Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 3749/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 805/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 22. Januar 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und die Feststellung einer Supraspinatussehnenruptur als Unfallfolge.
Der 1959 geborene Kläger ist Maler- und Lackierermeister. Er ist bzw. war zur Zeit des Unfalls als Gesellschafter (Kommanditist) und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer (der Komplementärin) einer GmbH & Co. KG (HRA 720123 und HRB 720266 des Amtsgerichts Ulm, abgerufen am 12. Januar 2016) bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert. Gegenstand des Unternehmens sind Malen, Tapezieren und Bodenbeläge (http://www.wohn¬decor-straub.de, abgerufen am 12. Januar 2016).
Am 19. April 2012 stürzte der Kläger während der Montage eines Rollos von einer Leiter und zog sich ausweislich des H-Arztberichtes von Dr. V. vom selben Tag eine Schulterkontusion rechts, eine Ellenbogenkontusion rechts sowie eine Fußverstauchung rechts zu. Es wurde eine eingeschränkte aktive Beweglichkeit der Schulter rechts festgestellt. Weiterhin wurde eine MRT-Abklärung veranlasst.
In der Unfallanzeige vom 12. Mai 2012 gab der Kläger an, er sei beim Montieren eines Rollos zwei Stufen von der Leiter gestürzt und auf die Schulter gefallen.
Das MRT wurde am 20. April 2012 bei Dr. B. durchgeführt. Nach dem Bericht vom selben Tage bestand ein ausgeprägtes Weichteilhämatom im Bereich der rechten Schulter, aber kein pathologisches Knochenmarködem. Für den Bereich der Rotatorenmanschette imponierten inkomplette Teilrupturen des Musculus supraspinatus, subscapularis und des Musculus infraspinatus. Daneben beständen eine leicht aktivierte AC-Gelenks-Arthrose sowie eine Tenosynovialitis (Sehnenscheidenentzündung) der langen Bizepssehne. Atrophiezeichen der Rotatorenmanschette wurden ausgeschlossen.
Am 24. Mai 2012 führte Dr. V. eine arthroskopische Operation durch. In seinem Bericht vom selben Tage, den die Beklagte beizog, nannte er als Diagnosen ein chronisches Outlet-Impinge-ment-Syndrom, eine osteophytäre Knochenbildung des AC-Gelenks, eine chronische Bursitis subacromialis mit Verwachsungen, eine Tendinitis (Entzündung) der "LBS" (lange Bizepssehne) und Knorpelschäden Grad III a am Humeruskopf. Durchgeführt wurden eine Resektionsarthroplastik des AC-Gelenks und eine Rekonstruktion der Rotatorenmanschette. Der Beratungsarzt der Beklagten, Dr. K., nahm unter dem 5. September 2012 als Unfallfolge eine Rotatorenmanschettenruptur des rechten Schultergelenkes und eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis zum Abschluss der Behandlung an.
In der Folgezeit kam es zu einer Wundheilungsstörung und im Anschluss daran zu einem Stillstand der Beweglichkeitsverbesserung, wobei die Abduktion zuletzt 60° betrug (Verlaufsbericht von Dr. A. vom 6. Februar 2013). Daraufhin wurde am 11. Oktober 2012 erneut eine MRT durchgeführt. Nach dem Bericht von Dr. N.-K. zeigten die Bilder eine zwischenzeitlich komplette Ruptur der Supraspinatussehne mit 3 cm langer und 2 cm breiter flüssigkeitsgefüllter Sehnenlücke "im Sinne einer Re-Ruptur". Die Retraktion der ruptierten Sehne habe bis in Höhe des AC-Gelenkes gereicht, ohne Nachweis einer fettigen Muskelatrophie. Neu aufgetreten sei eine Komplettruptur der Bizepssehne bei leerem sulcus bicipitis.
Die Beklagte übersandte dem Kläger einen Fragebogen "Schulter", in dem dieser unter dem 16. November 2012 angab, dass er auf die rechte Schulter gestürzt sei, ohne sich abstützen oder abfangen zu können. Er habe die Akkubohrmaschine festgehalten. Die Position des Arms im Aufprallzeitpunkt wisse er nicht. Es seien Schmerzen an der gesamten rechten Schulter und im rechten Arm aufgetreten, der Arm habe nicht mehr hochgehoben werden können. Er sei dann noch in den Betrieb gefahren, habe aber die Arbeit einstellen müssen. Seine Frau habe ihn zum Arzt gefahren.
Mit Schreiben vom 13. November 2012 forderte die Beklagte die AOK Baden-Württemberg, die ab 10. Mai 2012 das Verletztengeld an den privat krankenversicherten Kläger ausgezahlt hatte, unter Hinweis darauf, es müsse erst die Zusammenhangsfrage geklärt werden, zur Einstellung der Zahlungen auf. Die Zahlung Verletztengeld wurde schließlich ab dem 13. November 2012 eingestellt.
Sodann beauftragte die Beklagte Prof. Dr. G. mit der Erstellung des Gutachtens vom 30. Januar 2013. Diesem gegenüber gab der Kläger erneut an, dass er aus circa 0,5 Metern Höhe direkt auf das rechte Schultergelenk gefallen sei. Der Gutachter stellte als Restbeweglichkeiten des rechen Schultergelenks Armhebungen von 60° seit- und vorwärts und von 10° bzw. 20° körperwärts und rückwärts fest. Zum Unfallzusammenhang wies er darauf hin, dass der Kläger nicht versucht habe, den Sturz durch Festhalten abzufangen und auch nicht auf den ausgestreckten Arm gefallen sei. Es handele sich damit um eine direkte Gewalteinwirkung auf das Schultergelenk, bei welcher der Musculus deltoideus eine strukturelle Schädigung der Rotatorenmanschette verhindere. Für einen degenerativen Zusammenhang mit der bursaseitigen Komponente der Supraspinatussehnenläsion spreche der kernspintomographische Befund einer aktivierten AC-Gelenks-Arthrose. Die Subscapularis- und Infraspinatusläsionen fänden in dem OP-Bericht keine Erwähnung, sodass davon auszugehen sei, dass sich diese nicht bestätigt hätten. Somit habe eine isolierte Supraspinatussehnenruptur bestanden. Weiterhin habe sich intraoperativ bereits ein drittgradiger Knorpelschaden am Humeruskopf gezeigt, sodass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Rotatorenmanschettenläsion am rechten Schultergelenk und dem Unfallereignis als unwahrscheinlich angesehen werden müsse. Der Unfall habe somit nur zu einer Prellung des Schultergelenks geführt. Bei einer solchen Prellung und Vorschädigung sei von einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit von 4 bis 6 Wochen auszugehen.
Beratungsarzt Dr. K. hielt das Gutachten in seiner Stellungnahme vom 27. Februar 2013 auch unter Würdigung des Unfallhergangs nach den Angaben im Schulterfragebogen für schlüssig. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit könne für maximal 6 Wochen angenommen werden.
Unter dem 28. Februar 2013 forderte die Beklagte den behandelnden Arzt des Klägers, Dr. V., schriftlich auf, die Behandlung zu ihren Lasten mit sofortiger Wirkung abzubrechen.
Mit Bescheid vom 16. April 2013 gewährte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung für die Zeit vom 19. April 2012 bis 31. Mai 2012 aufgrund einer erlittenen Schulterprellung rechts, einer Ellenbogenkontusion rechts sowie einer Fußstauchung. Zur Begründung führte sie aus, nur für den genannten Zeitraum könne Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit anerkannt werden. Die Beklagte führte ausdrücklich auf, die Supraspinatussehneruptur mit chornischem Impingement-Syndrom, die Acromioclavikulargelenksarthrose und die subacromiale Spornbildung, die Ruptur der langen Bizepssehne und der drittgradige Knorpelschaden am Humeruskopf lägen unabhängig vom Arbeitsunfall vor.
Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger erstmals geltend, dass er sich an den genauen Ablauf des Unfallereignisses nicht sicher erinnern könne. Entsprechend habe er diese Frage im Schulterfragebogen auch nicht beantwortet. Aufgrund der vorangegangenen Tätigkeit über Kopf müsse jedoch davon ausgegangen werden, dass er den Arm ausgestreckt und sich daher mit dem Arm abgefangen habe. Es sei ihm noch nicht einmal gelungen, die Bohrmaschine loszulassen. Deswegen habe er im Unfallfragebogen auch nicht angegeben, dass der Arm beim Sturz angewinkelt gewesen sei. Direkte Unfallfolge sei eine sofortige Funktionseinschränkung der Schulter gewesen. Er habe auch ein Weichteilhämatom erlitten.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2013 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, sowohl in der Unfallanzeige als auch bei der gutachterlichen Untersuchung habe der Kläger einen Sturz auf die rechte Schulter angegeben. Nach fachärztlichem Wissen sei ein solches Unfallgeschehen als Ursache des genannten Schadens ungeeignet. Die erst am 10. Oktober 2012 festgestellte Erkrankung der langen Bizepssehne sei ein sogenannter Nachschaden.
