L 6 SF 1045/15 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 30 SF 154/13 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 1045/15 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 15. Juli 2015 aufgehoben und die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung für das Verfahren S 28 AS 3562/10 auf 531,91 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwalts-vergütung für zwei beim Sozialgericht Gotha anhängig gewesene Verfahren (S 28 AS 3562/10 und S 28 AS 1853/11) der von der Beschwerdegegnerin vertretenen Kläger:

• Mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen die teilweise Leistungsaufhebung (Leistungen für die Klägerin und ihren Sohn Martin nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis 31. Mai 2008) und Rückforderung von 741,23 Euro im Bescheid vom 3. Juni 2008 zurück. Dagegen erhob die Klägerin am 4. Mai 2010 Klage (S 28 AS 3562/10). Am 9. August 2010 zeigte die Beschwerdegegnerin die Vertretung an. • Gegenstand des Hauptsacheverfahrens S 28 AS 1853/11 war der Bescheid vom 13. Dezember 2010, mit dem die Beklagte eine Überprüfung des Bescheids vom 3. Juni 2008 hinsichtlich der Klägerin und ihres Sohnes M., dem Kläger zu 2) abgelehnt hatte. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2011 wies die Beklagte den von der Be-schwerdegegnerin erhobenen Widerspruch zurück. Am 18. März 2011 erhob sie für die Klägerin und den Kläger zu 2) dagegen Klage.

Am 17. Juli 2012 verhandelte das Sozialgericht die Verfahren gemeinsam in einem Erörte-rungstermin von 11:55 bis 12:30 Uhr, gewährte dem Kläger zu 2) für das Verfahren S 28 AS 1853/11 ab 27. Juni 2012 und der Klägerin für das Verfahren S 28 AS 3562/10 ab 20. August 2010 Prozesskostenhilfe (PKH) und ordnete jeweils die Beschwerdegegnerin bei. Nach der Niederschrift schlossen die Beteiligten dann folgenden Vergleich: "1. In dem Verfahren S 28 AS 3562/10 wird der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 3.6.2008 gegenüber der Klägerin in Höhe von 389,95 EUR aufgehoben. 2. In dem Verfahren S 28 AS 1853/11 wird der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 3.6.2008 gegenüber dem Kläger zu 2) in Höhe von 144,14 EUR aufgehoben. 3. Gegenüber Herrn M. H. wird der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 3.6.2008 in Höhe von 384,70 EUR aufgehoben. 4. Damit ergibt sich für die Klägerin in dem Verfahren S 28 AS 3562/10 ein verbleibender Erstattungsbetrag in Höhe von 130,72 EUR. Für den Kläger zu 2) in dem Verfahren S 28 AS 1853/11 ergibt sich ein verbleibender Erstattungsbetrag in Höhe von 76,42 EUR und für Herrn M. H. ergibt sich ein verbleibender Erstattungsbetrag in Höhe von 130,72 EUR. 5. Der Beklagte erstattet der Klägerin in dem Verfahren S 28 AS 3562/10 die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu 3/4. 6. In dem Verfahren S 28 AS 1853/11 erstattet der Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2) zu 2/3. 7. Die Beteiligten erklären die Rechtsstreite S 28 AS 3562/10 und S 28 AS 1853/11 für erledigt."

In ihren Abrechnungen vom 19. Juli 2012 beantragte die Beschwerdegegnerin folgende Gebühren aus der Staatskasse: S 28 AS 1853/11 Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 170,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 Euro Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG 190,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Zwischensumme 580,00 Euro Umsatzsteuer 110,20 Euro Gesamtbetrag 690,20 Euro

S 28 AS 3562/10 Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG 250,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 Euro Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG 190,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Zwischensumme 660,00 Euro Umsatzsteuer 125,40 Euro Gesamtbetrag 785,40 Euro

Nach Einholung von Stellungnahmen der Beklagten setzte die Urkundsbeamtin der Ge-schäftsstelle (UdG) mit "Kostenfestsetzungsbeschlüssen" (richtig: Vergütungsfeststellungsbe-schlüssen) vom 30. Januar 2013 die Vergütungen wie folgt fest: S 28 AS 1853/11 Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 113,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 100,00 Euro Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG 95,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Umsatzsteuer 62,32 Euro Gesamtbetrag 390,32 Euro

S 28 AS 3562/10 Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG 167,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 100,00 Euro Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG 95,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Umsatzsteuer 72,58 Euro Gesamtbetrag 454,58 Euro

Zur Begründung gab sie an, die Kürzung der Verfahrensgebühr auf 2/3 der Mittelgebühr sei angemessen, weil die Beschwerdegegnerin die Kläger in vier weiteren Verfahren vertreten habe. Termins- und Erledigungsgebühr seien auf die Hälfte der Mittelgebühr festzusetzen.

