Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
208
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 208 KR 2698/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein vorsätzliches Vorenthalten von Beiträgen im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV setzt voraus, dass der Beitragsschuldner eine ihm von Gesetzes wegen gebotene Handlung unterlassen hat. Dies ist im Rahmen des Haushaltsscheckverfahrens nicht der Fall, wenn der Beitragsschuldner bei der Einzugsstelle einen Haushaltsscheck eingereicht und ihr eine Einzugsermächtigung erteilt hat, die Einzugsstelle aber von der Einzugsermächtigung keinen Gebrauch macht. Die Kenntnis der Beitragspflicht ist nicht hinreichend.
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Abgabenbescheid vom 24.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2015 wird angeordnet, soweit die Antragsgegnerin für die Zeit vom 01.01.2004 bis zum 30.06.2010 Beiträge zur Kranken-, Renten- und zur gesetzlichen Unfallversicherung sowie die Umlagen U 1 und U 2 geltend macht. Im Übrigen wird der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 1.458,72 EUR festgesetzt.
Gründe:
Der am 22.10.2015 bei Gericht eingegangene Antrag, gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist zulässig und überwiegend begründet.
Mit ihrer Klage vom 17.08.2015 ficht die Antragstellerin den Abgabenbescheid der Antragsgegnerin vom 24.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2015 an. Die Antragsgegnerin macht mit dem Abgabenbescheid Abgaben im Haushaltsscheckverfahren für die Zeit vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2014 betreffend die Beschäftigten H. T. und R. T. in Höhe von insgesamt 5.497,20 EUR geltend. Der Betrag sei bis zum 15.05.2015 fällig. Die Antragstellerin zahlte an die Antragsgegnerin einen Betrag in Höhe von 2.075,76 EUR für die Jahre 2011 bis 2014. Die Klage vom 17.08.2015 sowie der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung richten sich gemäß dem Schreiben der Antragstellerin vom 03.12.2015 gegen die Festsetzung betreffend die Jahre 2004 bis 2010, freilich nicht hinsichtlich der Pauschsteuerbeträge. Insoweit sei angemerkt, dass insoweit der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit nicht eröffnet sein dürfte (vgl. FG Köln, Urteil vom 26.02.2015 – 6 K 116/13). Die Rechtsbehelfsbelehrung in dem Widerspruchsbescheid vom 23.07.2015 dürfte insoweit nicht zutreffend sein, sofern vom maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont auch der Einspruch bezüglich der Pauschsteuer beschieden wurde, was hier dahinstehen kann. Der Auffassung der Antragsgegnerin, der Widerspruchsbescheid habe nicht die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung betroffen, so dass die Klage insoweit unzulässig wäre, folgt die Kammer nicht. Entscheidend ist der objektive Sinngehalt der Erklärung, das heißt, wie der Empfänger die Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste (vgl. zur Auslegung allgemein Stöhr, JuS 2010, 292). Der Widerspruch der Antragstellerin vom 20.05.2015 wurde ausdrücklich insoweit eingelegt, als "pauschale Beiträge bzw. Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung sowie Beiträge zur Unfallversicherung" für die Zeit vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2010 erhoben wurden. Eine hinreichend deutliche Aussage, dass der Widerspruchsbescheid nicht die Beiträge zur Unfallversicherung betrifft, findet sich nicht. Es wird der "Widerspruch vom 20.05.2015" beschieden. Aus der Aussage zum Schluss des Widerspruchsbescheides, "der angefochtene Bescheid über Pauschalbeiträge, Umlagen und Pauschsteuern für die Zeit ab 2004" sei nicht zu beanstanden, kann bei verständiger Würdigung nicht entnommen werden, dass der Widerspruch bezüglich der gesetzlichen Unfallversicherung nicht beschieden wird. Zwar ist den Anlagen 1 und 3 des Abgabenbescheides zu entnehmen, dass die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung dort nicht als "Pauschalbeiträge" bezeichnet werden. Jedoch ist weder eine derartige Einschränkung dem Verfügungssatz des Widerspruchsbescheids zu entnehmen, noch kann erwartet werden, dass ohne ausdrückliche Erwähnung der Unfallversicherungsbeiträge im Widerspruchsbescheid diese nicht zu den "Pauschalbeiträgen" gerechnet werden, schließlich wurden auch die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung pauschal berechnet. Dass die Antragsgegnerin sachlich nicht zuständig für eine Widerspruchsentscheidung war, da dies von dem Auftrag der zuständigen Unfallkasse (§ 88 SGB X) nicht gedeckt ist (vgl. § 4 der Vereinbarung zwischen den Unfallversicherungsträgern im kommunalen Bereich und der Bundesknappschaft vom 24.08.2005), steht der Zulässigkeit der Klage und der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen. Denn § 78 Sozialgerichtsgesetz (SGG) besagt nicht, dass der Widerspruchsbescheid als gebotene Prozessvoraussetzung frei von Rechtsfehlern sein muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.02.1986 – 5 C 23/85).
Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Klage der Antragstellerin hat gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung. Nach dieser Vorschrift entfällt die aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 1 SGG) bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Anlass für ein Abweichen von dem gesetzlich angeordneten Regelfall der sofortigen Vollziehung im Fall des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG besteht nur, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist. Der Maßstab ergibt sich in diesem Fall aus § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG. Hiernach soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides. Solche Zweifel liegen dann vor, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs nach der im vorliegenden Verfahren allein gebotenen summarischen Prüfung wahrscheinlicher ist als sein Misserfolg (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.09.2007 – L 9 B 374/07 KR ER). Dies ist hier der Fall. Der Abgabenbescheid der Antragsgegnerin erweist sich bei summarischer Prüfung hinsichtlich der Beiträge und Umlagen für die Zeit bis zum 30.06.2010 als rechtswidrig. Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 28h Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist gemäß § 28h Abs. 1 Satz 1 SGB IV an die Krankenkassen (Einzugsstellen) zu zahlen. Die Einzugsstelle überwacht die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Abs. 1 Satz 2). Beitragsansprüche, die nicht rechtzeitig erfüllt worden sind, hat die Einzugsstelle geltend zu machen (Abs. 1 Satz 3). Bei Verwendung eines Haushaltsschecks vergibt die Einzugsstelle im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit die Betriebsnummer des Arbeitgebers, berechnet den Gesamtsozialversicherungsbeitrag und die Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz und zieht diese vom Arbeitgeber im Wege des Lastschriftverfahrens ein (§ 28h Abs. 3 Satz 1 SGB IV). Bei geringfügigen Beschäftigungen ist zuständige Einzugsstelle die Antragsgegnerin als Trägerin der Rentenversicherung (§ 28i Satz 5 SGB IV). Hinsichtlich der Beiträge zur Unfallversicherung ergibt sich die Befugnis zur Erhebung und Einziehung aus § 2 Abs. 1 der bereits erwähnten Verwaltungsvereinbarung vom 24.08.2005. Beitragspflicht und -höhe sind unstreitig. Die Antragstellerin ist jedoch der Auffassung, die Beiträge betreffend die Zeit vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2010 seien gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjährt. Nach dieser Vorschrift verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Gemäß § 23 Abs. 2a SGB IV in der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung sind bei Verwendung eines Haushaltsschecks die Beiträge für das in den Monaten Januar bis Juni erzielte Arbeitsentgelt am 15. Juli des laufenden Jahres und für das in den Monaten Juli bis Dezember erzielte Arbeitsentgelt am 15. Januar des folgenden Jahres fällig. Die Beiträge für die Zeit vom bis zum 30.06.2010 wurden demgemäß spätestens am 15.07.2010 fällig mit der Folge, dass die Verjährungsfrist nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV mit dem 31.12.2014 ablief. Für die Zeit vom 01.07. bis zum 31.12.2010 wurden die Beiträge erst am 15.01.2011 fällig. Die Verjährung kann insoweit frühestens am 31.12.2015 eintreten. Durch den Bescheid vom 24.04.2015 wurde die Verjährung insoweit freilich gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB X gehemmt. Das Dargelegte gilt auch hinsichtlich der Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, da auch insoweit die Fälligkeit gemäß § 23 Abs. 3 Satz 4 SGB IV nach § 23 Abs. 2a SGB IV und die Verjährung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu beurteilen ist. Gemäß § 10 des Gesetzes über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (Aufwendungsausgleichsgesetz – AAG) gelten die genannten Regelungen auch für die Umlagen U 1 und U 2.
