Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 JVEG 1340/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Notwendigkeit einer auswärtigen Übernachtung ist nach objektiven Kriterien zu ermitteln (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 4. November 2014 - L 15 SF 198/14).
2. Eine objektive Notwendigkeit ist nur dann anzunehmen, wenn dem Betroffenen die Hin- oder Rückreise am selben Tag nicht zugemutet werden kann (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 5. April 2000 - L 6 B 2/00 SF). Dabei orientiert sich der Senat an den Vollzugsvorschriften zum Bundesreisekostengesetz.
3. Unter Berücksichtigung der Verpflichtung zur Kostenminimierung ist bei einer Fahrtdauer von 241 Minuten ein geltend gemachter Sicherheitspuffer von 105 Minuten überhöht und nicht akzeptabel.
2. Eine objektive Notwendigkeit ist nur dann anzunehmen, wenn dem Betroffenen die Hin- oder Rückreise am selben Tag nicht zugemutet werden kann (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 5. April 2000 - L 6 B 2/00 SF). Dabei orientiert sich der Senat an den Vollzugsvorschriften zum Bundesreisekostengesetz.
3. Unter Berücksichtigung der Verpflichtung zur Kostenminimierung ist bei einer Fahrtdauer von 241 Minuten ein geltend gemachter Sicherheitspuffer von 105 Minuten überhöht und nicht akzeptabel.
Die Entschädigung der Erinnerungsführerin anlässlich der Begutachtung am 21. Juli 2015 wird auf 340,20 Euro festgesetzt. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe:
I.
Die 1981 geborene Erinnerungsführerin begehrte im Hauptsacheverfahren (L 1 U 311/13) Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Mit Beweisanordnung vom 17. Februar 2015 verfügte der Berichterstatter des 1. Senats des Thüringer Landessozialgerichts eine Begutachtung durch den beim Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus H. tätigen Dr. G. Dieser lud die Erinnerungsführerin zur Untersuchung am 21. Juli 2015 um 11:45 Uhr. In seiner Bescheinigung vom gleichen Tag bestätigte er eine Untersuchung von 11:30 bis 13:20 Uhr.
In ihrem "Antrag auf Erstattung von Fahrtkosten" machte die Erinnerungsführerin einen Ge-samtbetrag von 561,60 Euro geltend (Fahrtkosten 200,00 Euro für 800 Kilometer, Verdienstausfall für zwei Tage gemäß Bescheinigung des Arbeitgebers 252,00 Euro, Tagegeld 24,00 Euro, Übernachtungskosten 83,40 Euro, Parkgebühren 2,20 Euro). Unter dem 18. September 2015 führte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) aus, eine Begleitung könne nicht genehmigt werden. Auch sei nicht ersichtlich, weshalb eine Übernachtung erfolgt sei. Gehe man von einer Fahrtzeit von ca. 4,5 Stunden aus, sei ein Antritt der Reise im Sommer um 7:00 Uhr zumutbar. Damit seien keine Übernachtungskosten und ein Verdienstausfall nur für einen Tag zu gewähren. Es erfolge folgende Gesamtentschädigung: Fahrtkosten 800 km x 0,25 Euro 200,00 Euro Tagegeld 11 Stunden 12,00 Euro Verdienstausfall 9 Stunden x 14,00 Euro 126,00 Euro Parkgebühr 2,20 Euro 340,20 Euro
Am 7. Oktober 2015 hat die Erinnerungsführerin "Widerspruch" eingelegt und vorgetragen, sie habe sich unter folgenden Gesichtspunkten für eine "rechtzeitige Anreise mit vorheriger Übernachtung" entschieden: falsche zeitliche Planung oder unvorhergesehene Komplikationen wie z.B. Stau, Panne, ungeübte Langstreckenfahrerin, Unkenntnis der Verkehrsverhältnisse, keine Kenntnis über Parkmöglichkeiten, Entfernung zur Anmeldung oder Dauer der Anmeldung, Belastung durch die Begutachtung. Im Vordergrund habe sie zusätzliche Kosten durch nicht rechtzeitiges Erscheinen vermeiden wollen. Bei einer Anreise am selben Tag habe sie mindestens zwei Stunden Sicherheitszuschlag für Staus, Unfälle etc. hinzurechnen müssen. Dann hätte sie die Fahrt vor 6:00 Uhr antreten müssen, was ihr nach einem Beschluss des OLG Karlsruhe (NJW-RR 2003, 488) nicht zumutbar sei. Im Übrigen sei nach einem Beschluss des OLG Dresden vom 1. April 1998 - 15 W 374/98, 15 W 0374/98 eine Übernachtung stets notwendig, wenn der Zeitaufwand für Hin- und Rückfahrt 10 Stunden übersteige.
Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß,
die Entschädigung anlässlich der Untersuchung am 21. Juli 2015 auf insgesamt 561,60 Euro festzusetzen.
Der Erinnerungsgegner beantragt,
die Entschädigung anlässlich der Untersuchung am 21. Juli 2015 auf insgesamt 340,20 Euro festzusetzen.
Zur Begründung nimmt er auf die Ausführungen der UdG Bezug.
Die UdG hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 19. Oktober 2015) und sie dem Senat vorgelegt.
II.
Zuständig für die Entscheidung ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landes-sozialgerichts in Verbindung mit dem Geschäftsverteilungsplan des 6. Senats der Senatsvor-sitzende des 6. Senats.
Auf die Erinnerung wird die Entschädigung auf 340,20 Euro festgesetzt.
Nach § 191 Halbs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) werden einem Beteiligten, dessen per-sönliches Erscheinen angeordnet worden ist, auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Diese erhalten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) als Entschädigung Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Entschädi-gung für Aufwand (§ 6 JVEG), Entschädigung für sonstige Aufwendungen (§ 7 JVEG), Ent-schädigung für Zeitversäumnis (§ 20 JVEG), Entschädigung für Nachteile bei der Haushalts-führung (§ 21 JVEG) sowie Entschädigung für Verdienstausfall (§ 22 JVEG). Soweit die Ent-schädigung nach Stunden zu bemessen ist, wird sie nach § 19 Abs. 2 JVEG für die gesamte Zeit der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten, jedoch nicht mehr als zehn Stunden je Tag gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn insgesamt mehr als 30 Minuten auf die Heranziehung entfallen. (Satz 2).
Im Rahmen der Entscheidung sind vom Senat alle für die Bemessung der Vergütung maßgeb-lichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie die Erinnerungsführerin aufgegriffen hat oder nicht. Das Verbot der "reformatio in peius" gilt nicht.
Der Erinnerungsführerin stehen Fahrtkosten in Höhe der beantragten 200,00 Euro zu. Nach § 191 Halbs. 1 SGG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG werden dem Beteiligten bei Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs zur Abgeltung der Betriebskosten sowie der Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeugs 0,25 EUR für jeden gefahrenen Kilometer ersetzt zuzüglich der durch die Benutzung aus Anlass der Reise regelmäßig anfallenden baren Auslagen, insbesondere der Parkentgelte. Erstattet werden die Kosten der Reiseroute, durch die die Gesamtentschädigung am niedrigsten ausfällt. Hier bestehen keine Bedenken gegen die vorgetragenen 800 Kilometer. Zusätzlich zu erstatten sind die geltend gemachten Parkentgelte in Höhe von 2,20 Euro.
Nicht zu erstatten sind die beantragten Übernachtungskosten. Ist eine auswärtige Übernachtung notwendig, wird nach § 6 Abs. 2 JVEG ein Übernachtungsgeld nach den Bestimmungen des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) gewährt. Darunter fallen nur die reinen Kosten der Übernachtung ohne ein von den Kosten mitumfasstes Essen (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 4. November 2014 - L 15 SF 198/14, nach juris; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Auflage 2014, § 6, Rdnr. 4). In Betracht kommt die Erstattung im Fall der objektiven Notwendigkeit und aus Vertrauensgesichtspunkten. Die Notwendigkeit ist nach objektiven Kriterien zu ermitteln (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 4. November 2014 - L 15 SF 198/14, nach juris). Zu berücksichtigen ist dabei der haushaltsrechtliche Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, der im Bereich des gesamten Kostenrechts, also auch der Entschädigung von Zeugen, Sachverständigen, Dritten, ehrenamtlichen Richtern und Beteiligten gilt, und das daraus resultierende Gebot der Kostendämpfung und Kostenminimierung (vgl. Senatsbeschluss vom 27. September 2005 - L 6 SF 408/05; Hartmann, Kostengesetze, 43. Auflage 2013, § 5 JVEG, Rdnr. 2). Die Frage der Notwendigkeit ist eine Tatfrage und im Zweifelsfall vom Gericht nach freiem Ermessen zu entscheiden (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2007 - L 6 B 116/06 SF; Bayerisches LSG, Beschluss vom 4. November 2014 - L 15 SF 198/14 m.w.N., nach juris). Eine objektive Notwendigkeit ist nur dann anzunehmen, wenn dem Betroffenen die Hin- oder Rückreise am selben Tag nicht zugemutet werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 5. April 2000 - L 6 B 2/00 SF). Bei der Bestimmung des Zumutbaren orientiert sich der Senat an den Vollzugsvorschriften zum BRKG. Nach Ziffer 3.1.4. S. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesreisekostengesetz (BRKGVwV) des Bundesministerium des Innern vom 1. Juni 2005 - D I 5 - 222 101 - 1/16 sollen Dienstreisen grundsätzlich nicht vor 6 Uhr anzutreten und nicht nach 24 Uhr zu beenden sein.
