Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 3594/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 5368/15 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 09.12.2015 bzgl der Ablehnung einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Weitergewährung von Krankengeld (Krg) über den 15.11.2015 hinaus.
Die 1955 geborene Antragstellerin war zuletzt bis 17.08.2015 als kaufmännische Angestellte bei ihrem geschiedenen Ehemann beschäftigt. Sie ist bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert und bezog von dieser aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit (AU), erstmals festgestellt am 1.12.2014, seit 01.01.2015 Krankengeld. Die Arbeitsunfähigkeit bestand wegen Schmerzen im LWS-Bereich und den Beinen sowie einer psychischen Belastungsstörung.
Vom 01.04.2015 bis 22.04.2015 wurde eine Rehabilitation mit Schwerpunkt Stoffwechsel durchgeführt. Die Antragstellerin wurde daraus aufgrund der psychischen Einschränkungen als arbeitsunfähig entlassen. Dr. B. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) untersuchte die Antragstellerin am 24.07.2015 und stellte als Diagnosen F43.2 Anpassungsstörungen, Adipositas, LWS-Syndrom, Diabetes mellitus, Schwindel zur Abklärung und diskrete Halbseitensymptomatik links. Er führte aus, dass in der Untersuchung keine wesentliche Einschränkung der psychischen Belastbarkeit festgestellt werden konnte. Er empfahl eine Abklärung der diskreten Halbseitensymptomatik links und war der Auffassung, dass sich, falls diesbezüglich kein pathologischer Befund vorläge, eine Arbeitsaufnahme möglich sei. Die Klägerin ließ am 03.09.2015 ein MRT des Kopfes erstellen, bei dem sich außer unspezifischen Glioseherden keine pathologischen Befunde ergaben. Dr. R. vom MDK nahm am 25.09.2015 Stellung und sah die Antragstellerin als arbeitsfähig für leichte Tätigkeiten im Sitzen, Stehen und Gehen ohne Arbeiten auf Leitern, Gerüsten und Treppen ohne Geländer an.
Mit Bescheid vom 01.10.2015 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass Krankengeld nur bis zum 05.10.2015 gezahlt werde, da nach Einschätzung des MDK ab 06.10.2015 wieder Arbeitsfähigkeit bestünde. Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein und beantragte am 15.10.2015 beim Sozialgericht Mannheim (SG) eine einstweilige Anordnung auf Zahlung von Krankengeld ab dem 06.10.2015. Zur Glaubhaftmachung der Arbeitsunfähigkeit übersandte sie einen Arztbrief der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie C., bei der sich die Antragstellerin am 20.10.2015 im Behandlung befand.
Am 09.11.2015 untersuchte Dr. B. vom MDK die Antragstellerin persönlich. Bei der Untersuchung machte die Antragstellerin als wesentlichen Grund für das Fortbestehen der AU die Verschlechterung der Polyneuropathie geltend. Die Gutachterin führte aus, dass Schwindel, Rückenschmerzen und psychische Beeinträchtigungen nicht mehr AU-begründend seien. Bestätigt werden könne eine Verschlechterung des Befundes der Polyneuropathie an Füßen und Händen. Diesbezüglich liege noch Behandlungsbedarf vor. Empfohlen werde eine Medikationsoptimierung, gegebenenfalls ergänzt um ein Antidepressivum. Nicht bestätigt werden könne ein fehlendes Leistungsbild für leichte Tätigkeiten oder Tätigkeiten ähnlich der zuletzt ausgeführten. Einschränkungen lägen vor für Tätigkeiten mit Absturzgefahr. Eine Meldung bei der Arbeitsagentur sei ab 16.11.2015 möglich.
Die Antragsgegnerin erklärte sich nachfolgend gegenüber dem SG bereit, Krankengeld über den 05.10.2015 hinaus bis einschließlich 15.11.2015 zu gewähren. Die Antragstellerin erklärte den Rechtsstreit für erledigt. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2015 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück, sinngemäß soweit Krankengeld über den 15.11.2015 hinaus begehrt werde.
