S 16 AL 624/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 16 AL 624/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Gründungszuschuss ab 01.07.2012.

Die Klägerin ist Fachärztin für Chirurgie, Schwerpunkt Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnungen "spezielle Unfallchirurgie" und Handchirurgie, außerdem nach eigenen Angaben zertifiziertes Mitglied für Fußchirurgie. Zuletzt war sie vom 01.12.2011 bis zum 31.05.2012 als Oberärztin im E.-Krankenhaus Recklinghausen tätig. Während der Probezeit kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 26.04.2012 ohne Angabe von Gründen zum 31.05.2012. Am 30.04.2012 meldete sie sich arbeitslos. Bereits zuvor hatte sie sich am 21.03.2012 auf eine Assistenzarztstelle beim Helios Klinikum Duisburg und mit Schreiben vom 09.04.2012 für die später übernommene Chirurgische Praxis in Gelsenkirchen bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe beworben. Außerdem bewarb sie sich beim Evangelischen Krankenhaus Hamm (Bewerbungsdatum unbekannt). Am 04.05.2012 erkundigte die Klägerin sich erstmals telefonisch für die beabsichtigte Selbständigkeit nach Gründungszuschuss.

Am 07.05.2012 beantragte sie Gründungszuschuss für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ab 01.07.2012. Am 09.05.2012 und 14.05.2012 erhielt die Klägerin die Absagen auf die Stellenbewerbungen bei den Krankenhäusern. Am 21.05.2012 schlossen die Beklagte und die Klägerin eine Eingliederungsvereinbarung mit der Zielsetzung Aufnahme einer beitragspflichtigen Tätigkeit als Stationsärztin / Oberärztin, Assistenzärztin im Umkreis von Dinslaken 50 bis 80 km. Im Vermerk der Arbeitsvermittlerin, der Mitarbeiterin Karnowka über das Erstgespräch und den Gründungszuschussantrag heißt es dazu: "Antrag auf Wunsch ausgehändigt, muss mit Ablehnung rechnen, da günstiger Arbeitsmarkt für Ärzte. Besondere Stärken: Handchirurgie, Pkw vorhanden, Unfallchirurgie , Chirurgie. Fazit zur Standortbestimung: Frau Sch. ist eine berufserfahrene Chirurgin, hat sich auf Handchirurgie spezialisiert." Ein Stellenangebot (Klinikum Dortmund) wurde übersandt; am Folgetag wurden zwei weitere Stellenangebote, bei einem handelte es sich um eine Personalberatung mit Schwerpunkt Vermittlung von Ärzten, unterbreitet.

Im Fragebogen bei eigener Kündigung und mit Stellungnahmen vom 21.05.2012 zur möglichen Sperrzeit und zum Antrag auf Gründungszuschuss gab die Klägerin an, sie habe das Arbeitsverhältnis beendet, um eine Arbeitgeberkündigung zu vermeiden. Im Mitarbeitergespräch im März 2012 sei ihr Kritik entgegengebracht worden, die ein Nichtbestehen der Probezeit begründe. In dieser Abteilung seien in den letzten zwei Jahren sieben Oberärzte während und nach der Probezeit nicht mehr beschäftigt gewesen. Sie habe sich ab März sofort um weitere Anstellungsmöglichkeiten als Assistenzärztin in Duisburg und Oberärztin in Hamm bemüht. Weitere Stellen seien im Umkreis von 100 km nicht im Angebot gewesen. Nach den Bewerbungen seien ihr bei kurzen Gesprächen Bedenken bezüglich ihrer Person entgegengebracht worden, weil sie zum Ende der Probezeit nicht weiter beschäftig sei. Sie habe erkennen müssen, dass hier in unberechtigter Weise eine Schlussfolgerung in Richtung Erfolglosigkeit gezogen worden sei und eine Anstellung auch nur als Assistenzärztin wegen Überqualifikation unmöglich erschienen sei. Als einzige Möglichkeit der weiteren Erwerbstätigkeit habe sich ihr die Flucht in die Selbständigkeit geboten. Die Agentur für Arbeit und der Stellenmarkt in Ärztezeitungen hätten keine offenen Stellen anzubieten gehabt. Arbeitslose Ärzte seien eher selten, da normalerweise, wie auch in ihrer Vergangenheit, von Anstellung zu Anstellung gewechselt werde. Von einer solchen, durch einen Arbeitgeber provozierten Katastrophe wie in ihrem Fall habe sie noch nicht gehört. Um einer angekündigten Kündigung durch den Arbeitgeber zu entgehen, habe sie selbst gekündigt. Ihr entgehe durch diese Kündigung ein sehr hohes Gehalt und ein augenscheinlich recht lukrativer Arbeitsplatz. Sie habe aber keine Wahl gehabt, da ihr durch die Kündigung des Arbeitgebers ein noch höherer Schaden entstanden wäre. Der Arbeitgeber bestätigte eine aus seiner Sicht bestehende nicht ausreichende Qualifikation, er habe sie aber weiter im Lernprozess unterstützen wollen und nicht beabsichtigt, sie zu kündigen. Er wisse, dass sie sich in absehbarer Zeit in einer eigenen Praxis niederlassen wolle.

Zum Antrag auf Gründungszuschuss legte die Klägerin eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle, der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, Dortmund mit positiver Prognose vor. Sie legte einen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung für das Finanzamt vor, aus der sich auch das voraussichtliche Einkommen des Ehegatten ergab. Schließlich legte sie eine Gewinnermittlung des die Praxis bisher führenden Chirurgen M. zum 31.12.2010 vor, aus der sich für das Jahr 2010 EUR und für das Vorjahr Betriebseinnahmen in Höhe von 336.899,50 bzw. 322.959,76 EUR, Betriebsausgaben in Höhe von 283.823,08 EUR und 275.081,79 EUR sowie ein steuerlicher Gewinn für das Jahr 2010 in Höhe von 53.076,42 EUR und für das Vorjahr in Höhe von 47.877,97 EUR ergibt. Sodann legte sie eine Modellrechnung der Deutschen Apotheker- und Ärztebank hinsichtlich der Investitionen, die Finanzierung, Personalkosten, Raumkosten, sonstige Kosten, persönliche Ausgaben, für die jeweils pro Jahr 48.000 EUR plus 20.000 EUR Vorsorgeaufwendungen angesetzt worden waren. Errechnet wurden hierfür erforderliche Mindesteinnahmen in Höhe von 332.001 EUR pro Jahr. Außerdem legte sie ihre Zeugnisse, die Approbationsurkunde sowie die Urkunden für die Facharztanerkennung (Fachärztin für Chirurgie, Schwerpunkt Unfallchirurgie) und die Anerkennung zum Führen der Zusatzbezeichnungen "spezielle Unfallchirurgie" und Handchirurgie vor.

