Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 1953/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2770/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14.01.2004 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung einer Witwenrente über den 30.11.1996 hinaus hat.
Die am 1936 geborene Klägerin reiste am 08.07.1996 aus R. in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie ist Spätaussiedlerin im Sinne des § 4 Bundesvertriebenengesetz (BVFG). Ihr Ehemann, A. G. , geboren am 21.05.1934, verstarb am 05.02.1995 in R ...
Die Klägerin beantragte am 20.08.1996 bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (heute: Deutsche Rentenversicherung Bund - DRV Bund) Altersrente für Frauen ab 01.12.1996 und bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (nachfolgend einheitlich Beklagte) Witwenrente. Nachdem die Klägerin bei der Beklagten im August 1997 um schnellstmögliche Verbescheidung ihres Antrags bat, eine Entscheidung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte über den Antrag auf Altersrente für Frauen jedoch noch nicht vorlag, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 21.08.1997 der Klägerin als vorläufige Leistung im Sinne des § 42 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) große Witwenrente ab 08.07.1996 in Höhe von brutto 607,65 DM (Bl. 62 ff. VA). Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Witwenrente unter dem Vorbehalt der Überprüfung im Rahmen der §§ 22b Fremdrentengesetz (FRG) und 97 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nach der Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf Versichertenrente erfolge und deshalb ein vorläufiger Bescheid sei. Zugleich begrenzte die Beklagte die sich auf 28,3936 belaufenden Entgeltpunkte (EP) für anrechenbare Zeiten nach dem FRG auf 25 EP. Hinsichtlich der Rentenberechnung wird auf den Bescheid vom 21.08.1997 verwiesen.
Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 14.11.1997 Altersrente für Frauen ab dem 01.12.1996 in Höhe von brutto 968,64 DM. Bei der Rentenberechnung berücksichtigte sie anrechenbare Zeiten nach dem FRG begrenzt auf 25 EP.
Mit den zusammen versandten Bescheiden vom 19.06.1998 und 25.08.1998 bewilligte die Beklagte der Klägerin große Witwenrente für die Zeit ab 08.07.1996, für die Zeit vom 08.07.1996 bis 30.11.1996 in Höhe von 575,70 DM (Bl. 122 ff. und 141 ff. VA). Eine Auszahlung der Witwenrente ab 01.12.1996 lehnte sie ab, weil die Klägerin 25 EP bereits aus ihrer ab 01.12.1996 zuerkannten Versichertenrente erreiche, sodass ab 01.12.1996 keine EP aus der Witwenrente zu berücksichtigen seien. Der vorläufige Bescheid vom 21.08.1997 werde zurückgenommen. Diese Bescheide wurden bestandskräftig. Hinsichtlich der Rentenberechnung wird auf den Bescheid vom 19.06.1998 Bezug genommen.
Am 16.04.2002 beantragte die Klägerin sinngemäß die Neuberechnung der Hinterbliebenenrente und verwies nachfolgend auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.08.2001 - B 4 RA 118/00 R -. Mit Bescheid vom 19.12.2002 (Bl. 235 ff. VA) und Widerspruchsbescheid vom 30.04.2003 (Bl. 249 ff. VA) lehnte die Beklagte die Rücknahme der Bescheide vom 19.06.1998 und 25.08.1998 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ab. Zur Begründung führte sie aus, dass nach § 22b Abs. 1 FRG der Höchstwert von 25 EP für die FRG-Anteile aller Renten eines Berechtigten gälte. Da die Klägerin schon bei ihrer Altersrente den Höchstwert erreicht habe, würden sich bei der Witwenrente ab 01.12.1996 keine EP zur Zahlbarmachung der Rente ergeben. Die Entscheidung des BSG vom 30.08.2001 - B 4 RA 118/00 R - sei auf den Fall der Klägerin nicht übertragbar.
Hiergegen hat die Klägerin am 05.06.2003 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Mit Urteil vom 14.01.2004 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, die Hinterbliebenenrente der Klägerin für die Zeit ab 01.01.1998 neu zu berechnen und an die Klägerin auszuzahlen. Zur Begründung hat sich das Sozialgericht auf das von der Klägerin zitierte Urteil des BSG gestützt und ausgeführt, eine Begrenzung der nach dem Gesetz berücksichtigten EP auch für die Inhaber einer Hinterbliebenenrente neben einer eigenen Rente auf insgesamt 25 EP sei nicht gerechtfertigt.
