Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
33
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 33 AL 553/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 326/14
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Insolvenzgeld (Insg) für die Monate Juni bis August 2013.
Der 1954 geborene Kläger war als Senior Anwendungsentwickler bei der Firma I. Service GmbH beschäftigt. Auf eigenen Antrag der Firma eröffnete das Insolvenzgericht Essen am 27.07.2012 ein Schutzschirmverfahren gem. § 270 b Insolvenzordnung (Inso). Da nicht alle Gläubiger dieses Schutzschirmverfahren mittrugen, wurde am 01.10.2012 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma unter dem Az.: 162 IN 181/12 beim Amtsgericht Essen eröffnet. Zeitgleich wurde ein Insolvenzverfahren betreffend die Muttergesellschaft I. Holding GmbH eröffnet. Der Kläger erhielt infolgedessen von der Beklagten Insolvenzgeld. Er erbrachte weiter seine Arbeitsleistung. Die Insolvenzverfahren wurden nach Bestätigung von vorgelegten Insolvenzplänen mit Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 29.04.2013 aufgehoben. Das Amtsgericht ordnete an, die Erfüllung des Insolvenzplanes gem § 260 Abs 2 Inso durch den Insolvenzverwalter Dr. K. zu überwachen.
Es konnte im Zuge der Erstellung der Insolvenzpläne mit der insoweit bereits beratend tätig gewordenen R. Consulting AG ein neuer Investor gefunden werden. Die Firma R. und Partner wurde neuer Gesellschafter der Firma I. Holding GmbH mit 100 % der Geschäftsanteile. Im weiteren Verlauf kam es jedoch zu Unstimmigkeiten zwischen der neuen Gesellschafterin der Holding und den Geschäftsführern der verbundenen Unternehmen, so dass die Gesellschafterin zunächst zugesagte liquide Mittel in Höhe von 1,5 Mio EUR nicht mehr zur Verfügung stellte. Nach Angaben der Geschäftsführer der I. Service GmbH sollen die Gespräche hierüber endgültig am 23.06.2013 gescheitert sein. Da der I. Service GmbH vor diesem Hintergrund keine ausreichenden liquiden Mittel zur Erfüllung aktueller Verbindlichkeiten (Löhne und Gehälter für die Arbeitnehmer im Monat Juni, Fälligkeit der Abfindungszahlungen gemäß dem Sozialplan, der im Zuge des im April 2013 bestätigten Insolvenzplans erstellt wurde) mehr zur Verfügung standen, stellten die Geschäftsführer der I. Service GmbH am 24.06.2013 bei dem aufgrund Sitzverlegung nach Mülheim nunmehr zuständigen Amtsgericht Duisburg erneut einen Insolvenzantrag. Mit Beschluss vom 24.06.2013 setzte das Insolvenzgericht Rechtsanwalt Dr. S. H. zum vorläufigen Insolvenzverwalter ein. Das Verfahren wurde unter dem Az.: 64 IN 145/13 geführt. Mit Beschluss vom 01.09.2013 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
Am 16.09.2013 beantragte der Kläger, ihm für die Monate Juni bis August 2013 Insolvenzgeld auf der Basis eines Bruttoarbeitsentgelts von 5.226,96 EUR zu gewähren.
Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.09.2013 mit der Begründung ab, es habe kein Insolvenzereignis im Sinne der in § 165 Abs 21 S 1 Nr 1-3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) festgestellt werden können. Über das Vermögen der Firma I. Service GmbH sei bereits im Oktober 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. In Fällen, in denen der Arbeitgeber die Betriebstätigkeit nach einem Insolvenzeröffnungsverfahren wieder aufnehme, könne ein weiteres Insolvenzereignis nur bejaht werden, wenn nach wiederhergestellter Zahlungsfähigkeit eine erneute Zahlungsunfähigkeit eintritt. Erneute Zahlungsunfähigkeit könne also nur dann angenommen werden, wenn sich die finanzielle Situation des Arbeitgebers so gebessert habe, dass er wieder kreditwürdig geworden sei. Dies erfordere in der Regel, dass der Arbeitgeber auch bezüglich der Altschulden eine Regelung getroffen habe, die der Sanierung des Unternehmens ausreichend Rechnung trage. Im Fall der I. Service GmbH sei die Regelung, die der Sanierung des Unternehmens Rechnung tragen sollte, jedoch nicht ausreichend gewesen, so dass ein erneuter Insolvenztatbestand verneint werden müsse.
Hiergegen legte der Kläger fristgemäß Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, es läge sehr wohl einer neuer Insolvenztatbestand vor, weil Itellium jetzt zur Firma R. & Partner gehöre. Dies sei allen Mitarbeitern Anfang Februar 2013 so mitgeteilt worden und könne auch entsprechenden Pressemitteilungen vom 27.05.2013 unter www.computerwoche.de, www.heise.de oder auch www.nachrichten.de entnommen werden. Er sei daher davon ausgegangen bei einem solventen Unternehmen bzw. Unternehmensgruppe, der R.&Partner Gruppe beschäftigt gewesen zu sein und habe auch so gehandelt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2013 als unbegründet zurück. Unter Verweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21.11.2002, Az.: B 11 AL 35/02 R betonte sie noch einmal, zwar sei das am 01.10.2012 eröffnete Insolvenzverfahren aufgehoben worden, die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens habe jedoch fortbestanden. Erst nach wiederhergestellter Zahlungsfähigkeit könne bei erneuter Zahlungsunfähigkeit ein weiteres Insolvenzereignis bejaht werden.