Zum Antrag auf Gründungszuschuss trug sie ergänzend mit Schreiben vom 21.05.2012 vor, als Voraussetzung für die Bewilligung sei ein Nachweis von acht Absagen zu Bewerbungen im Bereich der allgemeinen Chirurgie im Umkreis von 50 km genannt worden. Offene Stellen habe die Agentur für Arbeit in dem vorgenannten Bereich nicht anbieten können. Sie selbst habe sich seit März 2012 um eine Anschlussarbeitsstelle in Hamm und Duisburg als Assistenzärztin bemüht und die beigefügten Absagen erhalten. Andere offene Stellen seien momentan nicht angeboten. Sie werde auch ohne freie Stellenangebote willkürlich weiteren Krankenhäusern Bewerbungsschreiben zusenden. Leider habe sich ihre Situation am Arbeitsmarkt nun insofern extrem verschlechtert, dass sie aus einer Oberarztanstellung innerhalb der Probezeit auch in eine Assistenzarzt- oder Stationsarztanstellung zurückwechseln müsse. Der potentielle Arbeitgeber könne daher auf ihr Versagen schließen. Es bleibe ihr letztlich nur die Flucht in die Selbständigkeit, um nicht in eine voraussichtliche Dauerarbeitslosigkeit abzugleiten. Da die gesetzlichen Krankenkassen die Abrechnung des Honorars erst nach etwa sieben Monaten erledigt hätten, sei sie in diesen ersten sieben Monaten ohne irgendwelche geldlichen Mittel und auf die öffentliche Hand angewiesen. Ebenso werde ein arztbezogener Patientenschwund in den ersten Monaten ebenfalls ein geringeres Einkommen bescheren. Internetauftritt, ambulantes Operationsangebot und Behandlungsscheinwertsteigerungen würden letztlich nach einiger Zeit einen Ausgleich des Verlustes auffangen können. Ihr Leistungsangebot sei in Verbindung mit der Arztzulassung konkurrenzlos. Im Umkreis von 100 km sei ihr kein niedergelassener spezieller Unfallchirurg mit abgeschlossener handchirurgischer Weiterbildung bekannt. Wegen der hohen Qualifikation sei die Steigerung des Punktwertumsatzes der Krankenversicherung um etwa 20 bis 30 % allein durch ihr zusätzliches zu beantragendes Angebot der Dopplersonographie gewährleistet. Ebenso erwarte sie Umsatzsteigerungen durch die von ihr angebotenen und seit 01.01.2012 außerbudgetären ambulanten Operationen. Um konsiliarische endoskopisch - handchirurgische Tätigkeit im benachbarten Krankenhaus werde sie sich bemühen. Ihr Leistungsangebot sei konkurrenzlos, sofort geldlich und umfänglich zu steigern. Ihre persönliche Position auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei hingegen nahezu aussichtslos. Der Gründerzuschuss werde zu ihrer Lebensunterhaltssicherung für die ersten sechs Monate bis zur ersten Krankenversicherungs-Abrechnung benötigt. Die Tatsache, dass in Dinslaken keine Ärzte arbeitslos gemeldet seien, sei für die Beurteilung ihrer vorbeschriebenen misslichen Lage nicht relevant.

In der Folgezeit bewarb sie sich im Mai bei 5 weiteren Krankenhäusern in Essen, Dinslaken, Mönchengladbach, Dortmund, Wesel und Duisburg (Bewerbungen i.W. vom 24.05.2012 und vom 31.05.2012), davon 2 Stellenangebote der Beklagten. Auf die beworbenen Stellen, im überwiegend als Assistenzärztin, erhielt sie im Wesentlichen Ende Mai und im Juni Absagen mangels Stellenvakanzen (3), bereits erfolgter Besetzung der ausgeschriebenen Stelle (3), aufgrund der Vielzahl von Bewerbungen (1), nicht mit dem gesuchten Profil übereinstimmender Facharztausbildung (1) und ohne Begründung (1). Seitens der ebenfalls von der Beklagten als Arbeitgeber angebotenen CTM Personalberatung Christian Töpfer (Bewerbungsdatum unbekannt) erhielt die Klägerin mit Schreiben vom 18.06.2012 die Mitteilung, momentan könne keine passgenaue Stelle vermittelt werden, man sei weiterhin für sie tätig.

Am 01.06.2012, dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit, teilte die Klägerin auf eine Aufforderung zur persönlichen Meldung am 01.06.2012 mit, sie werde dieser nicht nachkommen, weil sie ab 01.06.2012 arbeitsunfähig erkrankt sei und ab 01.07.2012 eine selbständige Tätigkeit aufnehmen werde. Sie übersandte sodann eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum 15.06.2012. In der Verwaltungsakte befindet sich sodann einen Ausdruck einer Statistik des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Agentur für Arbeit hinsichtlich der Berufsordnung 841 Ärzte/innen (Humanmedizin) mit der Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von 1999 (129.356) bis 2010 (178.864), sowie der entsprechenden Arbeitslosenzahlen mit diesem Zielberuf (7.686 im Jahre 1999 und 2.099 im Jahre 2010).

Mit Bescheid vom 22.05.2012 wurde der Klägerin vorläufig ab 01.06.2012 für die Dauer von 360 Kalendertagen Arbeitslosengeld in Höhe von 59,33 EUR täglich (1.779,90 EUR monatlich) bewilligt, wegen einer eventuellen Sperrzeit jedoch erst ab 24.08.2012.

Mit Bescheid vom 19.07.2012 stellte die Beklagte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit bis zum 23.08.2012 fest.

Mit Bescheid vom 31.07.2012 lehnte die Beklagte die Bewilligung des beantragten Gründungszuschusses im Rahmen ihres Ermessens mit der Begründung ab, sie habe mit ihrer Arbeitsaufgabe ihr Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis ohne wichtigen Grund selbst gelöst. Es bestehe daher aus ihrer Sicht im Rahmen des Ermessens keine Notwendigkeit, sie nach ihrer eigenen Arbeitsaufgabe mit finanziellen Fördermitteln zur Existenzgründung zu fördern. Bevor eine Förderung erfolgen könne, sei außerdem zunächst zu prüfen, ob sie auch ohne Leistungen der aktiven Arbeitsmarktförderung in den Arbeitsmarkt dauerhaft eingegliedert werden könne. Als Orthopädie / Unfallchirurgin habe sie besondere Qualifikationen und Ausbildungen, mit denen zu erwarten sei, dass sie in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden könne. Durch Übernahme einer 30 Jahre alten Praxis könne sie auf einen festen Patientenstamm zurückgreifen. Durch geplante, bisher auch vom Vorgänger erwirtschaftete Gesamteinnahmen von ca. 330.000 EUR jährlich sei von einer ausreichenden Tragfähigkeit auszugehen. Der Gründungszuschuss könne deshalb nicht gewährt werden.

Die Klägerin erhob Widerspruch. Seit Bekanntwerden der Kündigungsandrohung und Aufforderung zur Selbstkündigung habe sie sich umgehend beworben, die geforderten acht Bewerbungen und acht Absagen stünden bereits zur Verfügung bzw. würden nachgereicht. Eine dauerhafte Eingliederung auf dem Arbeitsmarkt sei somit nach den Angaben der Beklagten gescheitert. Die Berufsbezeichnung zur Orthopädie / Unfallchirurgin biete keine besondere Qualifikation, sondern fachärztliche Mindestanforderungen. Der Patientenstamm mit dreißigjähriger Bindung an den abgebenden Chirurgen sei flüchtig und werde mit Minderung um ca. 20 % durch die KBV prognostiziert. Erst nach ca. zwei Jahren werde der Schwund durch neue Patientenzuwanderung und ihre konkurrenzlose Qualifikation ausgeglichen werden können. Der zu erwartende Umsatz betrage für die erste Zeit ca. 20 % weniger als bei dem abgebenden Arzt. Momentan würden allein die Gehälter der übernommenen Angestellten durch die Vorabzahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung gedeckt. Die erwiesene Nichtvermittelbarkeit ihrer Person auf dem Arbeitsmarkt sei nicht berücksichtigt worden, obwohl dies als ausschlaggebendes Kriterium erklärt worden sei. Die Beklagte habe nicht die entsprechende Sachkenntnis über ihren fachlichen Status sowie die entsprechenden betriebswirtschaftlichen Verhältnisse.

