Bandscheibenschaden bei degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule gestellt. Im Weiteren bestehe ein chronisches ortständiges und pseudoradikuläres lumbales Wirbelsäulensyndrom ohne relevante Funktionsbehinderungen der LWS mit angedeuteter Großzehenheberschwäche links ohne sonstige radikuläre Reiz- oder Ausfallserscheinungen der unteren Extremitäten bei Spondylarthrose der LWS und Wirbelsäulenfehlstatik mit muskulärer Dysbalance im Bereich des Rückens und des Rumpfes. Ferner bestehe eine Epicondylitis humeri ulnaris links ohne Funktionsbehinderung des Ellenbogengelenkes, eine Styloiditis ulnae links ohne Funktionsbehinderung des Handgelenkes, Gonalgie links ohne Funktionsbehinderung und ohne chronisch synoviale Reizerscheinungen des linken Kniegelenkes, eine mäßige Spreizfußdeformität beidseits ohne Funktionsbehinderung der Füße. Des Weiteren lägen außerhalb des orthopädischen Fachgebietes ein chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren, Verdacht auf Sulcus-Ulnaris-Syndrom links, Persönlichkeitsstörung und anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie ein rezidivierendes depressives Syndrom und funktionelle Verdauungsstörungen vor. Unter Berücksichtigung dieser Erkrankungen stelle sich das Leistungsbild dahingehend dar, dass Arbeiten mit Heben, Tragen und/oder Bewegen von Lasten über 8 bis 10 kg, Arbeiten in gebückter, vornübergebeugter oder sonstiger Zwangshaltungen des Achsorgans einschließlich Arbeiten in Rückneigung des Kopfes, unter Einfluss vertikaler Teil- oder Ganzkörperschwingungen, mit erhöhter Anforderung an die Kraftentfaltung der Arme oder das taktile Geschick sowie die Feinmotorik der Hände, häufig oder ständig kniende oder hockende Arbeiten, Arbeiten mit Besteigen von Leitern und Gerüsten, unter häufiger oder ständiger Exposition von Nässe, Kälte, Zugluft, unter hohem Zeitdruck oder hoher Stressbelastung, mit besonderer Verantwortung bzw. geistiger Beanspruchung oder Arbeiten an gefährdenden Maschinen der Kläger nicht mehr verrichten könne. Unter Beachtung dieser Einschränkung könne er jedoch noch Tätigkeiten im erlernten Beruf oder leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig ausüben.
Das SG hat ferner das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr. W. vom 13. August 2014 eingeholt. Dr. W. diagnostizierte eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (emotional-instabil und narzisstisch) sowie die Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen. Der Kläger demonstriere bei der Untersuchung eine deutliche armbetonte Lähmung der linken Körperhaltung, die in unbeobachteten Momenten nicht zu sehen sei. Es seien hier deutliche Zeichen einer bewusstseinsnahen Aggravation anzunehmen. Der Kläger sei bewusstseinsklar, orientiert, ohne Hinweise für kognitive Einschränkungen. Die Stimmungslage sei dysphorisch, nicht tiefgreifend depressiv. Es dominierten emotional-instabile und narzisstische Persönlichkeitsanteile. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, dauerhaft mittelschwere und schwere Tätigkeiten zu verrichten. Ebenso seien gleichförmige, vor allem gebückte Körperhaltungen zu vermeiden, ebenso wie das Besteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten. Tätigkeiten im Schichtbetrieb, unter Zeitdruck und Akkord- und Fließbandarbeiten seien nicht mehr möglich. Die Tätigkeit als Groß- und Außenhandelskaufmann sei aufgrund des Publikumsverkehrs nicht mehr leidensgerecht. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkung könne der Kläger die Tätigkeit als Netzwerktechniker sowie auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch sechs Stunden und mehr täglich verrichten.
Zu den vom Gericht eingeholten Gutachten hat der Kläger noch erklärt, er könne sich diesen nicht anschließen. Er nehme regelmäßig seine Medikamente. Es bestehe die Gefahr einer Abhängigkeit. Entgegen den Feststellungen des Gutachters Dr. B. benötige er einen Gehstock, auch könne er nicht mehr Rad fahren.