Der Kläger hat am 20. November 2013 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Er hat vorgetragen, dass aufgrund der vorherigen Tätigkeit des Bohrens ein Sturz mit ausgestrecktem Arm als nahezu sicher anzunehmen sei. Es hätten auch keine degenerativen Vorschäden bestanden.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat das SG Beweis erhoben durch die Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens vom 10. August 2014 von Dr. R ... Diesem gegenüber hat der Kläger angegeben, dass er, ohne sich abfangen zu können, auf die rechte Seite und rechte Schulter gestürzt sei. Er hat hierzu auch eine handgefertigte Skizze vorgelegt, die in das Gutachten aufgenommen worden ist. Dr. R. hat bekundet, bei dem rechtshändigen Kläger bestehe aktuell eine schmerzbedingt ausgeprägte Funktionsstörung mit Bewegungseinschränkungen in Abduktion (45°), Elevation/Innenrotation (44°), Adduktion (50°) und Kombinationsbewegungen der rechten Schulter. Zum Hergang hat er ausgeführt, bildgebend hätten sich unmittelbar nach dem Unfall neben degenerativen Veränderungen der rechten Schulter Teilrupturen der Supraspinatussehne, der Subscapularissehne und auch der Infraspinatussehne gezeigt, die sodann rekonstruiert worden seien. Die begleitenden degenerativen Veränderungen seien ebenfalls behandelt worden. Werde der geschilderte Unfallmechanismus korrekt interpretiert, sei es durch den geschilderten Hergang zu einem direkten Anpralltrauma der rechten Schulter durch den Sturz auf selbige gekommen. Ungeeignet sei dieser Unfallhergang deswegen, weil die mechanische Schutzfunktion des Deltamuskels eine strukturelle Schädigung der Rotatorenmanschette verhindere. So spreche der Verletzungsmechanismus gegen eine geeignete Unfallursache. Daneben bestünden aber noch die Pro-Kriterien, die für einen Unfallzusammenhang anzuführen seien. Dass grundsätzlich in dem Alter des Klägers degenerative Veränderungen, wie eine Arthrose des Schultereckgelenkes, vorhanden seien, sei nicht beweisend für vorbestehende degenerative Läsionen an der Rotatorenmanschette, vor allem dann nicht, wenn keine klinisch-funktionellen Einschränkungen aktenkundig seien. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass nach dem Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers keine einschlägigen Behandlungen stattgefunden hätten. Entsprechend den Anforderungen des klinischen Primärbefundes habe der Kläger binnen 24 Stunden einen Arzt aufgesucht, dabei sei die Beweglichkeit unter 90° eingeschränkt gewesen. Ferner hätte das zeitnah angefertigte MRT vom 20. April 2012 die beschriebenen Schäden, insbesondere einen periartikulären Erguss, gezeigt. Der Operationsbericht enthalte keine Angaben über die Läsionsart. Es sei aber festzuhalten, dass die Rotatorenmanschette habe rekonstruiert werden können, was bei alten retrahierten Rupturen häufig nicht mehr möglich sei. Eine histologische Untersuchung habe nicht stattgefunden. Insgesamt sei daher davon auszugehen, dass der stattgehabte Unfall die zur Diskussion stehende Verletzung hervorgerufen habe, wenngleich der Unfallmechanismus fraglich bleibe. Ergänzend hat Dr. R. darauf hingewiesen, dass nach der Heilungsverzögerung die operative Wundsanierung nicht zügig genug durchgeführt worden sei, sodass angrenzende Strukturen, z. B. die Rotatorenmanschette, mit infiziert worden sein könnten, was mit hoher Wahrscheinlichkeit erkläre, warum die Rekonstruktion nicht geheilt und es zu einer Re-Ruptur der Supraspinatussehne gekommen sei. Die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit des Klägers, so der Sachverständige abschließend, dauere an und es sei inzwischen ein rentenberechtigender Endzustand eingetreten.
Die Beklagte hat gegen Dr. R. Feststellungen eingewandt, es gebe keinen Anlass dafür, den Unfallmechanismus als fraglich anzusehen. Daher habe der Sachverständige unzulässigerweise außer Betracht gelassen, dass das unverzichtbare Pro-Kriterium einer überfallartigen Dehnungs- bzw. Zugbelastung fehle.
Mit Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung vom 22. Januar 2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe das Ereignis als Arbeitsunfall anerkannt, weitergehende Unfallfolgen als die anerkennten beständen nicht. Insbesondere könne die Ruptur der Supraspinatussehne nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Sturz zurückgeführt werden. Der Hergang sei ungeeignet gewesen. Der Kläger habe sowohl in dem Schulterfragebogen als auch gegenüber den Gutachtern angegeben, dass er sich nicht abgestützt habe. Beide Gutachter hätten auch ausgeführt, dass in solchen Fällen die Rotatorenmanschette mechanisch durch den Delta-Muskel geschützt sei. Die abweichende Einschätzung Dr. R. überzeuge nicht. Er nenne zwar einige Kriterien, die auf einen Ursachenzusammenhang hindeuteten, jedoch vermöchten diese einen geeigneten Unfallmechanismus nicht zu ersetzen. Auch die Ausführungen des Sachverständigen zu einer Gelegenheitsursache seien nicht nachvollziehbar. Er habe selbst angegeben, dass die Verletzung auch bei einem anderen Ereignis des täglichen Lebens denkbar gewesen wäre, also müsse auch nach seiner Ansicht eine Minderbelastbarkeit vorgelegen haben. Ein leeres Vorerkrankungsverzeichnis und Beschwerdefreiheit vor dem Unfall bewiesen einen Kausalzusammenhang nicht, da Schadensanlagen auch klinisch stumm sein könnten. Entscheidend sei vielmehr der Hinweis Dr. G., dass der intraoperative Befund eine aktivierte drittgradige AC-Gelenks-Arthrose und einen Knorpelschaden ergäben hätten und darüber hinaus eine isolierte Schädigung der Supraspinatussehne und nicht der anderen Sehnen der Rotatorenmanschette vorgelegen habe. Eine solche könne jedoch nicht traumatisch bedingt sein. Auf diesen Umstand, dass nämlich der Arthroskopiebefund die zunächst vermuteten Rupturen weiterer Sehnen nicht bestätigte, gehe Dr. R. nicht ein.
Gegen dieses Urteil, das seinem Prozessbevollmächtigten am 4. Februar 2015 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 3. März 2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Er trägt vor, der von ihm geschilderte Unfallhergang sei nicht per se ungeeignet gewesen. Die Schultermuskulatur sei angespannt gewesen. Der rechte Arm sei wegen der Akkubohrmaschine nicht am Körper angewinkelt gewesen, sondern schräg über dem Kopf ganz oder teilweise ausgestreckt. Es habe eine sofortige Funktionseinschränkung vorgelegen. Ein Anheben sei nicht mehr möglich gewesen. Es habe ein Weichteilhämatom bestanden. Umstände, die für eine nicht-traumatische Verursachung sprächen, etwa eine Atrophie oder eine Verfettung, hätten nicht vorgelegen. Ferner habe ein Erguss bestanden, was in dem Gutachten vom 30. Januar 2013 nicht hinreichend gewürdigt worden sei. Verschleißbedingte Vorschäden hätten nicht vorgelegen. Dem genannten Gutachten könne daher nicht gefolgt werden. Insbesondere könne nicht dem vage beschriebenen Unfallhergang streitentscheidende Bedeutung beigemessen werden. Dies verschiebe die Beweislast in unangemessener Weise zu Lasten des Versicherten.
Der Kläger beantragt zuletzt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 22. Januar 2015 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 16. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2013 teilweise aufzuheben und festzustellen, dass die Supraspinatussehnenruptur Folge des Unfalls ist, und die Beklagte zu verurteilen, Verletztengeld über den 31. Mai 2012 hinaus zu gewähren und diese zu verpflichten, über Maßnahmen der Heilbehandlung zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Ansicht fest, dass sich der vom Kläger geschilderte Hergang als ungeeignet erweise. Ein Sturz direkt auf die Schulter werde dadurch bestätigt, dass dieser keine Zeit gehabt habe, die Bohrmaschine loszulassen.
Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 19. Januar 2016 und der Kläger unter dem 27. Januar 2016 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung über die Berufung des Klägers, nachdem sich beide Beteiligte mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die Berufung des Klägers ist statthaft (§§ 143 SGG) insbesondere nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, weil nicht nur Leistungen - und diese unbeschränkt, also für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) -, sondern auch Feststellung begehrt wird. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 SGG).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das SG die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungs- (§§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 3 SGG) sowie Anfechtungs-, Leistungsklage und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) des Klägers abgewiesen.
Allerdings ist nur die Anfechtungs- und Feststellungsklage uneingeschränkt zulässig. Die Feststellung, dass die jetzt noch geltend gemachte Supraspinatussehnenruptur des Klägers nicht Folge des Arbeitsunfalls vom 19. April 2012 ist, lässt sich dem angefochtenen Bescheid vom 16. April 2013 mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, wenngleich dieser Verfügungssatz im Bereich der Begründung des Bescheids aufgeführt ist. Die Anfechtungs- und Leistungs- bzw. Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist dagegen bereits nur teilweise zulässig, nämlich nur für die Zeiträume ab dem 13. November 2012 hinsichtlich des Verletztengeldes und ab dem 28. Februar 2013 hinsichtlich der Heilbehandlung.