Auf den Widerspruch gegen die Sperrzeit minderte die Beklagte diese mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2012 auf drei Wochen vom 01.06.2012 bis zum 21.06.2012 mit einer Anspruchsminderung von lediglich 21 Tagen, da aufgrund fest vorgesehener Selbständigkeit das Beschäftigungsverhältnis zum 01.07.2012 auch ohne Sperrzeit geendet hätte. Leistungen wurden nachbewilligt.

Den Widerspruch gegen die Ablehnung des Antrages auf Gründungszuschuss wies die Beklagte sodann mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2012 mit der Begründung zurück, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 93 Abs. 1, Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III ab dem 01.04.2012) lägen zwar vor. Darüber hinaus habe sie bei der Entscheidung jedoch ein Ermessen auszuüben, da § 93 SGB III in der Fassung ab dem 01.04.2012 als "Kannvorschrift" erlassen worden sei. Die Argumente der Klägerin könnten nicht als Begründung herhalten, dass auf dem Arbeitsmarkt keine Vermittlungsmöglichkeiten bestanden hätten, wenn auch nicht im gesamten Leistungsspektrum. Wenn die Klägerin derartige Qualifikationen erworben habe, die eine Beschäftigung als angestellte Chirurgin für sie als aussichtlos ansehen lasse, sei aber in Teilbereichen durchaus eine Vermittlung zur Beendigung der selbst herbeigeführten Arbeitslosigkeit möglich. Im Rahmen des Ermessens sei auch zu werten, ob zur Tragfähigkeit der Existenz der Gründungszuschuss erforderlich sei. In der Modellrechnung für die Klägerin werde für 2012 ein Umsatz von 332.000 EUR zur Realisierung der Existenzgründung als erforderlich angesehen. Die Betriebseinnahmen des Vorgängers aus 2010 hätten 321.156,06 EUR betragen. Die Klägerin habe hier für ihre Praxis eine Minderung um ca. 65.000 EUR auf 256.000 EUR gesehen. Da sie sonst keine Zahlen zur eigenen Existenzgründung vorgelegt habe, werde anhand dieser Angaben entschieden. Der als erforderlich gesehene Umsatz von 332.000 EUR werde im prozentuellen Verhältnis bei dem erwarteten Umsatz von 256.000 EUR zu einem Betrag für die Lebenshaltung und die Vorsorge von ca. 52.000 EUR führen (anstatt von 48.000 EUR und 20.000 EUR). Dies werde monatlich 4.300 EUR entsprechen. Die Klägerin selbst sehe den Ertrag bei 10 % des Umsatzes, also bei 25.600 EUR. Dies wäre monatlich 2.130 EUR. Selbst dieser Betrag liege über dem, den eine Vielzahl von Arbeitnehmern mit Kindern zur Verfügung habe. Zudem sei bei der zuletzt maßgebenden Steuerklasse IV auch davon auszugehen, dass auch der Ehemann ein entsprechendes Einkommen erziele. Dabei dürfe die Klägerin nicht davon ausgehen, dass durch den Gründungszuschuss ein monatliches Entgelt erzielt werde, damit das bisherige Bruttoentgelt von 5.600 EUR erreicht werde. Wenn die Klägerin vortrage, der Gründungszuschuss werde für die ersten sechs Monate bis zur ersten Krankenversicherungsabrechnung benötigt, gebe sie dadurch auch an, dass der Gründungszuschuss eigentlich nur der Vorfinanzierung eigentlich erwirtschafteter Leistungen dienen solle. Das sei jedoch keineswegs der Sinn des Gründungszuschusses.

Gegen den am 03.11.2012 abgesandten und laut Eingangsvermerk der Klägerin dort am 10.11.2012 eingegangenen Widerspruchsbescheid richtet sich die am 10.12.2012 erhobene Klage. Zur Begründung trägt die Klägerin ergänzend vor, die Sperrzeit sei aufgehoben worden, damit entfalle der Grund für die Verweigerung des Gründungszuschusses. Die Berechnung der Beklagten zur finanziellen Situation hält sie für fehlerhaft. Im Jahre 2012 erwarte sie einen Gewinn von Null, da die Betriebsausgaben ebenso hoch seien wie die Einnahmen. Der Gründungszuschuss sei zur Zwischenfinanzierung Ihres Lebensunterhaltes erforderlich. Sie habe ihre Eltern um einen Kredit bitten müssen. Ihr Ehegatte sei nicht in der Lage, sie zu unterhalten. Nach Bekanntwerden der bevorstehenden Kündigung habe sie sich zunächst auf Assistenzarztstellen beworben und erst danach den Weg in die Selbständigkeit gesucht. Sie sei zweigleisig gefahren. Erst nach den Absagen habe sie eine Bewerbung in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis als aussichtslos angesehen. Es habe außerdem mehrere Bewerber für die Praxis gegeben, so dass es nicht sicher gewesen sei, dass sie den Zuschlag erhalten werde. Erst vier Tage vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit habe sie durch den Zulassungsausschuss die vorläufige Genehmigung erhalten. Die Beklagte habe selbst bewiesen, dass freie Stellen nicht vorhanden gewesen seien, weil sie ihr während ihrer Arbeitslosigkeit nicht habe helfen können, eine Stelle zu finden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 31.07.2012 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 02.11.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verur-teilen, ihr unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes einen neuen Bescheid zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist darauf, dass die Sperrzeit gerade nicht aufgehoben worden sei. Ein wichtiger Grund sei zwar für die Lösung, nicht aber für die vorzeitige Lösung des Arbeitsverhältnisses angenommen worden. Bei Ermessensentscheidungen im Gründungszuschuss sei die Arbeitsaufgabe zugunsten der Selbständigkeit aber negativ zu bewerten. Sie bezweifle dass die Klägerin jemals ernsthafte Absichten gehabt habe, eine Arbeitnehmertätigkeit aufzunehmen. Bei einer solchen Sachlage liege sogar eventuell eine Ermessensreduzierung auf Null vor. Da die Klägerin von vornherein beabsichtigt habe, sich selbständig zu machen, habe keine Notwendigkeit mehr bestanden, die Integrationsbemühungen im Sinne der Vermittlung in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen. Die Erfolglosigkeit der Bewerbung sei dem kurzen Zeitraum geschuldet und kein Nachweis fehlender Vermittelbarkeit auf Dauer. Der Vermittlungsvorrang als Ablehnung sei im Übrigen ausreichend. Absagen auf Bewerbungen bezüglich einzelner Stellenangebote ließen keinerlei Rückschluss auf das Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf dem betreffenden Teilarbeitsmarkt zu. Hierfür stützt sie sich auf beigefügte Fachkräfteanalysen auf dem Stand von Juni 2012 und Juni 2014, wonach es bundesweit fast ausnahmslos einen Fachkräftemangel bei Humanmedizinern gegeben habe. Von Fachkräftemangel sei dann die Rede, wenn es weniger Arbeitslose als offene Stellen gebe. Rechnerisch seien dies zum fraglichen Zeitpunkt (2012) 87 Arbeitslose für 100 Stellenangebote gewesen. Einzelne Bewerbungen könnten natürlich gar nicht auf Anhieb zum Erfolg führen, weil die Unterschiede, gerade bei Ärzten, im Qualifikations- und Anforderungsprofil zu groß seien. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg habe ermittelt, dass die vorhandenen Fachkräfteengpässe in der Gesundheitswirtschaft in den nächsten Jahren zunehmen würden. Außerdem legte sie eine dienstliche Stellungnahme der zuständigen Vermittlungskraft, der Mitarbeiterin Karnowka vor. Diese führte darin aus, durch die demographischen Veränderungen sei die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen in den letzten Jahren deutlich angestiegen und dadurch auch die Nachfrage nach qualifiziertem Personal. Dies spiegele sich auch im Tagesgeschäft der Vermittlung in der Arbeitsagentur in Dinslaken wider. Seit über 20 Jahren betreue sie den sozialen und medizinischen Vermittlungsbereich in der Geschäftsstelle in Dinslaken. In dieser Zeit seien Arbeitslosmeldungen von Medizinern absolute Ausnahmen gewesen. Entweder seien Ärzte nur eine kurze Übergangszeit bis zur nächsten Tätigkeit arbeitslos gewesen und hätten meist schon eine neue Anstellung in Aussicht gehabt, Vertragsverhandlungen seien gelaufen / Vertretungsstellen, oder sie hätten sich arbeitslos gemeldet, um einen Anspruch auf Gründungszuschuss zu erwirken, als dieser noch eine Pflichtleistung gewesen sei. Unabhängig davon erfolge die Besetzung von vakanten Stellen nur teilweise über die Jobbörse der Arbeitsagentur. Dieser branchenspezifische Arbeitnehmerkreis finde meist über Ausschreibungen von Stellen in diversen Fachzeitschriften eine neue Tätigkeit. Zum Zeitpunkt ihrer Arbeitslosmeldung sei die Klägerin eine qualifi-zierte und versierte Bewerberin gewesen. Es sei nicht zu erwarten gewesen, dass sie unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes für Mediziner lange arbeitslos bleiben würde. Außen vorgelassen worden sei die Tatsache, dass bei der Stellenbesetzung verschiedene Faktoren zusammenkommen müssten. Oftmals scheitere eine Arbeitsaufnahme, weil die Vorstellungen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht zusammenpassten. Sie scheitere oft wegen unattraktiver Arbeitsbedingungen, gerade wenn ein Bewerber entsprechende Qualifikationen und Berufserfahrungen nachweisen könne. Grundsätzlich sei jedoch zu sagen, dass Bewerber aus dem Bereich Humanmedizin, gerade auch mit dem Schwerpunkt Unfallchirurgie, gute Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt der Mediziner hätten.