Am 26.11.2015 hat die Antragstellerin beim SG erneut einen Antrag auf einstweilige Anordnung und Verurteilung der Antragsgegnerin auf Zahlung von Krankengeld ab dem 16.11.2015 gestellt. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hat ausgeführt, dass diese nach wie vor krankgeschrieben und ohne Einkünfte sei. Aus einem vermieteten Anwesen erziele die Antragstellerin zwar Mieteinnahmen (750 EUR). Diese benötige sie allerdings, um ihre eigenen Mietkosten zu decken. Mit Beschluss vom 09.12.2015 hat das SG den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass weder ein Anordnungsanspruch noch die besondere Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht sei. Bezüglich des Anordnungsgrundes sei zu berücksichtigen, dass von den eigenen Mietkosten der Antragstellerin (720 EUR) nur die Hälfte berücksichtigt werden könne, da die entsprechende Mietwohnung nicht nur von ihr alleine, sondern von zwei Personen (auch ihrer pflegebedürftigen) Mutter bewohnt werde.
Gegen den dem Bevollmächtigten am 11.12.2015 zugestellten Beschluss hat dieser am 29.12.2015 Beschwerde zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.
Der Bevollmächtigte hat mitgeteilt, dass die Klägerin derzeit mittellos dastehe und von ihrer Mutter finanziell unterstützt werde. Die Antragstellerin sei krankgeschrieben. Am 19.01.2016 hat der Bevollmächtigte einen Antrag der Antragstellerin auf Weiterversicherung bei der Antragsgegnerin übersandt. Darin hat die Antragstellerin angegeben, dass Sie seit 01.01.2016 Arbeitslosengeld beziehe.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 09.12.2015 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihr vorläufig Krankengeld über den 15.11.2015 hinaus zu zahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakten beider Rechtszüge, die Gerichtsakte des vorangegangenen ER-Verfahrens S 9 KR 3124/15 ER sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG), in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.
Nach § 86b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend begehrt die Antragstellerin die Gewährung von Krg über den 15.11.2015 hinaus. Damit richtet sich die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes auf den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG.
Dies verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung).
Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist ihnen allerdings in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung für den Antragsteller geht, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (vgl BVerfG [Kammer], 29.07.2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S 1236 f). Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, aaO, mwN); die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl BVerfG [Kammer], 22.11.2002, aaO, S 1237; 29.11.2007, 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365). Der hier streitgegenständliche Anspruch auf Krankengeld gehört nicht zu den existenziell bedeutsamen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies folgt schon daraus, dass nicht jeder gesetzlich Krankenversicherte einen solchen Anspruch hat (vgl § 44 Abs 1 Satz 2 SGB V). Geboten und ausreichend ist damit eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage (st Rspr des Senats, vgl Beschlüsse vom 20.02.2012, L 11 KR 289/12 ER-B; 19.08.2010, L 11 KR 3364/10 ER-B, juris; 22.12.2009, L 11 KR 5547/09 ER-B, und vom 16.10.2008, L 11 KR 4447/08 ER-B, juris). Krg kann zudem im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes frühestens ab Eingang des Antrags beim SG zugesprochen werden (vgl Senatsbeschluss vom 20.02.2012, L 11 KR 289/12; 29.03.2010, L 11 KR 1448/10 ER-B).
Vorliegend besteht schon kein Anordnungsgrund, denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Antragstellerin hinsichtlich der im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes allein zu beantwortenden Frage, ob Anspruch auf Krg auch über den 15.11.2015 hinaus besteht, nicht auf die Klärung im Hauptsacheverfahren verwiesen werden kann. Denn zum einen hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Mietkosten auf zwei Personen umzulegen sind und damit der Antragstellerin monatlich aus ihren Mieteinkünften ein Betrag von 390 EUR für ihren sonstigen Lebensunterhalt verbleibt. Zudem hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin in seiner Beschwerdebegründung selbst angegeben, dass die Antragstellerin von ihrer Mutter finanziell unterstützt werde. Der Senat weist darauf hin, dass auch grundsätzlich eine Unterhaltsverpflichtung der Mutter gegenüber ihrer Tochter besteht (§ 1601 BGB). Zudem bezieht die Antragstellerin nach eigenen Angaben seit 01.01.2016 Arbeitslosengeld. Demnach ist eine Eilbedürftigkeit bezüglich einer Krankengeldzahlung nicht mehr ersichtlich.