Zwar hat der Kläger in der Berufungsinstanz sein Leistungsbegehren ausreichend konkretisiert (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 3 SGG) und auf Verletztengeld und Heilbehandlung beschränkt. Diese Leistungsansprüche waren auch Inhalt der angegriffenen Entscheidung der Beklagten (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) und damit Gegenstand des Vorverfahrens nach § 78 Abs. 1 SGG. Denn mit dem hier angegriffenen Bescheid vom 16. April 2013 hat die Beklagte konkludent das Ereignis vom 19. April 2012 als Versicherungsfall anerkannt und aufgrund der festgestellten Unfallfolgen Leistungen bis 31. Mai 2012 bewilligt. Diese hinsichtlich der Leistungsbewilligung unspezifische Regelung wurde durch den Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2013 konkretisiert. Wie sich aus den zur Ermittlung des Regelungsgehalts mit heranzuziehenden Gründen des Bescheides ergibt, erstreckte sich dieser auf die Gewährung von Heilbehandlung sowie von Verletztengeld, da für beide Leistungsarten die entsprechenden Anspruchsgrundlagen und deren Voraussetzungen genannt wurden.
Allerdings fehlt dem Kläger für die Zeiträume vom 1. Juni 2012 bis zum 12. November 2012 hinsichtlich des Verletztengeldes und bis zum 28. Februar 2013 hinsichtlich der Heilbehandlung das notwendige Rechtsschutzbedürfnis. Für diese Zeiträume hat der Kläger die begehrten Leistungen bereits erhalten. Die Beklagte hatte die AOK das Verletztengeld bis zum 12. November 2012 auszahlen lassen und die Heilbehandlung des Klägers zu Lasten der Beklagten erst nach dem Schreiben an Dr. V. vom 28. Februar 2013 abgebrochen. Rückerstattungsansprüche gegen den Kläger bestehen nicht, weil die Beklagte nicht bereits zugleich nach § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) rückwirkend die durch die Leistungsgewährungen erfolgten Bewilligungen aufgehoben hat, was aber erforderlich wäre. Im Übrigen könnte insoweit jetzt auch nicht mehr die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 SGB X eingehalten werden.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Der Kläger hat keine Ansprüche auf Feststellung der angeführten Gesundheitsstörung als Unfallfolge und Gewährung der verfolgten Leistungen über den 31. Mai 2012 hinaus.
Nach § 102 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte gegen die zuständige Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung einen Anspruch auf Feststellung eines Gesundheitsschadens als Folge eines Versicherungsfalls, vorliegend des mit Bescheid vom 16. April 2013 konkludent festgestellten Arbeitsunfalls, wenn ein Gesundheitsschaden durch das Unfallereignis oder einen Gesundheitserstschaden dieses Versicherungsfalls (unmittelbare Unfallfolge) oder infolge der Erfüllung eines Tatbestandes des § 11 SGB VII als mittelbare Unfallfolge rechtlich wesentlich verursacht worden ist.
Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts als Tatsacheninstanz bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, welche die Tatbestandsmerkmale "Unfallereignis" und "Gesundheitsschaden" der haftungsausfüllenden Kausalität bei unmittelbaren Unfallfolgen oder - abgesehen von der Kausalität ("infolge") - die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 11 SGB VII erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis des naturphilosophischen Ursachenzusammenhangs zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 43, Rz. 17).
Der Gesundheitserstschaden, aber auch ein Gesundheitsfolgeschaden müssen im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen. Angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglicher Schulenstreite sollte diese Feststellung nicht nur begründet sein, sondern aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 31/11 R -, juris, Rz. 18), damit die Feststellung nachvollziehbar ist (z.B. ICD-10 = Zehnte Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO aus dem Jahre 1989, vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) ins Deutsche übertragen, herausgegeben und weiterentwickelt, aktuelle Fassung ICD-10 German Modification [GM] Version 2016). Denn je genauer und klarer die bei dem Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, um so einfacher sind ihre Ursachen zu erkennen und zu beurteilen sowie letztlich die MdE zu bewerten. Begründete Abweichungen von diesen Diagnosesystemen aufgrund ihres Alters und des zwischenzeitlichen wissenschaftlichen Fort-schritts sind damit nicht ausgeschlossen. Bei der Supraspinatussehnenruptur ist dies die ICD-10 M75.1.
Die zunächst teilweise und später vollständige Supraspinatussehnenruptur oder "Rotatorenmanschettenläsion", die bei dem Kläger nach dem Unfall diagnostiziert wurde und die der Grund für die fortbestehenden Beeinträchtigungen ist, beruht nicht im unfallversicherungsrechtlichen Sinne auf dem anerkannten Arbeitsunfall vom 19. April 2012. Denn die Zurechnung als unmittelbare Unfallfolge setzt voraus, dass die versicherte Einwirkung aufgrund eines sicher feststehenden Unfallereignisses den Gesundheitsschaden objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (vgl. dazu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 38 mit 31 ff.).
Die Zurechnung setzt zunächst voraus, dass das Unfallereignis den Gesundheitsschaden, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-)Ursachen, objektiv (mit-) verursacht hat. Für Einbußen der Verletzten, für welche das Unfallereignis keine (Wirk-)Ursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und haben die Trägerinnen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht einzustehen. (Wirk-)Ursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die in Frage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Insoweit ist Ausgangspunkt der Zurechnung die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolgs gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele ("conditio-sine-qua-non"). Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung muss ein Unfallereignis, welches im Sinne der "Conditio-Formel" eine erforderliche Bedingung des Erfolgs war, darüber hinaus in seiner besonderen tatsächlichen und rechtlichen Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Es muss (Wirk-)Ursache des Erfolgs gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine im Einzelfall nicht wegdenkbare zufällige Randbedingung gewesen sein.
Ob ein Unfallereignis eine (Wirk-)Ursache für eine festgestellte Einwirkung und die versicherte Einwirkung eine (Wirk-)Ursache für einen Gesundheitsschaden war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht ("ex post") nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen, gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten, beantwortet werden (vgl. dazu BSG, a. a. O., Rz. 61 ff.).
Erst wenn das Unfallereignis, die damit verbundene Einwirkung und der möglicherweise dadurch verursachte Gesundheitsschaden festgestellt sind, kann und darf auf der ersten Prüfungsstufe der Zurechnung, also der objektiven Verursachung, über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung zwischen der Einwirkung und dem Schaden mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und gegebenenfalls mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte, von außen kommende und zeitlich begrenzte Einwirkung, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-)Ursachen, eine (Wirk-)Ursache des Körperschadens der Versicherten war.
Der letztlich durch die versicherte Einwirkung mitbewirkte Schaden muss rechtlich zudem auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten, also rechtlich wesentlich, sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll.
Beweisrechtlich ist weiter zu beachten, dass es im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel gibt, dass bei fehlender Alternativursache das angeschuldigte Ereignis eine Ursache ist oder die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellte versicherte Ursache im naturwissenschaftlichen Sinn automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde.
Auf dieser Basis hält es der Senat nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass die Ruptur der Supraspinatussehne des Klägers auf den Unfall vom 19. April 2012 als wesentliche Ursache zurückzuführen ist. Mehr Indizien sprechen gegen einen solchen Verlauf als dafür.
Für einen Ursachenzusammenhang sprechen - lediglich - die Beschwerden und das Verhalten des Klägers unmittelbar nach dem Unfall. Der Kläger hat seine Arbeit eingestellt und sich in ärztliche Behandlung begeben. Es bestanden sofort erhebliche Schmerzen und auch die aktive Beweglichkeit war nach dem H-Arztbericht von Dr. V. vom Unfalltag unmittelbar erheblich eingeschränkt. Dieser Hergang entspricht zwar den Anforderungen der medizinischen Literatur, wonach nicht nur eine Arbeitseinstellung und ein Arztbesuch am Unfalltag oder am folgenden Tag gefordert sind, sondern auch ein sofortiges Schmerzmaximum, das in den folgenden Wochen abklingt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit. 8. Aufl. 2010, S. 415). Allerdings weist der Senat darauf hin, dass auch bei einer bloßen, ebenfalls sehr schmerzhaften - und von der Beklagten auch anerkannten - Prellung des Schultergelenks ein unverzüglicher Arztbesuch nachvollziehbar ist, die Beweglichkeit der Schulter schmerzbedingt eingeschränkt und deshalb eine MRT-Untersuchung indiziert sein kann.