Hiergegen hat die Beklagte am 12.02.2004 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt (L 10 RJ 604/04). Während des Ruhen des Verfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 19.03.2009 einen erneuten Überprüfungsantrag der Klägerin bzgl. der Rentenbescheide aus dem Jahr 1998 abgelehnt (Bl. 34 ff. LSG-Akte).
Zwischenzeitlich trägt die Beklagte vor, dass aufgrund der Rechtsprechung des BSG zu § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG in der bei Erlass der Bescheide aus dem Jahr 1996 und 1998 geltenden Fassung der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) vom 21.07.2004 (BGBl. I, S. 1791) dem § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG rückwirkend ab 07.05.1996 einen neuen Wortlaut gegeben habe. Diese echte Rückwirkung sei nach Auffassung des BSG (Urteil vom 21.06.2005, B 8 KN 1/05 R u.a.) zulässig. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe mit Beschluss vom 21.07.2010 in dem Verfahren 1 BvR 2530/05 u.a. auch rückwirkend die Kürzung solcher Hinterbliebenenrenten, die alleine auf Zeiten nach dem Fremdrentenrecht beruhten, als verfassungsgemäß bestätigt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14.01.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, ihr sei mit Bescheid vom 21.08.1997 Witwenrente bewilligt worden. Dieser Bescheid sei rechtskräftig geworden. Zwar sei der Bescheid mit einem Vorbehalt versehen worden. Nachdem das BVerfG aber entschieden habe, dass § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG auf solche Verfahren, in denen Witwenrente rechtskräftig bewilligt worden sei, nicht rückwirkend angewendet werden dürfe, seien die nachfolgenden Bescheide rechtswidrig und aufzuheben. Alles andere widerspreche den Normen der Rechtsstaatlichkeit, zu denen auch die verfassungsgerichtlichen Entscheidungen gehören würden.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.
Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 19.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2003 ist rechtmäßig. Die Beklagte lehnte es zu Recht ab, ihre bestandskräftigen Bescheide vom 19.06.1998 und 25.08.1998 hinsichtlich der Rentenhöhe zurückzunehmen und der Klägerin auch für die Zeit ab 01.12.1996 große Witwenrente zu zahlen.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 19.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2003, mit dem die Beklagte die Rücknahme der als einheitliche Entscheidung ergangenen Bescheide vom 19.06.1998 und 25.08.1998 ablehnte, nicht hingegen der Bescheid vom 19.03.2009. Dieser ist nicht gemäß § 96 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Nach § 96 Abs. 1 SGG, der für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gemäß § 153 Abs. 1 SGG entsprechend gilt, wird ein neuer Verwaltungsakt dann Gegenstand des Verfahrens, wenn er den mit der Klage angefochtenen früheren Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Nach diesen Maßstäben hat der Bescheid vom 19.03.2009 den hier angefochtenen Bescheid vom 19.12.2002 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2003) weder abgeändert noch ersetzt. Mit dem Bescheid vom 19.12.2009 lehnte die Beklagte vielmehr einen erneuten Antrag der Klägerin nach § 44 SGB X erneut ab. Der hier angefochtene Bescheid vom 19.12.2002 blieb unberührt. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass durch die Nichteinbeziehung des Bescheides vom 19.03.2009 Rechte der Klägerin nicht beschnitten werden, da in materiell-rechtlicher Hinsicht nach wie vor zu prüfen ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Rücknahme der bestandskräftigen Bescheide vom 19.06.1998 und 25.08.1998 und auf Zahlung der Witwenrente auch ab 01.12.1996 hat.
Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens ist § 44 SGB X. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein bindend gewordener Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen für die Rücknahme der als einheitliche Entscheidung ergangenen Rentenbescheide vom 19.06.1998 und 25.08.1998 sind hinsichtlich der allein streitigen Rentenhöhe nicht erfüllt. Dabei kann offen bleiben, ob die Beklagte - wie das Sozialgericht festgestellt hat - bei Erlass (Bekanntgabe nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X) dieser Bescheide das (damalige) Recht unrichtig anwandte. Denn sie zahlte jedenfalls die große Witwenrente zu Recht nicht aus.