Mit Schriftsatz vom 21.11.2013 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Duisburg erhoben. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seine Argumentation aus dem Widerspruchsverfahren.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2013 zu verpflichten, ihm für die Monate Juni, Juli und August 2013 Insolvenzgeld in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsbescheid.
Auf schriftliche Anfrage des Gerichts erklärte der Insolvenzverwalter des Verfahrens 64 IN 145/13 Rechtsanwalt Dr. S. H. mit Schriftsatz vom 05.10.2014, er sehe sich nicht dazu im Stande darzulegen, dass nach dem Insolvenzereignis vom 01.10.2012 sowie dem nachfolgend bestätigten Insolvenzplan von einer wiederhergestellten Zahlungsfähigkeit der I. Service GmbH ausgegangen werden konnte. Er verweist in diesem Zusammenhang auf sein Insolvenzgutachten vom 28.08.2013, in dem er gegenüber dem Insolvenzgericht ausgeführt hatte: "Aufgrund der zuvor gescheiterten Insolvenzpläne war und ist nach der Rechtsprechung des BSG davon auszugehen, dass die rückständigen Löhne und Gehälter für Juni 2013 und die folgenden zwei Monate nicht durch Insolvenzgeld abgesichert sind. Nach dieser Rechtsprechung fehlt es vorliegend an einem neuen Insolvenzereignis, weil die Schuldnerin nach Aufhebung des vorangegangenen Insolvenzverfahrens dem Augenschein nach die Zahlungsfähigkeit nicht wiedererlangt hat ..." Der Insolvenzverwalter führt weiter aus: "Gerade weil kein erneutes Insolvenzereignis in diesem Sinne begründet werden konnte, ist auch eine Vorfinanzierung von Insolvenzgeldansprüchen über einen Kredit nicht gelungen, mit dem der Geschäftsbetriebe der I. Service GmbH nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung hätte stabilisiert werden können mit der Folge, dass die Sanierungschancen mutmaßlich sehr viel größer und der Arbeitsplatzverlust kleiner gewesen wären." Abschließend fügt der Insolvenzverwalter an: "Fraglich kann somit allein sein, ob es gerechtfertigt ist, sich bei einem Sachverhalt, wie dem streitgegenständlichen, darauf zurückzuziehen, dass kein erneutes Insolvenzereignis vorliege, nur weil die Zahlungsfähigkeit nicht dauerhaft wieder hergestellt worden sei. Vielmehr könnte es angebracht sein, entgegen der maßgeblichen Entscheidung des BSG auch dann (erneut) Insolvenzgeld zu gewähren, wenn ein Insolvenzplan bestätigt wurde. Denn diesem haben schließlich die Gläubiger zugestimmt, weshalb dann auch das Insolvenzverfahren beendet wurde. Insofern könnte eine Parallele zu dem Sachverhalt hergestellt werden, über den das SG Dortmund in seiner Entscheidung vom 31.10.2012, Az.: S 55 AL 686/10 zu befinden hatte. Durch Beendigung des Insolvenzverfahrens nach Bestätigung des Insolvenzplans könnte eine neue insolvenzfähige Vermögensmasse entstanden sein."
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte und die den Kläger betreffende Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen. Sie ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 18.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2013 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Insolvenzgeld für die Monate Juni, Juli und August 2013 gem § 165 Abs 1 SGB III.
Nach § 165 Abs 1 Nr 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisse noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.
Vorliegend liegen die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Insg gem § 165 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III wegen der für die Monate Juni bis August 2013 ausgefallenen Arbeitsentgelte nicht vor, da es unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 21.11.2002, Az.: B 11 AL 35/02 R und vom 06.12.2012 Az.: B 11 AL 10/11 R) an einem (neuen) Insolvenzereignis fehlt.
Zwar hat das Amtsgericht Duisburg mit Beschluss vom 01.09.2013, Az.: 64 IN 145/13 ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der I. Service GmbH eröffnet. Allerdings entfaltet die im Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 01.10.2012, Az.: 162 IN 181/12 erfolgte Insolvenzeröffnung über das Vermögen der I. Service GmbH eine Sperrwirkung, die einem erneuten Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld entgegen steht.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG (s.o.), dass ein neues Insolvenzereignis nicht eintritt und folglich auch nicht Ansprüche auf Insolvenzgeld auslöst, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauert. Nach dieser Rechtsprechung ist von andauernder Zahlungsunfähigkeit solange auszugehen, wie der Insolvenzschuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit soll nach der Rechtsprechung des BSG nicht bereits dann enden, wenn der Insolvenzschuldner wieder einzelnen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann. Um von einem erneuten Insolvenzereignis im Sinne des § 165 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III ausgehen zu können, muss also zwischen den Insolvenzeröffnungen eine finanzielle Sanierung des Unternehmens liegen, die den Schuldner in die Lage versetzt, seine bestehenden Geldschulden im Allgemeinen verlässlich zu erfüllen, so dass auch Kreditwürdigkeit wieder gegeben ist.
