Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 KR 3541/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 888/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Landesblindenhilfe nach dem Gesetz über die Landesblindenhilfe
in Baden-Württemberg (BliHG) ist keine Einnahme zum
Lebensunterhalt iSd § 240 SGBV.
§ 4 Nr 4 der Beitragsgrundsätze Selbstzahler ist rechtswidrig und
damit unwirksam. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat
mit dieser Bestimmung die Grenzen der ihm eingeräumten
Regelungsbefungnis überschritten.
in Baden-Württemberg (BliHG) ist keine Einnahme zum
Lebensunterhalt iSd § 240 SGBV.
§ 4 Nr 4 der Beitragsgrundsätze Selbstzahler ist rechtswidrig und
damit unwirksam. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat
mit dieser Bestimmung die Grenzen der ihm eingeräumten
Regelungsbefungnis überschritten.
Die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 04.02.2015 werden zurückgewiesen. Die Bescheide vom 03.01.2014, 29.09.2014, 28.01.2015 und 14.10.2015 werden aufgehoben, soweit darin Beiträge auf das Landesblindengeld erhoben werden. Überzahlte Beiträge sind insoweit zu erstatten.
Die Beklagten erstatten die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob das Landesblindengeld beitragspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ist.
Der 1930 geborene Kläger ist seit 01.08.1993 bei der Beklagten zu 1) als Rentner freiwillig krankenversichert. Seit 01.05.2012 erhält er Pflegegeld nach Pflegestufe II iHv 440 EUR monatlich. Zuletzt mit Bescheid vom 30.04.2012 setzte die Beklagte zu 1) – auch im Namen der Beklagten zu 2) – die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf insgesamt 151,39 EUR fest und legte hierbei als Einkommen die Rente des Klägers (657,27 EUR) und sonstige Einnahmen (Kapitalerträge) iHv 217,73 EUR zugrunde.
Am 27.03.2013 legte der Kläger, vertreten durch seine Ehefrau als Betreuerin, einen erneuten Einkommensfragebogen vor und teilte mit, er habe einen GdB von 100 und erhalte monatliche Blindenhilfe iHv 234 EUR. Beigefügt war der Bewilligungsbescheid vom 21.12.2012, wonach dem Kläger ab 01.09.2012 monatlich 233,03 EUR und ab 01.01.2013 monatlich 234,00 EUR nach dem Gesetz über die Landesblindenhilfe Baden-Württemberg (BliHG) bewilligt wurden.
Mit Bescheid vom 29.05.2013 setzte die Beklagte zu 1) die Beiträge – auch für die Pflegekasse – ab 01.09.2012 neu fest unter Berücksichtigung des Blindengeldes auf insgesamt 179,27 EUR mit Nachforderung für den Zeitraum 01.09.2012 bis 30.04.2013 iHv 198,36 EUR und hob den bisherigen Beitragsbescheid auf.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, die Berücksichtigung des Blindengeldes sei nicht rechtens. Nach § 240 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) seien alle Einnahmen zum Lebensunterhalt zur Berechnung der Beiträge heranzuziehen, Landesblindengeld und Blindenhilfe seien aber keine Einnahmen zum Lebensunterhalt. Das Bundessozialgericht (BSG) habe dort eine Grenze gezogen, wo es um Hilfe in besonderen Lebenslagen gegangen sei, hierzu habe die Blindenhilfe gehört. Dies habe auch für das Landesblindengeld gegolten, das ebenfalls eine staatliche Leistung als Ausgleich für blindheitsbedingte Mehraufwendungen sei und sich von der Blindenhilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) nur insofern unterscheide, als nach Landesrecht auf eine Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse verzichtet werde. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) habe am 26.08.2009 eine aufsichtsrechtliche Anordnung erlassen, wonach Landesblindengeld generell nicht als beitragspflichtige Einnahme freiwillig Versicherter gelten solle. Die dagegen eingelegte Klage des GKV-Spitzenverbandes laufe beim Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg (L 1 KR 34/10 KL). Das Sächsische LSG habe entschieden, dass eine Verbeitragung des Blindengeldes nicht statthaft sei (Urteil vom 06.12.2012, L 1 KR 172/11; Revision anhängig unter B 12 KR 2/13 R).
Mit Bescheid vom 22.07.2013 wurde dem Kläger mitgeteilt, aufgrund eines EDV-Fehlers müsse der Beitrag rückwirkend ab 01.09.2012 neu berechnet werden. Ab Juni 2013 ergebe sich ein Beitrag iHv 179,28 EUR.
Mit Bescheid vom 25.07.2013 setzte die Beklagte zu 1) die zum 01.07.2013 wirksame Rentenerhöhung um, der Beitrag wurde auf 179,57 EUR festgesetzt. Der Bescheid, den der Kläger in den letzten Tagen erhalten habe, sei als hinfällig zu betrachten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2013 wies die Beklagte zu 1) – auch im Namen der Beklagten zu 2) – den Widerspruch zurück. Da wegen der Vielzahl unterschiedlicher Einnahmearten eine abschließende konkrete Aufzählung nicht möglich sei, habe der GKV Spitzenverband in den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler eine allgemeine, generalklauselartige Regelung verfasst, um sämtliche Einnahmen beitragsrechtlich zu erfassen. Aus der Aufstellung des gemeinsamen Rundschreibens vom 24.10.2008 (Katalog von Einnahmen und deren beitragsrechtliche Bewertung nach § 240 SGB V Titel 2 unter Buchstabe B) gehe hervor, dass Blindengeld als beitragspflichtige Einnahme zu berücksichtigen sei.
Hiergegen richtet sich die am 18.10.2013 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mitgeteilt, dass die Krankenkasse die Revision gegen das Urteil des Sächsischen LSG zurückgenommen habe. Das Verfahren vor dem LSG Berlin-Brandenburg habe sich durch Vergleich erledigt. Soweit der GKV-Spitzenverband am 01.12.2013 die Beitragsgrundsätze Selbstzahler geändert habe, enthalte § 4 zwar Neuregelungen zur Berücksichtigung des Blindengeldes, schon die Rückwirkung der Änderung zum 01.01.2009 sei jedoch rechtsstaatlich bedenklich. Außerdem sei Landesblindengeld keine beitragspflichtige Einnahme. In § 3 heiße es ua, dass eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen nicht stattfinde, es sei denn, die Einnahmen würden wegen ihrer Zwecksetzung kraft einer gesetzlichen Regelung im gesamten Sozialrecht nicht als Einkommen berücksichtigt. Dies sei bei Landesblindengeld der Fall. Auch sei nicht nachvollziehbar, dass § 4 Nr 4 Beitragsverfahrensgrundsätze eine beitragsrechtliche Unterscheidung von Landesblindengeld und Blindenhilfe nach § 72 SGB XII vornehme. Das BSG vertrete zwar die Auffassung, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds iSv § 240 SGB V von dessen Einnahmen und nicht dessen Bedarfslage bestimmt werde, es habe aber eine Ausnahme bei den Hilfen in besonderen Lebenslagen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gemacht (unter Hinweis auf BSG 23.11.1992, 12 RK 29/92). Die Blindenhilfe iSv § 72 SGB XII habe unter Geltung des BSHG zu den Hilfen in besonderen Lebenslage gezählt und dürfe daher nicht verbeitragt werden. Gleiches müsse auch für das Landesblindengeld gelten, welches als gleichartige Leistung iSv § 72 SGB XII auf die Blindenhilfe vollständig angerechnet werde. Hierfür spreche auch, dass nach § 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze eine Verbeitragung des Landesblindengeldes nicht vorgenommen werden solle, wenn gleichzeitig Blindenhilfe nach § 72 SGB XII bezogen werde. Damit widerspreche der Spitzenverband seinen eigenen Vorstellungen, wenn er die Beitragsfreiheit der Einnahmen zumindest für einen gewissen Personenkreis anerkenne. Die Regelung in § 4 Nr 4 sei willkürlich und daher rechtswidrig.
Die Beklagte zu 1) ist der Klage entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass der GKV-Spitzenverband den Hinweis des LSG Berlin-Brandenburg in Bezug auf die Verbeitragung des Blindengeldes aufgenommen und einen neuen Passus in die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler aufgenommen habe.
