Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AL 1652/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 2003/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16.04.2015 abgeändert und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2014 verurteilt, den Aufhebungsbescheid vom 16.02.2009 insoweit zurückzunehmen, als darin auch die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 07.01.2009 bis 18.02.2009 aufgehoben wurde.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger ein Fünftel der außergerichtliche Kosten für beide Instanzen zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens über einen Aufhebungsbescheid, mit dem die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 07.01.2009 aufgehoben wurde.
Der 1954 geborene Kläger war in der Zeit vom 29.03.2005 bis 28.08.2008 als Kraftfahrer beschäftigt.
Am 13.08.2008 meldete er sich persönlich bei der Beklagten arbeitsuchend und arbeitslos und beantragte mit Wirkung zum 29.08.2008 die Gewährung von Arbeitslosengeld. Der Kläger bejahte, dass er bestimmte Beschäftigungen nicht mehr ausüben könne oder sich zeitlich einschränken müsse. Er erklärte sich aber bei einer ärztlichen Begutachtung bereit, sich im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung zu stellen.
Nachdem der Kläger in der Zeit vom 29.08.2008 bis 12.10.2008 Krankengeld bezogen hatte, bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bewilligungsbescheid vom 17.10.2008 Arbeitslosengeld ab dem 13.10.2008 für 450 Kalendertage in Höhe von 30,39 EUR täglich.
Am 27.11.2008 gab der Kläger bei der Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) für den Zeitraum vom 26.11.2008 bis 17.12.2008 und am 17.12.2008 eine weitere AUB für den Zeitraum vom 17.12.2008 bis 31.12.2008 ab.
Zu einem Termin zur Begutachtung bei dem Ärztlichen Dienst der Beklagten am 03.12.2008 erschien der Kläger nicht. Zur Begründung verwies der Kläger (laut einem vom Beklagten gefertigten Vermerk) am 04.02.2009 auf die bei ihm weiterhin vorliegende Arbeitsunfähigkeit. Erstmals im Berufungsverfahren hat der Kläger bestritten, eine Ladung zur ärztlichen Untersuchung am 03.12.2008 erhalten zu haben.
In der Folge reichte der Kläger weitere AUBen für die Zeit bis 14.03.2009 ein.
Mit Bescheid vom 30.12.2008 teilte die AOK Baden-Württemberg (AOK) dem Kläger mit, eine Arbeitsunfähigkeit werde nur bis 31.12.2008 anerkannt.
Am 04.02.2009 sprach der Kläger persönliche bei der Beklagten vor. Laut einem in der Akten befindlichen Vermerk wurde der Kläger auf eine Abmeldung bei einer länger als sechs Wochen dauernden Arbeitsunfähigkeit hingewiesen. In der Akte der Beklagten findet sich zudem unter diesem Datum eine nicht unterzeichnete Eingliederungsvereinbarung, in der eine Abklärung des Leistungsvermögens über den Ärztlichen Dienst der Beklagten vereinbart wird.
Mit bestandskräftig gewordenem Aufhebungsbescheid vom 16.02.2009 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 07.01.2009 auf. Als Grund gab sie das Ende der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall an.
Am 24.02.2009 erstellte Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. F. für die Beklagte einen Befundbericht und teilte mit, der Kläger sei derzeit arbeitsunfähig und er gehe davon aus, dass diese Arbeitsunfähigkeit noch länger als 6 Monate andauere.
Am 26.02.2009 sprach der Kläger erneut bei der Beklagten persönlich vor. In einem hierzu gefertigten Vermerk ist festgehalten: "Abmeldung, Sachverhalt ausführlich erklärt, Zuständigkeit KK, sobald wieder Leistungsfähigkeit vorliegt, erneut Alo-Meldung".
Mit Bescheid vom 13.03.2009 lehnte die AOK die Zahlung von Krankengeld ab 01.01.2009 ab; der Kläger sei nicht mehr arbeitsunfähig.
Am 23.03.2009 sprach der Kläger erneut persönlich bei der Beklagten vor. Ein hierzu erstellter Vermerk führt aus: "Kunde hat von KK (AOK) ein Schreiben erhalten, wonach MDK zu dem Ergebnis kommt, dass keine AU mehr vorliegt. Sachverhalt aus Sicht der AA erläutert. Alo erst wenn wieder Leistungsfähigkeit vorliegt. Empfohlen sich Gutachten aushändigen zu lassen und ggf. Wiederspruch (sic!) einzulegen. Kunde ist bis auf weiteres AU".
Mit Schreiben vom 12.08.2009 teilte die AOK der Beklagten mit, der Fachgutachter des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK BW) halte den Kläger ab dem 01.01.2009 für arbeitsfähig und im Sinne der Beklagten für vermittelbar. Demzufolge sei von der AOK die seit dem 26.11.2008 bestehende Arbeitsunfähigkeit über den 31.12.2008 hinaus nicht anerkannt worden. Der Kläger habe hiergegen Widerspruch eingelegt, er halte sich auch weiterhin für arbeitsunfähig (bis auf weiteres, auch über den heutigen Tag hinaus) und für nicht vermittelbar.