Die Kammer ist überzeugt, dass hinsichtlich der Beiträge und Umlagen betreffend die Zeit vom 01.01.2004 bis zum 30.06.2010 Verjährung eingetreten ist. § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV gelangt nicht zur Anwendung. Nach dieser Vorschrift verjähren Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Es liegt kein Fall vorsätzlichen Vorenthaltens von Beiträgen vor. Nach Auffassung der Kammer setzt § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV voraus, dass der Beitragsschuldner eine Handlungspflicht nicht erfüllt hat, also eine ihm von Gesetzes wegen gebotene Handlung unterlassen hat. Die Antragstellerin hat jedoch das ihr von Gesetzes wegen Auferlegte erledigt. Gemäß § 28a Abs. 7 Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber der Einzugsstelle für einen im privaten Haushalt Beschäftigten unverzüglich eine vereinfachte Meldung (Haushaltsscheck) mit den Angaben nach Abs. 8 Satz 1 zu erstatten, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig 450,00 EUR im Monat nicht übersteigt. Der Arbeitgeber hat der Einzugsstelle eine Einzugsermächtigung zum Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zu erteilen (Satz 2). Der Haushaltsscheck ist vom Arbeitgeber und vom Beschäftigten zu unterschreiben (Satz 3). Die Antragstellerin hat bezüglich der Beschäftigten H. T. und R. T. solche Haushaltsschecks (mit Datum vom 11.02.2004) eingereicht und der Antragsgegnerin den Zugriff auf ihr Vermögen mittels Einzugsermächtigungen ermöglicht. Die Antragsgegnerin hat freilich von diesen Einzugsermächtigungen keinen Gebrauch gemacht und wurde erst nach einer Ab- bzw. Änderungsmeldung der Antragstellerin mit E-Mail vom 30.01.2015 tätig. Das Unterlassen geschah auf Seiten der Antragsgegnerin. Das vorgenannte Verständnis des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, aus der Gesetzessystematik sowie aus dem Zweck und der Gesetzgebungsgeschichte. "Vorenthalten" meint dem Wortlaut nach "(jemandem etwas) nicht geben, worauf er Anspruch hat" (vgl. duden.de) und drückt damit aus, dass eine Pflicht zum Geben besteht, die jedoch nicht eingehalten wird. Unter dem Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen im Sinne der Strafvorschrift des § 266a Abs. 1 StGB wird das (pflichtwidrige) Unterlassen der Zahlung der Beiträge spätestens am Fälligkeitstag verstanden (vgl. Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Auflage 2014, § 266a Rn. 5, 9). Eine Zahlungspflicht bestand jedoch nicht, sondern eine Pflicht zur Erteilung der Einzugsermächtigung. § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV stellt nicht etwa darauf ab, ob eine Beitragsschuld bekannt war. In § 24 Abs. 2 SGB IV (Säumniszuschläge für die Vergangenheit) wird hingegen darauf abgestellt, ob der Beitragspflichtige unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bewusst unterschiedliche Formulierungen gewählt hat. Die Vorgängervorschrift zu § 25 SGB IV war bis zum 30.06.1977 § 29 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO). Der dort verwendete Begriff "absichtlich hinterzogen" wurde ersetzt durch "vorsätzlich vorenthalten". Absichtlich im Sinne von § 29 Abs. 1 RVO hinterzog jemand, der die Beiträge wider besseres Wissen trotz Kenntnis der Verpflichtung zur Leistung nicht zahlte mit dem Zweck, sie dem Versicherungsträger zu entziehen (BSG, Urteil vom 30.04.1968 – 3 RK 48/65). Der Begriff des "Vorenthaltens" von Beiträgen war bereits in den (zum 01.08.1986 durch § 266a StGB ersetzten) Strafvorschriften der §§ 529, 1428 RVO, § 150 AVG, § 234 RKG und § 225 AFG enthalten. Der Entwurfsbegründung ist dies zwar nicht zu entnehmen (Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 08.10.1975, Entwurf eines Sozialgesetzbuchs (SGB) – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung, BT-Drucks. 7/4122, S. 34), jedoch ist davon auszugehen, dass die Formulierung in § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV an diese Vorschriften angelehnt wurde (vgl. Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Kranken- und Rentenversicherungsträger sowie der Bundesanstalt für Arbeit vom 01.07.1977, S. 2; DRV Bund, SGB IV, Text und Erläuterungen, 21. Auflage 1/2014, § 25 Ziffer 4). Der Gesetzgeber wollte dadurch offensichtlich den Anwendungsbereich der verlängerten Verjährungsfrist gegenüber dem Tatbestand des "absichtlichen Hinterziehens" erweitern. Nicht abgeschafft werden sollte hingegen die Anknüpfung an ein zu missbilligendes Fehlverhalten des Beitragsschuldners als Voraussetzung für eine (deutlich) verlängerte Verjährungsfrist. Die Kenntnis der Beitragsschuld genügt damit noch nicht, solange nicht eine Verhaltenspflicht verletzt wurde. Auch nach der Abgabenordnung (AO) reicht die Kenntnis der Schuld nicht, um die regelmäßige Verjährungsfrist zu verlängern. So verlangt § 169 Abs. 2 Satz 2 AO, dass eine "Steuer hinterzogen" oder "leichtfertig verkürzt" worden ist und knüpft ebenfalls an den Tatbestand eines missbilligten Verhaltens an (vgl. auch BSG, Urteil vom 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, Rn. 26: "vorsätzliches Fehlverhalten, das mit der 30-jährigen Verjährungsfrist sanktioniert ist"). Die Antragstellerin hat keine Rechtspflicht verletzt. Es liegt kein derartiges Fehlverhalten vor. Vorteil des Haushaltsscheckverfahrens (für den Arbeitgeber) soll gerade sein, dass die Beitragsberechnung sowie die Einziehung durch die Antragsgegnerin erfolgen sollen, nicht durch den Arbeitgeber. So wird auch angenommen, dass eine Strafbarkeit nach § 266a Abs. 1 StGB entfällt, wenn eine Krankenkasse von einer Bankeinzugsermächtigung ohne triftigen Grund keinen Gebrauch nahm und deshalb fällige Beiträge nicht pünktlich erlangte (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Dezember 2007 – III-5 Ss 288/07 - 166/07 IV, Rn. 11, juris; Fischer, StGB, 59. Auflage 2012, § 266a Rn. 11).
Hinsichtlich der Beiträge und Umlagen für die Zeit vom 01.07. bis zum 31.12.2010 hat die Vollziehung des Abgabenbescheides für die Antragstellerin keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge. Eine solche kommt dann in Betracht, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gutgemacht werden können (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 11. Auflage 2014, § 86a Rn. 27 b). Die Antragstellerin hat keine derartigen Nachteile geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 Satz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung. Die Antragstellerin ist nur zu einem geringen Teil unterlegen (1/14).
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 4 des Gerichtskostengesetzes. Hierbei hat das Gericht wegen des nur vorläufigen Charakters des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens den Streitwert auf die Hälfte des Streitwerts in der Hauptsache festgesetzt (2.917,44 EUR = 5.497,20 EUR [Gesamtbetrag] - 2.075,76 EUR [Abgaben ab 2011] - 504,00 EUR [Pauschsteuern]).
Gründe:
Der am 22.10.2015 bei Gericht eingegangene Antrag, gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist zulässig und überwiegend begründet.
Mit ihrer Klage vom 17.08.2015 ficht die Antragstellerin den Abgabenbescheid der Antragsgegnerin vom 24.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2015 an. Die Antragsgegnerin macht mit dem Abgabenbescheid Abgaben im Haushaltsscheckverfahren für die Zeit vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2014 betreffend die Beschäftigten H. T. und R. T. in Höhe von insgesamt 5.497,20 EUR geltend. Der Betrag sei bis zum 15.05.2015 fällig. Die Antragstellerin zahlte an die Antragsgegnerin einen Betrag in Höhe von 2.075,76 EUR für die Jahre 2011 bis 2014. Die Klage vom 17.08.2015 sowie der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung richten sich gemäß dem Schreiben der Antragstellerin vom 03.12.2015 gegen die Festsetzung betreffend die Jahre 2004 bis 2010, freilich nicht hinsichtlich der Pauschsteuerbeträge. Insoweit sei angemerkt, dass insoweit der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit nicht eröffnet sein dürfte (vgl. FG Köln, Urteil vom 26.02.2015 – 6 K 116/13). Die Rechtsbehelfsbelehrung in dem Widerspruchsbescheid vom 23.07.2015 dürfte insoweit nicht zutreffend sein, sofern vom maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont auch der Einspruch bezüglich der Pauschsteuer beschieden wurde, was hier dahinstehen kann. Der Auffassung der Antragsgegnerin, der Widerspruchsbescheid habe nicht die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung betroffen, so dass die Klage insoweit unzulässig wäre, folgt die Kammer nicht. Entscheidend ist der objektive Sinngehalt der Erklärung, das heißt, wie der Empfänger die Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste (vgl. zur Auslegung allgemein Stöhr, JuS 2010, 292). Der Widerspruch der Antragstellerin vom 20.05.2015 wurde ausdrücklich insoweit eingelegt, als "pauschale Beiträge bzw. Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung sowie Beiträge zur Unfallversicherung" für die Zeit vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2010 erhoben wurden. Eine hinreichend deutliche Aussage, dass der Widerspruchsbescheid nicht die Beiträge zur Unfallversicherung betrifft, findet sich nicht. Es wird der "Widerspruch vom 20.05.2015" beschieden. Aus der Aussage zum Schluss des Widerspruchsbescheides, "der angefochtene Bescheid über Pauschalbeiträge, Umlagen und Pauschsteuern für die Zeit ab 2004" sei nicht zu beanstanden, kann bei verständiger Würdigung nicht entnommen werden, dass der Widerspruch bezüglich der gesetzlichen Unfallversicherung nicht beschieden wird. Zwar ist den Anlagen 1 und 3 des Abgabenbescheides zu entnehmen, dass die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung dort nicht als "Pauschalbeiträge" bezeichnet werden. Jedoch ist weder eine derartige Einschränkung dem Verfügungssatz des Widerspruchsbescheids zu entnehmen, noch kann erwartet werden, dass ohne ausdrückliche Erwähnung der Unfallversicherungsbeiträge im Widerspruchsbescheid diese nicht zu den "Pauschalbeiträgen" gerechnet werden, schließlich wurden auch die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung pauschal berechnet. Dass die Antragsgegnerin sachlich nicht zuständig für eine Widerspruchsentscheidung war, da dies von dem Auftrag der zuständigen Unfallkasse (§ 88 SGB X) nicht gedeckt ist (vgl. § 4 der Vereinbarung zwischen den Unfallversicherungsträgern im kommunalen Bereich und der Bundesknappschaft vom 24.08.2005), steht der Zulässigkeit der Klage und der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen. Denn § 78 Sozialgerichtsgesetz (SGG) besagt nicht, dass der Widerspruchsbescheid als gebotene Prozessvoraussetzung frei von Rechtsfehlern sein muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.02.1986 – 5 C 23/85).
Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Klage der Antragstellerin hat gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung. Nach dieser Vorschrift entfällt die aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 1 SGG) bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Anlass für ein Abweichen von dem gesetzlich angeordneten Regelfall der sofortigen Vollziehung im Fall des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG besteht nur, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist. Der Maßstab ergibt sich in diesem Fall aus § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG. Hiernach soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides. Solche Zweifel liegen dann vor, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs nach der im vorliegenden Verfahren allein gebotenen summarischen Prüfung wahrscheinlicher ist als sein Misserfolg (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.09.2007 – L 9 B 374/07 KR ER). Dies ist hier der Fall. Der Abgabenbescheid der Antragsgegnerin erweist sich bei summarischer Prüfung hinsichtlich der Beiträge und Umlagen für die Zeit bis zum 30.06.2010 als rechtswidrig. Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 28h Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist gemäß § 28h Abs. 1 Satz 1 SGB IV an die Krankenkassen (Einzugsstellen) zu zahlen. Die Einzugsstelle überwacht die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Abs. 1 Satz 2). Beitragsansprüche, die nicht rechtzeitig erfüllt worden sind, hat die Einzugsstelle geltend zu machen (Abs. 1 Satz 3). Bei Verwendung eines Haushaltsschecks vergibt die Einzugsstelle im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit die Betriebsnummer des Arbeitgebers, berechnet den Gesamtsozialversicherungsbeitrag und die Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz und zieht diese vom Arbeitgeber im Wege des Lastschriftverfahrens ein (§ 28h Abs. 3 Satz 1 SGB IV). Bei geringfügigen Beschäftigungen ist zuständige Einzugsstelle die Antragsgegnerin als Trägerin der Rentenversicherung (§ 28i Satz 5 SGB IV). Hinsichtlich der Beiträge zur Unfallversicherung ergibt sich die Befugnis zur Erhebung und Einziehung aus § 2 Abs. 1 der