Selbst wenn die Beklagte bei Erlass der Bescheide vom 19.06.1998 und 25.08.1998 das Recht fehlerhaft angewandt hätte, würde dies keinen Anspruch auf Rücknahme dieser Bescheide begründen. Denn es fehlt die weitere Voraussetzung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, dass wegen der unrichtigen Rechtsanwendung Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten worden sind. Ob diese (weitere) Voraussetzung erfüllt ist, richtet sich nach der materiellen Rechtslage, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Überprüfungsentscheidung besteht (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2011, B 5 R 46/10 R in juris, m.w.N.). Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher grundsätzlich die letzte mündliche Verhandlung. Hat sich das Recht während des anhängigen Rechtsstreits geändert, so ist das neue Recht auch im gerichtlichen Verfahren zu beachten, wenn es das streitige Rechtsverhältnis nach seinem zeitlichen Geltungswillen erfasst (BSG, a.a.O.).
Dieser Fall ist hier gegeben. § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG in der bei Erlass der Bescheide aus dem Jahr 1996 und 1998 geltenden Fassung ist während des anhängigen Verfahrens mit Art. 9 Nr. 2 iVm Art. 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz rückwirkend zum 07.05.1996 geändert worden. Nach der Neufassung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG werden für anrechenbare Zeiten nach dem FRG für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 EP der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten zu Grunde gelegt. Nach § 22b Abs. 1 Satz 3 FRG, der nachträglich durch Art. 12 Nr. 2 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung vom 16.12.1997 (Rentenreformgesetz 1999 - RRG 1999 -, BGBl I, S. 2998) mit (Rück-)Wirkung zum 07.05.1996 (Art. 33 Abs. 7 RRG 1999) angefügt worden ist, sind EP aus der Rente mit einem höheren Rentenartfaktor vorrangig zu berücksichtigen.
Hieran gemessen hat die Klägerin ab 01.12.1996 kein Recht auf Zahlung von Witwenrente. EP aus ihrer Regelaltersrente sind gemäß § 22b Abs. 1 Satz 3 FRG vorrangig zu berücksichtigen. Denn der Rentenartfaktor der persönlichen EP bei dieser Rentenart (§ 35 SGB VI) ist mit 1,0 höher (§ 67 Nr. 1 SGB VI) als der Rentenartfaktor bei der großen Witwenrente nach Ablauf des sogenannten Sterbevierteljahres für persönliche EP in der allgemeinen Rentenversicherung gemäß § 67 Nr. 6 SGB VI in der damals geltenden Fassung vom 18.12.1989 in Höhe von 0,6. Da laut Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 14.11.1997 bei der Altersrente der Klägerin ab 01.12.1996 bereits 25 EP für anrechenbare Zeiten nach dem FRG zu berücksichtigen waren, war damit schon die Höchstzahl an EP erreicht, die § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetz für ein Zusammentreffen von Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes zulässt. Folglich war für die große Witwenrente ab 01.12.1996 kein (zahlbarer) Monatsbetrag der Rente (§ 64 SGB VI) festzustellen. Im Ergebnis ist die Klägerin Inhaberin eines "leeren Rechts" auf Witwenrente und bleibt auf die Rente aus eigener Versicherung beschränkt.
Übergangsrechtlich schließen weder § 300 SGB VI, der gemäß § 14 FRG auch für Änderungen des FRG gilt (vgl. BSG, Urteil vom 19.5.2004, B 13 RJ 46/03 R in SozR 4-5050, § 22b Nr. 3), noch Art. 6 § 4 Abs. 4a des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25.02.1960 (BGBl I, S. 93) idF des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl I, S. 1827) die Anwendbarkeit des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetz aus (vgl. BSG, Urteile vom 21.6.2005, B 8 KN 1/05 R in SozR 4-5050 § 22b Nr. 4 und B 8 KN 9/04 R in SozR 4-1300 § 44 Nr. 5). Nach dem Grundsatz des § 300 Abs. 1 SGB VI sind die Vorschriften dieses Gesetzbuchs von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Anspruch oder einen Sachverhalt auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Als Ausnahme von diesem Grundsatz schreibt § 300 Abs. 2 SGB VI vor, dass aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuchs und durch dieses Gesetzbuch ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden sind, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird.