Die Klägerin hält dem entgegen, im Bericht für das Jahr 2014 heiße es, dass die Zahl der Arbeitslosen die der gemeldeten Stellen nur leicht übersteige (143 Arbeitslose auf 100 Stellen), die Argumentation der Beklagten sei daher widersprüchlich. Es bestehe vielmehr ein Fachkräfteüberschuss von 43 %. Gerade im Bereich der Chirurgie gebe es sieben grundlegend unterschiedliche Facharztbezeichnungen. Es könne unmöglich eine allgemeine Aussage bezüglich aller Humanmediziner für die Vermittlungsfähigkeit ihrer Facharztgruppe auf dem Arbeitsmarkt getroffen werden. Dabei gehörten die Unfallchirurgen und die Orthopäden zu den lukrativen Fachbereichen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung von Auskünften vom Deutschen Ärzteblatt, Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, Hartmannbund-Verband der Ärzte, Marburger Bund - Verband der angestellten und beamteten Ärzten Deutschland e. V., der Ärztekammer Nordrhein, der Ärztekammer Westfalen-Lippe, der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein sowie der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe zu den Vermittlungsaussichten der Klägerin 2012. Auf den Inhalt der Antwortschreiben derjenigen Stellen, die sich in der Lage sahen, Angaben zu machen, des Schreibens des Marburger Bundes vom 20.01.2015, des Schreibens der Ärztekammer Westfalen-Lippe vom 02.02.2015, des Schreiben der Kassenärztlichen Vereinigung vom 02.03.2015 sowie der Ärztekammer Nordrhein vom 20.03.2015 wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben. Die Beklagte hat keinen Nachweis einer früheren Zustellung erbracht, so dass die Klagefrist eingehalten ist.

Die auch im Übrigen zulässige Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin wird durch den Bescheid der Beklagten vom 31.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2012 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in ihren Rechten verletzt. Die Beklagte hat vielmehr im Ergebnis ermessensfehlerfrei die Gewährung des Gründungszuschusses abgelehnt.

Gemäß § 93 Abs. 1 und 2 SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2011, gültig ab 01.04.2012, können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständige, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Ein Gründungszuschuss kann nach Abs. 2 geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer 1. bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt , 2. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 3. ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.

Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Gründungszuschusses liegen vor. Die Klägerin hat vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 22.06.2012 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt, der zu diesem Zeitpunkt nicht mehr geruht hat, da die Sperrzeit nachträglich auf drei Wochen reduziert wurde und die Arbeitsunfähigkeit bereits zuvor, am 15.06.2012, geendet hatte. Hiervon ist aufgrund der bestandkräftigen Sperrzeitfestsetzung auszugehen. Die Klägerin hat also zu Recht Arbeitslosengeld bezogen vom 22.06.2012 bis zum 30.06.2012 und hatte zu dieser Zeit noch einen Restanspruch von mindestens 150 Tagen (zum fehlenden Anspruch auf Gründungszuschuss bei wegen Sperrzeit ruhenden Anspruchs vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Urteil vom 25.09.2014 – L 9 AL 219/13, Rn. 47, juris).

Auch die sonstigen Voraussetzungen für die Gewährung des Gründungszuschusses sind nicht zweifelhaft und werden von der Beklagten auch nicht bestritten. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten die Tragfähigkeit der Existenzgründung durch geeignete Unterlagen nachgewiesen und ihre Kenntnisse und Fähigkeiten überzeugend dargelegt.