Der Unfallhergang spricht gegen einen Ursachenzusammenhang. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger direkt auf die Schulter gefallen ist und nicht etwa primär auf den (insbesondere nach hinten) ausgestreckten Arm oder zumindest den Ellenbogen, so dass es zu einer direkten Gewalteinwirkung auf die rechte Schulter kam und es somit an der erforderlichen Zugbeanspruchung mit unnatürlicher Längendehnung der Sehne fehlt (dazu siehe unten). Diesen Hergang hat der Kläger selbst von Anfang an so geschildert, erstmals bereits ausdrücklich in dem - noch zeitnah erhobenen - Schulterfragebogen am 16. November 2012 und dann wiederum bei beiden Begutachtungen. Weder nach dem SGG noch nach der Zivilprozessordnung (ZPO) gibt es zwar eine Beweisregel in dem Sinne, dass frühere Aussagen oder Angaben grundsätzlich einen höheren Beweiswert besitzen als spätere; im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 286 ZPO) sind vielmehr alle Aussagen, Angaben und sonstigen Einlassungen zu würdigen. Gleichwohl kann das Gericht im Rahmen der Gesamtwürdigung den zeitlich früheren Aussagen aufgrund der Gesichtspunkte, dass die Erinnerung hierbei noch frischer war und sie von irgendwelchen Überlegungen, die darauf abzielen, das Klagebegehren zu begünstigen, noch unbeeinflusst waren, einen höheren Beweiswert als den späteren zumessen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2003 - B 2 U 41/02 R -, SozR 4-2700 § 4 Nr. 1, Rz. 12; Urteile des Senats vom 12. August 2014 - L 6 VH 5821/10 ZVW - juris, Rz. 144, vom 21. Mai 2015 - L 6 U 1053/15 -, juris, Rz. 34, und vom 25. September 2015 - L 6 U 3197/13 -, nicht veröffentlicht). Hiervon geht der Senat vorliegend aus.
Dafür spricht des Weiteren, dass in dem MRT-Bericht vom 20. April 2012 Dr. B. auch auf ein ausgedehntes Weichteilhämatom um das Schultergelenk herum hingewiesen hat, was - nicht zwingend, aber eher - auf einen Anprall im Schulterbereich hinweist. Der von dem Gutachter Dr. R. in den Vordergrund gerückte periartikuläre Erguss spricht zwar für ein auch inneres Trauma, aber nach insoweit überzeugender Einschätzung von Prof. Dr. G. nicht bei fehlendem Knochenmarködem. Gegen einen ausgestreckten Arm spricht auch, dass der Kläger - wiederum nach eigenem Bekunden - bis zuletzt die Bohrmaschine in der rechten Hand hielt, bei einem Sturz mit ausgestrecktem Arm also diese zunächst auf den Boden hätte aufschlagen müssen, was er aber nicht berichtet hat. Ein solcher Hergang, den der Kläger geschildert hat, ist aber ungeeignet, eine Rotatorenmanschettenruptur zu verursachen (vgl. hierzu Schönberger/Mehr-tens/Va¬lentin, a.a.O., S. 412 f.), zumal eine isolierte Verletzung der Rotatorenmanschette selbst ohne Verletzungen der umliegenden knöchernen und sonstigen Bereiche die Ausnahme darstellt (so Schönberger/Mehr¬tens/Va¬lentin, a.a.O., S. 412). Dies gilt erst recht für eine isolierte Verletzung nur der Supraspinatussehne ohne Verletzungen der anderen Sehnen der Rotatorenmanschette.
Gegen einen Ursachenzusammenhang spricht weiter, dass der MRT-Bericht vom 20. April 2012 wie auch der OP-Bericht vom 24. Mai 2012 übereinstimmend degenerative Veränderungen, nämlich eine - zuletzt sogar schon als drittgradig eingestufte - Arthrose am AC-Gelenk bzw. dem Humeruskopf und subacrominale Spornbildung beschreiben, worauf bereits Prof. Dr. G. in seinem im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Gutachten hingewiesen hat. Eine solche Arthrose kann sich nicht binnen eines Tages nach dem Unfallereignis posttraumatisch entwickeln. Das Fehlen eines Knochenmarködems als Einblutung oder eines bone bruise oder einer andere knöcherne Verletzung im Schulterbereich deutet ebenfalls auf eine traumatische Genese hin (vgl. Schönberger/Mehr¬tens/Va¬lentin, a.a.O., S. 415). Dies gilt umso mehr, als die Rotatorenmanschette im hohen Maße der Degeneration unterliegt, die meisten Schäden zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr eintreten (vgl. Schönberger/Mehr¬tens/Va¬lentin, a.a.O., S. 410) und der Kläger zum Unfallzeitpunkt gerade dieser kritischen Altersgruppe angehörte. So hat auch der behandelnde Chirurg Dr. V. das Impingement-Syndrom des Klägers bereits am 24. Mai 2012 als chronisch bewertet.
Dass die Rotatorenmanschette beim Kläger zunächst rekonstruiert werden konnte, belegt allein ebenfalls nicht hinreichend, dass die Ruptur unfallbedingt war, zumal Dr. R. selbst einräumen musste, dass dies bei alten retrahierten Rupturen häufig doch möglich ist. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass unmittelbar nach dem Unfall nur eine Teil-Ruptur nur einer der Sehnen im Bereich der Rotatorenmanschette vorlag.
Das leere Vorerkrankungsverzeichnis belegt daher keinen Ursachenzusammenhang, es kann damit weder eine Schadensanlage noch ein Vorschaden ausgeschlossen werden. Nach medizinischer Einschätzung sind hierfür nicht allein das Fehlen von Vorerkrankungen, sondern zusätzlich unauffällige Röntgenbilder (vor oder nach dem angeschuldigten Ereignis, bezogen auf degenerative Veränderungen) für die Anerkennung einer traumatische Genese einer Rotatorenmanschettenruptur erforderlich, was sogar bei leichten vorbestehenden Veränderungen, die noch altersgemäß waren, gilt. Eindeutig negativ zu werten sind überdies nach der unfallmedizinischen Literatur eine (nachgewiesene) Omarthrose, eine AC-Gelenks-Arthrose, ein Oberarmkopfhochstand oder frühere Luxationen oder andere Traumen der Schulter (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 414). Deswegen kommt der unmittelbar nach dem Unfall festgestellten Arthrose ein höheres Gewicht zu als der Beschwerdefreiheit des Klägers vor dem Unfall, zumal die altersvorauseilende Arthrose durchaus mit der beruflichen Tätigkeit des - rechtshändigen - Klägers als Maler- und Lackierermeister verbunden sein mag, die etwa häufige Über-Kopf-Arbeiten umfasste, was der Senat der vom Kläger Dr. R. vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung entnimmt.
Unter Berücksichtigung all dieser Gesichtspunkte spricht nicht mehr für als gegen einen wesentlich ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und der die Bewegungseinschränkungen des Klägers bedingenden Veränderung der Supraspinatussehne.
Die komplette Ruptur der Rotatorenmanschette ist dem Arbeitsunfall auch nicht als mittelbare Unfallfolge nach § 11 SGB VII zuzurechnen.
Nach § 11 Abs. 1 SGB VII sind Folgen eines Versicherungsfalls auch Gesundheitsschäden von Versicherten infolge der Durchführung einer Heilbehandlung, von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder einer Maßnahme nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) (Nr. 1), der Wiederherstellung oder Erneuerung eines Hilfsmittels (Nr. 2), der zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordneten Untersuchung (Nr. 3) einschließlich der dazu notwendigen Wege. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB VII gilt Absatz 1 entsprechend, wenn die Versicherten auf Aufforderung der Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung diese oder eine von ihr bezeichnete Stelle zur Vorbereitung von Maßnahmen der Heilbehandlung, der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder von Maßnahmen nach § 3 BKV aufsuchen. Der Aufforderung durch die Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung nach Satz 1 steht eine Aufforderung durch eine mit der Durchführung der genannten Maßnahmen beauftragte Stelle gleich (§ 11 Abs. 2 Satz 2 SGB VII). Diese mittelbaren Folgen müssen nicht durch den Gesundheitserstschaden verursacht worden sein (vgl. BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 31/11 R -, juris, Rz. 24 m.w.N.).
In Betracht kommt insoweit nur die arthroskopische Operation bei Dr. V. am 24. Mai 2012 als Durchführung einer Heilbehandlung im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Diese wird aber bereits von Prof. Dr. G. zu Recht nicht als durch den Unfall erforderlich angesehen. Dr. R. hat insoweit zwar die Frage aufgeworfen, ob ein Behandlungsdefizit vorliegt, weil ein Infekt hätte vorliegen können, die erforderliche Operation aber nicht umgehend durchgeführt worden ist, was dann wiederum möglicherweise die Nichtheilung der Rekonstruktion der Rotatorenmanschette verursacht hat. Damit hat er aber nur die bloße Möglichkeit dargelegt, dass die Heilbehandlung zu der Ruptur geführt hat. Selbst wenn die Mutmaßung zutreffen würde, so hätte die "Fehlbehandlung" nicht zu dem Gesundheitsschaden geführt, dessen Feststellung vom Kläger begehrt wird; sie hätte nur einen schon vor der Operation bestandenen Körperschaden, der aber - wie ausgeführt - nicht unfallbedingt war, nicht dauerhaft beseitigt.
Die von der Beklagten anerkannten und unfallbedingten Schädigungen - die Schulterprellung und die Verletzungen am Fuß - waren nach insoweit übereinstimmender Einschätzung der gehörten Gutachter bis Ende Mai ausgeheilt, sodass die Beklagte die Leistungen zu Recht zu diesem Zeitpunkt einstellen konnte. Ein Anspruch auf weitere Heilbehandlung (§§ 26 f. SGB VII) oder auf weitere Gewährung von Verletztengeld (§ 45 SGB VII) besteht daher nicht.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und die Feststellung einer Supraspinatussehnenruptur als Unfallfolge.