Hier wäre es der Erinnerungsführerin durchaus möglich gewesen, mit der gewählten Route (nach falk.de: 4,01 Stunden) den angesetzten Untersuchungstermin um 11:45 Uhr bei einer Abfahrt von 7:00 Uhr wahrzunehmen. Berücksichtigt wird dabei wegen möglicher Verkehrsprobleme (Stau, Umleitungen) ein Sicherheitspuffer (vgl. Senatsbeschluss vom 5. April 2000 - L 6 B 2/00 SF) von 44 Minuten. Unter Berücksichtigung der Verpflichtung zur Kostenminimierung ist bei einer Fahrtdauer von 241 Minuten der von der Erinnerungsführerin geltend gemachte Puffer von 105 Minuten deutlich überhöht und nicht akzeptabel. Ihr Vortrag, sie sei keine geübte Langzeitfahrerin und werde durch eine Untersuchung mental stark belastet, verfängt nicht. In diesem Fall hätte sich eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln angeboten, die angesichts des Fahrplans der Deutschen Bahn am Vormittag durchaus möglich und zudem kostengünstiger gewesen wäre. Nicht einschlägig ist der Beschluss des OLG Dresden vom 1. April 1998 - 15 W 374/98, 15 W 0374/98, denn ein Zeitaufwand von mehr als 10 Stunden für Hin- und Rückreise lag hier schon nicht vor. Im Übrigen ist § 21 JVEG keine allgemeine Regelung zu entnehmen, dass bei Zeugen "eine gewöhnliche Arbeitszeit von 10 Stunden" nicht überschritten werden soll (so das OLG Dresden zu § 2 Abs. 5 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG)).
Anhaltspunkte für einen Anspruch aus Vertrauensschutzgesichtspunkten sind nicht ersichtlich und werden nicht vorgetragen. In Betracht kämen sie vor allem bei einer vor der Reise erteilten Zustimmung durch den in der Hauptsache zuständigen Richter (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 4. November 2014 - L 15 SF 198/14, nach juris). Die Erinnerungsführerin hat keine entsprechende Nachfrage beim 1. Senat gehalten.
Keine Bedenken bestehen gegen die von der UdG festgesetzte Entschädigung für Verdienst-ausfall in Höhe von 126,00 Euro (9 Stunden zu 14,00 Euro). Nach § 191 SGG i.V.m. § 22 JVEG erhalten Beteiligte, denen ein Verdienstausfall entsteht, eine Entschädigung, die sich nach dem regelmäßigen Bruttoverdienst einschließlich der vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge richtet und für jede Stunde höchstens 21 Euro beträgt. Wie bereits ausgeführt, war das Versäumnis der Arbeitszeit am 20. Juli 2015 nicht notwendig. Damit kommt die Entschädigung nur für den 21. Juli 2015 in Betracht.
Zu erstatten ist eine Entschädigung für Aufwand (Tagegeld) nach § 6 Abs. 1 JVEG in Höhe von insgesamt 12,00 Euro. Auf die tatsächlich entstandenen Kosten des Berechtigten kommt es aufgrund der vom Gesetzgeber gewählten Regelung nicht an, denn es werden pauschaliert die weiteren Kosten abgedeckt, die infolge einer längeren Abwesenheitszeit vom Wohnort oder der Arbeitsstelle entstehen. Nach § 6 Abs. 1 letzter Halbs. JVEG richtet sich die Höhe nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 2 in Verbindung mit § 9 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Bei einer auf den Kalendertag bezogenen Abwesenheit von mehr als 8 und weniger als 24 Stunden bestand im Jahr 2015 ein Anspruch auf Tagegeld in Höhe von 12,00 Euro.