Seit dem 28.12.2011 steht die Entscheidung der Beklagten über die Gewährung eines Gründungszuschusses jedoch im Ermessen, d.h. trotz des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen kann die Beklagte die Gewährung des Gründungszuschusses ablehnen. Das Gericht kann diese Entscheidung nur im Sinne einer Rechtskontrolle daraufhin überprüfen, ob die Beklagte ihr Ermessen entsprechend den Vorgaben von § 39 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) rechtmäßig ausgeübt hat oder ob ein Ermessensfehler im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG vorliegt und der Kläger hierdurch beschwert ist. Es hat jedoch keine eigenen Ermessens- und Zweckmäßigkeitserwägungen anzustellen. Aus § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I und § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG ergeben sich zwei Schranken der Ermessensausübung: Das Ermessen ist entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind einzuhalten. Hieraus haben Rechtsprechung und Literatur verschiedene Kategorien von Ermessensfehlern (Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung, Ermessensunterschreitung, Ermessensfehlgebrauch) entwickelt, wobei die Begrifflichkeiten und Unterteilung in die einzelnen Fallgruppen z.T. nicht einheitlich vorgenommen wird (vgl. insoweit BSG, Urt. v. 18.03.2008 - B 2 U 1/07 R -, juris Rn. 16; Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zu § 54 SGG,10. Auflage 2012, Rn. 27). a) Ein Ermessensnichtgebrauch oder Ermessensausfall liegt vor, wenn die Behörde ihr Ermessen nicht ausgeübt hat oder dies im Bescheid nicht zum Ausdruck gebracht hat; er liegt dann nicht vor, wenn die Beklagte ihr Ermessen ausweislich der Begründung der angefochtenen Bescheide tatsächlich ausgeübt und sich nicht nur mit formelhaften Erwägungen begnügt hat. Entscheidend ist, dass die Behörde neben eventuellen, zur Wahrung des Gleichheitsgebotes zulässigen internen Weisungen die Besonderheiten des Einzelfalles beachtet. b) Eine Ermessensunter oder -überschreitung liegt vor, wenn die sich nicht bewusst ist, dass sie den Gründungszuschuss hätte bewilligen können, ihr Ermessen zu eng ausgelegt hat oder eine Rechtsfolge gesetzt hat, die im Gesetz nicht vorgesehen ist. c) Ein Ermessensfehlgebrauch liegt zum einen vor, wenn die Behörde ein unsachliches Motiv oder einen sachfremden Zweck verfolgt (Ermessensmissbrauch). Zum anderen liegt der Fehlgebrauch vor, wenn die Behörde ihrer Ermessensbetätigung einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt als Abwägungsdefizit vor, wenn sie nicht alle Ermessensgesichtspunkte, die nach der Lage des Falls zu berücksichtigen sind, in die Entscheidungsfindung einbezogen hat. Der Fehlgebrauch kann zudem als Abwägungsdisproportionalität vorliegen, wenn die Behörde die abzuwägenden Gesichtspunkte rechtlich fehlerhaft gewichtet hat. Ist die Behörde von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen oder hat sie andere vom Gericht festgestellte Tatsachen nicht berücksichtigt, ist die Entscheidung der Behörde aufzuheben, wenn dadurch die Ermessensentscheidung beeinflusst wurde oder hätte beeinflusst werden können (vgl. LSG NRW, Urteil vom 17. Oktober 2013 – L 9 AL 150/12 –, juris Rn. 35ff, m.w.N.; Keller, a.a.O., Rn. 27ff.).

Die Beklagte hat erkannt, dass Ermessen auszuüben ist. Sie hat die Grenzen ihres Ermessens auch nicht verkannt. Im Ergebnis ist auch ein Ermessensfehlgebrauch unter Beachtung des Gesetzeszwecks nicht anzunehmen.

Die Beklagte hat ihre Ermessensentscheidung auf mehrere, unabhängig voneinander zu prüfende Gründe gestützt, nämlich der Verursachung der Arbeitslosigkeit durch eigene Kündigung, der fehlenden Erforderlichkeit angesichts des zu erwartenden Einkommens und des Einkommens des Ehegatten, des ihrer Auffassung nach nicht gewahrten Zwecks der Vorfinanzierung sowie des Vermittlungsvorranges. Jedenfalls für die öletzte Begründung sieht das Gericht einen Ermessensfehler nicht.

Die Heranziehung der eventuellen Verschuldung der Arbeitslosigkeit im Rahmen des Ermessens dürfte allerdings zweifelhaft sein; insoweit hat der Gesetzgeber sich nicht veranlasst gesehen, eine entsprechende Einschränkung vorzunehmen. Auch steht der Beklagten mit der Sperrzeit ein wirksames Mittel zur Verfügung, so dass dieser Aspekt als eventuell fehlendem Anspruch mangels Alg-Leistungsbezuges oder vorzeitiger Minderung des Anspruchs unter 150 Restanspruchstage ausreichend Berücksichtigung finden dürfte (vgl. auch SG Duisburg, Urteil vom 04.09.2013 – S 33 AL 379/12 – juris Rn. 30; anhängig: L 16 AL 279/13; Winkler in Gagel, Kommentar zu § 93 SGB III, Stand April 2012, Rn. 64). Der Verweis auf das Einkommen des Ehegatten, sei es auch nur ergänzend, dürfte ebenfalls kein zulässiges Ermessenskriterium sein, denn die Förderung durch den Gründungszuschuss ist wie das Arbeitslosengeld bereits nicht einkommensabhängig (vgl. hierzu Winkler a. a. O., Rn. 63; Kuhnke in jurisPK – SGB III, § 93 Rn. 36 unter Verweis auf erstinstanzliche Rechtsprechung); eine Anrechnung des Ehegatteneinkommens schließlich ist dem SGB III insgesamt fremd. Zwar kann sich eine fehlende Erforderlichkeit aufgrund des sich aus der selbständigen Tätigkeit ergebenden zu erwartenden Einkommens ergeben, jedenfalls dann, wenn ausnahmsweise konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die geplante Selbständigkeit bereits in der Anlaufphase der ersten sechs Monate so erfolgreich sein wird, dass der Existenzgründer seinen Lebensunterhalt selbst erwirtschaften und damit auch seinen soziale Absicherung vornehmen kann (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.02.2014 – L 8 AL 1515/13 -, Rn. 36, juris; Sächsisches LSG, Urteil vom 10.04.2014 – L 3 AL 141/12 -, Rn. 36, juris; kritisch Winkler in Gagel, § 93 Randnr. 63). Das kann der Fall sein, wenn eine laufende Kanzlei oder auch Praxis übernommen wird, in der der Übernehmer selber bereits tätig war, so dass in der Tat der mit dem Wechsel des Inhabers anzunehmende Kundenschwund geringer sein dürfte. Die Ablehnung aus solchen Erwägungen dürfte aber nur in besonderen Ausnahmefällen möglich sein. Einen solchen Ausnahmefall gibt weder die Sachlage noch die Umsatzprognose her. Die Schlussfolgerungen der Beklagten aus den grundsätzlich von ihr nicht bestrittenen Zahlen dürften nicht schlüssig sein. Nach der Aufstellung der Klägerin ist letztlich eine Umsatzprognose von 256.000 EUR den zu erwartenden Kosten - ohne die von ihr berechneten Kosten für den Lebensunterhalt - bereits in Höhe von 255.200 EUR im Jahr gegenüber zu stellen. Eine der zu erwartenden Minderung des Umsatzes entsprechende anteilige Reduzierung der Kosten ist nicht möglich. Raummiete mit Nebenkosten und Personalkosten verringern sich bekanntermaßen nicht, nur weil der Umsatz sich verringert. Als Übernehmerin der Praxis musste die Klägerin die laufenden Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter übernehmen. Unwidersprochen und nachvollziehbar hat die Klägerin dazu auf die Notwendigkeit hingewiesen, zunächst mit den Vorabzahlungen die Gehälter der Angestellten zahlen zu müssen. Damit war der Lebensunterhalt der Klägerin aber gerade nicht gesichert. Schließlich wurde auch eine monatsweise Aufstellung der ersten sechs Monate, um die es beim Gründungszuschuss gerade geht und in der bereits nach den dem Gesetz zugrundeliegenden Erwägungen von der größten Einbuße beim Start einer Selbständigkeit auszugehen ist, nicht vorgenommen; dies wäre aber zur Ablehnung aus diesem Grund erforderlich gewesen. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten stellt gerade die Vorfinanzierung der fehlenden Einkünfte der ersten sechs Monate Sinn und Zweck und die typische Situation des sich in der Selbständigkeit befindlichen, bereits Arbeitsleistung erbringenden, jedoch Einkünfte erst nur teilweise und verzögert erzielenden Selbständigen dar. Auch von einer Verfehlung des Gesetzeszwecks insoweit konnte daher keineswegs ausgegangen werden.