Hinsichtlich der Vergütung im Verfahren S 28 AS 3562/10 hat die Beschwerdegegnerin Erin-nerung eingelegt und ihr Unverständnis über die Kürzungen geäußert. Der Beschwerdeführer hat sich auf die Ausführungen in der Vergütungsfestsetzung durch die UdG bezogen. Mit Beschluss vom 15. Juli 2015 hat das Sozialgericht die "aus der Landeskasse zu zahlenden Gebühren" für das Verfahren S 28 AS 3562/10 auf 785,40 Euro festgesetzt. Nicht zu beanstanden sei angesichts des weit unterdurchschnittlichen Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit die Festsetzung der Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG auf 2/3 der Mittelgebühr. Die Mittelgebühr für die Terminsgebühr sei noch zu rechtfertigen, denn ein durchschnittlicher Erörterungstermin dauere 15 bis 40 Minuten. Die Einigungsgebühr sei in Höhe der Mittelgebühr festzusetzen. Umfang und Schwierigkeit der Einigung seien durchschnittlich, die Bedeutung der Angelegenheit aber überdurchschnittlich gewesen. Damit errechne sich ein Gesamtbetrag von 686,63 Euro. Angesichts der in der Kostenrechnung geltend gemachten 785,40 Euro bewege dieser sich innerhalb des Toleranzrahmens von 20 v.H.

Gegen den am 27. Juli 2015 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 4. August 2015 Beschwerde beim Sozialgericht eingelegt und vorgetragen, bei beiden Klageverfahren handle es sich um dieselbe Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn. Unter Berücksichtigung der bereits für das Verfahren S 28 AS 1853/11 erstatteten Vergütung bestehe kein höherer Vergütungsanspruch als die UdG insgesamt festgesetzt habe. Die Beschwerdegegnerin ist dem entgegen getreten und hat zur Begründung auf den Beschluss der Vorinstanz verwiesen.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 4. Dezember 2015) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt. Mit Beschluss vom 4. Januar 2016 hat der Senatsvorsitzende das Verfahren dem Senat übertragen.

II.

Anzuwenden ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der Fassung bis 31. Juli 2013 (a.F.), denn die Beiordnung der Beschwerdegegnerin ist vor diesem Zeitpunkt erfolgt (§ 60 Abs. 1 S 1 RVG). Die Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss vom 15. März 2011 - L 6 SF 975/10 B) und zulässig. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 Euro. Zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass die Rechtsmittelbelehrung im angegriffenen Beschluss fehlerhaft ist. Nach ihr beträgt die Beschwerdefrist ein Monat und sie ist auch dann gewahrt, wenn die Beschwerde beim Thüringer Landessozialgericht in dieser Frist eingelegt wird. Tatsächlich gilt nach den §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 3 RVG die Zwei-Wochen-Frist und die Beschwerde ist nach den §§ 56 Abs. 2, §§ Abs. 7 S. 3 RVG bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 15. August 2013 - L 6 SF 407/13 B).

Die Beschwerde ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Beitragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Die Klägerin war kostenprivilegierte Beteiligte i.S.d. § 183 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG). Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 19. März 2012 - L 6 SF 1983/11 B und 17. Dezember 2010 - L 6 SF 808/10 B; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 73a Rdnr. 13 f.; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage 2015, § 14 Rdnr. 12). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums - wie hier - objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2010 - L 6 SF 808/10 B); dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.

Bei den beiden beim Sozialgericht Gotha anhängigen Klageverfahren handelte es sich nicht um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 S. 1 RVG. Damit kommt die vom Be-schwerdeführer begehrte Anrechnung der Vergütung aus dem Verfahren S 28 AS 1853/11 nicht in Betracht.

Die Klägerin hatte sich im Verfahren S 28 AS 3562/10 zuerst in eigener Person gegen den Bescheid vom 3. Juni 2008 gewandt. Später hatten sie und der Kläger zu 2), vertreten durch die Beschwerdegegnerin, hinsichtlich dieses Bescheids einen Überprüfungsantrag (§ 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X)) gestellt und gegen den Bescheid vom 13. Dezember 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids ebenfalls Klage (S 28 AS 1853/11) erhoben.