Im Übrigen besteht auch kein Anordnungsanspruch. Die Klage auf Zahlung von Krg hat nach summarischer Prüfung auf der Grundlage der bislang vorliegenden ärztlichen Befunde und MDK-Gutachten keine Aussicht auf Erfolg. Der Anspruch auf Krg hat mit Ablauf des 15.11.2015 geendet, da jedenfalls ab diesem Zeitpunkt AU nicht mehr vorgelegen hat.
Die Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs müssen bei zeitlich befristeter AU und dement-sprechender Krankengeldgewährung für jeden Bewilligungsabschnitt erneut festgestellt werden. Der Begriff "arbeitsunfähig" ist ein Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen anhand ärztlich erhobener Befunde von den Krankenkassen und im Rechtsstreit von den Gerichten festzustellen sind. Maßgeblich ist grundsätzlich der versicherungsrechtliche Status des Betroffenen im Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung der AU. Ein nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V versicherter Beschäftigter ist in diesem Sinne arbeitsunfähig, wenn er auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, seine arbeitsvertraglich geschuldete, zuletzt ausgeübte Arbeit zu verrichten (Bundessozialgericht (BSG) 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 7). Maßgeblich ist daher die Tätigkeit der Antragstellerin als kaufmännische Angestellte.
Der Anspruch auf Krg entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an (§ 46 Satz 1 SGB V). Grundsätzlich setzt daher der Anspruch auf Krg die vorherige ärztliche Feststellung der AU voraus. Dem Attest des behandelnden Arztes mit der Feststellung der AU kommt lediglich die Bedeutung einer gutachtlichen Stellungnahme zu, welche die Grundlage für den über den Krg-Bezug zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse bildet, ohne dass Krankenkasse und Gerichte an den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung gebunden sind (BSG 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 7). Die Voraussetzungen eines Krg-Anspruchs, also nicht nur die AU, sondern auch die ärztliche Feststellung der AU, müssen bei zeitlich befristeter AU-Feststellung und dementsprechender Krg-Gewährung für jeden Bewilligungsabschnitt jeweils erneut vorliegen (BSG 26.06.2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 12). Zudem muss der Versicherte die AU und deren Fortdauer grundsätzlich rechtzeitig ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse gemäß § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V melden (BSG 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr 1).
Zur Überzeugung des Senats war die Antragstellerin über den 15.11.2015 hinaus nicht arbeitsunfähig, da sie in ihrem Beruf als kaufmännische Angestellte vollschichtig tätig sein konnte. Der Senat stützt sich insoweit auf die vorliegenden Gutachten des MDK, der die Antragstellerin mehrmals, letztmals am 09.11.2015, untersucht hat. Danach steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die ursprünglich für die Arbeitsunfähigkeit mit maßgeblichen Schwindelanfälle, Rückenschmerzen und psychische Beeinträchtigungen nur noch in nicht erheblichem Umfang vorliegen. Der Schwerpunkt liegt, auch nach den eigenen Aussagen der Antragstellerin bei der Untersuchung am 09.11.2015, auf einem Schmerzzustand bei diabetischer Polyneuropathie. Diesbezüglich besteht noch Behandlungsbedarf. Empfohlen wurde vom MDK eine Medikationsoptimierung gegebenenfalls ergänzt um ein adjuvant analgetisch wirkendes Antidepressivum, was auch schlafanstoßend wirke. Zusätzlich wären Weichpolstereinlagen entlastend. Aufgrund der diabetischen Polyneuropathie liegen zwar qualitative Einschränkungen bezüglich möglichen Tätigkeiten vor. So sind nur leichte Tätigkeiten im Sitzen, Stehen und Gehen ohne Arbeiten auf Leitern, Gerüsten, Treppen ohne Geländer oder mit Absturzgefahr zumutbar. Eine Tätigkeit als kaufmännische Angestellte, wie sie von der Antragstellerin bei der Untersuchung am 29.07.2015 beim MDK beschrieben hatte, ist mit diesem Leistungsbild in Einklang zu bringen.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG) ...