Die Ablehnung war im Rahmen des Ermessens jedoch unter dem Gesichtspunkt des Vermittlungsvorranges im Hinblick auf den Gesetzeszweck zulässig und auch im Übrigen ermessensfehlerfrei. Im Rahmen der Ermessensausübung darf die Beklagte sich unter Berufung auf § 4 Abs. 2 SGB III darauf berufen, dass die Vermittlung in Arbeit Vorrang vor den Leistungen der aktiven Arbeitsförderung hat, es sei denn die Leistung ist für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich. Diese Vorschrift soll verdeutlichen, dass es die wichtigste Aufgabe der Arbeitsagentur ist, Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu vermitteln (Brand, Kommentar zu § 4 SGB III, 6. Auflage 2012, Rn. 2 unter Berufung auf die Gesetzesbegründung). Der Gründungszuschuss dient der möglichst frühzeitigen Reintegration des Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt. Im Rahmen des Ermessens ist es daher legitim und entspricht dem Zweck des Gesetzes, wenn der Gründungszuschuss als Ermessensleistung nur dann gewährt wird, wenn er für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich ist, d. h. wenn die Vermittlung voraussichtlich nicht zu einer dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt führt (Kuhnke, in jurisPK – SGB III, a. a. O., Rn. 21.2; Winkler in Gagel, a. a. O., Rn. 66; LSG NRW, Beschluss vom 28.11.2013 – L 9 AL 81/13, Rn. 42; zustimmend LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Mai 2014 – L 18 AL 236/13 –, Rn. 22, juris¸LSG Baden-Würt¬temberg, Urteil vom 24.02.2015, Rn. 26 f. juris unter Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung des SG Stuttgart vom 27.02.2014, S 3 AL 1388/12; jeweils m.w.N.).

Es kann hier im Ergebnis nicht festgestellt werden, dass die Beklagte bei dieser Frage von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist. Zwar hat sie im Ablehnungsbescheid vom 31.07.2012 lediglich pauschal auf das Beratungsgespräch am 21.05.2012 verwiesen und ausgeführt, sie habe besondere Qualifikationen und Ausbildungen, mit denen zu erwarten sei, dass sie in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden könne. Auch im Widerspruchsbescheid hat die Beklagte sich im Wesentlichen mit den aus ihrer Sicht nicht tragenden Argumenten der Klägerin auseinandergesetzt, eine Arbeitsmarktanalyse jedoch nicht vorgenommen und sich darauf beschränkt auszuführen, auch mit der Argumentation der Klägerin sei in Teilbereichen durchaus eine Vermittlung zur Beendigung der selbst herbeigeführten Arbeitslosigkeit möglich. Als Teil der Ermessensentscheidung ist die Prognose der Beklagten, dass die Klägerin bei Inanspruchnahme der Vermittlungsbemühungen der Beklagten in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt integriert worden wäre, ohne dass hierfür die Förderung der Selbstständigkeit notwendig gewesen wäre, nur eingeschränkt überprüfbar (LSG NRW, Beschluss vom 28. November 2013 – L 9 AL 81/13 –, Rn. 43, juris; zustimmend LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Mai 2014 – L 18 AL 236/13 –, Rn. 22, juris). Es ist allerdings als ermessensfehlerhaft anzusehen, wenn es an einer nachvollziehbaren, überprüfbaren Grundlage für die Ausübung des Ermessens hinsichtlich des Vermittlungsvorranges fehlt und der Arbeitsmarkt im Entscheidungszeitpunkt (im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung) nicht hinreichend dargetan ist. Die Beklagte hat dementsprechend Dokumentationspflichten in ihren Geschäftsanweisungen niedergelegt, diese dürfen nicht gänzlich fehlen (vgl. SG Duisburg, Urteil vom 22.01.2014 – S 33 AL 239/13 – juris Rn. 25; anhängig LSG NRW – L 9 AL 65/14). Ermessensentscheidungen müssen die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe anführen; darüber hinaus aber müssen sie auch die Gründe für die darauf beruhende und sich erst daran anschließende Ausübung des Ermessens erkennen lassen. Formelhafte Wendungen reichen für die vorgeschriebene Begründung von Ermessensentscheidungen nicht aus, weil bei derartigen "Leerformeln" nicht nachgeprüft werden kann, ob die Verwaltung von ihrem Ermessen überhaupt und gegebenenfalls in einer dem Zweck der ihr erteilten Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Erforderlich ist vielmehr eine auf den Einzelfall eingehende Darlegung, dass und welche Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen stattgefunden hat und welchen Erwägungen dabei die tragende Bedeutung zugekommen ist, damit dem Betroffenen bzw. dem Gericht die Prüfung ermöglicht wird, ob die Ermessensausübung den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Diese Darlegungen über die Ausübung des Ermessens müssen sich in den im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren ergangenen Bescheiden wiederfinden lassen, denn die in den angefochtenen Bescheiden gegebene Begründung für die ablehnende Entscheidung muss sowohl dem Kläger als auch dem Gericht die Prüfung ermöglichen, ob die Beklagte bei der Ablehnung der Bewilligung der Abfindung ermessensfehlerfrei verfahren ist. Die Bescheide genügen andernfalls nicht dem gesetzlichen Begründungszwang. Da die nicht ordnungsgemäße Begründung einer Ermessensentscheidung deren Rechtswidrigkeit bewirkt, sind die Bescheide aufzuheben, auch wenn es sich um die Ablehnung einer Ermessensleistung und nicht um einen Eingriff in bereits bestehende Rechte handelte (BSG, Urteil vom 18. April 2000 – B 2 U 19/99 R –, juris Rn. 19 ff m.w.N., Urteil der Kammer vom 24.04.2014 – S 16 AL 372/12; vgl. auch Luthe in: jurisPK-SGB X, § 35 SGB X, Rn. 18 m.w.N. und Keller, a.a.O., Rn. 28a). Der Umfang der hinreichend überzeugenden Dokumentation der Arbeitsmarktlage hängt allerdings vom jeweiligen Einzelfall ab, da die spezifische berufliche Tätigkeit der örtliche Einzugsbereich und die persönlichen Voraussetzungen der Stellensuchenden die Einschätzung der Vermittlungschancen maßgeblich bestimmt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.07.2015 – L 8 AL 2364/14 – Rn. 33, juris). Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine belastbare negative Vermittlungsprognose in der Regel erst getroffen werden kann, wenn bereits eine gewisse Zeitlang vergebliche Vermittlungsbemühungen der Beklagten stattgefunden haben, wenn also nach Eintritt der Arbeitslosigkeit während eines längeren Zeitraumes keine erfolgreiche Vermittlung stattgefunden hat (LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 9 AL 81/13). Eine Ausnahme von dieser Regel dürfte zwar dann anzunehmen sein, wenn sich die Vermittlungsaussichten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt allgemein oder aufgrund besonderer Vermittlungshemmnisse von vornherein zweifelsfrei als ungünstig darstellen. Die Dokumentationspflichten der Bundesagentur dürfen aber - wenn ein solcher Ausnahmefall nicht vorliegt - dann nicht überspannt werden, wenn der Arbeitslose bereits bei der Arbeitslosmeldung und anschließend wiederholt erklärt, er wolle sich mit der Gewährung eines Gründungszuschusses in naher Zukunft selbständig machen. (LSG Baden-Württemberg, a.a.O., dort nach gut zwei Monaten Arbeitslosigkeit).