Das SG hat beim BMG eine Auskunft zu der aufsichtsrechtlichen Streitigkeit eingeholt und hierzu die Stellungnahme vom 26.05.2014 erhalten. Mit Urteil vom 04.02.2015 hat es den angefochtenen Bescheid vom 29.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.09.2013 und den Bescheid vom 25.07.2013 aufgehoben, soweit darin bei der Beitragsfestsetzung Landesblindengeld berücksichtigt wurde und die Beklagte zur Erstattung der überzahlten Beiträge verurteilt. Die Beklagte habe zu Unrecht bei der Beitragsbemessung ab 01.09.2012 das Landesblindengeld des Klägers berücksichtigt und daher zu hohe Beiträge erhoben. Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder richte sich nach § 240 SGB V. Zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung am 30.09.2013 habe eine ausdrückliche Regelung zum Blindengeld und somit eine Rechtsgrundlage zur Verbeitragung gefehlt. Die Generalklausel des § 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze sei insoweit nicht ausreichend (unter Hinweis auf Sächsisches LSG 06.12.2012, aaO). Aus dem gemeinsamen Rundschreiben vom 24.10.2008 folge nichts anderes. Zum einen sei das Rundschreiben nicht entsprechend bekannt gemacht worden, zum anderen betreffe das vorgelegte Rundschreiben vom 24.10.2008 nur das "Gesamteinkommen" und gerade nicht andere Einkommensbegriffe wie "Einnahmen, welche die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds iSd § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V bestimmen". Die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, die am 30.09.2013 gegolten hätten, hätten zum Landesblindengeld keine eigenständige Regelung enthalten. Soweit in dem Katalog von Einnahmen Blindengeld enthalten gewesen sei, habe es sich nicht um eine Anlage zu den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler gehandelt, sondern um eine Anlage zu einem Gliederungspunkt einer Niederschrift über eine Besprechung des Arbeitskreises Versicherung und Beiträge der Spitzenverbände der Krankenkassen am 24.10.2008. In dieser Anlage werde das Blindengeld zwar als nach §§ 3 Abs 1, 5 Abs 2 Satz 1 Beitragsverfahrensgrundsätze zu berücksichtigende Einnahme aufgeführt. Dieser Katalog entfalte jedoch keine Verbindlichkeit, da er nicht im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht sei. Für die Regelung der Beitragsbemessungsgrundlagen werde im Bereich der nicht bereits in der Rechtsprechung anerkannt beitragspflichtigen Einnahmen ein höheres Maß an Bestimmtheit verlangt, weshalb beim Landesblindengeld eine generalklauselartige Regelung nicht genüge und eine konkrete Regelung unerlässlich sei (im Anschluss an Sächsisches LSG, aaO). Selbst bei Berücksichtigung der nachfolgenden Regelung der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler in § 4 Nr 4 ergebe sich nichts anderes, denn diese Bestimmung sei rechtswidrig und daher unwirksam. Zwar sei eine rückwirkende Inkraftsetzung zum 01.01.2009 möglich, denn schutzwürdiges Vertrauen stehe insoweit nicht entgegen. Die Norm sei jedoch widersprüchlich. In § 3 Abs 1 Satz 3 2. Alternative Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler finde eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen nicht statt, es sei denn, die Einnahmen würden wegen ihrer Zwecksetzung kraft einer gesetzlichen Regelung im gesamten Sozialrecht nicht als Einkommen berücksichtigt. Schon nach dieser Vorschrift sei die Einbeziehung des Blindengeldes nicht zulässig, denn sowohl für die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII, aber auch für BAföG-Leistungen und Leistungen nach dem SGB II werde Landesblindengeld nicht als Einkommen berücksichtigt. Ohne sachliche Rechtfertigung unterscheide § 4 Nr 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler zudem zwischen Landesblindengeld und Blindenhilfe. Wenn Blindenhilfe nach der Rechtsprechung des BSG (23.11.1992, 12 RK 29/92) nicht als beitragserhöhend anzurechnen sei, müsse dies auch für das Blindengeld gelten. Beide Leistungen hätten dieselbe Zweckrichtung, was sich schon dadurch ergebe, dass das Blindengeld nach § 72 Abs 1 Satz 1 SGB XII vollständig auf die Blindenhilfe angerechnet werde. Dass die nachrangige Leistung der Blindenhilfe beitragsfrei sein solle, die zweckidentische vorrangige Leistung des Landesblindengeldes außerhalb der in § 4 Nr 4 enthaltenen Anrechnung mit einer Beitragspflicht belegt sein solle, sei widersprüchlich.
Gegen das am 09.02.2015 zugestellte Urteil richten sich die am 09.03.2015 eingelegten Berufungen der Beklagten. Sie halten die Auffassung des SG für fehlerhaft. Das SG berücksichtige die Ausführungen des Sächsischen LSG zu den bis 31.12.2010 geltenden Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler und komme zu dem Ergebnis, dass die neue, rückwirkend zum 01.01.2009 in Kraft gesetzte Regelung des § 4 Nr 4 rechtswidrig sei. Dabei werde der Rechtsfindungsprozess nicht berücksichtigt, der zur Änderung der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler geführt habe. Hierzu habe das SG L. (13.05.2015, S 1 KR 200/14) ausgeführt, dass es sich um eine zulässige unechte Rückwirkung handele, denn ein Vertrauenstatbestand, dass Landesblindengeld nicht der Beitragsbemessung unterliege, habe nicht entstehen können. Die unterschiedlich Behandlung von Landesblindengeld und Blindenhilfe stelle keinen Verstoß gegen höherrangiges Recht dar. Zwar dienten beide Leistungen dem Ausgleich behinderungsbedingter Mehraufwendungen, Blindenhilfe sei jedoch eine einkommensabhängige Sozialleistung, die lediglich nachrangig gewährt werde. Sie bestimme damit nicht, anders als das Landesblindengeld, die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds. Die Aufnahme des § 4 Nr 4 sei durch einen Verpflichtungsbescheid der Aufsichtsbehörde initiiert gewesen. Mit der sog Anrechnungslösung habe der GKV-Spitzenverband die Erkenntnisse aus dem Rechtsstreit vor dem LSG Berlin-Brandenburg umgesetzt. Die in § 4 Nr 4 vorgenommene Klarstellung aufgrund der gerichtlich gemachten Ausführungen sei keine Neuregelung, sondern eine Klarstellung der bereits zuvor praktizierten Vorgehensweise.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 04.02.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die von den Beklagten zitierten Ausführungen des SG L. überzeugten nicht. Verkannt werde, dass auch das Landesblindengeld nicht unter den Begriff der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu subsumieren sei. Das Blindengeld sei eine staatliche Leistung, die dem Ausgleich behinderungsbedingter Mehraufwendungen und Nachteile diene. Bereits vor Inkrafttreten der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler habe die Rechtsprechung entschieden, dass das Blindengeld nicht als zu berücksichtigende Einnahme heranzuziehen sei (unter Hinweis auf SG Lübeck 20.12.2007, S 14 KR 466/07). Diese Rechtsprechung müsse fortgelten, da der Gesetzgeber mit der Zuständigkeitsverlagerung auf den GKV-Bundesverband im Jahr 2009 den Regelungsrahmen nicht habe ausweiten wollen. Die Auffassung des Klägers werde auch durch die historische Entwicklung zur Beitragsbemessung nach § 240 SGB V gestützt. Da das Blindengeld gerade nicht zur Deckung des Lebensunterhalts, sondern als Nachteilsausgleich gewährt werde, sei schon mit Blick auf die Grundentscheidung des Gesetzgebers eine Berücksichtigung des Blindengeldes zu beanstanden. Wie die – von der Verbeitragung ausgenommene - Grundrente nach § 31 BVG, werde auch das Landesblindengeld insoweit privilegiert, als es nahezu im gesamten Rechtssystem nicht als Einkommen gewertet werde. Über die Rechtmäßigkeit des § 4 Nr 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sei noch nicht höchstrichterlich entschieden.
Auf Anforderung hat die Beklagte zu 1) ergänzend weitere Bescheide vorgelegt. Mit Bescheid vom 03.01.2014 wurde der Beitrag ab 01.01.2014 auf 179,57 EUR festgesetzt. Mit weiterem Bescheid vom 29.09.2014 wurde der Beitrag ab 01.09.2014 auf 162,27 EUR festgesetzt (143,14 EUR KV, 19,13 EUR PV) unter Berücksichtigung von Renteneinkommen (684,54 EUR) und sonstigen Einnahmen (248,57 EUR). Ab 01.01.2015 belief sich der Beitrag gemäß Bescheid vom 28.01.2015 auf 166,17 EUR (KV 143,96 EUR, PV 22,21 EUR) und ab 01.10.2015 auf 166,26 EUR (KV 144,05 EUR, PV 22,21 EUR) gemäß Bescheid vom 14.10.2015.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen der Beklagten haben keinen Erfolg.