Die Neufassung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG ist gemäß Art. 9 Nr. 2 iVm Art. 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz am 07.05.1996 in Kraft getreten und nach der Grundregel des § 300 Abs. 1 SGB VI auch auf einen Sachverhalt anzuwenden, der - wie die Biographie des Ehemanns der Klägerin - bereits vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen war. Die gleichzeitig aufgehobene alte Fassung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG gilt nicht nach § 300 Abs. 2 SGB VI ausnahmsweise fort. Denn die Klägerin hatte am 07.05.1996 (noch) keinen durchsetzbaren Anspruch (§ 194 Abs. 1 BGB) auf Witwenrente (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2011, B 5 R 46/10 R in juris). Ihr Witwenrentenanspruch ist nämlich erst mit ihrem Zuzug im Juli 1996 entstanden (BSG a.a.O.) und erst nach Ablauf von drei Monaten nach Inkrafttreten der hier in Rede stehenden Änderung (07.05.1996), nämlich am 20.08.21996 beantragt worden. Dass das RV-Nachhaltigkeitsgesetz erst im Juli 2004 verkündet worden ist, ändert an diesem Ergebnis nichts. Denn der Begriff "Aufhebung" in § 300 Abs. 2 SGB VI bezeichnet nicht die bloße Existenz des Änderungsgesetzes aufgrund seiner Verkündung (Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG), sondern den Zeitpunkt für das Außerkrafttreten des alten Rechts, der sich aus den entsprechenden Anordnungen des in Kraft getretenen (Art. 82 Abs. 2 GG) Änderungsgesetzes ergibt (vgl. BSG a.a.O.), hier also der 07.05.1996. Es bedarf somit keiner Entscheidung ob der Klägerin nach der früheren Gesetzesfassung ein dauerhafter Anspruch auf Witwenrente zugestanden hätte.
Wie das BVerfG mit Beschluss vom 21.07.2010 (1 BvR 2530/05 u.a. in SozR 4-5050 § 22b Nr. 9) festgestellt hat, verstößt Art. 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz, der die Neufassung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG rückwirkend zum 07.05.1996 in Kraft gesetzt hat, nicht gegen Verfassungsrecht. Danach ist § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit hierdurch die Höhe solcher Hinterbliebenenrenten beschränkt wird, die - wie vorliegend - allein auf Zeiten nach dem FRG beruhen und die ohne die in § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetz vorgesehene Beschränkung noch nicht bestandskräftig gewährt worden sind.
Soweit die Klägerin nunmehr noch geltend macht, ihr sei von der Beklagten eine große Witwenrente durch bestandskräftig gewordenen Bescheid bewilligt worden und deshalb sei § 22b FRG in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetz nicht anwendbar, trifft dies nicht zu. Zwar hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 21.07.2010 (a.a.O.) eine verfassungsrechtliche Bewertung hinsichtlich solcher Personen, denen bereits eine Hinterbliebenenrente ohne die Begrenzung auf 25 EP bestandskräftig gewährt wurde, ausdrücklich offen gelassen. Die Klägerin unterfällt aber nicht diesem Personenkreis. Denn die Bewilligung erfolgte aufgrund der noch ausstehenden Entscheidung über die Altenrente der Klägerin lediglich vorläufig und die Witwenrente wurde der Klägerin lediglich als Vorschuss gezahlt.
Gemäß § 42 SGB I können Vorschüsse von dem zuständigen Leistungsträger gezahlt werden, wenn ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist. Einen solchen Vorschuss bewilligte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 21.08.1997. Aus dem eigenständigen Charakter von Vorschussbescheiden folgt, dass hinsichtlich der endgültigen Leistungen keine Bindungswirkung eintritt und ein Vertrauenstatbestand nicht entsteht (s. zum Ganzen Seewald in KassKomm, Sozialversicherungsrecht, § 42 SGB I, u.a. Rdnr. 7). Dabei kommt es wesentlich darauf an, ob der Leistungsträger die Vorläufigkeit bei Bewilligung des Vorschusses kenntlich gemacht hat. Der Adressat muss erkennen können, dass es sich nicht um das letzte Wort der Verwaltung handelt und das Verwaltungsverfahren durch die getroffene Regelung nicht endgültig abgeschlossen werden soll. Dies war im vorliegenden Fall für die Klägerin ersichtlich. Die Beklagte legte in dem Bescheid vom 21.08.1997 dar, dass die endgültige Berechnung noch nicht möglich ist, die Witwenrente daher als vorläufige Leistung iS. des § 42 SGB I gezahlt werde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 SGG liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung einer Witwenrente über den 30.11.1996 hinaus hat.