bereits erwähnten Verwaltungsvereinbarung vom 24.08.2005. Beitragspflicht und -höhe sind unstreitig. Die Antragstellerin ist jedoch der Auffassung, die Beiträge betreffend die Zeit vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2010 seien gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjährt. Nach dieser Vorschrift verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Gemäß § 23 Abs. 2a SGB IV in der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung sind bei Verwendung eines Haushaltsschecks die Beiträge für das in den Monaten Januar bis Juni erzielte Arbeitsentgelt am 15. Juli des laufenden Jahres und für das in den Monaten Juli bis Dezember erzielte Arbeitsentgelt am 15. Januar des folgenden Jahres fällig. Die Beiträge für die Zeit vom bis zum 30.06.2010 wurden demgemäß spätestens am 15.07.2010 fällig mit der Folge, dass die Verjährungsfrist nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV mit dem 31.12.2014 ablief. Für die Zeit vom 01.07. bis zum 31.12.2010 wurden die Beiträge erst am 15.01.2011 fällig. Die Verjährung kann insoweit frühestens am 31.12.2015 eintreten. Durch den Bescheid vom 24.04.2015 wurde die Verjährung insoweit freilich gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB X gehemmt. Das Dargelegte gilt auch hinsichtlich der Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, da auch insoweit die Fälligkeit gemäß § 23 Abs. 3 Satz 4 SGB IV nach § 23 Abs. 2a SGB IV und die Verjährung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu beurteilen ist. Gemäß § 10 des Gesetzes über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (Aufwendungsausgleichsgesetz – AAG) gelten die genannten Regelungen auch für die Umlagen U 1 und U 2.
Die Kammer ist überzeugt, dass hinsichtlich der Beiträge und Umlagen betreffend die Zeit vom 01.01.2004 bis zum 30.06.2010 Verjährung eingetreten ist. § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV gelangt nicht zur Anwendung. Nach dieser Vorschrift verjähren Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Es liegt kein Fall vorsätzlichen Vorenthaltens von Beiträgen vor. Nach Auffassung der Kammer setzt § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV voraus, dass der Beitragsschuldner eine Handlungspflicht nicht erfüllt hat, also eine ihm von Gesetzes wegen gebotene Handlung unterlassen hat. Die Antragstellerin hat jedoch das ihr von Gesetzes wegen Auferlegte erledigt. Gemäß § 28a Abs. 7 Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber der Einzugsstelle für einen im privaten Haushalt Beschäftigten unverzüglich eine vereinfachte Meldung (Haushaltsscheck) mit den Angaben nach Abs. 8 Satz 1 zu erstatten, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig 450,00 EUR im Monat nicht übersteigt. Der Arbeitgeber hat der Einzugsstelle eine Einzugsermächtigung zum Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zu erteilen (Satz 2). Der Haushaltsscheck ist vom Arbeitgeber und vom Beschäftigten zu unterschreiben (Satz 3). Die Antragstellerin hat bezüglich der Beschäftigten H. T. und R. T. solche Haushaltsschecks (mit Datum vom 11.02.2004) eingereicht und der Antragsgegnerin den Zugriff auf ihr Vermögen mittels Einzugsermächtigungen ermöglicht. Die Antragsgegnerin hat freilich von diesen Einzugsermächtigungen keinen Gebrauch gemacht und wurde erst nach einer Ab- bzw. Änderungsmeldung der Antragstellerin mit E-Mail vom 30.01.2015 tätig. Das Unterlassen geschah auf Seiten der Antragsgegnerin. Das vorgenannte Verständnis des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, aus der Gesetzessystematik sowie aus dem Zweck und der Gesetzgebungsgeschichte. "Vorenthalten" meint dem Wortlaut nach "(jemandem etwas) nicht geben, worauf er Anspruch hat" (vgl. duden.de) und drückt damit aus, dass eine Pflicht zum Geben besteht, die jedoch nicht eingehalten wird. Unter dem Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen im Sinne der Strafvorschrift des § 266a Abs. 1 StGB wird das (pflichtwidrige) Unterlassen der Zahlung der Beiträge spätestens am Fälligkeitstag verstanden (vgl. Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Auflage 2014, § 266a Rn. 5, 9). Eine Zahlungspflicht bestand jedoch nicht, sondern eine Pflicht zur Erteilung der Einzugsermächtigung. § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV stellt nicht etwa darauf ab, ob eine Beitragsschuld bekannt war. In § 24 Abs. 2 SGB IV (Säumniszuschläge für die Vergangenheit) wird hingegen darauf abgestellt, ob der Beitragspflichtige unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bewusst unterschiedliche Formulierungen gewählt hat. Die Vorgängervorschrift zu § 25 SGB IV war bis zum 30.06.1977 § 29 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO). Der dort verwendete Begriff "absichtlich hinterzogen" wurde ersetzt durch "vorsätzlich vorenthalten". Absichtlich im Sinne von § 29 Abs. 1 RVO hinterzog jemand, der die Beiträge wider besseres Wissen trotz Kenntnis der Verpflichtung zur Leistung nicht zahlte mit dem Zweck, sie dem Versicherungsträger zu entziehen (BSG, Urteil vom 30.04.1968 – 3 RK 48/65). Der Begriff des "Vorenthaltens" von Beiträgen war bereits in den (zum 01.08.1986 durch § 266a StGB ersetzten) Strafvorschriften der §§ 529, 1428 RVO, § 150 AVG, § 234 RKG und § 225 AFG enthalten. Der Entwurfsbegründung ist dies zwar nicht zu entnehmen (Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 08.10.1975, Entwurf eines Sozialgesetzbuchs (SGB) – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung, BT-Drucks. 7/4122, S. 34), jedoch ist davon auszugehen, dass die Formulierung in § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV an diese Vorschriften angelehnt wurde (vgl. Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Kranken- und Rentenversicherungsträger sowie der Bundesanstalt für Arbeit vom 01.07.1977, S. 2; DRV Bund, SGB IV, Text und Erläuterungen, 21. Auflage 1/2014, § 25 Ziffer 4). Der Gesetzgeber wollte dadurch offensichtlich den Anwendungsbereich der verlängerten Verjährungsfrist gegenüber dem Tatbestand des "absichtlichen Hinterziehens" erweitern. Nicht abgeschafft werden sollte hingegen die Anknüpfung an ein zu missbilligendes Fehlverhalten des Beitragsschuldners als Voraussetzung für eine (deutlich) verlängerte Verjährungsfrist. Die Kenntnis der Beitragsschuld genügt damit noch nicht, solange nicht eine Verhaltenspflicht verletzt wurde. Auch nach der Abgabenordnung (AO) reicht die Kenntnis der Schuld nicht, um die regelmäßige Verjährungsfrist zu verlängern. So verlangt § 169 Abs. 2 Satz 2 AO, dass eine "Steuer hinterzogen" oder "leichtfertig verkürzt" worden ist und knüpft ebenfalls an den Tatbestand eines missbilligten Verhaltens an (vgl. auch BSG, Urteil vom 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, Rn. 26: "vorsätzliches Fehlverhalten, das mit der 30-jährigen Verjährungsfrist sanktioniert ist"). Die Antragstellerin hat keine Rechtspflicht verletzt. Es liegt kein derartiges Fehlverhalten vor. Vorteil des Haushaltsscheckverfahrens (für den Arbeitgeber) soll gerade sein, dass die Beitragsberechnung sowie die Einziehung durch die Antragsgegnerin erfolgen sollen, nicht durch den Arbeitgeber. So wird auch angenommen, dass eine Strafbarkeit nach § 266a Abs. 1 StGB entfällt, wenn eine Krankenkasse von einer Bankeinzugsermächtigung ohne triftigen Grund keinen Gebrauch nahm und deshalb fällige Beiträge nicht pünktlich erlangte (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Dezember 2007 – III-5 Ss 288/07 - 166/07 IV, Rn. 11, juris; Fischer, StGB, 59. Auflage 2012, § 266a Rn. 11).
Hinsichtlich der Beiträge und Umlagen für die Zeit vom 01.07. bis zum 31.12.2010 hat die Vollziehung des Abgabenbescheides für die Antragstellerin keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge. Eine solche kommt dann in Betracht, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gutgemacht werden können (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 11. Auflage 2014, § 86a Rn. 27 b). Die Antragstellerin hat keine derartigen Nachteile geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 Satz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung. Die Antragstellerin ist nur zu einem geringen Teil unterlegen (1/14).
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 4 des Gerichtskostengesetzes. Hierbei hat das Gericht wegen des nur vorläufigen Charakters des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens den Streitwert auf die Hälfte des Streitwerts in der Hauptsache festgesetzt (2.917,44 EUR = 5.497,20 EUR [Gesamtbetrag] - 2.075,76 EUR [Abgaben ab 2011] - 504,00 EUR [Pauschsteuern]).
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