Das Passivrubrum war dahin zu berichtigen, dass nicht nur die Beklagte zu 1), sondern auch die Beklagte zu 2) Beteiligte des Rechtsstreits ist (§ 69 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Denn der Kläger hat sich sowohl im Klage- als auch im Berufungsverfahren gegen die Beitragspflicht zur Kranken- und zur Pflegeversicherung gewandt; das SG hat auch über Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung entschieden. Die Beklagte zu 1) hat zum Ausdruck gebracht, auch im Namen der Pflegekasse zu handeln (zur Zulässigkeit vgl § 46 Abs 2 Satz 4 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI)).
Die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen (§ 151 Abs 1 SGG) sind statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 29.05.2013, abgeändert durch Bescheid vom 25.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.09.2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Gegenstand des Klageverfahrens sind nach § 96 SGG auch die Bescheide vom 03.01.2014, 29.09.2014 und 28.01.2015 geworden, der Bescheid vom 14.10.2015 ist Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Der Senat entscheidet auch über die dem SG nicht bekannt gegebenen, nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens gewordenen Bescheide im Rahmen des Berufungsverfahrens (BSG 26.05.2011, B 10 EG 12/10 R, SozR 4-7837 § 4 Nr 2); über den Bescheid vom 14.10.2015 entscheidet er im Wege der Klage. Der Kläger hat Anspruch auf (teilweise) Aufhebung der genannten Bescheide und Neufestsetzung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 01.09.2012, denn die Beklagten haben zu Unrecht auf das Landesblindengeld Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erhoben. Der Kläger kann daher auch die (teilweise) Erstattung der aufgrund dieser Beitragsbescheide geleisteten Beiträge beanspruchen.
Die gerichtliche Überprüfung der Beitragsfestsetzung endet bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung - auch soweit sie nach § 96 SGG Verfahrensgegenstand geworden sind - mit dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (BSG 11.03.1987, 10 RAr 5/85, BSGE 61, 203 = SozR 4100 § 186a Nr 21; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl, § 54 RdNr 33a mwN). Dies ist hier die mündliche Verhandlung vor dem Senat am 26.01.2016.
Rechtsgrundlage für die rückwirkende Änderung der Beitragsfestsetzung ist § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Nach Abs 1 Satz 1 der Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X). Der Beitragsbescheid vom 30.04.2012 stellt einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar, denn er erschöpft sich nicht in einem einmaligen Ge- oder Verbot oder einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage, sondern regelt die Höhe der Beiträge ab 01.01.2012 auf Dauer (vgl Bundessozialgericht (BSG) 26.09.1991, 4 RK 5/91, BSGE 69, 255 = SozR 3-1300 § 48 Nr 13). Durch die Bewilligung von Landesblindengeld mit Wirkung ab 01.09.2012 ist in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei der Beitragsfestsetzung mit Bescheid vom 30.04.2012 noch vorgelegen haben, keine wesentliche Änderung eingetreten. Eine Änderung ist dann wesentlich, wenn der Bescheid nach den nunmehr vorliegenden Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr hätte erlassen werden dürfen (BSG 19.02.1986, 7 RAr 55/84, SozR 1300 § 48 Nr 22). Dies ist hier nicht der Fall. Für die Höhe der geschuldeten Beiträge ist die Gewährung von Landesblindengeld unerheblich, denn dieses zählt nicht zu den beitragspflichtigen Einnahmen iSv § 240 SGB V.
Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im streitigen Zeitraum ab 01.09.2012 dürfen nur ohne Berücksichtigung des Landesblindengeldes erhoben werden. Der Kläger ist als freiwilliges Mitglied der Beklagten zu 1) beitragspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 223 SGB V). Aus der freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung folgt die versicherungspflichtige Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs 3 SGB XI) sowie die Pflicht, Beiträge hierzu entrichten (§ 54 Abs 2 SGB XI).
Bei freiwillig versicherten Rentner werden gemäß § 238a SGB V der Beitragsbemessung nacheinander der Zahlbetrag der Rente, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, das Arbeitseinkommen und die sonstigen Einnahmen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds bestimmen (§ 240 Abs 1 SGB V), bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu Grunde gelegt. Die Höhe der Beiträge richtet sich bei freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten nach § 240 SGB V (idF des Gesetzes vom 20.12.2011, BGBl I S 2854), der über § 57 Abs 4 Satz 1 SGB XI für die Berechnung der Beiträge zur Pflegeversicherung entsprechend gilt. Danach wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitgliedes berücksichtigt (Abs 1). Es müssen mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitgliedes berücksichtigt werden, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtigen Beschäftigen der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (Abs 2 Satz 1). Nach der Gesetzesbegründung zu § 240 aF ist bei der Beitragsgestaltung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen, dh alle Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, sind ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung der Beitragsbemessung zugrunde zu legen (BT-Drs 11/2237 S 252 zu § 249).
Die vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen erlassenen einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) vom 27.10.2008 (in Kraft getreten am 01.01.2009, § 13 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) gehen von diesem im Gesetz geregelten (§ 2 Abs 1 Satz 1 und 2 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) und von der Rechtsprechung ausgefüllten (§ 3 Abs 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) Begriffen aus. Nach § 2 Abs 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds bemessen. Als beitragspflichtige Einnahmen sind das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen (§ 3 Abs 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler). Diese Regelungen übernehmen die von der Rechtsprechung des BSG entwickelte Auslegung des § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V (vgl BSG 23.09.1999, B 12 KR 12/98 R, SozR 3-2500 § 240 Nr 31 unter Verweis auf BT-Drucks 11/2237 S 225; BSG 22.03.2006, B 12 KR 8/05 R, juris-RdNr 19). Eine solche Generalklausel genügt, um neben den im Gesetz genannten beitragspflichtigen Einnahmen der versicherungspflichtigen Beschäftigten auch andere Einnahmen der Beitragsbemessung zugrunde zu legen, die bereits in der ständigen Rechtsprechung des BSG als Einnahmen zum Lebensunterhalt anerkannt worden sind (BSG 22.03.2006, B 12 KR 8/05 R, juris-RdNr 19). Erfasst werden auch die für die Beitragsbemessung nach § 240 Abs 2 Satz 1 SGB V zwingend heranzuziehenden Einnahmen des freiwilligen Mitglieds, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (vgl BSG 21.09.2005, B 12 KR 12/04 R, juris-RdNr 19). Die Krankenkasse hat zur Feststellung der Beitragspflicht vom Mitglied einen aktuellen Nachweis über die beitragspflichtigen Einnahmen, die nicht von Dritten gemeldet werden, zu verlangen (§ 6 Abs 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler).
Die Regelungen der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler bieten ab 01.01.2009 grundsätzlich eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (BSG 19.12.2012, B 12 KR 20/11 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 17) und verstoßen auch nicht gegen Verfassungsrecht (vgl Senatsurteile vom 18.06.2013, L 11 KR 300/12; 14.05.2013, L 11 KR 1553/11).
Unter Zugrundelegung der genannten Maßstäbe ist das Landesblindengeld nicht als "Einnahme, die für den Lebensunterhalt verbraucht wird oder verbraucht werden kann" (§ 240 Abs 1 SGB V iVm § 3 Abs 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) beitragspflichtig. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG besteht die Beitragspflicht unabhängig davon, ob die Einnahmen dem Arbeitsentgelt vergleichbar sind oder nicht und grundsätzlich auch unabhängig davon, ob mit einer Zuwendung ein bestimmter Zweck verfolgt wird oder nicht, da § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V für die Beitragsbemessung an die "gesamte" wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds anknüpft (BSG 24.01.2007, B 12 KR 28/05 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 9; BSG 18.12.2013, B 12 KR 3/12 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 22 mwN; BSG 15.10.2014, B 12 KR 10/12 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 24). Die Grenzziehung zwischen beitragspflichtigen und von der Beitragspflicht ausgenommenen Leistungen erfordert allerdings regelmäßig eine wertende Entscheidung dazu, ob die Leistungen bei einer anzulegenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen. Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung Leistungen von der Beitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen, die im Hinblick auf ihre besondere Zweckbestimmung den Einnahmen zum Lebensunterhalt im dargestellten Sinne nicht zugeordnet werden können (vgl BSG 21.12.2011, B 12 KR 22/09 R, BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16). Das BSG nimmt insoweit zwei Gruppen von Einnahmen von der Beitragspflicht aus. Das sind zum einen (Sozial-)Leistungen, die der Kompensation eines bestehenden besonderen persönlichen Bedarfs dienen oder als "Hilfe in besonderen Lebenslagen" nicht für den "allgemeinen" Lebensbedarf des Betroffenen bestimmt sind, sondern dem Betroffenen ungekürzt erhalten bleiben sollen (zB BSG 23.11.1992, 12 RK 29/92, BSGE 71, 237 = SozR 3-2500 § 240 Nr 12 zur Hilfe in besonderen Lebenslagen nach dem BSHG; BSG 21.12.2011, aaO zum speziellen Pflegebedarf beim Aufenthalt in einer stationären Einrichtung). Zum anderen sind nicht zu verbeitragen Geldleistungen des sozialen Entschädigungsrechts, die in Ansehung eines in der Verantwortung der staatlichen Gemeinschaft erlittenen Sonderopfers gewährt werden und in nahezu der gesamten Rechtsordnung nicht als Einkommen gelten (BSG 24.01.2007, aaO zur BVG-Grundrente; BSG 03.07.2013, B 12 KR 27/12 R, BSGE 114, 83 = SozR 4-2500 § 240 Nr 18 zu SED-Opferpensionen).