Mit Gerichtsbescheid vom 20. Oktober 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass die Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden sei, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung habe, er vielmehr noch in der Lage sei, im Beruf als Netzwerktechniker und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Das SG hat sich hierbei insbesondere auf das orthopädische Gutachten von Dr. B. und das nervenärztliche Gutachten von Dr. W. gestützt. Danach könne der Kläger auf orthopädischem Gebiet unter Beachtung der von Dr. B. genannten Einschränkungen noch Tätigkeiten sowohl in seinem erlernten Beruf als Netzwerktechniker als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche verrichten. Nichts anderes ergebe sich auch aus dem Gutachten von Dr. W., der ebenfalls der Ansicht sei, dass der Kläger sowohl noch die Tätigkeit als Netzwerktechniker als auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der entsprechenden Einschränkungen sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche verrichten könne. Soweit der Orthopäde Dr. N. in seiner Auskunft nur noch von einem Leistungsvermögen von maximal vier Stunden täglich ausgegangen sei, könne dem nicht gefolgt werden, denn er habe dies in keiner Weise begründet. Dasselbe gelte für die Auffassung der Psychologin D. und auch den Arzt Dollinger in ihren Auskünften.
Der Kläger hat gegen den seiner Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 27. Oktober 2014 zugestellten Gerichtsbescheid mit Einschreiben vom 26. November 2014 am 28. November 2014 Berufung eingelegt. Eine weitere Begründung erfolgte nicht.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 20. Oktober 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. März 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger ab Antragstellung Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Verlauf des Verfahrens wurden vom SG an Dr. W. adressierte E-Mails des Klägers, die Dr. W. an das SG weitergeleitet hatte, vorgelegt. Darin hat sich der Kläger zum Teil abfällig und aggressiv gegenüber Dr. W. und die erfolgte Begutachtung geäußert. In einem Begleitschreiben verwies Dr. W. darauf, dass im Hinblick auf die Inkohärenz der E-Mail beim Kläger möglicherweise eine ganz erhebliche psychische Verschlechterung im Vergleich zum Zeitpunkt seiner Begutachtung eingetreten sein könnte, sodass seinerseits nochmal eine nervenärztliche Begutachtung angeregt werde.
Von Seiten des Senates wurde daraufhin Dr. H., Chefarzt der Klinik für Suchttherapie, Klinikum, W. mit der Erstellung eines weiteren nervenärztlichen Gutachtens beauftragt. Im Zusammenhang damit war der Kläger zum 15. Mai 2015 zu einer Untersuchung und Begutachtung einbestellt worden. Am 13. Mai 2015 hatte im dortigen Sekretariat ein Mann angerufen, der mitgeteilt hatte, er sei der Sohn des Klägers und der Kläger könne nicht kommen, weil der Rollstuhl noch nicht da sei. Er werde sich wieder melden. Eine erneute Meldung erfolgte jedoch erst am 20. Juli 2015. Der Kläger rief im Sekretariat von Dr. H. an und teilte mit, dass er sich nicht begutachten lassen wolle. Ausweislich der Auskunft von Dr. H. sei der Kläger sehr aufgebracht gewesen und habe sich nicht beruhigen lassen und erklärt, dass er definitiv keine Begutachtung mehr wolle. Daraufhin wurde der Gutachtensauftrag aufgehoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten (Renten- und Reha-Akte) sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte eingelegte Berufung ist zulässig.
Gem. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Berufung beim Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Der Gerichtsbescheid wurde der damaligen Bevollmächtigten des Klägers entsprechend §§ 63 Abs. 2 SGG, 175 ZPO gegen Empfangsbekenntnis am 27. Oktober 2014 zugestellt. Damit endete die Berufungsfrist von einem Monat mit Ablauf des 27. November 2014. Zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung beim Landessozialgericht am 28. November 2014 war damit die Berufungsfrist bereits abgelaufen.