Der 1959 geborene Kläger ist Maler- und Lackierermeister. Er ist bzw. war zur Zeit des Unfalls als Gesellschafter (Kommanditist) und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer (der Komplementärin) einer GmbH & Co. KG (HRA 720123 und HRB 720266 des Amtsgerichts Ulm, abgerufen am 12. Januar 2016) bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert. Gegenstand des Unternehmens sind Malen, Tapezieren und Bodenbeläge (http://www.wohn¬decor-straub.de, abgerufen am 12. Januar 2016).
Am 19. April 2012 stürzte der Kläger während der Montage eines Rollos von einer Leiter und zog sich ausweislich des H-Arztberichtes von Dr. V. vom selben Tag eine Schulterkontusion rechts, eine Ellenbogenkontusion rechts sowie eine Fußverstauchung rechts zu. Es wurde eine eingeschränkte aktive Beweglichkeit der Schulter rechts festgestellt. Weiterhin wurde eine MRT-Abklärung veranlasst.
In der Unfallanzeige vom 12. Mai 2012 gab der Kläger an, er sei beim Montieren eines Rollos zwei Stufen von der Leiter gestürzt und auf die Schulter gefallen.
Das MRT wurde am 20. April 2012 bei Dr. B. durchgeführt. Nach dem Bericht vom selben Tage bestand ein ausgeprägtes Weichteilhämatom im Bereich der rechten Schulter, aber kein pathologisches Knochenmarködem. Für den Bereich der Rotatorenmanschette imponierten inkomplette Teilrupturen des Musculus supraspinatus, subscapularis und des Musculus infraspinatus. Daneben beständen eine leicht aktivierte AC-Gelenks-Arthrose sowie eine Tenosynovialitis (Sehnenscheidenentzündung) der langen Bizepssehne. Atrophiezeichen der Rotatorenmanschette wurden ausgeschlossen.
Am 24. Mai 2012 führte Dr. V. eine arthroskopische Operation durch. In seinem Bericht vom selben Tage, den die Beklagte beizog, nannte er als Diagnosen ein chronisches Outlet-Impinge-ment-Syndrom, eine osteophytäre Knochenbildung des AC-Gelenks, eine chronische Bursitis subacromialis mit Verwachsungen, eine Tendinitis (Entzündung) der "LBS" (lange Bizepssehne) und Knorpelschäden Grad III a am Humeruskopf. Durchgeführt wurden eine Resektionsarthroplastik des AC-Gelenks und eine Rekonstruktion der Rotatorenmanschette. Der Beratungsarzt der Beklagten, Dr. K., nahm unter dem 5. September 2012 als Unfallfolge eine Rotatorenmanschettenruptur des rechten Schultergelenkes und eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis zum Abschluss der Behandlung an.
In der Folgezeit kam es zu einer Wundheilungsstörung und im Anschluss daran zu einem Stillstand der Beweglichkeitsverbesserung, wobei die Abduktion zuletzt 60° betrug (Verlaufsbericht von Dr. A. vom 6. Februar 2013). Daraufhin wurde am 11. Oktober 2012 erneut eine MRT durchgeführt. Nach dem Bericht von Dr. N.-K. zeigten die Bilder eine zwischenzeitlich komplette Ruptur der Supraspinatussehne mit 3 cm langer und 2 cm breiter flüssigkeitsgefüllter Sehnenlücke "im Sinne einer Re-Ruptur". Die Retraktion der ruptierten Sehne habe bis in Höhe des AC-Gelenkes gereicht, ohne Nachweis einer fettigen Muskelatrophie. Neu aufgetreten sei eine Komplettruptur der Bizepssehne bei leerem sulcus bicipitis.
Die Beklagte übersandte dem Kläger einen Fragebogen "Schulter", in dem dieser unter dem 16. November 2012 angab, dass er auf die rechte Schulter gestürzt sei, ohne sich abstützen oder abfangen zu können. Er habe die Akkubohrmaschine festgehalten. Die Position des Arms im Aufprallzeitpunkt wisse er nicht. Es seien Schmerzen an der gesamten rechten Schulter und im rechten Arm aufgetreten, der Arm habe nicht mehr hochgehoben werden können. Er sei dann noch in den Betrieb gefahren, habe aber die Arbeit einstellen müssen. Seine Frau habe ihn zum Arzt gefahren.
Mit Schreiben vom 13. November 2012 forderte die Beklagte die AOK Baden-Württemberg, die ab 10. Mai 2012 das Verletztengeld an den privat krankenversicherten Kläger ausgezahlt hatte, unter Hinweis darauf, es müsse erst die Zusammenhangsfrage geklärt werden, zur Einstellung der Zahlungen auf. Die Zahlung Verletztengeld wurde schließlich ab dem 13. November 2012 eingestellt.
Sodann beauftragte die Beklagte Prof. Dr. G. mit der Erstellung des Gutachtens vom 30. Januar 2013. Diesem gegenüber gab der Kläger erneut an, dass er aus circa 0,5 Metern Höhe direkt auf das rechte Schultergelenk gefallen sei. Der Gutachter stellte als Restbeweglichkeiten des rechen Schultergelenks Armhebungen von 60° seit- und vorwärts und von 10° bzw. 20° körperwärts und rückwärts fest. Zum Unfallzusammenhang wies er darauf hin, dass der Kläger nicht versucht habe, den Sturz durch Festhalten abzufangen und auch nicht auf den ausgestreckten Arm gefallen sei. Es handele sich damit um eine direkte Gewalteinwirkung auf das Schultergelenk, bei welcher der Musculus deltoideus eine strukturelle Schädigung der Rotatorenmanschette verhindere. Für einen degenerativen Zusammenhang mit der bursaseitigen Komponente der Supraspinatussehnenläsion spreche der kernspintomographische Befund einer aktivierten AC-Gelenks-Arthrose. Die Subscapularis- und Infraspinatusläsionen fänden in dem OP-Bericht keine Erwähnung, sodass davon auszugehen sei, dass sich diese nicht bestätigt hätten. Somit habe eine isolierte Supraspinatussehnenruptur bestanden. Weiterhin habe sich intraoperativ bereits ein drittgradiger Knorpelschaden am Humeruskopf gezeigt, sodass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Rotatorenmanschettenläsion am rechten Schultergelenk und dem Unfallereignis als unwahrscheinlich angesehen werden müsse. Der Unfall habe somit nur zu einer Prellung des Schultergelenks geführt. Bei einer solchen Prellung und Vorschädigung sei von einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit von 4 bis 6 Wochen auszugehen.
Beratungsarzt Dr. K. hielt das Gutachten in seiner Stellungnahme vom 27. Februar 2013 auch unter Würdigung des Unfallhergangs nach den Angaben im Schulterfragebogen für schlüssig. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit könne für maximal 6 Wochen angenommen werden.
Unter dem 28. Februar 2013 forderte die Beklagte den behandelnden Arzt des Klägers, Dr. V., schriftlich auf, die Behandlung zu ihren Lasten mit sofortiger Wirkung abzubrechen.
Mit Bescheid vom 16. April 2013 gewährte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung für die Zeit vom 19. April 2012 bis 31. Mai 2012 aufgrund einer erlittenen Schulterprellung rechts, einer Ellenbogenkontusion rechts sowie einer Fußstauchung. Zur Begründung führte sie aus, nur für den genannten Zeitraum könne Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit anerkannt werden. Die Beklagte führte ausdrücklich auf, die Supraspinatussehneruptur mit chornischem Impingement-Syndrom, die Acromioclavikulargelenksarthrose und die subacromiale Spornbildung, die Ruptur der langen Bizepssehne und der drittgradige Knorpelschaden am Humeruskopf lägen unabhängig vom Arbeitsunfall vor.
Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger erstmals geltend, dass er sich an den genauen Ablauf des Unfallereignisses nicht sicher erinnern könne. Entsprechend habe er diese Frage im Schulterfragebogen auch nicht beantwortet. Aufgrund der vorangegangenen Tätigkeit über Kopf müsse jedoch davon ausgegangen werden, dass er den Arm ausgestreckt und sich daher mit dem Arm abgefangen habe. Es sei ihm noch nicht einmal gelungen, die Bohrmaschine loszulassen. Deswegen habe er im Unfallfragebogen auch nicht angegeben, dass der Arm beim Sturz angewinkelt gewesen sei. Direkte Unfallfolge sei eine sofortige Funktionseinschränkung der Schulter gewesen. Er habe auch ein Weichteilhämatom erlitten.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2013 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, sowohl in der Unfallanzeige als auch bei der gutachterlichen Untersuchung habe der Kläger einen Sturz auf die rechte Schulter angegeben. Nach fachärztlichem Wissen sei ein solches Unfallgeschehen als Ursache des genannten Schadens ungeeignet. Die erst am 10. Oktober 2012 festgestellte Erkrankung der langen Bizepssehne sei ein sogenannter Nachschaden.