Das Blindengeld wird nach § 1 Abs 1 BliHG zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen und Benachteiligungen gewährt. Es soll als finanzielle Unterstützung dazu beitragen, dass der Blinde die für seine Teilnahme an der Gesellschaft erforderlichen besonderen Mittel, wie zum Beispiel sprechende Haushaltsgeräte, blindengerechte Computer oder Lesehilfen anschaffen kann, aber auch Mittel zur Gewährung immaterieller Bedürfnisse des Blinden zur Verfügung stellen. Blinde nach Vollendung des 18. Lebensjahres erhalten nach § 2 Abs 1 BliHG einen Betrag iHv monatlich 410 EUR, wobei ua Leistungen bei häuslicher Pflege nach den §§ 36 bis 39 SGB XI, bei teilstationärer Pflege nach § 41 SGB XI und bei Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI iHv 60 vH des Pflegegeldes nach Pflegestufe I und 40 vH des Pflegegeldes bei Pflegestufe II und III angerechnet werden (§ 3 Abs 2 BliHG). Das Blindengeld dient damit zum Ausgleich behinderungsbedingter Mehraufwendungen in gleicher Weise wie die Blindenhilfe nach § 72 Sozialgesetzbuch SGB XII. Als "gleichartige Leistung" wird das Blindengeld in voller Höhe auf die Blindenhilfe nach § 72 Abs 1 Satz 1 SGB XII angerechnet. Mit dieser Leistung soll dem Blinden die Möglichkeit eröffnet werden, sich trotz Blindheit mit seiner Umgebung vertraut zu machen, mit eigenen Mitteln Kontakt zur Umwelt zu pflegen und am kulturellen Leben teilzunehmen, es dient auch der Förderung der Mobilität des Betroffenen. Dagegen soll die Blindenhilfe nicht den gewöhnlichen Lebensbedarf decken (BVerwG 04.11.1976, V C 7.76, BVerwGE 51, 281; VGH Baden-Württemberg 06.04.2000, 7 S 1967/98, juris; BSG 05.12.2001, B 7/1 SF 1/00 R, SozR 3-5922 § 1 Nr 1). Den gleichen Zweck erfüllt das Landesblindengeld. Die pauschale Gewährung ohne Prüfung konkreter Bedarfe dient der Verwaltungsvereinfachung und steht der Zweckbindung nicht entgegen. Zweckbestimmte Leistungen können ihre Funktion allerdings nur dann erfüllen, wenn ihr Empfänger sie bestimmungsgemäß verwenden darf und nicht zur Deckung anderer Lebenshaltungskosten heranziehen muss (vgl BSG 25.11.1981, 5a/5 RKn 18/79, SozR 2200 § 180 Nr 7). Die Grundnorm des § 240 SGB V iVm mit der Generalklausel in § 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler lässt eine Heranziehung des Landesblindengeldes damit nicht zu (vgl Sächsisches LSG 06.12.2012, L 1 KR 172/11, juris).
Die Beklagten können die Heranziehung des Blindengeldes zur Beitragsbemessung auch nicht auf § 4 Nr 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler stützen. Die dortige Regelung, die am 27.11.2013 rückwirkend zum 01.01.2009 eingefügt wurde, lautet wie folgt: Den beitragspflichtigen Einnahmen iSd § 3 Abs 1 zuzurechnen sind auch (Nr 4) Leistungen zum Ausgleich der durch Blindheit bedingten Mehraufwendungen und Benachteiligungen nach den landesrechtlichen Vorschriften (Blindengeld), soweit diese Leistungen nicht auf die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII angerechnet werden.
Mit dieser Regelung überschreitet der Spitzenverband Bund der Krankenkassen zur Überzeugung des Senats die Grenzen der ihm durch § 240 Abs 1 Satz 1 SGB V eingeräumten Regelungsbefugnis dadurch, dass er das Blindengeld als beitragspflichtige Einnahme festlegt, soweit es nicht auf die Blindenhilfe angerechnet wird. § 4 Nr 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler steht damit nicht im Einklang mit höherrangigem Recht und ist daher keine wirksame Rechtsgrundlage für die gegenüber dem Kläger erfolgte Beitragsfestsetzung. Wie oben dargelegt, dient das Blindengeld zum Ausgleich behinderungsbedingter Aufwendungen und gerade nicht zur Bestreitung des allgemeinen Lebensunterhalts. Es bestimmt damit nicht die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds. Die Regelung in § 4 Nr 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler ordnet diese Leistung jedoch dem entgegenstehend den beitragspflichtigen Einnahmen zu.
Davon abgesehen hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass die Regelung in § 4 Nr 4 auch im Widerspruch zu § 3 Abs 1 Satz 3 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler steht. Dort ist geregelt, dass eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen nicht stattfindet, es sei denn, die Einnahmen werden wegen ihrer Zwecksetzung kraft einer gesetzlichen Regelung bei Bewilligung von einkommensabhängigen Sozialleistungen im gesamten Sozialrecht nicht als Einkommen berücksichtigt. Dies ist bei dem Blindengeld der Fall. Es gehört nach § 83 Abs 1 SGB XII nicht zum einzusetzenden Einkommen im Rahmen der Sozialhilfe (BVerwG 05.11.1969, V C 43.69, BVerwGE 34, 164; BSG 11.12.2007, B 8/9b SO 20/06 R, SozR 4-3500 § 90 Nr 1) und ist gemäß § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II auch nicht als Einkommen im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu berücksichtigen (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11a, RdNr 149 mwN). Auch § 21 Abs 4 BAföG sieht eine Berücksichtigung von Blindengeld und Blindenhilfe als Einkommen nicht vor (Hessischer VGH 20.10.2009, 10 A 1701/08, juris). Auf die Frage, ob die Regelung in § 3 Abs 1 Satz 3 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler wegen der Nichtberücksichtigung von Zwecksetzung einzelner Einnahmen selbst von der Ermächtigungsgrundlage des § 240 Abs 1 Satz 1 SGB V gedeckt ist (dazu Senatsurteil vom 13.12.2011, L 11 KR 5896/10, juris), kommt es daher im vorliegenden Zusammenhang nicht an.
Schließlich ist die in § 4 Nr 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler gewählte Anrechnungslösung auch in sich widersprüchlich. Das Blindengeld ist nach § 72 Abs 1 Satz 1 SGB XII stets auf die sozialhilferechtlichen Leistungen der Blindenhilfe anzurechnen. Sofern die Regelung so verstanden wird, dass nur für Personen, die neben dem Blindengeld auch Blindenhilfe nach dem SGB XII beziehen, eine konkretisierende Regelung zum Umfang der Beitragspflicht getroffen wird (in diesem Sinne SG Detmold, 12.02.2015, S 3 KR 137/14, juris), hätte sie keinen Anwendungsbereich. Da die landesrechtlichen Leistungen des Landesblindengeldes schon vor einigen Jahren durchgehend unter die Beträge der sozialhilferechtlichen Blindenhilfe abgesenkt worden sind (Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 72 RdNr 6 mwN), sind kaum Konstellationen vorstellbar, bei denen wegen des Nachrangs der Blindenhilfe noch ein nicht angerechneter Betrag des Landesblindengeldes verbleibt. Erfasst die Regelung dagegen auch Personen, die die Voraussetzungen für Blindenhilfe mangels Bedürftigkeit nicht erfüllen, würde das Blindengeld – wie im vorliegenden Fall – voll umfänglich zur Beitragsbemessung herangezogen, obwohl es dem gleichen Zweck wie die Blindenhilfe dient, die auch nach Ansicht des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen nicht beitragspflichtig ist. Dass im einen Fall – bei Blindenhilfe - die "gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" durch die Leistung geprägt wird, im anderen Fall – bei Blindengeld - aber nicht, erscheint nicht überzeugend (so aber SG L., 13.05.2014, S 1 KR 200/14, juris).