Gem. § 67 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 und 4 SGG ist jedoch dem Betroffenen von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist (hier die Berufungsfrist) einzuhalten. Der Kläger hatte das Einschreiben, mit dem er die Berufung eingelegt hatte, am 26. November 2014 aufgegeben. Er konnte jedoch nach den generellen Angaben der Deutschen Post AG zu den üblichem Postlaufzeiten mit Ankunft am nächsten Werktag nach Aufgabe zur Post davon ausgehen, dass damit bei einer Laufzeit von einem Tag die Berufung noch fristgerecht am nächsten Tag, dem 27. November 2014 eingeht. Einem Rechtsmittelführer dürfen Verzögerungen oder sonstige Fehler bei der Briefbeförderung oder Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden zugerechnet werden. Er darf vielmehr darauf vertrauen, dass die normalen Postlaufzeiten eingehalten werden. In seinem Verantwortungsbereich liegt es allein, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG den Empfänger fristgerecht erreichen kann (siehe BGH Beschluss vom 17. Januar 2012 - VIII ZB 42/11 - Juris Rdnr. 7; Jung in Roos/Wahrendorf SGG § 67 Rdnr. 37). Da der Kläger innerhalb der Monatsfrist nach § 67 Abs. 2 Satz 3 SGG die versäumte Rechtshandlung (die Berufung) nachgeholt hat, nämlich am 28. November 2014, war ihm schon von Amts wegen (§ 67 Abs. 2 Satz 4 SGG) daher Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist zu gewähren.
II.
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Es hat zutreffend auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden ärztlichen Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren wie auch dem Gerichtsverfahren sowie der vorliegenden ärztlichen Auskünfte in nicht zu beanstandender Weise unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelung nach § 43 SGB VI die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen (voller) Erwerbsminderung verneint. Es wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im Gerichtsbescheid des SG vom 20. Oktober 2014 Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung hier abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist festzuhalten, dass eine weitere Aufklärung des Sachverhalts nach § 106 SGG aufgrund der Weigerung des Klägers, sich nochmals begutachten zu lassen, nicht möglich war. Dies geht insoweit zu Lasten des Klägers, da infolgedessen nur auf der Grundlage der vorliegenden Unterlagen entschieden werden kann und damit die vom SG getroffene Entscheidung nicht zu beanstanden ist.
Aus diesen Gründen ist die Berufung zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Der Kläger hat nach seinen eigenen Angaben den Beruf des Groß- und Außenhandelskaufmanns (1996 bis 1998) und den Beruf des Netzwerktechnikers (2000 bis 2001) erlernt. Zuletzt war der Kläger als Lagerarbeiter und Leiharbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 25. Januar 2006 ist er arbeitslos.
Am 24. November 2005 hatte der Kläger erstmals die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung beantragt. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 19. Januar 2006 (Widerspruchsbescheid vom 9. August 2006) abgelehnt. Am 13. November 2009 hatte der Kläger die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragt, die mit Bescheid vom 8. Januar 2010 abgelehnt und der dagegen erhobene Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2010 zurückgewiesen wurde. Die hiergegen erhobene Klage zum Sozialgericht (SG) Konstanz (S 9 R 1230/10) hatte der Kläger am 16. November 2011 zurückgenommen.
Am 21. Dezember 2011 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte holte hierauf bei dem Facharzt für Innere Medizin, Psychotherapeutische Medizin und Sozialmedizin Dr. W. das Gutachten vom 8./12. März 2012 ein. Dr. W. stellte darin als Diagnose eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei emotional instabiler Persönlichkeitsakzentuierung, eine beidseitige Cervicobrachialgie, Cervicozephalgie nach Bandscheibenoperation und Spondylodese C5/C7 2004 sowie eine leichtgradige chronische Lumbalgie, Spinalkanalstenose cervicothorakal und einen Nikotinabusus fest. Der Gutachter führte im Weiteren aus, im Vordergrund stehe beim Kläger die somatoforme Schmerzstörung auf der Basis einer Persönlichkeitsproblematik. Der Kläger könne hinsichtlich des Leistungsvermögens noch als Netzwerktechniker, Groß- und Außenhandelskaufmann sechs Stunden und mehr täglich Arbeiten verrichten. Bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt könne er leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Nachtschicht, ohne längere Zwangshaltung der Wirbelsäule, ohne häufige Überkopfarbeiten oder Rotationsstellung sowie ohne Hebe- und Tragebelastung über 15 kg ebenfalls noch sechs Stunden und mehr täglich verrichten.