Die am 1936 geborene Klägerin reiste am 08.07.1996 aus R. in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie ist Spätaussiedlerin im Sinne des § 4 Bundesvertriebenengesetz (BVFG). Ihr Ehemann, A. G. , geboren am 21.05.1934, verstarb am 05.02.1995 in R ...
Die Klägerin beantragte am 20.08.1996 bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (heute: Deutsche Rentenversicherung Bund - DRV Bund) Altersrente für Frauen ab 01.12.1996 und bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (nachfolgend einheitlich Beklagte) Witwenrente. Nachdem die Klägerin bei der Beklagten im August 1997 um schnellstmögliche Verbescheidung ihres Antrags bat, eine Entscheidung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte über den Antrag auf Altersrente für Frauen jedoch noch nicht vorlag, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 21.08.1997 der Klägerin als vorläufige Leistung im Sinne des § 42 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) große Witwenrente ab 08.07.1996 in Höhe von brutto 607,65 DM (Bl. 62 ff. VA). Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Witwenrente unter dem Vorbehalt der Überprüfung im Rahmen der §§ 22b Fremdrentengesetz (FRG) und 97 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nach der Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf Versichertenrente erfolge und deshalb ein vorläufiger Bescheid sei. Zugleich begrenzte die Beklagte die sich auf 28,3936 belaufenden Entgeltpunkte (EP) für anrechenbare Zeiten nach dem FRG auf 25 EP. Hinsichtlich der Rentenberechnung wird auf den Bescheid vom 21.08.1997 verwiesen.
Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 14.11.1997 Altersrente für Frauen ab dem 01.12.1996 in Höhe von brutto 968,64 DM. Bei der Rentenberechnung berücksichtigte sie anrechenbare Zeiten nach dem FRG begrenzt auf 25 EP.
Mit den zusammen versandten Bescheiden vom 19.06.1998 und 25.08.1998 bewilligte die Beklagte der Klägerin große Witwenrente für die Zeit ab 08.07.1996, für die Zeit vom 08.07.1996 bis 30.11.1996 in Höhe von 575,70 DM (Bl. 122 ff. und 141 ff. VA). Eine Auszahlung der Witwenrente ab 01.12.1996 lehnte sie ab, weil die Klägerin 25 EP bereits aus ihrer ab 01.12.1996 zuerkannten Versichertenrente erreiche, sodass ab 01.12.1996 keine EP aus der Witwenrente zu berücksichtigen seien. Der vorläufige Bescheid vom 21.08.1997 werde zurückgenommen. Diese Bescheide wurden bestandskräftig. Hinsichtlich der Rentenberechnung wird auf den Bescheid vom 19.06.1998 Bezug genommen.
Am 16.04.2002 beantragte die Klägerin sinngemäß die Neuberechnung der Hinterbliebenenrente und verwies nachfolgend auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.08.2001 - B 4 RA 118/00 R -. Mit Bescheid vom 19.12.2002 (Bl. 235 ff. VA) und Widerspruchsbescheid vom 30.04.2003 (Bl. 249 ff. VA) lehnte die Beklagte die Rücknahme der Bescheide vom 19.06.1998 und 25.08.1998 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ab. Zur Begründung führte sie aus, dass nach § 22b Abs. 1 FRG der Höchstwert von 25 EP für die FRG-Anteile aller Renten eines Berechtigten gälte. Da die Klägerin schon bei ihrer Altersrente den Höchstwert erreicht habe, würden sich bei der Witwenrente ab 01.12.1996 keine EP zur Zahlbarmachung der Rente ergeben. Die Entscheidung des BSG vom 30.08.2001 - B 4 RA 118/00 R - sei auf den Fall der Klägerin nicht übertragbar.
Hiergegen hat die Klägerin am 05.06.2003 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Mit Urteil vom 14.01.2004 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, die Hinterbliebenenrente der Klägerin für die Zeit ab 01.01.1998 neu zu berechnen und an die Klägerin auszuzahlen. Zur Begründung hat sich das Sozialgericht auf das von der Klägerin zitierte Urteil des BSG gestützt und ausgeführt, eine Begrenzung der nach dem Gesetz berücksichtigten EP auch für die Inhaber einer Hinterbliebenenrente neben einer eigenen Rente auf insgesamt 25 EP sei nicht gerechtfertigt.