Nach Überzeugung der Kammer kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass es zu einer finanziellen Sanierung der I. Service GmbH gekommen ist und somit ein neuer Insolvenztatbestand vorliegt, der nicht auf der die Insolvenzeröffnung am 01.10.2012 auslösenden Zahlungsunfähigkeit beruht. Zwar ist das mit Beschluss vom 01.10.2012, Az.: 162 IN 181/12 eröffnete Insolvenzverfahren im Hinblick auf den durch das Amtsgericht Essen bestätigten Insolvenzplan mit Beschluss dieses Gerichts vom 29.04.2013 am 30.04.2013 aufgehoben worden. Insoweit hat jedoch das BSG in seinem Urteil vom 21.11.2002, Az.: B 11 AL 35/032 R Rn 16-19 nach juris, bestätigt durch das Urteil des BSG vom 06.12.2012, Az.: B 11 AL 10/11 R Rn 16 und 17 nach juris entschieden, dass alleine aus der Bestätigung des Insolvenzplanes und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch das Insolvenzgericht nicht gefolgert werden könne, dass der zunächst eingetretene Insolvenzfall nunmehr beseitigt sei und damit Raum für neue Ansprüche gegen die Insolvenzgeldversicherung geschaffen worden wäre. Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens und die Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens allein könnten nicht zur Annahme einer Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners führen. Die materiell-rechtlichen Wirkungen eines Insolvenzplans beträfen nur die am Insolvenzplanverfahren Beteiligten, dh den Schuldner, die Insolvenzgläubiger und die Absonderungsberechtigten. Außerdem seien die Wirkungen des Plans nicht endgültig, sondern entfielen, wenn der Schuldner mit der Erfüllung des Plans gegenüber einem Gläubiger erheblich in Rückstand gerate (§ 255 Abs 1 S 1 InsO).
In seinem Urteil vom 21.11.2002, Az.: B 11 AL 35/02 R hat sich das BSG auch mit dem hier erhobenen Einwand auseinandergesetzt, die Aufhebung des Insolvenzverfahrens unter Beteiligung des Insolvenzgerichts am Insolvenzplanverfahren schaffe für die betroffenen Arbeitnehmer einen Vertrauenstatbestand hinsichtlich der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers. Insoweit hat das BSG ausgeführt: "Ein derartiger Vertrauenstatbestand setzt. voraus, dass dem Verfahren bis zur Bestätigung des Insolvenzplans eine eingehende Prüfung der Erfolgsaussichten durch das Gericht vorausgeht. Dies ist nicht der Fall. Im Rahmen der Vorprüfung nach § 231 InsO kann das Gericht nur formale Anforderungen überprüfen (§ 231 Abs 1 Nr 1 InsO) oder den Plan zurückweisen, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Annahme durch die Gläubiger oder Bestätigung besteht (§ 231 Abs 1 Nr 2 InsO) oder die den Beteiligten nach dem gestaltenden Teil des Plans zugedachten Ansprüche offensichtlich nicht befriedigt werden können (§ 231 Abs 1 Nr 3 InsO). ( ) das Gericht prüft lediglich, ob die gesetzlichen Vorschriften eingehalten sind und ob sämtliche Einwendungen der Beteiligten beschieden sind. Eine materiell-rechtliche Prüfung, ob der Plan wirtschaftlich zweckmäßig gestaltet ist und ob er voraussichtlich Erfolg haben wird, ist dem Insolvenzgericht verwehrt ( ). Auch insoweit überlässt der Gesetzgeber die Verantwortung für die positive Prognose den beteiligten Gläubigern. Die mit der Einführung von Insolvenzplanverfahren verfolgten Zielsetzungen rechtfertigen es nicht, allein aufgrund der Bestätigung des Plans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine erneute Inanspruchnahme der Insg-Versicherung zu eröffnen. Der Insolvenzplan ist seiner gesetzlichen Konzeption nach ein Instrument zur Verwirklichung der Privatautonomie im Insolvenzfall ( ).Der Insolvenzplan ist neben dem regulären Insolvenzverfahren ein Mittel zur Erreichung des Zwecks der Gläubigerbefriedigung ( ...). Ebenso wie durch das Insolvenzverfahren soll die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger sichergestellt werden. Schon diese Konkurrenz von regulären Insolvenzverfahren und Insolvenzplanverfahren schließt es aus, allein das Insolvenzplanverfahren dadurch zu begünstigen, dass den Gläubigern durch die wiederholte Zuerkennung von Insg-Ansprüchen ein Sondervorteil verschafft wird. Zwar würde dies, die bereits in § 1 S 1 InsO erwähnte weitere Zielsetzung des Insolvenzplanes, den Erhalt des Unternehmens zu fördern, unterstützen. Die letztgenannte Erwägung führt jedoch nicht zu einer anderen Bewertung, denn der Gesetzgeber verfolgt – ( )- mit den §§ 183 ff. SGB III nicht die Ziele der InsO, sondern begründet lediglich eine Sicherung bestimmter Lohnforderungen in der Insolvenz des Arbeitgebers."
Gemäß dem Urteil des BSG vom 21.11.2002, Az.: B 11 AL 35/02 R muss damit von einem einheitlichen Insolvenzereignis jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn – wie im vorliegenden Fall – ein Insolvenzplan aufgestellt und genehmigt wird und die Aufhebung des Insolvenzplans mit der gleichzeitigen Anordnung der Überwachung der Planerfüllung durch den Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 260 ff InsO angeordnet wird. Wenn während des Zeitraums der Planüberwachung dann ein neuer Insolvenzantrag gestellt werde, werde die im Zeitpunkt der Einstellung des vorherigen Insolvenzverfahrens noch anzunehmende Zahlungsunfähigkeit nur erneut offenkundig.