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Weitergewährung von Krankengeld (Krg) über den 15.11.2015 hinaus.
Die 1955 geborene Antragstellerin war zuletzt bis 17.08.2015 als kaufmännische Angestellte bei ihrem geschiedenen Ehemann beschäftigt. Sie ist bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert und bezog von dieser aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit (AU), erstmals festgestellt am 1.12.2014, seit 01.01.2015 Krankengeld. Die Arbeitsunfähigkeit bestand wegen Schmerzen im LWS-Bereich und den Beinen sowie einer psychischen Belastungsstörung.
Vom 01.04.2015 bis 22.04.2015 wurde eine Rehabilitation mit Schwerpunkt Stoffwechsel durchgeführt. Die Antragstellerin wurde daraus aufgrund der psychischen Einschränkungen als arbeitsunfähig entlassen. Dr. B. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) untersuchte die Antragstellerin am 24.07.2015 und stellte als Diagnosen F43.2 Anpassungsstörungen, Adipositas, LWS-Syndrom, Diabetes mellitus, Schwindel zur Abklärung und diskrete Halbseitensymptomatik links. Er führte aus, dass in der Untersuchung keine wesentliche Einschränkung der psychischen Belastbarkeit festgestellt werden konnte. Er empfahl eine Abklärung der diskreten Halbseitensymptomatik links und war der Auffassung, dass sich, falls diesbezüglich kein pathologischer Befund vorläge, eine Arbeitsaufnahme möglich sei. Die Klägerin ließ am 03.09.2015 ein MRT des Kopfes erstellen, bei dem sich außer unspezifischen Glioseherden keine pathologischen Befunde ergaben. Dr. R. vom MDK nahm am 25.09.2015 Stellung und sah die Antragstellerin als arbeitsfähig für leichte Tätigkeiten im Sitzen, Stehen und Gehen ohne Arbeiten auf Leitern, Gerüsten und Treppen ohne Geländer an.
Mit Bescheid vom 01.10.2015 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass Krankengeld nur bis zum 05.10.2015 gezahlt werde, da nach Einschätzung des MDK ab 06.10.2015 wieder Arbeitsfähigkeit bestünde. Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein und beantragte am 15.10.2015 beim Sozialgericht Mannheim (SG) eine einstweilige Anordnung auf Zahlung von Krankengeld ab dem 06.10.2015. Zur Glaubhaftmachung der Arbeitsunfähigkeit übersandte sie einen Arztbrief der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie C., bei der sich die Antragstellerin am 20.10.2015 im Behandlung befand.
Am 09.11.2015 untersuchte Dr. B. vom MDK die Antragstellerin persönlich. Bei der Untersuchung machte die Antragstellerin als wesentlichen Grund für das Fortbestehen der AU die Verschlechterung der Polyneuropathie geltend. Die Gutachterin führte aus, dass Schwindel, Rückenschmerzen und psychische Beeinträchtigungen nicht mehr AU-begründend seien. Bestätigt werden könne eine Verschlechterung des Befundes der Polyneuropathie an Füßen und Händen. Diesbezüglich liege noch Behandlungsbedarf vor. Empfohlen werde eine Medikationsoptimierung, gegebenenfalls ergänzt um ein Antidepressivum. Nicht bestätigt werden könne ein fehlendes Leistungsbild für leichte Tätigkeiten oder Tätigkeiten ähnlich der zuletzt ausgeführten. Einschränkungen lägen vor für Tätigkeiten mit Absturzgefahr. Eine Meldung bei der Arbeitsagentur sei ab 16.11.2015 möglich.
Die Antragsgegnerin erklärte sich nachfolgend gegenüber dem SG bereit, Krankengeld über den 05.10.2015 hinaus bis einschließlich 15.11.2015 zu gewähren. Die Antragstellerin erklärte den Rechtsstreit für erledigt. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2015 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück, sinngemäß soweit Krankengeld über den 15.11.2015 hinaus begehrt werde.