Mit Bescheid vom 15. März 2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab und führte hierzu aus, der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein, die Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung seien somit nicht erfüllt.
Dagegen erhob die damalige Klägerbevollmächtigte Widerspruch und führte aus, der Kläger leide an den Auswirkungen eines chronischen Schmerzsyndroms Grad III nach Gerbershagen mit Bewegungseinschränkungen. Auch leide der Kläger daher an Schlafstörungen und ferner liege eine Depression vor. In einer ergänzenden Stellungnahme führte Dr. W. am 23. Mai 2012 hierzu aus, es werde von seiner Seite auf die nicht ausgeschöpften Therapieoptionen hingewiesen. Bedenken gegen eine Therapieänderung könne er nicht teilen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie noch aus, der Kläger sei als Netzwerktechniker, Groß- und Außenhandelskaufmann noch sechs Stunden und mehr täglich einsatzfähig. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten, die überwiegend im Stehen, im Gehen und im Sitzen verrichtet würden, ohne längere Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne häufiges Heben, Tragen von Lasten, ohne häufige Überkopfarbeiten oder Rotationsstellungen und ohne Nachtschicht sechs Stunden und mehr täglich verrichten.
Hiergegen erhob der Kläger durch seine Bevollmächtigte am 8. Oktober 2012 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG). Die Bevollmächtigte vertrat die Ansicht, dass der Kläger erwerbsgemindert sei. Er leide erheblich unter den Auswirkungen eines chronischen Schmerzsyndroms, Bewegungseinschränkungen und Depression. Es fehle ihm deshalb am Durchhaltevermögen, der Konzentration und der Flexibilität sowie der Aufmerksamkeit und Stressresistenz, um eine Arbeitsleistung von drei Stunden und mehr zu erbringen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat unter Berufung auf sozialmedizinische Stellungnahmen des Internisten und Sozialmediziners Dr. B. vom 8. März 2013 und 1. Juli 2013 die Ansicht vertreten, Dr. W. habe den Kläger ausführlich untersucht. Eine Kompression nervaler Strukturen bei Zustand nach Spondylodese C5/C7 2004 wegen Bandscheibenvorfällen sei auszuschließen.
Das SG hat im Weiteren sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte eingeholt. Der Orthopäde und Unfallchirurg Dr. N. hat in seiner Auskunft vom 21. Dezember 2012 die Auffassung vertreten, dass im Hinblick auf die beim Kläger bestehenden orthopädischen Leiden und insbesondere der chronischen Schmerzsymptomatik leichte Tätigkeiten, maximal vier Stunden täglich noch möglich seien. Eine Besserung des Beschwerde- und Leistungsbildes sei aus seiner Sicht nicht zu erwarten. Die Diplompsychologin D. hat in ihrer Auskunft vom 8. Januar 2013 mitgeteilt, dass beim Kläger u.a. eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen, histrionischen und dissozialen Anteilen, eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung, eine chronische Schmerzstörung (somatische und psychische Faktoren), eine posttraumatische Belastungsstörung sowie mittelgradige depressive Episoden bestünden. Angesichts der multiplen psychischen Einschränkungen des Klägers erscheine die Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt für den Kläger kaum möglich. Die nötige Konzentration könne nicht über eine Stunde ohne längere Pausen aufgebracht werden. Eine Wiedereingliederung auf dem ersten Arbeitsmarkt erscheine trotz längerer Therapie unrealistisch. Der Arzt Dollinger der Psychiatrischen Tagesklinik Friedrichshafen hat in seiner Auskunft vom 21. Januar 2013 die bereits von der Psychologin D. genannten Diagnosen weitgehend wiederholt und zum Leistungsbild angegeben, dass auch seiner Meinung nach der Kläger nicht in der Lage sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Seiner Meinung nach werde der Kläger von einer langfristigen Psychotherapie gut profitieren, es bleibe allerdings fraglich, inwieweit die Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt werden könne. Der Facharzt für Anästhesie und Schmerztherapie Dr. Asshoff hat in seiner Auskunft vom 20. Februar 2013 unter Hinweis auf beigefügte Sachstandsberichte ausgeführt, dass eine Empfehlung zur weiteren intensiven Physiotherapie und Psychotherapie zur Stabilisierung der allgemeinen Situation vorliege, derzeitige zusätzliche Therapien ihm nicht bekannt seien. Ein therapeutischer Erfolg könne unter einer ambulanten weiterführenden Psychotherapie möglich sein.