Ein solcher Fall verminderter Dokumentationspflichten der Beklagten ist angesichts der kurzen Arbeitslosigkeit und der schnellen Festlegung auf die Selbständigkeit auch hier anzunehmen. Der Vortrag der Klägerin, sie habe sich nach Bekanntwerden der bevorstehenden Kündigung habe zunächst auf Assistenzarztstellen beworben und erst danach den Weg in die Selbständigkeit gesucht, erst nach den Absagen habe sie eine Bewerbung in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis als aussichtslos angesehen, wird nicht durch den tatsächlichen Geschehensablauf bestätigt. In der Tat ist die Klägerin zwar zu Recht zweckmäßigerweise zweigleisig gefahren, jedoch entgegen Ihrer Darstellung von Anfang an und mit klarer Präferenz. Denn die Klägerin hat bereits ihre zweite Bewerbung überhaupt auf die Übernahme der Praxis gerichtet und sich vor Stellung des Antrags auf Gründungszuschuss nur auf zwei versicherungspflichtige Tätigkeiten beworben. Diese Absagen erhielt sie am 09.05.2012 und 14.05.2012, also erst nach Antragsstellung. Ende Mai erfolgten die weiteren Bewerbungen, die Absagen hierfür gingen teilweise erst ein, als sie mit dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit bereits die Abmeldung in die selbständige Tätigkeit vorgenommen hatte. Unabhängig von der nach eigenen Angaben erst 4 Tage vor Beginn erteilten Zulassung war die Klägerin sich der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit demgemäß bereits am ersten Tag der Arbeitslosigkeit gewiss. Infolge des Ruhens des Anspruchs wegen der Sperrzeit bezog sie schließlich nur eine gute Woche Leistungen. Der Ausnahmefall einer bereits bei Antragsstellung deutlichen ungünstigen Vermittlungsaussicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt liegt bei der Klägerin demgegenüber nicht vor. Insbesondere ist ihre Nichtvermittelbarkeit nicht als erwiesen anzusehen. Irrigerweise scheint die Klägerin davon auszugehen, dass eine solche Nichtvermittelbarkeit – oder ein schlechter Arbeitsmarkt – bereits mit der Vorlage von acht Absagen nachgewiesen ist. Das ist jedoch keineswegs der Fall. Zu beurteilen ist die Eingliederungsprognose für die Dauer der Arbeitslosigkeit, also bis Mitte 2013. Acht Bewerbungen innerhalb von drei Monaten und entsprechende Absagen haben daher auch angesichts der großen Anzahl von Krankenhäusern innerhalb des für die Klägerin in Betracht gezogenen Einzugsbereiches allein noch keinen Aussagewert, zumal drei Absagen mangels Stellenvakanzen Initiativbewerbungen ohne Ausschreibung waren, ein Erfolg also nur eingeschränkt zu erwarten war, und drei erfolgte Absagen letztlich darauf beruhten, dass die Stelle bereits – teilweise längst - besetzt worden war, die Bewerbung (möglicherweise auch bereits die Unterbreitung des Stellenangebotes) also jedenfalls in einigen dieser Fäll schlicht zu spät erfolgt ist. Dies legt nahe, dass die Klägerin bei neu hereinkommenden Stellenangeboten eine bessere Vermittlungsaussicht gehabt hätte. Schließlich ist eine Absage, weil man eigentlich einen Internisten gesucht hatte, völlig ohne Aussagewert. Lediglich eine Absage erfolgte aufgrund der Vielzahl von Bewerbungen. Es mag zwar sein, dass die Klägerin aufgrund des Abbruchs der Oberarzttätigkeit in der Probezeit etwas schlechtere Vermittlungsaussichten hat als andere Ärzte mit Ihrer Qualifikation. Auch mag eine längere Arbeitslosigkeit gerade im Hinblick darauf, dass Ärzte in der Regel nicht arbeitslos gemeldet sind, die Vermittlungsaussichten beeinträchtigen. Es entspricht aber nicht dem Gesetzeszweck, in Berufen, in denen eine Sucharbeitslosigkeit eher selten ist, grundsätzlich schlechte Vermittlungsaussichten anzunehmen. Vielmehr könnte dies auch ein Indiz dafür sein, dass in diesem Berufszweig das Förderinstrument des Gründungszuschusses zur Eingliederung eher weniger notwendig ist. Auch stellt die Situation einer abgebrochenen Probezeit auch im Vergleich zu anderen Berufsgruppen noch kein deutliches Vermittlungshemmnis dar. Hier muss sich die Klägerin genauso wie Arbeitslose in anderen Berufen mit abgebrochener Probezeit oder sogar arbeitgeberseitiger Kündigung darauf verweisen lassen, dass der Beklagten zunächst die Gelegenheit gegeben werden muss, eine Vermittlung in Arbeit zu versuchen. Diese dürfte zudem bei besonders qualifizierten Berufen in der Tat zum Auffinden einer passgenauen Stelle etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen.