Hiergegen hat die Beklagte am 12.02.2004 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt (L 10 RJ 604/04). Während des Ruhen des Verfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 19.03.2009 einen erneuten Überprüfungsantrag der Klägerin bzgl. der Rentenbescheide aus dem Jahr 1998 abgelehnt (Bl. 34 ff. LSG-Akte).
Zwischenzeitlich trägt die Beklagte vor, dass aufgrund der Rechtsprechung des BSG zu § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG in der bei Erlass der Bescheide aus dem Jahr 1996 und 1998 geltenden Fassung der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) vom 21.07.2004 (BGBl. I, S. 1791) dem § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG rückwirkend ab 07.05.1996 einen neuen Wortlaut gegeben habe. Diese echte Rückwirkung sei nach Auffassung des BSG (Urteil vom 21.06.2005, B 8 KN 1/05 R u.a.) zulässig. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe mit Beschluss vom 21.07.2010 in dem Verfahren 1 BvR 2530/05 u.a. auch rückwirkend die Kürzung solcher Hinterbliebenenrenten, die alleine auf Zeiten nach dem Fremdrentenrecht beruhten, als verfassungsgemäß bestätigt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14.01.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, ihr sei mit Bescheid vom 21.08.1997 Witwenrente bewilligt worden. Dieser Bescheid sei rechtskräftig geworden. Zwar sei der Bescheid mit einem Vorbehalt versehen worden. Nachdem das BVerfG aber entschieden habe, dass § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG auf solche Verfahren, in denen Witwenrente rechtskräftig bewilligt worden sei, nicht rückwirkend angewendet werden dürfe, seien die nachfolgenden Bescheide rechtswidrig und aufzuheben. Alles andere widerspreche den Normen der Rechtsstaatlichkeit, zu denen auch die verfassungsgerichtlichen Entscheidungen gehören würden.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.
Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 19.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2003 ist rechtmäßig. Die Beklagte lehnte es zu Recht ab, ihre bestandskräftigen Bescheide vom 19.06.1998 und 25.08.1998 hinsichtlich der Rentenhöhe zurückzunehmen und der Klägerin auch für die Zeit ab 01.12.1996 große Witwenrente zu zahlen.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 19.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2003, mit dem die Beklagte die Rücknahme der als einheitliche Entscheidung ergangenen Bescheide vom 19.06.1998 und 25.08.1998 ablehnte, nicht hingegen der Bescheid vom 19.03.2009. Dieser ist nicht gemäß § 96 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Nach § 96 Abs. 1 SGG, der für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gemäß § 153 Abs. 1 SGG entsprechend gilt, wird ein neuer Verwaltungsakt dann Gegenstand des Verfahrens, wenn er den mit der Klage angefochtenen früheren Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Nach diesen Maßstäben hat der Bescheid vom 19.03.2009 den hier angefochtenen Bescheid vom 19.12.2002 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2003) weder abgeändert noch ersetzt. Mit dem Bescheid vom 19.12.2009 lehnte die Beklagte vielmehr einen erneuten Antrag der Klägerin nach § 44 SGB X erneut ab. Der hier angefochtene Bescheid vom 19.12.2002 blieb unberührt. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass durch die Nichteinbeziehung des Bescheides vom 19.03.2009 Rechte der Klägerin nicht beschnitten werden, da in materiell-rechtlicher Hinsicht nach wie vor zu prüfen ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Rücknahme der bestandskräftigen Bescheide vom 19.06.1998 und 25.08.1998 und auf Zahlung der Witwenrente auch ab 01.12.1996 hat.
Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens ist § 44 SGB X. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein bindend gewordener Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen für die Rücknahme der als einheitliche Entscheidung ergangenen Rentenbescheide vom 19.06.1998 und 25.08.1998 sind hinsichtlich der allein streitigen Rentenhöhe nicht erfüllt. Dabei kann offen bleiben, ob die Beklagte - wie das Sozialgericht festgestellt hat - bei Erlass (Bekanntgabe nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X) dieser Bescheide das (damalige) Recht unrichtig anwandte. Denn sie zahlte jedenfalls die große Witwenrente zu Recht nicht aus.