Von derselben Angelegenheit wird regelmäßig dann ausgegangen, wenn zwischen den wei-sungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen ein innerer Zusammenhang gegeben ist, also ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2014 - B 4 AS 27/13 R m.w.N., nach juris). Dies gilt auch für Individualansprüche nach dem SGB II; die Konstellation einer Bedarfsgemeinschaft löst lediglich eine Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG aus (vgl. BSG, Urteile vom 2. April 2014 - B 4 AS 27/13 R, 21. Dezember 2009 - B 14 AS 83/08 R, 27. September 2011 - B 4 AS 155/10 R, nach juris; a.A. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage 2015, § 15 Rdnr. 23). Entscheidend ist, ob ein einheitlicher Lebenssachverhalt vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2014 - B 4 AS 27/13 R; Senatsbeschluss vom 6. November 2014 - L 6 SF 1022/14 B). Entsprechend hat das BVerwG im Urteil vom 9. Mai 2000 (11 C 1/99, nach juris) ausgeführt, "dieselbe Angelegenheit" komme vor allem in Fällen paralleler Verwaltungsverfahren in Betracht, wenn dieselbe Behörde Verwaltungsakte aus einem gemeinsamen Anlass und Rechtsgrund in engem zeitlichen Zusammenhang objektbezogen erlässt, so dass einen Adressaten mehrere Verwaltungsakte erreichen, die auch zusammengefasst in einem einzigen Bescheid hätten ergehen können. Beauftrage dann der Adressat einen Rechtsanwalt damit, aus demselben rechtlichen Gesichtspunkt einheitlich gegen alle Verwaltungsakte vorzugehen, werde dieser, sofern keine inhaltliche oder formale Differenzierung zwischen den Verfahren geboten sei, in "derselben Angelegenheit" tätig. Unerheblich sei, ob der Rechtsanwalt die Widersprüche in einem einzigen, alle Verfahren betreffenden Schreiben oder in mehreren, die jeweiligen Einzelverfahren betreffenden Schreiben, die sich nur hinsichtlich der jeweiligen Verfahrensangabe (Objekt, Aktenzeichen) unterscheiden, einlege und begründe. Anders sei es allerdings, wenn der Rechtsanwalt auftragsgemäß unterschiedliche Einwände gegen die jeweiligen Verwaltungsakte vortrage oder nennenswert unterschiedliche verfahrensrechtliche Besonderheiten zu beachten habe. Fehle es an einem inneren Zusammenhang zwischen mehreren, an einen Adressaten gerichteten Verwaltungsakten, scheide schon aus diesem Grund die Annahme "derselben Angelegenheit" aus."

Der Rechtsprechung des BSG ist der Senat gefolgt und hat sie dergestalt weiterentwickelt, dass auch bei getrennten Klageverfahren "dieselbe Angelegenheit" vorliegen kann (vgl. Se-natsbeschlüsse vom 15. April 2015 - L 6 SF 331/15 B, 6. Januar 2015 - L 6 SF 1221/14 B, 6. November 2014 - L 6 SF 1022/14 B). Er hält an dieser Rechtsansicht fest, denn es ist nicht einsichtig, formal selbständige Klageverfahren stets kostenrechtlich getrennt zu behandeln (so auch FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Juni 2014 - 8 KO 1022/12, nach juris). Et-was anderes ergibt sich auch nicht aus § 15 Abs. 2 S. 1 RVG a.F., wonach der Rechtsanwalt in gerichtlichen Verfahren die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern kann (a.A. Hansens in RVGreport 2015. 302, 304).

Im vorliegenden Fall ist allerdings aus formalen Gründen kein einheitlicher Rahmen der an-waltlichen Tätigkeit zu bejahen. Zwar ging es in beiden Klageverfahren um die gleichen materiell-rechtlichen Probleme hinsichtlich des Bescheids vom 3. Juni 2008, nämlich die Anrechnung von Einkommen des Ehemanns der Klägerin und ihrer Tochter A. auf die Ansprüche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft auf Leistungen nach dem SGB II. Allerdings hatte die Klägerin für ihre Person rechtzeitig Widerspruch eingelegt und dieser wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2010 zurückgewiesen. Hinsichtlich des Klägers zu 2) im Verfahren S 28 AS 1853/11 waren die Beteiligten davon ausgegangen, dass der Bescheid bestandskräftig geworden war. Deshalb hatte dieser einen Antrag auf Rücknahme nach § 44 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gestellt, den die Beklagte auch (negativ) verbeschied. Damit musste die Beklagte auch die mit dem Antrag verbundenen verfahrensrechtlichen Besonderheiten prüfen. Dass die Klägerin ohne nachvollziehbaren Grund ebenfalls einen entsprechenden Antrag gestellt und einen Widerspruch eingelegt hatte, führt nicht zu einem anderen Ergebnis.

Im Übrigen liegt auch kein einheitlicher Auftrag für die anwaltliche Tätigkeit vor. Hierfür reicht es nicht aus, dass die Beschwerdegegnerin im Verfahren S 28 AS 1853/11 unter dem 18. März 2011 die kopierte Vollmacht vom 6. August 2010 aus dem Verfahren S 28 AS 3562/10 einreichte. Sie war sieben Monate zuvor noch vor der Stellung des Antrags auf Rücknahme nach § 44 SGB X ausgestellt worden.