Der Kläger hat am 20. November 2013 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Er hat vorgetragen, dass aufgrund der vorherigen Tätigkeit des Bohrens ein Sturz mit ausgestrecktem Arm als nahezu sicher anzunehmen sei. Es hätten auch keine degenerativen Vorschäden bestanden.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat das SG Beweis erhoben durch die Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens vom 10. August 2014 von Dr. R ... Diesem gegenüber hat der Kläger angegeben, dass er, ohne sich abfangen zu können, auf die rechte Seite und rechte Schulter gestürzt sei. Er hat hierzu auch eine handgefertigte Skizze vorgelegt, die in das Gutachten aufgenommen worden ist. Dr. R. hat bekundet, bei dem rechtshändigen Kläger bestehe aktuell eine schmerzbedingt ausgeprägte Funktionsstörung mit Bewegungseinschränkungen in Abduktion (45°), Elevation/Innenrotation (44°), Adduktion (50°) und Kombinationsbewegungen der rechten Schulter. Zum Hergang hat er ausgeführt, bildgebend hätten sich unmittelbar nach dem Unfall neben degenerativen Veränderungen der rechten Schulter Teilrupturen der Supraspinatussehne, der Subscapularissehne und auch der Infraspinatussehne gezeigt, die sodann rekonstruiert worden seien. Die begleitenden degenerativen Veränderungen seien ebenfalls behandelt worden. Werde der geschilderte Unfallmechanismus korrekt interpretiert, sei es durch den geschilderten Hergang zu einem direkten Anpralltrauma der rechten Schulter durch den Sturz auf selbige gekommen. Ungeeignet sei dieser Unfallhergang deswegen, weil die mechanische Schutzfunktion des Deltamuskels eine strukturelle Schädigung der Rotatorenmanschette verhindere. So spreche der Verletzungsmechanismus gegen eine geeignete Unfallursache. Daneben bestünden aber noch die Pro-Kriterien, die für einen Unfallzusammenhang anzuführen seien. Dass grundsätzlich in dem Alter des Klägers degenerative Veränderungen, wie eine Arthrose des Schultereckgelenkes, vorhanden seien, sei nicht beweisend für vorbestehende degenerative Läsionen an der Rotatorenmanschette, vor allem dann nicht, wenn keine klinisch-funktionellen Einschränkungen aktenkundig seien. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass nach dem Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers keine einschlägigen Behandlungen stattgefunden hätten. Entsprechend den Anforderungen des klinischen Primärbefundes habe der Kläger binnen 24 Stunden einen Arzt aufgesucht, dabei sei die Beweglichkeit unter 90° eingeschränkt gewesen. Ferner hätte das zeitnah angefertigte MRT vom 20. April 2012 die beschriebenen Schäden, insbesondere einen periartikulären Erguss, gezeigt. Der Operationsbericht enthalte keine Angaben über die Läsionsart. Es sei aber festzuhalten, dass die Rotatorenmanschette habe rekonstruiert werden können, was bei alten retrahierten Rupturen häufig nicht mehr möglich sei. Eine histologische Untersuchung habe nicht stattgefunden. Insgesamt sei daher davon auszugehen, dass der stattgehabte Unfall die zur Diskussion stehende Verletzung hervorgerufen habe, wenngleich der Unfallmechanismus fraglich bleibe. Ergänzend hat Dr. R. darauf hingewiesen, dass nach der Heilungsverzögerung die operative Wundsanierung nicht zügig genug durchgeführt worden sei, sodass angrenzende Strukturen, z. B. die Rotatorenmanschette, mit infiziert worden sein könnten, was mit hoher Wahrscheinlichkeit erkläre, warum die Rekonstruktion nicht geheilt und es zu einer Re-Ruptur der Supraspinatussehne gekommen sei. Die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit des Klägers, so der Sachverständige abschließend, dauere an und es sei inzwischen ein rentenberechtigender Endzustand eingetreten.
Die Beklagte hat gegen Dr. R. Feststellungen eingewandt, es gebe keinen Anlass dafür, den Unfallmechanismus als fraglich anzusehen. Daher habe der Sachverständige unzulässigerweise außer Betracht gelassen, dass das unverzichtbare Pro-Kriterium einer überfallartigen Dehnungs- bzw. Zugbelastung fehle.
Mit Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung vom 22. Januar 2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe das Ereignis als Arbeitsunfall anerkannt, weitergehende Unfallfolgen als die anerkennten beständen nicht. Insbesondere könne die Ruptur der Supraspinatussehne nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Sturz zurückgeführt werden. Der Hergang sei ungeeignet gewesen. Der Kläger habe sowohl in dem Schulterfragebogen als auch gegenüber den Gutachtern angegeben, dass er sich nicht abgestützt habe. Beide Gutachter hätten auch ausgeführt, dass in solchen Fällen die Rotatorenmanschette mechanisch durch den Delta-Muskel geschützt sei. Die abweichende Einschätzung Dr. R. überzeuge nicht. Er nenne zwar einige Kriterien, die auf einen Ursachenzusammenhang hindeuteten, jedoch vermöchten diese einen geeigneten Unfallmechanismus nicht zu ersetzen. Auch die Ausführungen des Sachverständigen zu einer Gelegenheitsursache seien nicht nachvollziehbar. Er habe selbst angegeben, dass die Verletzung auch bei einem anderen Ereignis des täglichen Lebens denkbar gewesen wäre, also müsse auch nach seiner Ansicht eine Minderbelastbarkeit vorgelegen haben. Ein leeres Vorerkrankungsverzeichnis und Beschwerdefreiheit vor dem Unfall bewiesen einen Kausalzusammenhang nicht, da Schadensanlagen auch klinisch stumm sein könnten. Entscheidend sei vielmehr der Hinweis Dr. G., dass der intraoperative Befund eine aktivierte drittgradige AC-Gelenks-Arthrose und einen Knorpelschaden ergäben hätten und darüber hinaus eine isolierte Schädigung der Supraspinatussehne und nicht der anderen Sehnen der Rotatorenmanschette vorgelegen habe. Eine solche könne jedoch nicht traumatisch bedingt sein. Auf diesen Umstand, dass nämlich der Arthroskopiebefund die zunächst vermuteten Rupturen weiterer Sehnen nicht bestätigte, gehe Dr. R. nicht ein.
Gegen dieses Urteil, das seinem Prozessbevollmächtigten am 4. Februar 2015 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 3. März 2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Er trägt vor, der von ihm geschilderte Unfallhergang sei nicht per se ungeeignet gewesen. Die Schultermuskulatur sei angespannt gewesen. Der rechte Arm sei wegen der Akkubohrmaschine nicht am Körper angewinkelt gewesen, sondern schräg über dem Kopf ganz oder teilweise ausgestreckt. Es habe eine sofortige Funktionseinschränkung vorgelegen. Ein Anheben sei nicht mehr möglich gewesen. Es habe ein Weichteilhämatom bestanden. Umstände, die für eine nicht-traumatische Verursachung sprächen, etwa eine Atrophie oder eine Verfettung, hätten nicht vorgelegen. Ferner habe ein Erguss bestanden, was in dem Gutachten vom 30. Januar 2013 nicht hinreichend gewürdigt worden sei. Verschleißbedingte Vorschäden hätten nicht vorgelegen. Dem genannten Gutachten könne daher nicht gefolgt werden. Insbesondere könne nicht dem vage beschriebenen Unfallhergang streitentscheidende Bedeutung beigemessen werden. Dies verschiebe die Beweislast in unangemessener Weise zu Lasten des Versicherten.
Der Kläger beantragt zuletzt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 22. Januar 2015 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 16. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2013 teilweise aufzuheben und festzustellen, dass die Supraspinatussehnenruptur Folge des Unfalls ist, und die Beklagte zu verurteilen, Verletztengeld über den 31. Mai 2012 hinaus zu gewähren und diese zu verpflichten, über Maßnahmen der Heilbehandlung zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Ansicht fest, dass sich der vom Kläger geschilderte Hergang als ungeeignet erweise. Ein Sturz direkt auf die Schulter werde dadurch bestätigt, dass dieser keine Zeit gehabt habe, die Bohrmaschine loszulassen.
Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 19. Januar 2016 und der Kläger unter dem 27. Januar 2016 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung über die Berufung des Klägers, nachdem sich beide Beteiligte mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die Berufung des Klägers ist statthaft (§§ 143 SGG) insbesondere nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, weil nicht nur Leistungen - und diese unbeschränkt, also für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) -, sondern auch Feststellung begehrt wird. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 SGG).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das SG die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungs- (§§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 3 SGG) sowie Anfechtungs-, Leistungsklage und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) des Klägers abgewiesen.
Allerdings ist nur die Anfechtungs- und Feststellungsklage uneingeschränkt zulässig. Die Feststellung, dass die jetzt noch geltend gemachte Supraspinatussehnenruptur des Klägers nicht Folge des Arbeitsunfalls vom 19. April 2012 ist, lässt sich dem angefochtenen Bescheid vom 16. April 2013 mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, wenngleich dieser Verfügungssatz im Bereich der Begründung des Bescheids aufgeführt ist. Die Anfechtungs- und Leistungs- bzw. Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist dagegen bereits nur teilweise zulässig, nämlich nur für die Zeiträume ab dem 13. November 2012 hinsichtlich des Verletztengeldes und ab dem 28. Februar 2013 hinsichtlich der Heilbehandlung.