Eine Entschädigung für Zeitversäumnis im Sinn des § 20 JVEG ist nicht zu leisten. Sie ist regelmäßig dann zu erbringen, wenn weder ein Verdienstausfall noch Nachteile bei der Haus-haltsführung geltend gemacht werden können. Hier wurde ein entsprechender Verdienstausfall geltend gemacht.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG). Eine Be-schwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).
Gründe:
I.
Die 1981 geborene Erinnerungsführerin begehrte im Hauptsacheverfahren (L 1 U 311/13) Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Mit Beweisanordnung vom 17. Februar 2015 verfügte der Berichterstatter des 1. Senats des Thüringer Landessozialgerichts eine Begutachtung durch den beim Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus H. tätigen Dr. G. Dieser lud die Erinnerungsführerin zur Untersuchung am 21. Juli 2015 um 11:45 Uhr. In seiner Bescheinigung vom gleichen Tag bestätigte er eine Untersuchung von 11:30 bis 13:20 Uhr.
In ihrem "Antrag auf Erstattung von Fahrtkosten" machte die Erinnerungsführerin einen Ge-samtbetrag von 561,60 Euro geltend (Fahrtkosten 200,00 Euro für 800 Kilometer, Verdienstausfall für zwei Tage gemäß Bescheinigung des Arbeitgebers 252,00 Euro, Tagegeld 24,00 Euro, Übernachtungskosten 83,40 Euro, Parkgebühren 2,20 Euro). Unter dem 18. September 2015 führte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) aus, eine Begleitung könne nicht genehmigt werden. Auch sei nicht ersichtlich, weshalb eine Übernachtung erfolgt sei. Gehe man von einer Fahrtzeit von ca. 4,5 Stunden aus, sei ein Antritt der Reise im Sommer um 7:00 Uhr zumutbar. Damit seien keine Übernachtungskosten und ein Verdienstausfall nur für einen Tag zu gewähren. Es erfolge folgende Gesamtentschädigung: Fahrtkosten 800 km x 0,25 Euro 200,00 Euro Tagegeld 11 Stunden 12,00 Euro Verdienstausfall 9 Stunden x 14,00 Euro 126,00 Euro Parkgebühr 2,20 Euro 340,20 Euro
Am 7. Oktober 2015 hat die Erinnerungsführerin "Widerspruch" eingelegt und vorgetragen, sie habe sich unter folgenden Gesichtspunkten für eine "rechtzeitige Anreise mit vorheriger Übernachtung" entschieden: falsche zeitliche Planung oder unvorhergesehene Komplikationen wie z.B. Stau, Panne, ungeübte Langstreckenfahrerin, Unkenntnis der Verkehrsverhältnisse, keine Kenntnis über Parkmöglichkeiten, Entfernung zur Anmeldung oder Dauer der Anmeldung, Belastung durch die Begutachtung. Im Vordergrund habe sie zusätzliche Kosten durch nicht rechtzeitiges Erscheinen vermeiden wollen. Bei einer Anreise am selben Tag habe sie mindestens zwei Stunden Sicherheitszuschlag für Staus, Unfälle etc. hinzurechnen müssen. Dann hätte sie die Fahrt vor 6:00 Uhr antreten müssen, was ihr nach einem Beschluss des OLG Karlsruhe (NJW-RR 2003, 488) nicht zumutbar sei. Im Übrigen sei nach einem Beschluss des OLG Dresden vom 1. April 1998 - 15 W 374/98, 15 W 0374/98 eine Übernachtung stets notwendig, wenn der Zeitaufwand für Hin- und Rückfahrt 10 Stunden übersteige.
Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß,
die Entschädigung anlässlich der Untersuchung am 21. Juli 2015 auf insgesamt 561,60 Euro festzusetzen.
Der Erinnerungsgegner beantragt,
die Entschädigung anlässlich der Untersuchung am 21. Juli 2015 auf insgesamt 340,20 Euro festzusetzen.