Das SG hat im Weiteren bei dem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Sportmedizin - Chirotherapie Dr. B. das Gutachten vom 1. November 2013 eingeholt. Dr. B. hat darin die Diagnosen chronisches ortständiges sowie gemischt pseudoradikuläres und radikuläres cervikales Wirbelsäulensyndrom mit schmerzhafter Funktionsbehinderung der HWS und Cervicobrachialgie beidseits (links ausgeprägter als rechts) mit funktionell unbedeutsamen geringen sensiblen Störungen am linken Arm sowie angedeuteter Schwäche der Beuger im linken Ellenbogengelenk bei Zustand nach interkorporeller Spondylodese C5/6 und C6/7 bei cervikalem Bandscheibenschaden bei degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule gestellt. Im Weiteren bestehe ein chronisches ortständiges und pseudoradikuläres lumbales Wirbelsäulensyndrom ohne relevante Funktionsbehinderungen der LWS mit angedeuteter Großzehenheberschwäche links ohne sonstige radikuläre Reiz- oder Ausfallserscheinungen der unteren Extremitäten bei Spondylarthrose der LWS und Wirbelsäulenfehlstatik mit muskulärer Dysbalance im Bereich des Rückens und des Rumpfes. Ferner bestehe eine Epicondylitis humeri ulnaris links ohne Funktionsbehinderung des Ellenbogengelenkes, eine Styloiditis ulnae links ohne Funktionsbehinderung des Handgelenkes, Gonalgie links ohne Funktionsbehinderung und ohne chronisch synoviale Reizerscheinungen des linken Kniegelenkes, eine mäßige Spreizfußdeformität beidseits ohne Funktionsbehinderung der Füße. Des Weiteren lägen außerhalb des orthopädischen Fachgebietes ein chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren, Verdacht auf Sulcus-Ulnaris-Syndrom links, Persönlichkeitsstörung und anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie ein rezidivierendes depressives Syndrom und funktionelle Verdauungsstörungen vor. Unter Berücksichtigung dieser Erkrankungen stelle sich das Leistungsbild dahingehend dar, dass Arbeiten mit Heben, Tragen und/oder Bewegen von Lasten über 8 bis 10 kg, Arbeiten in gebückter, vornübergebeugter oder sonstiger Zwangshaltungen des Achsorgans einschließlich Arbeiten in Rückneigung des Kopfes, unter Einfluss vertikaler Teil- oder Ganzkörperschwingungen, mit erhöhter Anforderung an die Kraftentfaltung der Arme oder das taktile Geschick sowie die Feinmotorik der Hände, häufig oder ständig kniende oder hockende Arbeiten, Arbeiten mit Besteigen von Leitern und Gerüsten, unter häufiger oder ständiger Exposition von Nässe, Kälte, Zugluft, unter hohem Zeitdruck oder hoher Stressbelastung, mit besonderer Verantwortung bzw. geistiger Beanspruchung oder Arbeiten an gefährdenden Maschinen der Kläger nicht mehr verrichten könne. Unter Beachtung dieser Einschränkung könne er jedoch noch Tätigkeiten im erlernten Beruf oder leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig ausüben.