Im Ergebnis hat der Kläger daher zu Unrecht zu hohe Beiträge gezahlt, so dass die Voraussetzungen des § 26 Abs 2 Satz 1, Abs 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch für den von ihm geltend gemachten Erstattungsanspruch hinsichtlich der Beiträge, die aus dem Landesblindengeld erhoben worden sind, erfüllt sind. Der Klarstellung halber ist darauf hinzuweisen, dass die Beitragsbemessung nach der Mindestbemessungsgrundlage unberührt bleibt, auch wenn die Außerachtlassung des Landesblindengeldes zu einem darunter liegenden Einkommen führt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Beklagten erstatten die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob das Landesblindengeld beitragspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ist.
Der 1930 geborene Kläger ist seit 01.08.1993 bei der Beklagten zu 1) als Rentner freiwillig krankenversichert. Seit 01.05.2012 erhält er Pflegegeld nach Pflegestufe II iHv 440 EUR monatlich. Zuletzt mit Bescheid vom 30.04.2012 setzte die Beklagte zu 1) – auch im Namen der Beklagten zu 2) – die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf insgesamt 151,39 EUR fest und legte hierbei als Einkommen die Rente des Klägers (657,27 EUR) und sonstige Einnahmen (Kapitalerträge) iHv 217,73 EUR zugrunde.
Am 27.03.2013 legte der Kläger, vertreten durch seine Ehefrau als Betreuerin, einen erneuten Einkommensfragebogen vor und teilte mit, er habe einen GdB von 100 und erhalte monatliche Blindenhilfe iHv 234 EUR. Beigefügt war der Bewilligungsbescheid vom 21.12.2012, wonach dem Kläger ab 01.09.2012 monatlich 233,03 EUR und ab 01.01.2013 monatlich 234,00 EUR nach dem Gesetz über die Landesblindenhilfe Baden-Württemberg (BliHG) bewilligt wurden.
Mit Bescheid vom 29.05.2013 setzte die Beklagte zu 1) die Beiträge – auch für die Pflegekasse – ab 01.09.2012 neu fest unter Berücksichtigung des Blindengeldes auf insgesamt 179,27 EUR mit Nachforderung für den Zeitraum 01.09.2012 bis 30.04.2013 iHv 198,36 EUR und hob den bisherigen Beitragsbescheid auf.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, die Berücksichtigung des Blindengeldes sei nicht rechtens. Nach § 240 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) seien alle Einnahmen zum Lebensunterhalt zur Berechnung der Beiträge heranzuziehen, Landesblindengeld und Blindenhilfe seien aber keine Einnahmen zum Lebensunterhalt. Das Bundessozialgericht (BSG) habe dort eine Grenze gezogen, wo es um Hilfe in besonderen Lebenslagen gegangen sei, hierzu habe die Blindenhilfe gehört. Dies habe auch für das Landesblindengeld gegolten, das ebenfalls eine staatliche Leistung als Ausgleich für blindheitsbedingte Mehraufwendungen sei und sich von der Blindenhilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) nur insofern unterscheide, als nach Landesrecht auf eine Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse verzichtet werde. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) habe am 26.08.2009 eine aufsichtsrechtliche Anordnung erlassen, wonach Landesblindengeld generell nicht als beitragspflichtige Einnahme freiwillig Versicherter gelten solle. Die dagegen eingelegte Klage des GKV-Spitzenverbandes laufe beim Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg (L 1 KR 34/10 KL). Das Sächsische LSG habe entschieden, dass eine Verbeitragung des Blindengeldes nicht statthaft sei (Urteil vom 06.12.2012, L 1 KR 172/11; Revision anhängig unter B 12 KR 2/13 R).
Mit Bescheid vom 22.07.2013 wurde dem Kläger mitgeteilt, aufgrund eines EDV-Fehlers müsse der Beitrag rückwirkend ab 01.09.2012 neu berechnet werden. Ab Juni 2013 ergebe sich ein Beitrag iHv 179,28 EUR.
Mit Bescheid vom 25.07.2013 setzte die Beklagte zu 1) die zum 01.07.2013 wirksame Rentenerhöhung um, der Beitrag wurde auf 179,57 EUR festgesetzt. Der Bescheid, den der Kläger in den letzten Tagen erhalten habe, sei als hinfällig zu betrachten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2013 wies die Beklagte zu 1) – auch im Namen der Beklagten zu 2) – den Widerspruch zurück. Da wegen der Vielzahl unterschiedlicher Einnahmearten eine abschließende konkrete Aufzählung nicht möglich sei, habe der GKV Spitzenverband in den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler eine allgemeine, generalklauselartige Regelung verfasst, um sämtliche Einnahmen beitragsrechtlich zu erfassen. Aus der Aufstellung des gemeinsamen Rundschreibens vom 24.10.2008 (Katalog von Einnahmen und deren beitragsrechtliche Bewertung nach § 240 SGB V Titel 2 unter Buchstabe B) gehe hervor, dass Blindengeld als beitragspflichtige Einnahme zu berücksichtigen sei.
Hiergegen richtet sich die am 18.10.2013 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mitgeteilt, dass die Krankenkasse die Revision gegen das Urteil des Sächsischen LSG zurückgenommen habe. Das Verfahren vor dem LSG Berlin-Brandenburg habe sich durch Vergleich erledigt. Soweit der GKV-Spitzenverband am 01.12.2013 die Beitragsgrundsätze Selbstzahler geändert habe, enthalte § 4 zwar Neuregelungen zur Berücksichtigung des Blindengeldes, schon die Rückwirkung der Änderung zum 01.01.2009 sei jedoch rechtsstaatlich bedenklich. Außerdem sei Landesblindengeld keine beitragspflichtige Einnahme. In § 3 heiße es ua, dass eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen nicht stattfinde, es sei denn, die Einnahmen würden wegen ihrer Zwecksetzung kraft einer gesetzlichen Regelung im gesamten Sozialrecht nicht als Einkommen berücksichtigt. Dies sei bei Landesblindengeld der Fall. Auch sei nicht nachvollziehbar, dass § 4 Nr 4 Beitragsverfahrensgrundsätze eine beitragsrechtliche Unterscheidung von Landesblindengeld und Blindenhilfe nach § 72 SGB XII vornehme. Das BSG vertrete zwar die Auffassung, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds iSv § 240 SGB V von dessen Einnahmen und nicht dessen Bedarfslage bestimmt werde, es habe aber eine Ausnahme bei den Hilfen in besonderen Lebenslagen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gemacht (unter Hinweis auf BSG 23.11.1992, 12 RK 29/92). Die Blindenhilfe iSv § 72 SGB XII habe unter Geltung des BSHG zu den Hilfen in besonderen Lebenslage gezählt und dürfe daher nicht verbeitragt werden. Gleiches müsse auch für das Landesblindengeld gelten, welches als gleichartige Leistung iSv § 72 SGB XII auf die Blindenhilfe vollständig angerechnet werde. Hierfür spreche auch, dass nach § 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze eine Verbeitragung des Landesblindengeldes nicht vorgenommen werden solle, wenn gleichzeitig Blindenhilfe nach § 72 SGB XII bezogen werde. Damit widerspreche der Spitzenverband seinen eigenen Vorstellungen, wenn er die Beitragsfreiheit der Einnahmen zumindest für einen gewissen Personenkreis anerkenne. Die Regelung in § 4 Nr 4 sei willkürlich und daher rechtswidrig.
Die Beklagte zu 1) ist der Klage entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass der GKV-Spitzenverband den Hinweis des LSG Berlin-Brandenburg in Bezug auf die Verbeitragung des Blindengeldes aufgenommen und einen neuen Passus in die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler aufgenommen habe.