Der Beschwerdegegnerin hat für das Verfahren S 28 AS 3562/10 Anspruch auf die Verfah-rensgebühr Nr. 3102 VV-RVG in Höhe von 2/3 der Mittelgebühr (167,00 Euro). Eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren war nicht vorausgegangen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war im Vergleich mit den übrigen sozialgerichtlichen Verfahren (vgl. Senatsbeschluss vom 18. August 2011 - L 6 SF 872/11 B) deutlich unterdurchschnittlich. Die Klagebegründung mit Schriftsatz vom 9. Juni 2011 erfolgte mit weitgehend identischen Ausführungen wie im Schriftsatz vom 18. März 2011 im Verfahren S 28 AS 1853/11. Im weiteren Schriftsatz vom 6. August 2010 hatte die Beschwerdegegnerin nur ihre Vertretung angezeigt und beantragt, Akteneinsicht zu gestatten und PKH zu gewähren. Auch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, d. h. die Intensität der Arbeit (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R, nach juris), war - ausgehend von einem objektiven Maßstab - unterdurchschnittlich. Schwierig ist eine Tätigkeit, wenn erhebliche, im Normalfall nicht auftretende Probleme auf juristischem oder tatsächlichem Gebiet auftreten (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 - Az.: B 11 AL 14/09 R, nach juris). Hier hatte die Beschwerdegegnerin nur allgemein eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (§ 48 Abs. 1 S. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X)) bestritten und Vertrauensschutz geltend gemacht. Das Verfahren hatte für die Klägerin als Bezieher von Leistungen nach dem SGB II allerdings eine überdurchschnittliche Bedeutung, denn es ging um die beantragte Aufhebung und Erstattung von Leistungen in Höhe von insgesamt 741,23 Euro. Die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse werden dadurch kompensiert. Ein besonderes Haftungsrisiko ist nicht ersichtlich.

Der zustehende Betrag in Höhe von 167,00 Euro liegt nicht innerhalb der Toleranzgrenze von 20 v.H. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ist diese bei jeder Gebühr getrennt zu prüfen, nicht im Vergleich der geforderten und zuerkannten Gesamthöhe der Vergütung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. September 1997 - 6 B 43/97, nach juris; Senatsbeschluss vom 9. Mai 2012 - L 6 SF 467/12 B).

Die Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG ist ebenfalls in Höhe von 2/3 der Mittelgebühr (133,33 Euro) festzusetzen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit richtet sich vor allem nach der Dauer des Termins. In 35 Minuten wurden hier zwei eigenständige Verfahren behandelt. Dann ist für jedes Verfahren 17,5 Minuten anzusetzen (vgl. Senatsbeschluss vom 5. März 2015 - L 6 SF 105/15 B), was einem deutlich unterdurchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit entspricht. Die Ansicht der Vorinstanz, ein "durchschnittlicher Erörterungstermin" dauere 15 bis 40 Minuten, berücksichtigt nicht, dass das Gesetz keinen Unterschied zwischen Erörterungs- und Verhandlungstermin macht. Im Übrigen dauert der durchschnittliche Kammertermin nach der Senatsrechtsprechung über 30 Minuten (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2010 - L 6 SF 562/10 B). Hinsichtlich der Schwierigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit, der Einkommens- und Vermögensverhältnisse und des Haftungsrisikos wird auf die Ausführungen zur Verfahrensgebühr verwiesen

Auch die Einigungsgebühr Nr. 1006, 1005 VV-RVG ist in Höhe von 2/3 der Mittelgebühr (126,66 Euro) festzusetzen. Aus der Niederschrift des Erörterungstermins ergibt sich, dass die Kammervorsitzende die Rechtsprobleme den Beteiligten detailliert erklärte. Nachdem diese zuvor nur oberflächlich angerissen waren, sind der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit bei der Einigungsgebühr als unterdurchschnittlich zu bewerten. Angesichts der überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin, der geringen Einkommens- und Vermögensverhältnisse und des nicht ersichtlichen Haf-tungsrisikos kommt eine höhere Gebühr nicht in Betracht.

Zu vergüten sind weiter die Pauschale Nr. 7002 VV-RVG und die Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV-RVG).

Damit errechnet sich die zustehende Vergütung wie folgt: Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG 167,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 133,33 Euro Einigungsgebühr Nr. 1006, 1005 VV-RVG 126,66 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Zwischensumme 446,99 Euro USt 84,92 Euro Gesamtsumme 531,91 Euro

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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