Diese Offenkundigkeit ergibt sich im vorliegenden Fall um so mehr, als zwischen der Aufhebung des Insolvenzverfahrens 162 IN 181/12 am 30.04.2013 und dem die weitere Insolvenzeröffnung zum 01.09.2013 auslösende Insolvenzantragstellung vom 24.06.2014 noch nicht einmal volle zwei Monate liegen. Vor dem Hintergrund der zitierten BSG-Rechtsprechung kann dabei auch keine Rolle spielen, dass Gläubiger und Insolvenzgericht den Insolvenzplan bestätigt und in der Folge davon das Insolvenzverfahren 162 IN 181/12 nur deswegen aufgehoben haben, weil der neue Gesellschafter der I. Holding GmbH die Firma R. & Partner umfangreiche Investitionszusagen in Höhe von 1,5 Mil. Euro gemacht, sich jedoch kurz darauf hieran offensichtlich nicht mehr gebunden gefühlt hat. Denn der 11. Senat des BSG hat in den entschiedenen vergleichbaren Fällen offensichtlich alleine eine wirtschaftliche Ergebnisbetrachtung vorgenommen und die Frage der wiedererlangten stabilen Zahlungsfähigkeit als Entscheidungskriterium für das Vorliegen eines neuen Insolvenzereignisses gewählt.
Folge einer solchen Betrachtungsweise kann – wie die Prozessbevollmächtigten des Klägers im Verhandlungstermin ausführten - sein, dass Arbeitnehmer eines insolvenzgefährdeten bzw. in Insolvenz befindlichen Unternehmens auf die Instrumente der InsO nicht mehr vertrauen können und bei einem möglichen Scheitern davon ausgehen müssen, finanziell nicht abgesichert zu sein. Betriebsräte und deren Anwälte müssen daher gegebenenfalls Arbeitnehmern eines insolvenzgefährdeten bzw. in Insolvenz befindlichen Unternehmens dazu raten, sich schnellstmöglich eine neue Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber zu suchen. Dies kann dazu führen, dass die neuen Instrumente der InsO (Schutzschirmverfahren Insolvenzplan etc.), die mit dem gesetzgeberischen Ziel, das Unternehmen möglichst zu erhalten, in die InsO aufgenommen wurden, dann leerlaufen, da das Unternehmen mangels seiner Fachkräfte bestehende Aufträge nicht mehr abarbeiten und damit die finanzielle Krise mit Unterstützung der Insolvenzinstrumente nicht bewältigen kann. Darauf hat auch der Insolvenzverwalter in seiner Stellungnahme vom 05.10.2014 hingewiesen: Gerade weil kein erneutes Insolvenzereignis in diesem Sinne habe begründet werden können, sei eine Vorfinanzierung von Insolvenzgeldansprüchen über einen Kredit nicht gelungen, mit dem der Geschäftsbetrieb der I. Service GmbH nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung hätte stabilisiert werden können, mit der Folge, dass die Sanierungschancen mutmaßlich sehr viel größer und der Arbeitsplatzverlust kleiner gewesen wären.
Insoweit hat das BSG in seinem Urteil vom 06.12.2012, Az.: B 11 A L 10/11 R aber die Auffassung vertreten, es möge zwar wünschenswert sein, in Sanierungsfällen über den Schutz des § 183 Abs 2 SGB III (165 Abs.2 SGB III n.F.) hinaus auch Arbeitnehmern, die schon einmal Insolvenzgeld erhalten haben, eine zusätzliche Absicherung zuzubilligen. Derartigen Vorstellungen könne aber nur durch den Gesetzgeber entsprochen werden. Die mit der Einführung von Insolvenzplanverfahren verfolgten Zielsetzungen rechtfertigten es nicht, allein aufgrund der Bestätigung des Plans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine erneute Inanspruchnahme der Insg-Versicherung zu eröffnen. Auch sei zu beachten, dass der Gesetzgeber mit den §§ 183 ff. SGB III nicht die Ziele der InsO verfolge. Die aktuelle Entwicklung habe zudem gezeigt, dass sich der Gesetzgeber anlässlich der Überarbeitung und Neugestaltung des SGB III im Jahre 2011 insbesondere im Hinblick auf zu erwartende Mehrkosten für die umlagepflichtigen Arbeitgeber und mögliche Wettbewerbsverzerrungen gerade nicht dazu entschlossen habe, eine derartige gesetzliche Regelung in das SGB III aufzunehmen (vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung zur – sich explizit auf die Entscheidung des LSG Sachen vom 09.03.2011, Az.: L 1 AL 241/06 beziehenden – Stellungnahmen des Bundesrats zum Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks. 17/6853, Seite 18 zu Nr. 2 und Seite 1 ff., zu Art. 1 Nr. 7 a und Art. 2 Nr. 18).
Obiter dictum:
Das Urteil wurde nach Mehrheitsentscheidung der Kammer gefällt. Es bestehen gleichwohl Bedenken, ob die ständige Rechtsprechung des BSG mit den europäischen Vorgaben der RiL 80/987 idF RiL 74/2002 in Einklang steht. Es bleibt auch fraglich, weshalb für die Absicherung der Arbeitnehmer bei einer weiteren Insolvenz des Arbeitgebers eine gesonderte gesetzliche Änderung erforderlich sein soll. Weder der Wortlaut noch die gesetzliche Intention stehen einer entsprechenden Auslegung des § 165 Abs. 1 Nr. 1 SGB III entgegen. Fraglich bleibt zudem, wie mit Arbeitnehmern verfahren wird, die zwischen erster und zweiter Insolvenz in das Unternehmen eintreten, im Rahmen der zweiten Insolvenz dann also erstmalig Insolvenzgeld beantragen. Sollen diese Arbeitnehmer auch schutzlos gestellt sein? Fraglich bleibt schließlich, wie sich Arbeitnehmer vor dem vollständigen Verlust ihrer Lohnansprüche anderweitig schützen können, außer den InsO-Instrumenten zu misstrauen und das Unternehmen bereits bei der ersten Insolvenz zu verlassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Insolvenzgeld (Insg) für die Monate Juni bis August 2013.