Das SG hat beim BMG eine Auskunft zu der aufsichtsrechtlichen Streitigkeit eingeholt und hierzu die Stellungnahme vom 26.05.2014 erhalten. Mit Urteil vom 04.02.2015 hat es den angefochtenen Bescheid vom 29.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.09.2013 und den Bescheid vom 25.07.2013 aufgehoben, soweit darin bei der Beitragsfestsetzung Landesblindengeld berücksichtigt wurde und die Beklagte zur Erstattung der überzahlten Beiträge verurteilt. Die Beklagte habe zu Unrecht bei der Beitragsbemessung ab 01.09.2012 das Landesblindengeld des Klägers berücksichtigt und daher zu hohe Beiträge erhoben. Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder richte sich nach § 240 SGB V. Zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung am 30.09.2013 habe eine ausdrückliche Regelung zum Blindengeld und somit eine Rechtsgrundlage zur Verbeitragung gefehlt. Die Generalklausel des § 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze sei insoweit nicht ausreichend (unter Hinweis auf Sächsisches LSG 06.12.2012, aaO). Aus dem gemeinsamen Rundschreiben vom 24.10.2008 folge nichts anderes. Zum einen sei das Rundschreiben nicht entsprechend bekannt gemacht worden, zum anderen betreffe das vorgelegte Rundschreiben vom 24.10.2008 nur das "Gesamteinkommen" und gerade nicht andere Einkommensbegriffe wie "Einnahmen, welche die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds iSd § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V bestimmen". Die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, die am 30.09.2013 gegolten hätten, hätten zum Landesblindengeld keine eigenständige Regelung enthalten. Soweit in dem Katalog von Einnahmen Blindengeld enthalten gewesen sei, habe es sich nicht um eine Anlage zu den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler gehandelt, sondern um eine Anlage zu einem Gliederungspunkt einer Niederschrift über eine Besprechung des Arbeitskreises Versicherung und Beiträge der Spitzenverbände der Krankenkassen am 24.10.2008. In dieser Anlage werde das Blindengeld zwar als nach §§ 3 Abs 1, 5 Abs 2 Satz 1 Beitragsverfahrensgrundsätze zu berücksichtigende Einnahme aufgeführt. Dieser Katalog entfalte jedoch keine Verbindlichkeit, da er nicht im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht sei. Für die Regelung der Beitragsbemessungsgrundlagen werde im Bereich der nicht bereits in der Rechtsprechung anerkannt beitragspflichtigen Einnahmen ein höheres Maß an Bestimmtheit verlangt, weshalb beim Landesblindengeld eine generalklauselartige Regelung nicht genüge und eine konkrete Regelung unerlässlich sei (im Anschluss an Sächsisches LSG, aaO). Selbst bei Berücksichtigung der nachfolgenden Regelung der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler in § 4 Nr 4 ergebe sich nichts anderes, denn diese Bestimmung sei rechtswidrig und daher unwirksam. Zwar sei eine rückwirkende Inkraftsetzung zum 01.01.2009 möglich, denn schutzwürdiges Vertrauen stehe insoweit nicht entgegen. Die Norm sei jedoch widersprüchlich. In § 3 Abs 1 Satz 3 2. Alternative Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler finde eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen nicht statt, es sei denn, die Einnahmen würden wegen ihrer Zwecksetzung kraft einer gesetzlichen Regelung im gesamten Sozialrecht nicht als Einkommen berücksichtigt. Schon nach dieser Vorschrift sei die Einbeziehung des Blindengeldes nicht zulässig, denn sowohl für die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII, aber auch für BAföG-Leistungen und Leistungen nach dem SGB II werde Landesblindengeld nicht als Einkommen berücksichtigt. Ohne sachliche Rechtfertigung unterscheide § 4 Nr 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler zudem zwischen Landesblindengeld und Blindenhilfe. Wenn Blindenhilfe nach der Rechtsprechung des BSG (23.11.1992, 12 RK 29/92) nicht als beitragserhöhend anzurechnen sei, müsse dies auch für das Blindengeld gelten. Beide Leistungen hätten dieselbe Zweckrichtung, was sich schon dadurch ergebe, dass das Blindengeld nach § 72 Abs 1 Satz 1 SGB XII vollständig auf die Blindenhilfe angerechnet werde. Dass die nachrangige Leistung der Blindenhilfe beitragsfrei sein solle, die zweckidentische vorrangige Leistung des Landesblindengeldes außerhalb der in § 4 Nr 4 enthaltenen Anrechnung mit einer Beitragspflicht belegt sein solle, sei widersprüchlich.
Gegen das am 09.02.2015 zugestellte Urteil richten sich die am 09.03.2015 eingelegten Berufungen der Beklagten. Sie halten die Auffassung des SG für fehlerhaft. Das SG berücksichtige die Ausführungen des Sächsischen LSG zu den bis 31.12.2010 geltenden Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler und komme zu dem Ergebnis, dass die neue, rückwirkend zum 01.01.2009 in Kraft gesetzte Regelung des § 4 Nr 4 rechtswidrig sei. Dabei werde der Rechtsfindungsprozess nicht berücksichtigt, der zur Änderung der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler geführt habe. Hierzu habe das SG L. (13.05.2015, S 1 KR 200/14) ausgeführt, dass es sich um eine zulässige unechte Rückwirkung handele, denn ein Vertrauenstatbestand, dass Landesblindengeld nicht der Beitragsbemessung unterliege, habe nicht entstehen können. Die unterschiedlich Behandlung von Landesblindengeld und Blindenhilfe stelle keinen Verstoß gegen höherrangiges Recht dar. Zwar dienten beide Leistungen dem Ausgleich behinderungsbedingter Mehraufwendungen, Blindenhilfe sei jedoch eine einkommensabhängige Sozialleistung, die lediglich nachrangig gewährt werde. Sie bestimme damit nicht, anders als das Landesblindengeld, die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds. Die Aufnahme des § 4 Nr 4 sei durch einen Verpflichtungsbescheid der Aufsichtsbehörde initiiert gewesen. Mit der sog Anrechnungslösung habe der GKV-Spitzenverband die Erkenntnisse aus dem Rechtsstreit vor dem LSG Berlin-Brandenburg umgesetzt. Die in § 4 Nr 4 vorgenommene Klarstellung aufgrund der gerichtlich gemachten Ausführungen sei keine Neuregelung, sondern eine Klarstellung der bereits zuvor praktizierten Vorgehensweise.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 04.02.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die von den Beklagten zitierten Ausführungen des SG L. überzeugten nicht. Verkannt werde, dass auch das Landesblindengeld nicht unter den Begriff der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu subsumieren sei. Das Blindengeld sei eine staatliche Leistung, die dem Ausgleich behinderungsbedingter Mehraufwendungen und Nachteile diene. Bereits vor Inkrafttreten der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler habe die Rechtsprechung entschieden, dass das Blindengeld nicht als zu berücksichtigende Einnahme heranzuziehen sei (unter Hinweis auf SG Lübeck 20.12.2007, S 14 KR 466/07). Diese Rechtsprechung müsse fortgelten, da der Gesetzgeber mit der Zuständigkeitsverlagerung auf den GKV-Bundesverband im Jahr 2009 den Regelungsrahmen nicht habe ausweiten wollen. Die Auffassung des Klägers werde auch durch die historische Entwicklung zur Beitragsbemessung nach § 240 SGB V gestützt. Da das Blindengeld gerade nicht zur Deckung des Lebensunterhalts, sondern als Nachteilsausgleich gewährt werde, sei schon mit Blick auf die Grundentscheidung des Gesetzgebers eine Berücksichtigung des Blindengeldes zu beanstanden. Wie die – von der Verbeitragung ausgenommene - Grundrente nach § 31 BVG, werde auch das Landesblindengeld insoweit privilegiert, als es nahezu im gesamten Rechtssystem nicht als Einkommen gewertet werde. Über die Rechtmäßigkeit des § 4 Nr 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sei noch nicht höchstrichterlich entschieden.
Auf Anforderung hat die Beklagte zu 1) ergänzend weitere Bescheide vorgelegt. Mit Bescheid vom 03.01.2014 wurde der Beitrag ab 01.01.2014 auf 179,57 EUR festgesetzt. Mit weiterem Bescheid vom 29.09.2014 wurde der Beitrag ab 01.09.2014 auf 162,27 EUR festgesetzt (143,14 EUR KV, 19,13 EUR PV) unter Berücksichtigung von Renteneinkommen (684,54 EUR) und sonstigen Einnahmen (248,57 EUR). Ab 01.01.2015 belief sich der Beitrag gemäß Bescheid vom 28.01.2015 auf 166,17 EUR (KV 143,96 EUR, PV 22,21 EUR) und ab 01.10.2015 auf 166,26 EUR (KV 144,05 EUR, PV 22,21 EUR) gemäß Bescheid vom 14.10.2015.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen der Beklagten haben keinen Erfolg.
Das Passivrubrum war dahin zu berichtigen, dass nicht nur die Beklagte zu 1), sondern auch die Beklagte zu 2) Beteiligte des Rechtsstreits ist (§ 69 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Denn der Kläger hat sich sowohl im Klage- als auch im Berufungsverfahren gegen die Beitragspflicht zur Kranken- und zur Pflegeversicherung gewandt; das SG hat auch über Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung entschieden. Die Beklagte zu 1) hat zum Ausdruck gebracht, auch im Namen der Pflegekasse zu handeln (zur Zulässigkeit vgl § 46 Abs 2 Satz 4 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI)).