Zur Begründung nimmt er auf die Ausführungen der UdG Bezug.
Die UdG hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 19. Oktober 2015) und sie dem Senat vorgelegt.
II.
Zuständig für die Entscheidung ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landes-sozialgerichts in Verbindung mit dem Geschäftsverteilungsplan des 6. Senats der Senatsvor-sitzende des 6. Senats.
Auf die Erinnerung wird die Entschädigung auf 340,20 Euro festgesetzt.
Nach § 191 Halbs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) werden einem Beteiligten, dessen per-sönliches Erscheinen angeordnet worden ist, auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Diese erhalten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) als Entschädigung Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Entschädi-gung für Aufwand (§ 6 JVEG), Entschädigung für sonstige Aufwendungen (§ 7 JVEG), Ent-schädigung für Zeitversäumnis (§ 20 JVEG), Entschädigung für Nachteile bei der Haushalts-führung (§ 21 JVEG) sowie Entschädigung für Verdienstausfall (§ 22 JVEG). Soweit die Ent-schädigung nach Stunden zu bemessen ist, wird sie nach § 19 Abs. 2 JVEG für die gesamte Zeit der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten, jedoch nicht mehr als zehn Stunden je Tag gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn insgesamt mehr als 30 Minuten auf die Heranziehung entfallen. (Satz 2).
Im Rahmen der Entscheidung sind vom Senat alle für die Bemessung der Vergütung maßgeb-lichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie die Erinnerungsführerin aufgegriffen hat oder nicht. Das Verbot der "reformatio in peius" gilt nicht.
Der Erinnerungsführerin stehen Fahrtkosten in Höhe der beantragten 200,00 Euro zu. Nach § 191 Halbs. 1 SGG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG werden dem Beteiligten bei Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs zur Abgeltung der Betriebskosten sowie der Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeugs 0,25 EUR für jeden gefahrenen Kilometer ersetzt zuzüglich der durch die Benutzung aus Anlass der Reise regelmäßig anfallenden baren Auslagen, insbesondere der Parkentgelte. Erstattet werden die Kosten der Reiseroute, durch die die Gesamtentschädigung am niedrigsten ausfällt. Hier bestehen keine Bedenken gegen die vorgetragenen 800 Kilometer. Zusätzlich zu erstatten sind die geltend gemachten Parkentgelte in Höhe von 2,20 Euro.
Nicht zu erstatten sind die beantragten Übernachtungskosten. Ist eine auswärtige Übernachtung notwendig, wird nach § 6 Abs. 2 JVEG ein Übernachtungsgeld nach den Bestimmungen des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) gewährt. Darunter fallen nur die reinen Kosten der Übernachtung ohne ein von den Kosten mitumfasstes Essen (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 4. November 2014 - L 15 SF 198/14, nach juris; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Auflage 2014, § 6, Rdnr. 4). In Betracht kommt die Erstattung im Fall der objektiven Notwendigkeit und aus Vertrauensgesichtspunkten. Die Notwendigkeit ist nach objektiven Kriterien zu ermitteln (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 4. November 2014 - L 15 SF 198/14, nach juris). Zu berücksichtigen ist dabei der haushaltsrechtliche Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, der im Bereich des gesamten Kostenrechts, also auch der Entschädigung von Zeugen, Sachverständigen, Dritten, ehrenamtlichen Richtern und Beteiligten gilt, und das daraus resultierende Gebot der Kostendämpfung und Kostenminimierung (vgl. Senatsbeschluss vom 27. September 2005 - L 6 SF 408/05; Hartmann, Kostengesetze, 43. Auflage 2013, § 5 JVEG, Rdnr. 2). Die Frage der Notwendigkeit ist eine Tatfrage und im Zweifelsfall vom Gericht nach freiem Ermessen zu entscheiden (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2007 - L 6 B 116/06 SF; Bayerisches LSG, Beschluss vom 4. November 2014 - L 15 SF 198/14 m.w.N., nach juris). Eine objektive Notwendigkeit ist nur dann anzunehmen, wenn dem Betroffenen die Hin- oder Rückreise am selben Tag nicht zugemutet werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 5. April 2000 - L 6 B 2/00 SF). Bei der Bestimmung des Zumutbaren orientiert sich der Senat an den Vollzugsvorschriften zum BRKG. Nach Ziffer 3.1.4. S. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesreisekostengesetz (BRKGVwV) des Bundesministerium des Innern vom 1. Juni 2005 - D I 5 - 222 101 - 1/16 sollen Dienstreisen grundsätzlich nicht vor 6 Uhr anzutreten und nicht nach 24 Uhr zu beenden sein.