Am 26.11.2015 hat die Antragstellerin beim SG erneut einen Antrag auf einstweilige Anordnung und Verurteilung der Antragsgegnerin auf Zahlung von Krankengeld ab dem 16.11.2015 gestellt. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hat ausgeführt, dass diese nach wie vor krankgeschrieben und ohne Einkünfte sei. Aus einem vermieteten Anwesen erziele die Antragstellerin zwar Mieteinnahmen (750 EUR). Diese benötige sie allerdings, um ihre eigenen Mietkosten zu decken. Mit Beschluss vom 09.12.2015 hat das SG den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass weder ein Anordnungsanspruch noch die besondere Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht sei. Bezüglich des Anordnungsgrundes sei zu berücksichtigen, dass von den eigenen Mietkosten der Antragstellerin (720 EUR) nur die Hälfte berücksichtigt werden könne, da die entsprechende Mietwohnung nicht nur von ihr alleine, sondern von zwei Personen (auch ihrer pflegebedürftigen) Mutter bewohnt werde.
Gegen den dem Bevollmächtigten am 11.12.2015 zugestellten Beschluss hat dieser am 29.12.2015 Beschwerde zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.
Der Bevollmächtigte hat mitgeteilt, dass die Klägerin derzeit mittellos dastehe und von ihrer Mutter finanziell unterstützt werde. Die Antragstellerin sei krankgeschrieben. Am 19.01.2016 hat der Bevollmächtigte einen Antrag der Antragstellerin auf Weiterversicherung bei der Antragsgegnerin übersandt. Darin hat die Antragstellerin angegeben, dass Sie seit 01.01.2016 Arbeitslosengeld beziehe.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 09.12.2015 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihr vorläufig Krankengeld über den 15.11.2015 hinaus zu zahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakten beider Rechtszüge, die Gerichtsakte des vorangegangenen ER-Verfahrens S 9 KR 3124/15 ER sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG), in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.
Nach § 86b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend begehrt die Antragstellerin die Gewährung von Krg über den 15.11.2015 hinaus. Damit richtet sich die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes auf den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG.
Dies verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung).
Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist ihnen allerdings in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung für den Antragsteller geht, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (vgl BVerfG [Kammer], 29.07.2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S 1236 f). Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, aaO, mwN); die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl BVerfG [Kammer], 22.11.2002, aaO, S 1237; 29.11.2007, 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365). Der hier streitgegenständliche Anspruch auf Krankengeld gehört nicht zu den existenziell bedeutsamen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies folgt schon daraus, dass nicht jeder gesetzlich Krankenversicherte einen solchen Anspruch hat (vgl § 44 Abs 1 Satz 2 SGB V). Geboten und ausreichend ist damit eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage (st Rspr des Senats, vgl Beschlüsse vom 20.02.2012, L 11 KR 289/12 ER-B; 19.08.2010, L 11 KR 3364/10 ER-B, juris; 22.12.2009, L 11 KR 5547/09 ER-B, und vom 16.10.2008, L 11 KR 4447/08 ER-B, juris). Krg kann zudem im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes frühestens ab Eingang des Antrags beim SG zugesprochen werden (vgl Senatsbeschluss vom 20.02.2012, L 11 KR 289/12; 29.03.2010, L 11 KR 1448/10 ER-B).
Vorliegend besteht schon kein Anordnungsgrund, denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Antragstellerin hinsichtlich der im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes allein zu beantwortenden Frage, ob Anspruch auf Krg auch über den 15.11.2015 hinaus besteht, nicht auf die Klärung im Hauptsacheverfahren verwiesen werden kann. Denn zum einen hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Mietkosten auf zwei Personen umzulegen sind und damit der Antragstellerin monatlich aus ihren Mieteinkünften ein Betrag von 390 EUR für ihren sonstigen Lebensunterhalt verbleibt. Zudem hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin in seiner Beschwerdebegründung selbst angegeben, dass die Antragstellerin von ihrer Mutter finanziell unterstützt werde. Der Senat weist darauf hin, dass auch grundsätzlich eine Unterhaltsverpflichtung der Mutter gegenüber ihrer Tochter besteht (§ 1601 BGB). Zudem bezieht die Antragstellerin nach eigenen Angaben seit 01.01.2016 Arbeitslosengeld. Demnach ist eine Eilbedürftigkeit bezüglich einer Krankengeldzahlung nicht mehr ersichtlich.