Das SG hat ferner das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr. W. vom 13. August 2014 eingeholt. Dr. W. diagnostizierte eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (emotional-instabil und narzisstisch) sowie die Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen. Der Kläger demonstriere bei der Untersuchung eine deutliche armbetonte Lähmung der linken Körperhaltung, die in unbeobachteten Momenten nicht zu sehen sei. Es seien hier deutliche Zeichen einer bewusstseinsnahen Aggravation anzunehmen. Der Kläger sei bewusstseinsklar, orientiert, ohne Hinweise für kognitive Einschränkungen. Die Stimmungslage sei dysphorisch, nicht tiefgreifend depressiv. Es dominierten emotional-instabile und narzisstische Persönlichkeitsanteile. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, dauerhaft mittelschwere und schwere Tätigkeiten zu verrichten. Ebenso seien gleichförmige, vor allem gebückte Körperhaltungen zu vermeiden, ebenso wie das Besteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten. Tätigkeiten im Schichtbetrieb, unter Zeitdruck und Akkord- und Fließbandarbeiten seien nicht mehr möglich. Die Tätigkeit als Groß- und Außenhandelskaufmann sei aufgrund des Publikumsverkehrs nicht mehr leidensgerecht. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkung könne der Kläger die Tätigkeit als Netzwerktechniker sowie auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch sechs Stunden und mehr täglich verrichten.
Zu den vom Gericht eingeholten Gutachten hat der Kläger noch erklärt, er könne sich diesen nicht anschließen. Er nehme regelmäßig seine Medikamente. Es bestehe die Gefahr einer Abhängigkeit. Entgegen den Feststellungen des Gutachters Dr. B. benötige er einen Gehstock, auch könne er nicht mehr Rad fahren.
Mit Gerichtsbescheid vom 20. Oktober 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass die Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden sei, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung habe, er vielmehr noch in der Lage sei, im Beruf als Netzwerktechniker und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Das SG hat sich hierbei insbesondere auf das orthopädische Gutachten von Dr. B. und das nervenärztliche Gutachten von Dr. W. gestützt. Danach könne der Kläger auf orthopädischem Gebiet unter Beachtung der von Dr. B. genannten Einschränkungen noch Tätigkeiten sowohl in seinem erlernten Beruf als Netzwerktechniker als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche verrichten. Nichts anderes ergebe sich auch aus dem Gutachten von Dr. W., der ebenfalls der Ansicht sei, dass der Kläger sowohl noch die Tätigkeit als Netzwerktechniker als auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der entsprechenden Einschränkungen sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche verrichten könne. Soweit der Orthopäde Dr. N. in seiner Auskunft nur noch von einem Leistungsvermögen von maximal vier Stunden täglich ausgegangen sei, könne dem nicht gefolgt werden, denn er habe dies in keiner Weise begründet. Dasselbe gelte für die Auffassung der Psychologin D. und auch den Arzt Dollinger in ihren Auskünften.
Der Kläger hat gegen den seiner Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 27. Oktober 2014 zugestellten Gerichtsbescheid mit Einschreiben vom 26. November 2014 am 28. November 2014 Berufung eingelegt. Eine weitere Begründung erfolgte nicht.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 20. Oktober 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. März 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger ab Antragstellung Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Verlauf des Verfahrens wurden vom SG an Dr. W. adressierte E-Mails des Klägers, die Dr. W. an das SG weitergeleitet hatte, vorgelegt. Darin hat sich der Kläger zum Teil abfällig und aggressiv gegenüber Dr. W. und die erfolgte Begutachtung geäußert. In einem Begleitschreiben verwies Dr. W. darauf, dass im Hinblick auf die Inkohärenz der E-Mail beim Kläger möglicherweise eine ganz erhebliche psychische Verschlechterung im Vergleich zum Zeitpunkt seiner Begutachtung eingetreten sein könnte, sodass seinerseits nochmal eine nervenärztliche Begutachtung angeregt werde.