Der 1954 geborene Kläger war als Senior Anwendungsentwickler bei der Firma I. Service GmbH beschäftigt. Auf eigenen Antrag der Firma eröffnete das Insolvenzgericht Essen am 27.07.2012 ein Schutzschirmverfahren gem. § 270 b Insolvenzordnung (Inso). Da nicht alle Gläubiger dieses Schutzschirmverfahren mittrugen, wurde am 01.10.2012 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma unter dem Az.: 162 IN 181/12 beim Amtsgericht Essen eröffnet. Zeitgleich wurde ein Insolvenzverfahren betreffend die Muttergesellschaft I. Holding GmbH eröffnet. Der Kläger erhielt infolgedessen von der Beklagten Insolvenzgeld. Er erbrachte weiter seine Arbeitsleistung. Die Insolvenzverfahren wurden nach Bestätigung von vorgelegten Insolvenzplänen mit Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 29.04.2013 aufgehoben. Das Amtsgericht ordnete an, die Erfüllung des Insolvenzplanes gem § 260 Abs 2 Inso durch den Insolvenzverwalter Dr. K. zu überwachen.
Es konnte im Zuge der Erstellung der Insolvenzpläne mit der insoweit bereits beratend tätig gewordenen R. Consulting AG ein neuer Investor gefunden werden. Die Firma R. und Partner wurde neuer Gesellschafter der Firma I. Holding GmbH mit 100 % der Geschäftsanteile. Im weiteren Verlauf kam es jedoch zu Unstimmigkeiten zwischen der neuen Gesellschafterin der Holding und den Geschäftsführern der verbundenen Unternehmen, so dass die Gesellschafterin zunächst zugesagte liquide Mittel in Höhe von 1,5 Mio EUR nicht mehr zur Verfügung stellte. Nach Angaben der Geschäftsführer der I. Service GmbH sollen die Gespräche hierüber endgültig am 23.06.2013 gescheitert sein. Da der I. Service GmbH vor diesem Hintergrund keine ausreichenden liquiden Mittel zur Erfüllung aktueller Verbindlichkeiten (Löhne und Gehälter für die Arbeitnehmer im Monat Juni, Fälligkeit der Abfindungszahlungen gemäß dem Sozialplan, der im Zuge des im April 2013 bestätigten Insolvenzplans erstellt wurde) mehr zur Verfügung standen, stellten die Geschäftsführer der I. Service GmbH am 24.06.2013 bei dem aufgrund Sitzverlegung nach Mülheim nunmehr zuständigen Amtsgericht Duisburg erneut einen Insolvenzantrag. Mit Beschluss vom 24.06.2013 setzte das Insolvenzgericht Rechtsanwalt Dr. S. H. zum vorläufigen Insolvenzverwalter ein. Das Verfahren wurde unter dem Az.: 64 IN 145/13 geführt. Mit Beschluss vom 01.09.2013 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
Am 16.09.2013 beantragte der Kläger, ihm für die Monate Juni bis August 2013 Insolvenzgeld auf der Basis eines Bruttoarbeitsentgelts von 5.226,96 EUR zu gewähren.
Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.09.2013 mit der Begründung ab, es habe kein Insolvenzereignis im Sinne der in § 165 Abs 21 S 1 Nr 1-3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) festgestellt werden können. Über das Vermögen der Firma I. Service GmbH sei bereits im Oktober 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. In Fällen, in denen der Arbeitgeber die Betriebstätigkeit nach einem Insolvenzeröffnungsverfahren wieder aufnehme, könne ein weiteres Insolvenzereignis nur bejaht werden, wenn nach wiederhergestellter Zahlungsfähigkeit eine erneute Zahlungsunfähigkeit eintritt. Erneute Zahlungsunfähigkeit könne also nur dann angenommen werden, wenn sich die finanzielle Situation des Arbeitgebers so gebessert habe, dass er wieder kreditwürdig geworden sei. Dies erfordere in der Regel, dass der Arbeitgeber auch bezüglich der Altschulden eine Regelung getroffen habe, die der Sanierung des Unternehmens ausreichend Rechnung trage. Im Fall der I. Service GmbH sei die Regelung, die der Sanierung des Unternehmens Rechnung tragen sollte, jedoch nicht ausreichend gewesen, so dass ein erneuter Insolvenztatbestand verneint werden müsse.
Hiergegen legte der Kläger fristgemäß Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, es läge sehr wohl einer neuer Insolvenztatbestand vor, weil Itellium jetzt zur Firma R. & Partner gehöre. Dies sei allen Mitarbeitern Anfang Februar 2013 so mitgeteilt worden und könne auch entsprechenden Pressemitteilungen vom 27.05.2013 unter www.computerwoche.de, www.heise.de oder auch www.nachrichten.de entnommen werden. Er sei daher davon ausgegangen bei einem solventen Unternehmen bzw. Unternehmensgruppe, der R.&Partner Gruppe beschäftigt gewesen zu sein und habe auch so gehandelt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2013 als unbegründet zurück. Unter Verweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21.11.2002, Az.: B 11 AL 35/02 R betonte sie noch einmal, zwar sei das am 01.10.2012 eröffnete Insolvenzverfahren aufgehoben worden, die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens habe jedoch fortbestanden. Erst nach wiederhergestellter Zahlungsfähigkeit könne bei erneuter Zahlungsunfähigkeit ein weiteres Insolvenzereignis bejaht werden.