Im Übrigen besteht auch kein Anordnungsanspruch. Die Klage auf Zahlung von Krg hat nach summarischer Prüfung auf der Grundlage der bislang vorliegenden ärztlichen Befunde und MDK-Gutachten keine Aussicht auf Erfolg. Der Anspruch auf Krg hat mit Ablauf des 15.11.2015 geendet, da jedenfalls ab diesem Zeitpunkt AU nicht mehr vorgelegen hat.
Die Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs müssen bei zeitlich befristeter AU und dement-sprechender Krankengeldgewährung für jeden Bewilligungsabschnitt erneut festgestellt werden. Der Begriff "arbeitsunfähig" ist ein Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen anhand ärztlich erhobener Befunde von den Krankenkassen und im Rechtsstreit von den Gerichten festzustellen sind. Maßgeblich ist grundsätzlich der versicherungsrechtliche Status des Betroffenen im Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung der AU. Ein nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V versicherter Beschäftigter ist in diesem Sinne arbeitsunfähig, wenn er auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, seine arbeitsvertraglich geschuldete, zuletzt ausgeübte Arbeit zu verrichten (Bundessozialgericht (BSG) 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 7). Maßgeblich ist daher die Tätigkeit der Antragstellerin als kaufmännische Angestellte.
Der Anspruch auf Krg entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an (§ 46 Satz 1 SGB V). Grundsätzlich setzt daher der Anspruch auf Krg die vorherige ärztliche Feststellung der AU voraus. Dem Attest des behandelnden Arztes mit der Feststellung der AU kommt lediglich die Bedeutung einer gutachtlichen Stellungnahme zu, welche die Grundlage für den über den Krg-Bezug zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse bildet, ohne dass Krankenkasse und Gerichte an den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung gebunden sind (BSG 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 7). Die Voraussetzungen eines Krg-Anspruchs, also nicht nur die AU, sondern auch die ärztliche Feststellung der AU, müssen bei zeitlich befristeter AU-Feststellung und dementsprechender Krg-Gewährung für jeden Bewilligungsabschnitt jeweils erneut vorliegen (BSG 26.06.2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 12). Zudem muss der Versicherte die AU und deren Fortdauer grundsätzlich rechtzeitig ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse gemäß § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V melden (BSG 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr 1).
Zur Überzeugung des Senats war die Antragstellerin über den 15.11.2015 hinaus nicht arbeitsunfähig, da sie in ihrem Beruf als kaufmännische Angestellte vollschichtig tätig sein konnte. Der Senat stützt sich insoweit auf die vorliegenden Gutachten des MDK, der die Antragstellerin mehrmals, letztmals am 09.11.2015, untersucht hat. Danach steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die ursprünglich für die Arbeitsunfähigkeit mit maßgeblichen Schwindelanfälle, Rückenschmerzen und psychische Beeinträchtigungen nur noch in nicht erheblichem Umfang vorliegen. Der Schwerpunkt liegt, auch nach den eigenen Aussagen der Antragstellerin bei der Untersuchung am 09.11.2015, auf einem Schmerzzustand bei diabetischer Polyneuropathie. Diesbezüglich besteht noch Behandlungsbedarf. Empfohlen wurde vom MDK eine Medikationsoptimierung gegebenenfalls ergänzt um ein adjuvant analgetisch wirkendes Antidepressivum, was auch schlafanstoßend wirke. Zusätzlich wären Weichpolstereinlagen entlastend. Aufgrund der diabetischen Polyneuropathie liegen zwar qualitative Einschränkungen bezüglich möglichen Tätigkeiten vor. So sind nur leichte Tätigkeiten im Sitzen, Stehen und Gehen ohne Arbeiten auf Leitern, Gerüsten, Treppen ohne Geländer oder mit Absturzgefahr zumutbar. Eine Tätigkeit als kaufmännische Angestellte, wie sie von der Antragstellerin bei der Untersuchung am 29.07.2015 beim MDK beschrieben hatte, ist mit diesem Leistungsbild in Einklang zu bringen.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG) ...
Rechtskraft
Aus
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