Von Seiten des Senates wurde daraufhin Dr. H., Chefarzt der Klinik für Suchttherapie, Klinikum, W. mit der Erstellung eines weiteren nervenärztlichen Gutachtens beauftragt. Im Zusammenhang damit war der Kläger zum 15. Mai 2015 zu einer Untersuchung und Begutachtung einbestellt worden. Am 13. Mai 2015 hatte im dortigen Sekretariat ein Mann angerufen, der mitgeteilt hatte, er sei der Sohn des Klägers und der Kläger könne nicht kommen, weil der Rollstuhl noch nicht da sei. Er werde sich wieder melden. Eine erneute Meldung erfolgte jedoch erst am 20. Juli 2015. Der Kläger rief im Sekretariat von Dr. H. an und teilte mit, dass er sich nicht begutachten lassen wolle. Ausweislich der Auskunft von Dr. H. sei der Kläger sehr aufgebracht gewesen und habe sich nicht beruhigen lassen und erklärt, dass er definitiv keine Begutachtung mehr wolle. Daraufhin wurde der Gutachtensauftrag aufgehoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten (Renten- und Reha-Akte) sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte eingelegte Berufung ist zulässig.
Gem. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Berufung beim Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Der Gerichtsbescheid wurde der damaligen Bevollmächtigten des Klägers entsprechend §§ 63 Abs. 2 SGG, 175 ZPO gegen Empfangsbekenntnis am 27. Oktober 2014 zugestellt. Damit endete die Berufungsfrist von einem Monat mit Ablauf des 27. November 2014. Zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung beim Landessozialgericht am 28. November 2014 war damit die Berufungsfrist bereits abgelaufen.
Gem. § 67 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 und 4 SGG ist jedoch dem Betroffenen von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist (hier die Berufungsfrist) einzuhalten. Der Kläger hatte das Einschreiben, mit dem er die Berufung eingelegt hatte, am 26. November 2014 aufgegeben. Er konnte jedoch nach den generellen Angaben der Deutschen Post AG zu den üblichem Postlaufzeiten mit Ankunft am nächsten Werktag nach Aufgabe zur Post davon ausgehen, dass damit bei einer Laufzeit von einem Tag die Berufung noch fristgerecht am nächsten Tag, dem 27. November 2014 eingeht. Einem Rechtsmittelführer dürfen Verzögerungen oder sonstige Fehler bei der Briefbeförderung oder Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden zugerechnet werden. Er darf vielmehr darauf vertrauen, dass die normalen Postlaufzeiten eingehalten werden. In seinem Verantwortungsbereich liegt es allein, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG den Empfänger fristgerecht erreichen kann (siehe BGH Beschluss vom 17. Januar 2012 - VIII ZB 42/11 - Juris Rdnr. 7; Jung in Roos/Wahrendorf SGG § 67 Rdnr. 37). Da der Kläger innerhalb der Monatsfrist nach § 67 Abs. 2 Satz 3 SGG die versäumte Rechtshandlung (die Berufung) nachgeholt hat, nämlich am 28. November 2014, war ihm schon von Amts wegen (§ 67 Abs. 2 Satz 4 SGG) daher Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist zu gewähren.
II.
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Es hat zutreffend auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden ärztlichen Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren wie auch dem Gerichtsverfahren sowie der vorliegenden ärztlichen Auskünfte in nicht zu beanstandender Weise unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelung nach § 43 SGB VI die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen (voller) Erwerbsminderung verneint. Es wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im Gerichtsbescheid des SG vom 20. Oktober 2014 Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung hier abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist festzuhalten, dass eine weitere Aufklärung des Sachverhalts nach § 106 SGG aufgrund der Weigerung des Klägers, sich nochmals begutachten zu lassen, nicht möglich war. Dies geht insoweit zu Lasten des Klägers, da infolgedessen nur auf der Grundlage der vorliegenden Unterlagen entschieden werden kann und damit die vom SG getroffene Entscheidung nicht zu beanstanden ist.
Aus diesen Gründen ist die Berufung zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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