Mit Schriftsatz vom 21.11.2013 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Duisburg erhoben. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seine Argumentation aus dem Widerspruchsverfahren.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2013 zu verpflichten, ihm für die Monate Juni, Juli und August 2013 Insolvenzgeld in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsbescheid.
Auf schriftliche Anfrage des Gerichts erklärte der Insolvenzverwalter des Verfahrens 64 IN 145/13 Rechtsanwalt Dr. S. H. mit Schriftsatz vom 05.10.2014, er sehe sich nicht dazu im Stande darzulegen, dass nach dem Insolvenzereignis vom 01.10.2012 sowie dem nachfolgend bestätigten Insolvenzplan von einer wiederhergestellten Zahlungsfähigkeit der I. Service GmbH ausgegangen werden konnte. Er verweist in diesem Zusammenhang auf sein Insolvenzgutachten vom 28.08.2013, in dem er gegenüber dem Insolvenzgericht ausgeführt hatte: "Aufgrund der zuvor gescheiterten Insolvenzpläne war und ist nach der Rechtsprechung des BSG davon auszugehen, dass die rückständigen Löhne und Gehälter für Juni 2013 und die folgenden zwei Monate nicht durch Insolvenzgeld abgesichert sind. Nach dieser Rechtsprechung fehlt es vorliegend an einem neuen Insolvenzereignis, weil die Schuldnerin nach Aufhebung des vorangegangenen Insolvenzverfahrens dem Augenschein nach die Zahlungsfähigkeit nicht wiedererlangt hat ..." Der Insolvenzverwalter führt weiter aus: "Gerade weil kein erneutes Insolvenzereignis in diesem Sinne begründet werden konnte, ist auch eine Vorfinanzierung von Insolvenzgeldansprüchen über einen Kredit nicht gelungen, mit dem der Geschäftsbetriebe der I. Service GmbH nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung hätte stabilisiert werden können mit der Folge, dass die Sanierungschancen mutmaßlich sehr viel größer und der Arbeitsplatzverlust kleiner gewesen wären." Abschließend fügt der Insolvenzverwalter an: "Fraglich kann somit allein sein, ob es gerechtfertigt ist, sich bei einem Sachverhalt, wie dem streitgegenständlichen, darauf zurückzuziehen, dass kein erneutes Insolvenzereignis vorliege, nur weil die Zahlungsfähigkeit nicht dauerhaft wieder hergestellt worden sei. Vielmehr könnte es angebracht sein, entgegen der maßgeblichen Entscheidung des BSG auch dann (erneut) Insolvenzgeld zu gewähren, wenn ein Insolvenzplan bestätigt wurde. Denn diesem haben schließlich die Gläubiger zugestimmt, weshalb dann auch das Insolvenzverfahren beendet wurde. Insofern könnte eine Parallele zu dem Sachverhalt hergestellt werden, über den das SG Dortmund in seiner Entscheidung vom 31.10.2012, Az.: S 55 AL 686/10 zu befinden hatte. Durch Beendigung des Insolvenzverfahrens nach Bestätigung des Insolvenzplans könnte eine neue insolvenzfähige Vermögensmasse entstanden sein."
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte und die den Kläger betreffende Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen. Sie ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 18.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2013 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Insolvenzgeld für die Monate Juni, Juli und August 2013 gem § 165 Abs 1 SGB III.
Nach § 165 Abs 1 Nr 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisse noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.
Vorliegend liegen die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Insg gem § 165 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III wegen der für die Monate Juni bis August 2013 ausgefallenen Arbeitsentgelte nicht vor, da es unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 21.11.2002, Az.: B 11 AL 35/02 R und vom 06.12.2012 Az.: B 11 AL 10/11 R) an einem (neuen) Insolvenzereignis fehlt.
Zwar hat das Amtsgericht Duisburg mit Beschluss vom 01.09.2013, Az.: 64 IN 145/13 ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der I. Service GmbH eröffnet. Allerdings entfaltet die im Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 01.10.2012, Az.: 162 IN 181/12 erfolgte Insolvenzeröffnung über das Vermögen der I. Service GmbH eine Sperrwirkung, die einem erneuten Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld entgegen steht.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG (s.o.), dass ein neues Insolvenzereignis nicht eintritt und folglich auch nicht Ansprüche auf Insolvenzgeld auslöst, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauert. Nach dieser Rechtsprechung ist von andauernder Zahlungsunfähigkeit solange auszugehen, wie der Insolvenzschuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit soll nach der Rechtsprechung des BSG nicht bereits dann enden, wenn der Insolvenzschuldner wieder einzelnen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann. Um von einem erneuten Insolvenzereignis im Sinne des § 165 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III ausgehen zu können, muss also zwischen den Insolvenzeröffnungen eine finanzielle Sanierung des Unternehmens liegen, die den Schuldner in die Lage versetzt, seine bestehenden Geldschulden im Allgemeinen verlässlich zu erfüllen, so dass auch Kreditwürdigkeit wieder gegeben ist.