Zwar hat der Kläger in der Berufungsinstanz sein Leistungsbegehren ausreichend konkretisiert (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 3 SGG) und auf Verletztengeld und Heilbehandlung beschränkt. Diese Leistungsansprüche waren auch Inhalt der angegriffenen Entscheidung der Beklagten (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) und damit Gegenstand des Vorverfahrens nach § 78 Abs. 1 SGG. Denn mit dem hier angegriffenen Bescheid vom 16. April 2013 hat die Beklagte konkludent das Ereignis vom 19. April 2012 als Versicherungsfall anerkannt und aufgrund der festgestellten Unfallfolgen Leistungen bis 31. Mai 2012 bewilligt. Diese hinsichtlich der Leistungsbewilligung unspezifische Regelung wurde durch den Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2013 konkretisiert. Wie sich aus den zur Ermittlung des Regelungsgehalts mit heranzuziehenden Gründen des Bescheides ergibt, erstreckte sich dieser auf die Gewährung von Heilbehandlung sowie von Verletztengeld, da für beide Leistungsarten die entsprechenden Anspruchsgrundlagen und deren Voraussetzungen genannt wurden.
Allerdings fehlt dem Kläger für die Zeiträume vom 1. Juni 2012 bis zum 12. November 2012 hinsichtlich des Verletztengeldes und bis zum 28. Februar 2013 hinsichtlich der Heilbehandlung das notwendige Rechtsschutzbedürfnis. Für diese Zeiträume hat der Kläger die begehrten Leistungen bereits erhalten. Die Beklagte hatte die AOK das Verletztengeld bis zum 12. November 2012 auszahlen lassen und die Heilbehandlung des Klägers zu Lasten der Beklagten erst nach dem Schreiben an Dr. V. vom 28. Februar 2013 abgebrochen. Rückerstattungsansprüche gegen den Kläger bestehen nicht, weil die Beklagte nicht bereits zugleich nach § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) rückwirkend die durch die Leistungsgewährungen erfolgten Bewilligungen aufgehoben hat, was aber erforderlich wäre. Im Übrigen könnte insoweit jetzt auch nicht mehr die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 SGB X eingehalten werden.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Der Kläger hat keine Ansprüche auf Feststellung der angeführten Gesundheitsstörung als Unfallfolge und Gewährung der verfolgten Leistungen über den 31. Mai 2012 hinaus.
Nach § 102 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte gegen die zuständige Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung einen Anspruch auf Feststellung eines Gesundheitsschadens als Folge eines Versicherungsfalls, vorliegend des mit Bescheid vom 16. April 2013 konkludent festgestellten Arbeitsunfalls, wenn ein Gesundheitsschaden durch das Unfallereignis oder einen Gesundheitserstschaden dieses Versicherungsfalls (unmittelbare Unfallfolge) oder infolge der Erfüllung eines Tatbestandes des § 11 SGB VII als mittelbare Unfallfolge rechtlich wesentlich verursacht worden ist.
Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts als Tatsacheninstanz bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, welche die Tatbestandsmerkmale "Unfallereignis" und "Gesundheitsschaden" der haftungsausfüllenden Kausalität bei unmittelbaren Unfallfolgen oder - abgesehen von der Kausalität ("infolge") - die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 11 SGB VII erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis des naturphilosophischen Ursachenzusammenhangs zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 43, Rz. 17).
Der Gesundheitserstschaden, aber auch ein Gesundheitsfolgeschaden müssen im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen. Angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglicher Schulenstreite sollte diese Feststellung nicht nur begründet sein, sondern aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 31/11 R -, juris, Rz. 18), damit die Feststellung nachvollziehbar ist (z.B. ICD-10 = Zehnte Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO aus dem Jahre 1989, vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) ins Deutsche übertragen, herausgegeben und weiterentwickelt, aktuelle Fassung ICD-10 German Modification [GM] Version 2016). Denn je genauer und klarer die bei dem Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, um so einfacher sind ihre Ursachen zu erkennen und zu beurteilen sowie letztlich die MdE zu bewerten. Begründete Abweichungen von diesen Diagnosesystemen aufgrund ihres Alters und des zwischenzeitlichen wissenschaftlichen Fort-schritts sind damit nicht ausgeschlossen. Bei der Supraspinatussehnenruptur ist dies die ICD-10 M75.1.
Die zunächst teilweise und später vollständige Supraspinatussehnenruptur oder "Rotatorenmanschettenläsion", die bei dem Kläger nach dem Unfall diagnostiziert wurde und die der Grund für die fortbestehenden Beeinträchtigungen ist, beruht nicht im unfallversicherungsrechtlichen Sinne auf dem anerkannten Arbeitsunfall vom 19. April 2012. Denn die Zurechnung als unmittelbare Unfallfolge setzt voraus, dass die versicherte Einwirkung aufgrund eines sicher feststehenden Unfallereignisses den Gesundheitsschaden objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (vgl. dazu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 38 mit 31 ff.).
Die Zurechnung setzt zunächst voraus, dass das Unfallereignis den Gesundheitsschaden, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-)Ursachen, objektiv (mit-) verursacht hat. Für Einbußen der Verletzten, für welche das Unfallereignis keine (Wirk-)Ursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und haben die Trägerinnen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht einzustehen. (Wirk-)Ursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die in Frage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Insoweit ist Ausgangspunkt der Zurechnung die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolgs gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele ("conditio-sine-qua-non"). Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung muss ein Unfallereignis, welches im Sinne der "Conditio-Formel" eine erforderliche Bedingung des Erfolgs war, darüber hinaus in seiner besonderen tatsächlichen und rechtlichen Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Es muss (Wirk-)Ursache des Erfolgs gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine im Einzelfall nicht wegdenkbare zufällige Randbedingung gewesen sein.
Ob ein Unfallereignis eine (Wirk-)Ursache für eine festgestellte Einwirkung und die versicherte Einwirkung eine (Wirk-)Ursache für einen Gesundheitsschaden war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht ("ex post") nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen, gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten, beantwortet werden (vgl. dazu BSG, a. a. O., Rz. 61 ff.).
Erst wenn das Unfallereignis, die damit verbundene Einwirkung und der möglicherweise dadurch verursachte Gesundheitsschaden festgestellt sind, kann und darf auf der ersten Prüfungsstufe der Zurechnung, also der objektiven Verursachung, über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung zwischen der Einwirkung und dem Schaden mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und gegebenenfalls mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte, von außen kommende und zeitlich begrenzte Einwirkung, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-)Ursachen, eine (Wirk-)Ursache des Körperschadens der Versicherten war.
Der letztlich durch die versicherte Einwirkung mitbewirkte Schaden muss rechtlich zudem auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten, also rechtlich wesentlich, sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll.
Beweisrechtlich ist weiter zu beachten, dass es im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel gibt, dass bei fehlender Alternativursache das angeschuldigte Ereignis eine Ursache ist oder die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellte versicherte Ursache im naturwissenschaftlichen Sinn automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde.
Auf dieser Basis hält es der Senat nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass die Ruptur der Supraspinatussehne des Klägers auf den Unfall vom 19. April 2012 als wesentliche Ursache zurückzuführen ist. Mehr Indizien sprechen gegen einen solchen Verlauf als dafür.
Für einen Ursachenzusammenhang sprechen - lediglich - die Beschwerden und das Verhalten des Klägers unmittelbar nach dem Unfall. Der Kläger hat seine Arbeit eingestellt und sich in ärztliche Behandlung begeben. Es bestanden sofort erhebliche Schmerzen und auch die aktive Beweglichkeit war nach dem H-Arztbericht von Dr. V. vom Unfalltag unmittelbar erheblich eingeschränkt. Dieser Hergang entspricht zwar den Anforderungen der medizinischen Literatur, wonach nicht nur eine Arbeitseinstellung und ein Arztbesuch am Unfalltag oder am folgenden Tag gefordert sind, sondern auch ein sofortiges Schmerzmaximum, das in den folgenden Wochen abklingt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit. 8. Aufl. 2010, S. 415). Allerdings weist der Senat darauf hin, dass auch bei einer bloßen, ebenfalls sehr schmerzhaften - und von der Beklagten auch anerkannten - Prellung des Schultergelenks ein unverzüglicher Arztbesuch nachvollziehbar ist, die Beweglichkeit der Schulter schmerzbedingt eingeschränkt und deshalb eine MRT-Untersuchung indiziert sein kann.