Der demgemäß abgeschwächt erforderliche Umfang der Dokumentation hinsichtlich der Vermittlungsaussichten ist hier noch als ausreichend anzusehen. Im vorliegenden Fall fehlt eine Dokumentation der Arbeitsmarktlage nicht, wie in anderen, der Kammer bekannten Fällen, gänzlich. Aus dem seinerzeitigen Akteninhalt ergeben sich zwar nur zwei passende Stellenangebote der Beklagten, die zu dieser Zeit – Ende Mai – bereits besetzt waren. Jedoch hat die Beklagte immerhin eine statistische Auswertung der Entwicklung des Ärzteberufes zu den Akten genommen, aus denen sich eine stetige Zunahme der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und eine stetige Abnahme der Arbeitslosen bundesweit ergibt. Schließlich hat die Beklagte durch die Vorlage der dienstlichen Stellungnahme der Arbeitsvermittlerin, die auch über aussagekräftige Zahlen anhand der Arbeitsmarktberichterstattung der Arbeitsagentur hinsichtlich des Fachkräfteengpasses im Juni 2012 verweisen konnte, nachgewiesen, dass ein guter Arbeitsmarkt nicht lediglich behauptet wurde, sondern dass sich die Arbeitsvermittlerin zum Entscheidungszeitpunkt mit der Arbeitsmarktlage der Klägerin auseinandergesetzt hat. Aus der von ihr in Bezug genommenen, relevanten Analyse für Juni 2012 – auf die Zahlen in 2014 und deren Interpretation kommt es nicht an - ergibt sich, dass im Bundesdurchschnitt gemeldete Stellen für Humanmediziner 173 Tage vakant waren, also nicht besetzt werden konnten. Außerdem gab es zu dieser Zeit weniger Arbeitslose als gemeldete Stellen, rechnerisch 87 Arbeitslose auf 100 Stellen. Dieser Mangel habe sich im Verlauf der letzten zwölf Monate noch verstärkt. Außer in Hamburg und Berlin gebe es bei gemeldeten Stellen für Ärzte in allen Ländern Vakanzzeiten von mindestens 40 % über dem Bundesdurchschnitt und gleichzeitig weniger als 150 Arbeitslose auf 100 gemeldete Stellen, in den meisten Ländern sogar weniger Arbeitslose als gemeldete Stellen. Diese Zahlen stützen die Angaben der Arbeitsvermittlerin, die aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit in diesem Gebiet über eine ausreichende Erfahrung verfügt und entgegen der Auffassung der Klägerin Ihre Entscheidung nicht nur auf die in Dinslaken gemeldeten Arbeitslosen gestützt hat. Die Tatsache, dass Arbeitslosmeldungen von Medizinern die absolute Ausnahme waren, hat sie nachvollziehbar mit der Übergangsarbeitslosigkeit bzw. der Arbeitslosmeldung zur Erwirkung eines Anspruchs auf Gründungszuschuss vor Einführung der Ermessensleistung begründet. Auch der Hinweis, dass die Besetzung von vakanten Stellen dieses branchenspezifischen Arbeitnehmerkreises meist über Ausschreibungen von Stellen in diversen Fachzeitschriften erfolgt, ist nachvollziehbar und dürfte generell bei hochqualifizierten Bewerbern als allgemein bekannt anzusehen sein. Hierfür spricht schließlich auch die Argumentation der Klägerin selber, wenn sie ausführt, dass arbeitslose Ärzte eher selten seien, da normalerweise, wie auch in ihrer Vergangenheit, von Anstellung zu Anstellung gewechselt werde. Die Einschätzung, dass es sich bei der Klägerin um eine qualifizierte und versierte Bewerberin gehandelt hat, wird ebenfalls durch die vorgelegten Qualifikationsnachweise mit Zusatzqualifikationen, die über die einfachen Facharztbezeichnungen hinausgehen, belegt. Die Klägerin verfügt neben der Allgemeinchirurgie und der speziellen Unfallchirurgie insbesondere über Kenntnisse im Bereich der Handchirurgie und weiter im Bereich der Fußchirurgie, so dass sie sich bereits hierdurch aus der Zahl der Bewerber, die lediglich die Facharztbezeichnung Unfallchirurgie führen können, abhebt. Dass die Einschätzung der Arbeitsvermittlerin keineswegs willkürlich und ohne Grundlage erfolgt ist, wird schließlich durch die eingeholten Auskünfte des Gerichtes gestützt. Zwar haben nur einige der befragten Verbände eine Einschätzung abgegeben. Keiner dieser Verbände hatte genaues Datenmaterial, solches war aber von vornherein nicht zu erwarten gewesen. Bei dieser Nachfrage ging es mangels solcher Datensammlungen vielmehr um eine allgemeine Einschätzung von den Stellen, die außerhalb der Beklagten mit dieser Problematik befasst sind. Der Marburger Bund hat, wie auch die Arbeitsvermittlerin, darauf hingewiesen, dass die erfolgreiche Begründung eines ärztlichen Arbeitsverhältnisses von einer Vielzahl weiterer Faktoren abhängig sein dürfte, und hat dabei auf einen derzeit eher entspannt empfundenen Arbeitsmarkt verwiesen. Hier ist allerdings nicht ganz klar, von welchem Zeitraum ("derzeit") angesichts der Fragestellung zu 2012 ausgegangen wurde. Die Ärztekammer Westfalen-Lippe verwies auch lediglich auf die aktuelle Situation: Zahlreiche Kliniken suchten Fachärzte, auch im Bereich Orthopädie und Unfallchirurgie. Die klinischen Beschäftigungsmöglichkeiten müssten als mindestens zufriedenstellend gewertet werden. Die Kassenärztliche Vereinigung verwies darauf, dass an ihrem Praxisbörsentag und ihrer Börse im Frühjahr 2012 lediglich ein Angebot für einen Orthopäden in einer Gemeinschaftspraxis in Bielefeld vorgelegen habe. Allerdings wies sie darauf hin, ob es darüber hinaus weitere Möglichkeiten gegeben habe, könne von dort nicht festgestellt werden. Die Ärztekammer Nordrhein äußerte sich am konkretesten in ihrer Einschätzung: Im Tagespendelbereich von 30 km sei eine Beschäftigung in einem Anstellungsverhältnis als ausgebildete Fachärztin mit Oberarzterfahrung zum fraglichen Zeitpunkt und danach aussichtsreich gewesen. Alle weiteren Befragten konnten keine Angaben zur Arbeitsmarktsituation seinerzeit machen. Angesichts aller Umstände – der kurzen Dauer der Arbeitssuche mit bereits bei Arbeitslosigkeit vorgenommener Abmeldung, der vorgelegten Zahlen, der ausführlichen und nachvollziehbaren Beurteilung der langjährigen Arbeitsvermittlerin und der Auskunft der Ärztekammer Nordrhein – hält die Kammer in diesem Fall eine hinreichende Vermittlungsaussicht der Klägerin für ausreichend dokumentiert. Angesichts des Inhaltes ist auch ein Abwägungsfehler bei der Gewichtung der abzuwägenden Gesichtspunkte nicht erkennbar. Aus welchen Gründen das Leistungsangebot der Klägerin mit ambulanten Operationen und eventueller konsiliarischer, endoskopisch - handchirurgischer Tätigkeit im benachbarten Krankenhaus, also einem eben auch in Krankenhäusern angebotenen Leistungsspektrum, nur als niedergelassene Ärztin konkurrenzlos sein soll, aber nicht zumindest zu einer herausgehobenen fachlichen Qualifikation auch bei der Suche nach einer Stelle als Assistenzärztin oder angestellten Ärztin einer entsprechenden Praxis führt, erschließt sich nicht. Der negativen Aspekt einer letztlich von ihr selber abgebrochenen Probezeit, die sie zudem auch potentiellen Arbeitgebern zumindest teilweise mit der von ihr angeführten ungewöhnlich häufigen Fluktuation an der alten Stelle hätte erklären können, hätte sich hiermit zumindest teilweise ausgleichen lassen.

Die der Entscheidung auch zugrunde gelegte Begründung, die Vermittlung hätte voraussichtlich zu einer dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt geführt, so dass der Gründungszuschuss für eine dauerhafte Eingliederung nicht erforderlich war, war demgemäß nicht ermessensfehlerhaft.

Nach alledem durfte die Beklagte jedenfalls unter Hinweis auf den Vermittlungsvorrang im Rahmen des Ermessens die Gewährung des Gründungszuschusses versagen.

Die Klage war daher mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenfolge abzuweisen.
Rechtskraft
Aus
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