Nach Überzeugung der Kammer kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass es zu einer finanziellen Sanierung der I. Service GmbH gekommen ist und somit ein neuer Insolvenztatbestand vorliegt, der nicht auf der die Insolvenzeröffnung am 01.10.2012 auslösenden Zahlungsunfähigkeit beruht. Zwar ist das mit Beschluss vom 01.10.2012, Az.: 162 IN 181/12 eröffnete Insolvenzverfahren im Hinblick auf den durch das Amtsgericht Essen bestätigten Insolvenzplan mit Beschluss dieses Gerichts vom 29.04.2013 am 30.04.2013 aufgehoben worden. Insoweit hat jedoch das BSG in seinem Urteil vom 21.11.2002, Az.: B 11 AL 35/032 R Rn 16-19 nach juris, bestätigt durch das Urteil des BSG vom 06.12.2012, Az.: B 11 AL 10/11 R Rn 16 und 17 nach juris entschieden, dass alleine aus der Bestätigung des Insolvenzplanes und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch das Insolvenzgericht nicht gefolgert werden könne, dass der zunächst eingetretene Insolvenzfall nunmehr beseitigt sei und damit Raum für neue Ansprüche gegen die Insolvenzgeldversicherung geschaffen worden wäre. Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens und die Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens allein könnten nicht zur Annahme einer Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners führen. Die materiell-rechtlichen Wirkungen eines Insolvenzplans beträfen nur die am Insolvenzplanverfahren Beteiligten, dh den Schuldner, die Insolvenzgläubiger und die Absonderungsberechtigten. Außerdem seien die Wirkungen des Plans nicht endgültig, sondern entfielen, wenn der Schuldner mit der Erfüllung des Plans gegenüber einem Gläubiger erheblich in Rückstand gerate (§ 255 Abs 1 S 1 InsO).
In seinem Urteil vom 21.11.2002, Az.: B 11 AL 35/02 R hat sich das BSG auch mit dem hier erhobenen Einwand auseinandergesetzt, die Aufhebung des Insolvenzverfahrens unter Beteiligung des Insolvenzgerichts am Insolvenzplanverfahren schaffe für die betroffenen Arbeitnehmer einen Vertrauenstatbestand hinsichtlich der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers. Insoweit hat das BSG ausgeführt: "Ein derartiger Vertrauenstatbestand setzt. voraus, dass dem Verfahren bis zur Bestätigung des Insolvenzplans eine eingehende Prüfung der Erfolgsaussichten durch das Gericht vorausgeht. Dies ist nicht der Fall. Im Rahmen der Vorprüfung nach § 231 InsO kann das Gericht nur formale Anforderungen überprüfen (§ 231 Abs 1 Nr 1 InsO) oder den Plan zurückweisen, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Annahme durch die Gläubiger oder Bestätigung besteht (§ 231 Abs 1 Nr 2 InsO) oder die den Beteiligten nach dem gestaltenden Teil des Plans zugedachten Ansprüche offensichtlich nicht befriedigt werden können (§ 231 Abs 1 Nr 3 InsO). ( ) das Gericht prüft lediglich, ob die gesetzlichen Vorschriften eingehalten sind und ob sämtliche Einwendungen der Beteiligten beschieden sind. Eine materiell-rechtliche Prüfung, ob der Plan wirtschaftlich zweckmäßig gestaltet ist und ob er voraussichtlich Erfolg haben wird, ist dem Insolvenzgericht verwehrt ( ). Auch insoweit überlässt der Gesetzgeber die Verantwortung für die positive Prognose den beteiligten Gläubigern. Die mit der Einführung von Insolvenzplanverfahren verfolgten Zielsetzungen rechtfertigen es nicht, allein aufgrund der Bestätigung des Plans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine erneute Inanspruchnahme der Insg-Versicherung zu eröffnen. Der Insolvenzplan ist seiner gesetzlichen Konzeption nach ein Instrument zur Verwirklichung der Privatautonomie im Insolvenzfall ( ).Der Insolvenzplan ist neben dem regulären Insolvenzverfahren ein Mittel zur Erreichung des Zwecks der Gläubigerbefriedigung ( ...). Ebenso wie durch das Insolvenzverfahren soll die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger sichergestellt werden. Schon diese Konkurrenz von regulären Insolvenzverfahren und Insolvenzplanverfahren schließt es aus, allein das Insolvenzplanverfahren dadurch zu begünstigen, dass den Gläubigern durch die wiederholte Zuerkennung von Insg-Ansprüchen ein Sondervorteil verschafft wird. Zwar würde dies, die bereits in § 1 S 1 InsO erwähnte weitere Zielsetzung des Insolvenzplanes, den Erhalt des Unternehmens zu fördern, unterstützen. Die letztgenannte Erwägung führt jedoch nicht zu einer anderen Bewertung, denn der Gesetzgeber verfolgt – ( )- mit den §§ 183 ff. SGB III nicht die Ziele der InsO, sondern begründet lediglich eine Sicherung bestimmter Lohnforderungen in der Insolvenz des Arbeitgebers."
Gemäß dem Urteil des BSG vom 21.11.2002, Az.: B 11 AL 35/02 R muss damit von einem einheitlichen Insolvenzereignis jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn – wie im vorliegenden Fall – ein Insolvenzplan aufgestellt und genehmigt wird und die Aufhebung des Insolvenzplans mit der gleichzeitigen Anordnung der Überwachung der Planerfüllung durch den Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 260 ff InsO angeordnet wird. Wenn während des Zeitraums der Planüberwachung dann ein neuer Insolvenzantrag gestellt werde, werde die im Zeitpunkt der Einstellung des vorherigen Insolvenzverfahrens noch anzunehmende Zahlungsunfähigkeit nur erneut offenkundig.