Selbst wenn die Beklagte bei Erlass der Bescheide vom 19.06.1998 und 25.08.1998 das Recht fehlerhaft angewandt hätte, würde dies keinen Anspruch auf Rücknahme dieser Bescheide begründen. Denn es fehlt die weitere Voraussetzung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, dass wegen der unrichtigen Rechtsanwendung Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten worden sind. Ob diese (weitere) Voraussetzung erfüllt ist, richtet sich nach der materiellen Rechtslage, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Überprüfungsentscheidung besteht (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2011, B 5 R 46/10 R in juris, m.w.N.). Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher grundsätzlich die letzte mündliche Verhandlung. Hat sich das Recht während des anhängigen Rechtsstreits geändert, so ist das neue Recht auch im gerichtlichen Verfahren zu beachten, wenn es das streitige Rechtsverhältnis nach seinem zeitlichen Geltungswillen erfasst (BSG, a.a.O.).
Dieser Fall ist hier gegeben. § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG in der bei Erlass der Bescheide aus dem Jahr 1996 und 1998 geltenden Fassung ist während des anhängigen Verfahrens mit Art. 9 Nr. 2 iVm Art. 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz rückwirkend zum 07.05.1996 geändert worden. Nach der Neufassung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG werden für anrechenbare Zeiten nach dem FRG für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 EP der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten zu Grunde gelegt. Nach § 22b Abs. 1 Satz 3 FRG, der nachträglich durch Art. 12 Nr. 2 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung vom 16.12.1997 (Rentenreformgesetz 1999 - RRG 1999 -, BGBl I, S. 2998) mit (Rück-)Wirkung zum 07.05.1996 (Art. 33 Abs. 7 RRG 1999) angefügt worden ist, sind EP aus der Rente mit einem höheren Rentenartfaktor vorrangig zu berücksichtigen.
Hieran gemessen hat die Klägerin ab 01.12.1996 kein Recht auf Zahlung von Witwenrente. EP aus ihrer Regelaltersrente sind gemäß § 22b Abs. 1 Satz 3 FRG vorrangig zu berücksichtigen. Denn der Rentenartfaktor der persönlichen EP bei dieser Rentenart (§ 35 SGB VI) ist mit 1,0 höher (§ 67 Nr. 1 SGB VI) als der Rentenartfaktor bei der großen Witwenrente nach Ablauf des sogenannten Sterbevierteljahres für persönliche EP in der allgemeinen Rentenversicherung gemäß § 67 Nr. 6 SGB VI in der damals geltenden Fassung vom 18.12.1989 in Höhe von 0,6. Da laut Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 14.11.1997 bei der Altersrente der Klägerin ab 01.12.1996 bereits 25 EP für anrechenbare Zeiten nach dem FRG zu berücksichtigen waren, war damit schon die Höchstzahl an EP erreicht, die § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetz für ein Zusammentreffen von Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes zulässt. Folglich war für die große Witwenrente ab 01.12.1996 kein (zahlbarer) Monatsbetrag der Rente (§ 64 SGB VI) festzustellen. Im Ergebnis ist die Klägerin Inhaberin eines "leeren Rechts" auf Witwenrente und bleibt auf die Rente aus eigener Versicherung beschränkt.
Übergangsrechtlich schließen weder § 300 SGB VI, der gemäß § 14 FRG auch für Änderungen des FRG gilt (vgl. BSG, Urteil vom 19.5.2004, B 13 RJ 46/03 R in SozR 4-5050, § 22b Nr. 3), noch Art. 6 § 4 Abs. 4a des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25.02.1960 (BGBl I, S. 93) idF des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl I, S. 1827) die Anwendbarkeit des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetz aus (vgl. BSG, Urteile vom 21.6.2005, B 8 KN 1/05 R in SozR 4-5050 § 22b Nr. 4 und B 8 KN 9/04 R in SozR 4-1300 § 44 Nr. 5). Nach dem Grundsatz des § 300 Abs. 1 SGB VI sind die Vorschriften dieses Gesetzbuchs von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Anspruch oder einen Sachverhalt auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Als Ausnahme von diesem Grundsatz schreibt § 300 Abs. 2 SGB VI vor, dass aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuchs und durch dieses Gesetzbuch ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden sind, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird.