Die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen (§ 151 Abs 1 SGG) sind statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 29.05.2013, abgeändert durch Bescheid vom 25.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.09.2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Gegenstand des Klageverfahrens sind nach § 96 SGG auch die Bescheide vom 03.01.2014, 29.09.2014 und 28.01.2015 geworden, der Bescheid vom 14.10.2015 ist Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Der Senat entscheidet auch über die dem SG nicht bekannt gegebenen, nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens gewordenen Bescheide im Rahmen des Berufungsverfahrens (BSG 26.05.2011, B 10 EG 12/10 R, SozR 4-7837 § 4 Nr 2); über den Bescheid vom 14.10.2015 entscheidet er im Wege der Klage. Der Kläger hat Anspruch auf (teilweise) Aufhebung der genannten Bescheide und Neufestsetzung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 01.09.2012, denn die Beklagten haben zu Unrecht auf das Landesblindengeld Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erhoben. Der Kläger kann daher auch die (teilweise) Erstattung der aufgrund dieser Beitragsbescheide geleisteten Beiträge beanspruchen.
Die gerichtliche Überprüfung der Beitragsfestsetzung endet bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung - auch soweit sie nach § 96 SGG Verfahrensgegenstand geworden sind - mit dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (BSG 11.03.1987, 10 RAr 5/85, BSGE 61, 203 = SozR 4100 § 186a Nr 21; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl, § 54 RdNr 33a mwN). Dies ist hier die mündliche Verhandlung vor dem Senat am 26.01.2016.
Rechtsgrundlage für die rückwirkende Änderung der Beitragsfestsetzung ist § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Nach Abs 1 Satz 1 der Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X). Der Beitragsbescheid vom 30.04.2012 stellt einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar, denn er erschöpft sich nicht in einem einmaligen Ge- oder Verbot oder einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage, sondern regelt die Höhe der Beiträge ab 01.01.2012 auf Dauer (vgl Bundessozialgericht (BSG) 26.09.1991, 4 RK 5/91, BSGE 69, 255 = SozR 3-1300 § 48 Nr 13). Durch die Bewilligung von Landesblindengeld mit Wirkung ab 01.09.2012 ist in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei der Beitragsfestsetzung mit Bescheid vom 30.04.2012 noch vorgelegen haben, keine wesentliche Änderung eingetreten. Eine Änderung ist dann wesentlich, wenn der Bescheid nach den nunmehr vorliegenden Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr hätte erlassen werden dürfen (BSG 19.02.1986, 7 RAr 55/84, SozR 1300 § 48 Nr 22). Dies ist hier nicht der Fall. Für die Höhe der geschuldeten Beiträge ist die Gewährung von Landesblindengeld unerheblich, denn dieses zählt nicht zu den beitragspflichtigen Einnahmen iSv § 240 SGB V.
Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im streitigen Zeitraum ab 01.09.2012 dürfen nur ohne Berücksichtigung des Landesblindengeldes erhoben werden. Der Kläger ist als freiwilliges Mitglied der Beklagten zu 1) beitragspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 223 SGB V). Aus der freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung folgt die versicherungspflichtige Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs 3 SGB XI) sowie die Pflicht, Beiträge hierzu entrichten (§ 54 Abs 2 SGB XI).
Bei freiwillig versicherten Rentner werden gemäß § 238a SGB V der Beitragsbemessung nacheinander der Zahlbetrag der Rente, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, das Arbeitseinkommen und die sonstigen Einnahmen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds bestimmen (§ 240 Abs 1 SGB V), bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu Grunde gelegt. Die Höhe der Beiträge richtet sich bei freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten nach § 240 SGB V (idF des Gesetzes vom 20.12.2011, BGBl I S 2854), der über § 57 Abs 4 Satz 1 SGB XI für die Berechnung der Beiträge zur Pflegeversicherung entsprechend gilt. Danach wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitgliedes berücksichtigt (Abs 1). Es müssen mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitgliedes berücksichtigt werden, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtigen Beschäftigen der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (Abs 2 Satz 1). Nach der Gesetzesbegründung zu § 240 aF ist bei der Beitragsgestaltung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen, dh alle Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, sind ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung der Beitragsbemessung zugrunde zu legen (BT-Drs 11/2237 S 252 zu § 249).
Die vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen erlassenen einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) vom 27.10.2008 (in Kraft getreten am 01.01.2009, § 13 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) gehen von diesem im Gesetz geregelten (§ 2 Abs 1 Satz 1 und 2 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) und von der Rechtsprechung ausgefüllten (§ 3 Abs 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) Begriffen aus. Nach § 2 Abs 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds bemessen. Als beitragspflichtige Einnahmen sind das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen (§ 3 Abs 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler). Diese Regelungen übernehmen die von der Rechtsprechung des BSG entwickelte Auslegung des § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V (vgl BSG 23.09.1999, B 12 KR 12/98 R, SozR 3-2500 § 240 Nr 31 unter Verweis auf BT-Drucks 11/2237 S 225; BSG 22.03.2006, B 12 KR 8/05 R, juris-RdNr 19). Eine solche Generalklausel genügt, um neben den im Gesetz genannten beitragspflichtigen Einnahmen der versicherungspflichtigen Beschäftigten auch andere Einnahmen der Beitragsbemessung zugrunde zu legen, die bereits in der ständigen Rechtsprechung des BSG als Einnahmen zum Lebensunterhalt anerkannt worden sind (BSG 22.03.2006, B 12 KR 8/05 R, juris-RdNr 19). Erfasst werden auch die für die Beitragsbemessung nach § 240 Abs 2 Satz 1 SGB V zwingend heranzuziehenden Einnahmen des freiwilligen Mitglieds, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (vgl BSG 21.09.2005, B 12 KR 12/04 R, juris-RdNr 19). Die Krankenkasse hat zur Feststellung der Beitragspflicht vom Mitglied einen aktuellen Nachweis über die beitragspflichtigen Einnahmen, die nicht von Dritten gemeldet werden, zu verlangen (§ 6 Abs 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler).
Die Regelungen der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler bieten ab 01.01.2009 grundsätzlich eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (BSG 19.12.2012, B 12 KR 20/11 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 17) und verstoßen auch nicht gegen Verfassungsrecht (vgl Senatsurteile vom 18.06.2013, L 11 KR 300/12; 14.05.2013, L 11 KR 1553/11).
Unter Zugrundelegung der genannten Maßstäbe ist das Landesblindengeld nicht als "Einnahme, die für den Lebensunterhalt verbraucht wird oder verbraucht werden kann" (§ 240 Abs 1 SGB V iVm § 3 Abs 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) beitragspflichtig. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG besteht die Beitragspflicht unabhängig davon, ob die Einnahmen dem Arbeitsentgelt vergleichbar sind oder nicht und grundsätzlich auch unabhängig davon, ob mit einer Zuwendung ein bestimmter Zweck verfolgt wird oder nicht, da § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V für die Beitragsbemessung an die "gesamte" wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds anknüpft (BSG 24.01.2007, B 12 KR 28/05 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 9; BSG 18.12.2013, B 12 KR 3/12 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 22 mwN; BSG 15.10.2014, B 12 KR 10/12 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 24). Die Grenzziehung zwischen beitragspflichtigen und von der Beitragspflicht ausgenommenen Leistungen erfordert allerdings regelmäßig eine wertende Entscheidung dazu, ob die Leistungen bei einer anzulegenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen. Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung Leistungen von der Beitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen, die im Hinblick auf ihre besondere Zweckbestimmung den Einnahmen zum Lebensunterhalt im dargestellten Sinne nicht zugeordnet werden können (vgl BSG 21.12.2011, B 12 KR 22/09 R, BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16). Das BSG nimmt insoweit zwei Gruppen von Einnahmen von der Beitragspflicht aus. Das sind zum einen (Sozial-)Leistungen, die der Kompensation eines bestehenden besonderen persönlichen Bedarfs dienen oder als "Hilfe in besonderen Lebenslagen" nicht für den "allgemeinen" Lebensbedarf des Betroffenen bestimmt sind, sondern dem Betroffenen ungekürzt erhalten bleiben sollen (zB BSG 23.11.1992, 12 RK 29/92, BSGE 71, 237 = SozR 3-2500 § 240 Nr 12 zur Hilfe in besonderen Lebenslagen nach dem BSHG; BSG 21.12.2011, aaO zum speziellen Pflegebedarf beim Aufenthalt in einer stationären Einrichtung). Zum anderen sind nicht zu verbeitragen Geldleistungen des sozialen Entschädigungsrechts, die in Ansehung eines in der Verantwortung der staatlichen Gemeinschaft erlittenen Sonderopfers gewährt werden und in nahezu der gesamten Rechtsordnung nicht als Einkommen gelten (BSG 24.01.2007, aaO zur BVG-Grundrente; BSG 03.07.2013, B 12 KR 27/12 R, BSGE 114, 83 = SozR 4-2500 § 240 Nr 18 zu SED-Opferpensionen).