Diese Offenkundigkeit ergibt sich im vorliegenden Fall um so mehr, als zwischen der Aufhebung des Insolvenzverfahrens 162 IN 181/12 am 30.04.2013 und dem die weitere Insolvenzeröffnung zum 01.09.2013 auslösende Insolvenzantragstellung vom 24.06.2014 noch nicht einmal volle zwei Monate liegen. Vor dem Hintergrund der zitierten BSG-Rechtsprechung kann dabei auch keine Rolle spielen, dass Gläubiger und Insolvenzgericht den Insolvenzplan bestätigt und in der Folge davon das Insolvenzverfahren 162 IN 181/12 nur deswegen aufgehoben haben, weil der neue Gesellschafter der I. Holding GmbH die Firma R. & Partner umfangreiche Investitionszusagen in Höhe von 1,5 Mil. Euro gemacht, sich jedoch kurz darauf hieran offensichtlich nicht mehr gebunden gefühlt hat. Denn der 11. Senat des BSG hat in den entschiedenen vergleichbaren Fällen offensichtlich alleine eine wirtschaftliche Ergebnisbetrachtung vorgenommen und die Frage der wiedererlangten stabilen Zahlungsfähigkeit als Entscheidungskriterium für das Vorliegen eines neuen Insolvenzereignisses gewählt.
Folge einer solchen Betrachtungsweise kann – wie die Prozessbevollmächtigten des Klägers im Verhandlungstermin ausführten - sein, dass Arbeitnehmer eines insolvenzgefährdeten bzw. in Insolvenz befindlichen Unternehmens auf die Instrumente der InsO nicht mehr vertrauen können und bei einem möglichen Scheitern davon ausgehen müssen, finanziell nicht abgesichert zu sein. Betriebsräte und deren Anwälte müssen daher gegebenenfalls Arbeitnehmern eines insolvenzgefährdeten bzw. in Insolvenz befindlichen Unternehmens dazu raten, sich schnellstmöglich eine neue Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber zu suchen. Dies kann dazu führen, dass die neuen Instrumente der InsO (Schutzschirmverfahren Insolvenzplan etc.), die mit dem gesetzgeberischen Ziel, das Unternehmen möglichst zu erhalten, in die InsO aufgenommen wurden, dann leerlaufen, da das Unternehmen mangels seiner Fachkräfte bestehende Aufträge nicht mehr abarbeiten und damit die finanzielle Krise mit Unterstützung der Insolvenzinstrumente nicht bewältigen kann. Darauf hat auch der Insolvenzverwalter in seiner Stellungnahme vom 05.10.2014 hingewiesen: Gerade weil kein erneutes Insolvenzereignis in diesem Sinne habe begründet werden können, sei eine Vorfinanzierung von Insolvenzgeldansprüchen über einen Kredit nicht gelungen, mit dem der Geschäftsbetrieb der I. Service GmbH nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung hätte stabilisiert werden können, mit der Folge, dass die Sanierungschancen mutmaßlich sehr viel größer und der Arbeitsplatzverlust kleiner gewesen wären.
Insoweit hat das BSG in seinem Urteil vom 06.12.2012, Az.: B 11 A L 10/11 R aber die Auffassung vertreten, es möge zwar wünschenswert sein, in Sanierungsfällen über den Schutz des § 183 Abs 2 SGB III (165 Abs.2 SGB III n.F.) hinaus auch Arbeitnehmern, die schon einmal Insolvenzgeld erhalten haben, eine zusätzliche Absicherung zuzubilligen. Derartigen Vorstellungen könne aber nur durch den Gesetzgeber entsprochen werden. Die mit der Einführung von Insolvenzplanverfahren verfolgten Zielsetzungen rechtfertigten es nicht, allein aufgrund der Bestätigung des Plans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine erneute Inanspruchnahme der Insg-Versicherung zu eröffnen. Auch sei zu beachten, dass der Gesetzgeber mit den §§ 183 ff. SGB III nicht die Ziele der InsO verfolge. Die aktuelle Entwicklung habe zudem gezeigt, dass sich der Gesetzgeber anlässlich der Überarbeitung und Neugestaltung des SGB III im Jahre 2011 insbesondere im Hinblick auf zu erwartende Mehrkosten für die umlagepflichtigen Arbeitgeber und mögliche Wettbewerbsverzerrungen gerade nicht dazu entschlossen habe, eine derartige gesetzliche Regelung in das SGB III aufzunehmen (vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung zur – sich explizit auf die Entscheidung des LSG Sachen vom 09.03.2011, Az.: L 1 AL 241/06 beziehenden – Stellungnahmen des Bundesrats zum Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks. 17/6853, Seite 18 zu Nr. 2 und Seite 1 ff., zu Art. 1 Nr. 7 a und Art. 2 Nr. 18).
Obiter dictum:
Das Urteil wurde nach Mehrheitsentscheidung der Kammer gefällt. Es bestehen gleichwohl Bedenken, ob die ständige Rechtsprechung des BSG mit den europäischen Vorgaben der RiL 80/987 idF RiL 74/2002 in Einklang steht. Es bleibt auch fraglich, weshalb für die Absicherung der Arbeitnehmer bei einer weiteren Insolvenz des Arbeitgebers eine gesonderte gesetzliche Änderung erforderlich sein soll. Weder der Wortlaut noch die gesetzliche Intention stehen einer entsprechenden Auslegung des § 165 Abs. 1 Nr. 1 SGB III entgegen. Fraglich bleibt zudem, wie mit Arbeitnehmern verfahren wird, die zwischen erster und zweiter Insolvenz in das Unternehmen eintreten, im Rahmen der zweiten Insolvenz dann also erstmalig Insolvenzgeld beantragen. Sollen diese Arbeitnehmer auch schutzlos gestellt sein? Fraglich bleibt schließlich, wie sich Arbeitnehmer vor dem vollständigen Verlust ihrer Lohnansprüche anderweitig schützen können, außer den InsO-Instrumenten zu misstrauen und das Unternehmen bereits bei der ersten Insolvenz zu verlassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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