Die Neufassung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG ist gemäß Art. 9 Nr. 2 iVm Art. 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz am 07.05.1996 in Kraft getreten und nach der Grundregel des § 300 Abs. 1 SGB VI auch auf einen Sachverhalt anzuwenden, der - wie die Biographie des Ehemanns der Klägerin - bereits vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen war. Die gleichzeitig aufgehobene alte Fassung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG gilt nicht nach § 300 Abs. 2 SGB VI ausnahmsweise fort. Denn die Klägerin hatte am 07.05.1996 (noch) keinen durchsetzbaren Anspruch (§ 194 Abs. 1 BGB) auf Witwenrente (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2011, B 5 R 46/10 R in juris). Ihr Witwenrentenanspruch ist nämlich erst mit ihrem Zuzug im Juli 1996 entstanden (BSG a.a.O.) und erst nach Ablauf von drei Monaten nach Inkrafttreten der hier in Rede stehenden Änderung (07.05.1996), nämlich am 20.08.21996 beantragt worden. Dass das RV-Nachhaltigkeitsgesetz erst im Juli 2004 verkündet worden ist, ändert an diesem Ergebnis nichts. Denn der Begriff "Aufhebung" in § 300 Abs. 2 SGB VI bezeichnet nicht die bloße Existenz des Änderungsgesetzes aufgrund seiner Verkündung (Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG), sondern den Zeitpunkt für das Außerkrafttreten des alten Rechts, der sich aus den entsprechenden Anordnungen des in Kraft getretenen (Art. 82 Abs. 2 GG) Änderungsgesetzes ergibt (vgl. BSG a.a.O.), hier also der 07.05.1996. Es bedarf somit keiner Entscheidung ob der Klägerin nach der früheren Gesetzesfassung ein dauerhafter Anspruch auf Witwenrente zugestanden hätte.
Wie das BVerfG mit Beschluss vom 21.07.2010 (1 BvR 2530/05 u.a. in SozR 4-5050 § 22b Nr. 9) festgestellt hat, verstößt Art. 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz, der die Neufassung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG rückwirkend zum 07.05.1996 in Kraft gesetzt hat, nicht gegen Verfassungsrecht. Danach ist § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit hierdurch die Höhe solcher Hinterbliebenenrenten beschränkt wird, die - wie vorliegend - allein auf Zeiten nach dem FRG beruhen und die ohne die in § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetz vorgesehene Beschränkung noch nicht bestandskräftig gewährt worden sind.
Soweit die Klägerin nunmehr noch geltend macht, ihr sei von der Beklagten eine große Witwenrente durch bestandskräftig gewordenen Bescheid bewilligt worden und deshalb sei § 22b FRG in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetz nicht anwendbar, trifft dies nicht zu. Zwar hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 21.07.2010 (a.a.O.) eine verfassungsrechtliche Bewertung hinsichtlich solcher Personen, denen bereits eine Hinterbliebenenrente ohne die Begrenzung auf 25 EP bestandskräftig gewährt wurde, ausdrücklich offen gelassen. Die Klägerin unterfällt aber nicht diesem Personenkreis. Denn die Bewilligung erfolgte aufgrund der noch ausstehenden Entscheidung über die Altenrente der Klägerin lediglich vorläufig und die Witwenrente wurde der Klägerin lediglich als Vorschuss gezahlt.
Gemäß § 42 SGB I können Vorschüsse von dem zuständigen Leistungsträger gezahlt werden, wenn ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist. Einen solchen Vorschuss bewilligte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 21.08.1997. Aus dem eigenständigen Charakter von Vorschussbescheiden folgt, dass hinsichtlich der endgültigen Leistungen keine Bindungswirkung eintritt und ein Vertrauenstatbestand nicht entsteht (s. zum Ganzen Seewald in KassKomm, Sozialversicherungsrecht, § 42 SGB I, u.a. Rdnr. 7). Dabei kommt es wesentlich darauf an, ob der Leistungsträger die Vorläufigkeit bei Bewilligung des Vorschusses kenntlich gemacht hat. Der Adressat muss erkennen können, dass es sich nicht um das letzte Wort der Verwaltung handelt und das Verwaltungsverfahren durch die getroffene Regelung nicht endgültig abgeschlossen werden soll. Dies war im vorliegenden Fall für die Klägerin ersichtlich. Die Beklagte legte in dem Bescheid vom 21.08.1997 dar, dass die endgültige Berechnung noch nicht möglich ist, die Witwenrente daher als vorläufige Leistung iS. des § 42 SGB I gezahlt werde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 SGG liegen nicht vor.
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