Der Unfallhergang spricht gegen einen Ursachenzusammenhang. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger direkt auf die Schulter gefallen ist und nicht etwa primär auf den (insbesondere nach hinten) ausgestreckten Arm oder zumindest den Ellenbogen, so dass es zu einer direkten Gewalteinwirkung auf die rechte Schulter kam und es somit an der erforderlichen Zugbeanspruchung mit unnatürlicher Längendehnung der Sehne fehlt (dazu siehe unten). Diesen Hergang hat der Kläger selbst von Anfang an so geschildert, erstmals bereits ausdrücklich in dem - noch zeitnah erhobenen - Schulterfragebogen am 16. November 2012 und dann wiederum bei beiden Begutachtungen. Weder nach dem SGG noch nach der Zivilprozessordnung (ZPO) gibt es zwar eine Beweisregel in dem Sinne, dass frühere Aussagen oder Angaben grundsätzlich einen höheren Beweiswert besitzen als spätere; im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 286 ZPO) sind vielmehr alle Aussagen, Angaben und sonstigen Einlassungen zu würdigen. Gleichwohl kann das Gericht im Rahmen der Gesamtwürdigung den zeitlich früheren Aussagen aufgrund der Gesichtspunkte, dass die Erinnerung hierbei noch frischer war und sie von irgendwelchen Überlegungen, die darauf abzielen, das Klagebegehren zu begünstigen, noch unbeeinflusst waren, einen höheren Beweiswert als den späteren zumessen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2003 - B 2 U 41/02 R -, SozR 4-2700 § 4 Nr. 1, Rz. 12; Urteile des Senats vom 12. August 2014 - L 6 VH 5821/10 ZVW - juris, Rz. 144, vom 21. Mai 2015 - L 6 U 1053/15 -, juris, Rz. 34, und vom 25. September 2015 - L 6 U 3197/13 -, nicht veröffentlicht). Hiervon geht der Senat vorliegend aus.
Dafür spricht des Weiteren, dass in dem MRT-Bericht vom 20. April 2012 Dr. B. auch auf ein ausgedehntes Weichteilhämatom um das Schultergelenk herum hingewiesen hat, was - nicht zwingend, aber eher - auf einen Anprall im Schulterbereich hinweist. Der von dem Gutachter Dr. R. in den Vordergrund gerückte periartikuläre Erguss spricht zwar für ein auch inneres Trauma, aber nach insoweit überzeugender Einschätzung von Prof. Dr. G. nicht bei fehlendem Knochenmarködem. Gegen einen ausgestreckten Arm spricht auch, dass der Kläger - wiederum nach eigenem Bekunden - bis zuletzt die Bohrmaschine in der rechten Hand hielt, bei einem Sturz mit ausgestrecktem Arm also diese zunächst auf den Boden hätte aufschlagen müssen, was er aber nicht berichtet hat. Ein solcher Hergang, den der Kläger geschildert hat, ist aber ungeeignet, eine Rotatorenmanschettenruptur zu verursachen (vgl. hierzu Schönberger/Mehr-tens/Va¬lentin, a.a.O., S. 412 f.), zumal eine isolierte Verletzung der Rotatorenmanschette selbst ohne Verletzungen der umliegenden knöchernen und sonstigen Bereiche die Ausnahme darstellt (so Schönberger/Mehr¬tens/Va¬lentin, a.a.O., S. 412). Dies gilt erst recht für eine isolierte Verletzung nur der Supraspinatussehne ohne Verletzungen der anderen Sehnen der Rotatorenmanschette.
Gegen einen Ursachenzusammenhang spricht weiter, dass der MRT-Bericht vom 20. April 2012 wie auch der OP-Bericht vom 24. Mai 2012 übereinstimmend degenerative Veränderungen, nämlich eine - zuletzt sogar schon als drittgradig eingestufte - Arthrose am AC-Gelenk bzw. dem Humeruskopf und subacrominale Spornbildung beschreiben, worauf bereits Prof. Dr. G. in seinem im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Gutachten hingewiesen hat. Eine solche Arthrose kann sich nicht binnen eines Tages nach dem Unfallereignis posttraumatisch entwickeln. Das Fehlen eines Knochenmarködems als Einblutung oder eines bone bruise oder einer andere knöcherne Verletzung im Schulterbereich deutet ebenfalls auf eine traumatische Genese hin (vgl. Schönberger/Mehr¬tens/Va¬lentin, a.a.O., S. 415). Dies gilt umso mehr, als die Rotatorenmanschette im hohen Maße der Degeneration unterliegt, die meisten Schäden zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr eintreten (vgl. Schönberger/Mehr¬tens/Va¬lentin, a.a.O., S. 410) und der Kläger zum Unfallzeitpunkt gerade dieser kritischen Altersgruppe angehörte. So hat auch der behandelnde Chirurg Dr. V. das Impingement-Syndrom des Klägers bereits am 24. Mai 2012 als chronisch bewertet.
Dass die Rotatorenmanschette beim Kläger zunächst rekonstruiert werden konnte, belegt allein ebenfalls nicht hinreichend, dass die Ruptur unfallbedingt war, zumal Dr. R. selbst einräumen musste, dass dies bei alten retrahierten Rupturen häufig doch möglich ist. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass unmittelbar nach dem Unfall nur eine Teil-Ruptur nur einer der Sehnen im Bereich der Rotatorenmanschette vorlag.
Das leere Vorerkrankungsverzeichnis belegt daher keinen Ursachenzusammenhang, es kann damit weder eine Schadensanlage noch ein Vorschaden ausgeschlossen werden. Nach medizinischer Einschätzung sind hierfür nicht allein das Fehlen von Vorerkrankungen, sondern zusätzlich unauffällige Röntgenbilder (vor oder nach dem angeschuldigten Ereignis, bezogen auf degenerative Veränderungen) für die Anerkennung einer traumatische Genese einer Rotatorenmanschettenruptur erforderlich, was sogar bei leichten vorbestehenden Veränderungen, die noch altersgemäß waren, gilt. Eindeutig negativ zu werten sind überdies nach der unfallmedizinischen Literatur eine (nachgewiesene) Omarthrose, eine AC-Gelenks-Arthrose, ein Oberarmkopfhochstand oder frühere Luxationen oder andere Traumen der Schulter (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 414). Deswegen kommt der unmittelbar nach dem Unfall festgestellten Arthrose ein höheres Gewicht zu als der Beschwerdefreiheit des Klägers vor dem Unfall, zumal die altersvorauseilende Arthrose durchaus mit der beruflichen Tätigkeit des - rechtshändigen - Klägers als Maler- und Lackierermeister verbunden sein mag, die etwa häufige Über-Kopf-Arbeiten umfasste, was der Senat der vom Kläger Dr. R. vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung entnimmt.
Unter Berücksichtigung all dieser Gesichtspunkte spricht nicht mehr für als gegen einen wesentlich ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und der die Bewegungseinschränkungen des Klägers bedingenden Veränderung der Supraspinatussehne.
Die komplette Ruptur der Rotatorenmanschette ist dem Arbeitsunfall auch nicht als mittelbare Unfallfolge nach § 11 SGB VII zuzurechnen.
Nach § 11 Abs. 1 SGB VII sind Folgen eines Versicherungsfalls auch Gesundheitsschäden von Versicherten infolge der Durchführung einer Heilbehandlung, von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder einer Maßnahme nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) (Nr. 1), der Wiederherstellung oder Erneuerung eines Hilfsmittels (Nr. 2), der zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordneten Untersuchung (Nr. 3) einschließlich der dazu notwendigen Wege. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB VII gilt Absatz 1 entsprechend, wenn die Versicherten auf Aufforderung der Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung diese oder eine von ihr bezeichnete Stelle zur Vorbereitung von Maßnahmen der Heilbehandlung, der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder von Maßnahmen nach § 3 BKV aufsuchen. Der Aufforderung durch die Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung nach Satz 1 steht eine Aufforderung durch eine mit der Durchführung der genannten Maßnahmen beauftragte Stelle gleich (§ 11 Abs. 2 Satz 2 SGB VII). Diese mittelbaren Folgen müssen nicht durch den Gesundheitserstschaden verursacht worden sein (vgl. BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 31/11 R -, juris, Rz. 24 m.w.N.).
In Betracht kommt insoweit nur die arthroskopische Operation bei Dr. V. am 24. Mai 2012 als Durchführung einer Heilbehandlung im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Diese wird aber bereits von Prof. Dr. G. zu Recht nicht als durch den Unfall erforderlich angesehen. Dr. R. hat insoweit zwar die Frage aufgeworfen, ob ein Behandlungsdefizit vorliegt, weil ein Infekt hätte vorliegen können, die erforderliche Operation aber nicht umgehend durchgeführt worden ist, was dann wiederum möglicherweise die Nichtheilung der Rekonstruktion der Rotatorenmanschette verursacht hat. Damit hat er aber nur die bloße Möglichkeit dargelegt, dass die Heilbehandlung zu der Ruptur geführt hat. Selbst wenn die Mutmaßung zutreffen würde, so hätte die "Fehlbehandlung" nicht zu dem Gesundheitsschaden geführt, dessen Feststellung vom Kläger begehrt wird; sie hätte nur einen schon vor der Operation bestandenen Körperschaden, der aber - wie ausgeführt - nicht unfallbedingt war, nicht dauerhaft beseitigt.
Die von der Beklagten anerkannten und unfallbedingten Schädigungen - die Schulterprellung und die Verletzungen am Fuß - waren nach insoweit übereinstimmender Einschätzung der gehörten Gutachter bis Ende Mai ausgeheilt, sodass die Beklagte die Leistungen zu Recht zu diesem Zeitpunkt einstellen konnte. Ein Anspruch auf weitere Heilbehandlung (§§ 26 f. SGB VII) oder auf weitere Gewährung von Verletztengeld (§ 45 SGB VII) besteht daher nicht.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
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