Das Blindengeld wird nach § 1 Abs 1 BliHG zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen und Benachteiligungen gewährt. Es soll als finanzielle Unterstützung dazu beitragen, dass der Blinde die für seine Teilnahme an der Gesellschaft erforderlichen besonderen Mittel, wie zum Beispiel sprechende Haushaltsgeräte, blindengerechte Computer oder Lesehilfen anschaffen kann, aber auch Mittel zur Gewährung immaterieller Bedürfnisse des Blinden zur Verfügung stellen. Blinde nach Vollendung des 18. Lebensjahres erhalten nach § 2 Abs 1 BliHG einen Betrag iHv monatlich 410 EUR, wobei ua Leistungen bei häuslicher Pflege nach den §§ 36 bis 39 SGB XI, bei teilstationärer Pflege nach § 41 SGB XI und bei Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI iHv 60 vH des Pflegegeldes nach Pflegestufe I und 40 vH des Pflegegeldes bei Pflegestufe II und III angerechnet werden (§ 3 Abs 2 BliHG). Das Blindengeld dient damit zum Ausgleich behinderungsbedingter Mehraufwendungen in gleicher Weise wie die Blindenhilfe nach § 72 Sozialgesetzbuch SGB XII. Als "gleichartige Leistung" wird das Blindengeld in voller Höhe auf die Blindenhilfe nach § 72 Abs 1 Satz 1 SGB XII angerechnet. Mit dieser Leistung soll dem Blinden die Möglichkeit eröffnet werden, sich trotz Blindheit mit seiner Umgebung vertraut zu machen, mit eigenen Mitteln Kontakt zur Umwelt zu pflegen und am kulturellen Leben teilzunehmen, es dient auch der Förderung der Mobilität des Betroffenen. Dagegen soll die Blindenhilfe nicht den gewöhnlichen Lebensbedarf decken (BVerwG 04.11.1976, V C 7.76, BVerwGE 51, 281; VGH Baden-Württemberg 06.04.2000, 7 S 1967/98, juris; BSG 05.12.2001, B 7/1 SF 1/00 R, SozR 3-5922 § 1 Nr 1). Den gleichen Zweck erfüllt das Landesblindengeld. Die pauschale Gewährung ohne Prüfung konkreter Bedarfe dient der Verwaltungsvereinfachung und steht der Zweckbindung nicht entgegen. Zweckbestimmte Leistungen können ihre Funktion allerdings nur dann erfüllen, wenn ihr Empfänger sie bestimmungsgemäß verwenden darf und nicht zur Deckung anderer Lebenshaltungskosten heranziehen muss (vgl BSG 25.11.1981, 5a/5 RKn 18/79, SozR 2200 § 180 Nr 7). Die Grundnorm des § 240 SGB V iVm mit der Generalklausel in § 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler lässt eine Heranziehung des Landesblindengeldes damit nicht zu (vgl Sächsisches LSG 06.12.2012, L 1 KR 172/11, juris).
Die Beklagten können die Heranziehung des Blindengeldes zur Beitragsbemessung auch nicht auf § 4 Nr 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler stützen. Die dortige Regelung, die am 27.11.2013 rückwirkend zum 01.01.2009 eingefügt wurde, lautet wie folgt: Den beitragspflichtigen Einnahmen iSd § 3 Abs 1 zuzurechnen sind auch (Nr 4) Leistungen zum Ausgleich der durch Blindheit bedingten Mehraufwendungen und Benachteiligungen nach den landesrechtlichen Vorschriften (Blindengeld), soweit diese Leistungen nicht auf die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII angerechnet werden.
Mit dieser Regelung überschreitet der Spitzenverband Bund der Krankenkassen zur Überzeugung des Senats die Grenzen der ihm durch § 240 Abs 1 Satz 1 SGB V eingeräumten Regelungsbefugnis dadurch, dass er das Blindengeld als beitragspflichtige Einnahme festlegt, soweit es nicht auf die Blindenhilfe angerechnet wird. § 4 Nr 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler steht damit nicht im Einklang mit höherrangigem Recht und ist daher keine wirksame Rechtsgrundlage für die gegenüber dem Kläger erfolgte Beitragsfestsetzung. Wie oben dargelegt, dient das Blindengeld zum Ausgleich behinderungsbedingter Aufwendungen und gerade nicht zur Bestreitung des allgemeinen Lebensunterhalts. Es bestimmt damit nicht die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds. Die Regelung in § 4 Nr 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler ordnet diese Leistung jedoch dem entgegenstehend den beitragspflichtigen Einnahmen zu.
Davon abgesehen hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass die Regelung in § 4 Nr 4 auch im Widerspruch zu § 3 Abs 1 Satz 3 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler steht. Dort ist geregelt, dass eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen nicht stattfindet, es sei denn, die Einnahmen werden wegen ihrer Zwecksetzung kraft einer gesetzlichen Regelung bei Bewilligung von einkommensabhängigen Sozialleistungen im gesamten Sozialrecht nicht als Einkommen berücksichtigt. Dies ist bei dem Blindengeld der Fall. Es gehört nach § 83 Abs 1 SGB XII nicht zum einzusetzenden Einkommen im Rahmen der Sozialhilfe (BVerwG 05.11.1969, V C 43.69, BVerwGE 34, 164; BSG 11.12.2007, B 8/9b SO 20/06 R, SozR 4-3500 § 90 Nr 1) und ist gemäß § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II auch nicht als Einkommen im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu berücksichtigen (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11a, RdNr 149 mwN). Auch § 21 Abs 4 BAföG sieht eine Berücksichtigung von Blindengeld und Blindenhilfe als Einkommen nicht vor (Hessischer VGH 20.10.2009, 10 A 1701/08, juris). Auf die Frage, ob die Regelung in § 3 Abs 1 Satz 3 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler wegen der Nichtberücksichtigung von Zwecksetzung einzelner Einnahmen selbst von der Ermächtigungsgrundlage des § 240 Abs 1 Satz 1 SGB V gedeckt ist (dazu Senatsurteil vom 13.12.2011, L 11 KR 5896/10, juris), kommt es daher im vorliegenden Zusammenhang nicht an.
Schließlich ist die in § 4 Nr 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler gewählte Anrechnungslösung auch in sich widersprüchlich. Das Blindengeld ist nach § 72 Abs 1 Satz 1 SGB XII stets auf die sozialhilferechtlichen Leistungen der Blindenhilfe anzurechnen. Sofern die Regelung so verstanden wird, dass nur für Personen, die neben dem Blindengeld auch Blindenhilfe nach dem SGB XII beziehen, eine konkretisierende Regelung zum Umfang der Beitragspflicht getroffen wird (in diesem Sinne SG Detmold, 12.02.2015, S 3 KR 137/14, juris), hätte sie keinen Anwendungsbereich. Da die landesrechtlichen Leistungen des Landesblindengeldes schon vor einigen Jahren durchgehend unter die Beträge der sozialhilferechtlichen Blindenhilfe abgesenkt worden sind (Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 72 RdNr 6 mwN), sind kaum Konstellationen vorstellbar, bei denen wegen des Nachrangs der Blindenhilfe noch ein nicht angerechneter Betrag des Landesblindengeldes verbleibt. Erfasst die Regelung dagegen auch Personen, die die Voraussetzungen für Blindenhilfe mangels Bedürftigkeit nicht erfüllen, würde das Blindengeld – wie im vorliegenden Fall – voll umfänglich zur Beitragsbemessung herangezogen, obwohl es dem gleichen Zweck wie die Blindenhilfe dient, die auch nach Ansicht des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen nicht beitragspflichtig ist. Dass im einen Fall – bei Blindenhilfe - die "gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" durch die Leistung geprägt wird, im anderen Fall – bei Blindengeld - aber nicht, erscheint nicht überzeugend (so aber SG L., 13.05.2014, S 1 KR 200/14, juris).
Im Ergebnis hat der Kläger daher zu Unrecht zu hohe Beiträge gezahlt, so dass die Voraussetzungen des § 26 Abs 2 Satz 1, Abs 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch für den von ihm geltend gemachten Erstattungsanspruch hinsichtlich der Beiträge, die aus dem Landesblindengeld erhoben worden sind, erfüllt sind. Der Klarstellung halber ist darauf hinzuweisen, dass die Beitragsbemessung nach der Mindestbemessungsgrundlage unberührt bleibt, auch wenn die Außerachtlassung des Landesblindengeldes zu einem darunter liegenden Einkommen führt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
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