Hier wäre es der Erinnerungsführerin durchaus möglich gewesen, mit der gewählten Route (nach falk.de: 4,01 Stunden) den angesetzten Untersuchungstermin um 11:45 Uhr bei einer Abfahrt von 7:00 Uhr wahrzunehmen. Berücksichtigt wird dabei wegen möglicher Verkehrsprobleme (Stau, Umleitungen) ein Sicherheitspuffer (vgl. Senatsbeschluss vom 5. April 2000 - L 6 B 2/00 SF) von 44 Minuten. Unter Berücksichtigung der Verpflichtung zur Kostenminimierung ist bei einer Fahrtdauer von 241 Minuten der von der Erinnerungsführerin geltend gemachte Puffer von 105 Minuten deutlich überhöht und nicht akzeptabel. Ihr Vortrag, sie sei keine geübte Langzeitfahrerin und werde durch eine Untersuchung mental stark belastet, verfängt nicht. In diesem Fall hätte sich eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln angeboten, die angesichts des Fahrplans der Deutschen Bahn am Vormittag durchaus möglich und zudem kostengünstiger gewesen wäre. Nicht einschlägig ist der Beschluss des OLG Dresden vom 1. April 1998 - 15 W 374/98, 15 W 0374/98, denn ein Zeitaufwand von mehr als 10 Stunden für Hin- und Rückreise lag hier schon nicht vor. Im Übrigen ist § 21 JVEG keine allgemeine Regelung zu entnehmen, dass bei Zeugen "eine gewöhnliche Arbeitszeit von 10 Stunden" nicht überschritten werden soll (so das OLG Dresden zu § 2 Abs. 5 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG)).
Anhaltspunkte für einen Anspruch aus Vertrauensschutzgesichtspunkten sind nicht ersichtlich und werden nicht vorgetragen. In Betracht kämen sie vor allem bei einer vor der Reise erteilten Zustimmung durch den in der Hauptsache zuständigen Richter (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 4. November 2014 - L 15 SF 198/14, nach juris). Die Erinnerungsführerin hat keine entsprechende Nachfrage beim 1. Senat gehalten.
Keine Bedenken bestehen gegen die von der UdG festgesetzte Entschädigung für Verdienst-ausfall in Höhe von 126,00 Euro (9 Stunden zu 14,00 Euro). Nach § 191 SGG i.V.m. § 22 JVEG erhalten Beteiligte, denen ein Verdienstausfall entsteht, eine Entschädigung, die sich nach dem regelmäßigen Bruttoverdienst einschließlich der vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge richtet und für jede Stunde höchstens 21 Euro beträgt. Wie bereits ausgeführt, war das Versäumnis der Arbeitszeit am 20. Juli 2015 nicht notwendig. Damit kommt die Entschädigung nur für den 21. Juli 2015 in Betracht.
Zu erstatten ist eine Entschädigung für Aufwand (Tagegeld) nach § 6 Abs. 1 JVEG in Höhe von insgesamt 12,00 Euro. Auf die tatsächlich entstandenen Kosten des Berechtigten kommt es aufgrund der vom Gesetzgeber gewählten Regelung nicht an, denn es werden pauschaliert die weiteren Kosten abgedeckt, die infolge einer längeren Abwesenheitszeit vom Wohnort oder der Arbeitsstelle entstehen. Nach § 6 Abs. 1 letzter Halbs. JVEG richtet sich die Höhe nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 2 in Verbindung mit § 9 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Bei einer auf den Kalendertag bezogenen Abwesenheit von mehr als 8 und weniger als 24 Stunden bestand im Jahr 2015 ein Anspruch auf Tagegeld in Höhe von 12,00 Euro.
Eine Entschädigung für Zeitversäumnis im Sinn des § 20 JVEG ist nicht zu leisten. Sie ist regelmäßig dann zu erbringen, wenn weder ein Verdienstausfall noch Nachteile bei der Haus-haltsführung geltend gemacht werden können. Hier wurde ein entsprechender Verdienstausfall geltend gemacht.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG). Eine Be-schwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).
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