Gegen die Ablehnung von Krankengeld ab 01.01.2009 durch die AOK erhob der Kläger nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage zum Sozialgericht Ulm (Az.: S 8 KR 3591/09). Die Klage wurde mit Urteil vom 28.11.2011 abgewiesen. Die sodann beim Landesozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (Az.: L 11 KR 121/12) eingelegte Berufung wurde mit Urteil vom 18.03.2014 zurückgewiesen. Der 11. Senat des LSG führte zur Begründung aus, ein Anspruch auf Krankengeld habe nach dem 06.01.2009 (Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld) nicht (mehr) bestanden, da über den 06.01.2009 hinaus Arbeitsunfähigkeit nicht mehr vorgelegen habe. Der Kläger sei über den 06.01.2009 hinaus nicht arbeitsunfähig gewesen, da er leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes habe vollschichtig verrichten können. Die gegen das Urteil bei dem Bundessozialgericht (BSG) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (Az.: B 1 KR 75/14 B) blieb ohne Erfolg. Eine Beiladung der Beklagten zum Verfahren erfolgte nicht. Während des laufenden Gerichtsverfahrens gegen die AOK wurde am 18.07.2011 ein Gutachten durch Dr. W. (MDK BW) erstellt. Dr. W. führte hierin aus, es müsse an der AU-Beendigung zum 31.12.2008 festgehalten werden. Im weiteren Verlauf habe sich die Leistungsfähigkeit wieder verschlechtert, mindestens ab April 2009 müsse dann vorübergehend von einem aufgehobenen Leistungsvermögen ausgegangen werden.
Noch während des laufenden Gerichtsverfahrens gegen die AOK machte der Kläger am 09.05.2012 gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 07.01.2009 geltend. Das SG habe die Klage auf Krankengeld abgewiesen. Im laufenden Berufungsverfahren habe das Gericht wie auch die AOK darauf hingewiesen, dass der Kläger in diesem Fall Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, da er nicht von einem Leistungsträger zum anderen verschoben werden dürfe.
Die Beklagte legte dies als Überprüfungsantrag aus und lehnte diesen mit Bescheid vom 21.05.2012 ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit am 12.10.2008 habe der Kläger ab dem 13.10.2008 bis 06.01.2009 Arbeitslosengeld erhalten Die Bewilligung sei ab dem 07.01.2009 wegen Ende der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall aufgehoben worden. Anschließend sei der Kläger weiterhin arbeitsunfähig gewesen und habe dem Arbeitsmarkt nicht zur Vermittlung zur Verfügung gestanden. Eine Gewährung von Arbeitslosengeld komme somit nicht in Betracht.
In einem auf Nachfrage der Widerspruchsstelle gefertigten Vermerk vom 21.06.2012 ist unter anderem festgehalten, Angaben zur Arbeitsbereitschaft trotz Arbeitsunfähigkeit seien im speziellen nicht geklärt worden. Aufgrund der Gesamtsituation sei hiervon aber nicht auszugehen gewesen. Der Kläger habe sich bei Vorsprache auf eine noch bestehende Arbeitsunfähigkeit berufen und einen Termin beim ärztlichen Dienst nicht wahrgenommen. Der Kläger sei auf die Notwendigkeit einer (erneuten) persönlichen Arbeitslosmeldung hingewiesen worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2014 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger berufe sich auf das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 24.03.2014 (L 11 KR 121/12), in welchem ausgeführt werde, dass Arbeitsunfähigkeit nach dem 06.01.2009 nicht vorgelegen habe. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 07.01.2009 ergebe sich jedoch nicht. Arbeitslos sei ein Arbeitnehmer, der u.a. den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung stehe. Hierzu gehöre u.a., dass der Arbeitnehmer arbeitsfähig und arbeitsbereit sei. Werde ein Arbeitsloser während des Bezugs von Arbeitslosengeld beispielsweise infolge Krankheit arbeitsunfähig, ohne dass ihn Verschulden treffe, verliere er dadurch nicht den Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Der Anspruch auf Leistungsfortzahlung habe vorliegend am 06.01.2009 geendet. Der Kläger sei auch danach weiterhin arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen. Er habe auch in der Folge Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen eingereicht. Der Kläger sei also selbst weiterhin davon ausgegangen, nicht arbeitsfähig zu sein. Er habe auch bei seinen Vorsprachen am 05.02.2009 und 26.02.2009 ausdrücklich erklärt, arbeitsunfähig erkrankt zu sein. Selbst bei der Vorsprache am 23.03.2009, bei der er mitgeteilt habe, dass nach dem Schreiben der AOK keine Arbeitsunfähigkeit mehr vorliege, habe er erklärt, weiter arbeitsunfähig zu sein. Er habe den Anspruch gerichtlich geltend gemacht. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt seine Arbeitsbereitschaft im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit erklärt. Vielmehr sei er selbst davon ausgegangen, während der gesamten Zeit arbeitsunfähig krank gewesen zu sein und keine Beschäftigung aufnehmen zu können. Er habe der Arbeitsvermittlung subjektiv nicht zur Verfügung gestanden, sodass nach dem 06.01.2009 kein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestanden habe.
Hiergegen hat der Kläger am 21.05.2014 Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben. Zur Begründung hat der Kläger insbesondere auf die unterschiedlichen Beurteilungen der Arbeitsfähigkeit durch die AOK und die Beklagte verwiesen und hierzu die Auffassung vertreten, er werde hierdurch rechtlos gestellt. Die Beklagte habe im konkreten Fall Kenntnis von dem Umstand gehabt, dass widersprüchliche und sieh ausschließende Leistungsvoraussetzungen vorliegen würden. Dies zeige sich an dem Schreiben der AOK an die Beklagte vom 12.08.2009. Der Kläger habe angesichts der Uneinigkeit der AOK und der Beklagten zwei Alternativen gehabt. Es könne nicht zu seinem Nachteil gereichen, dass er sich für eine der Alternativen - vorliegend die der Arbeitsunfähigkeit - entschieden und über rechtsstaatliche Mittel (Klage und Berufung) sein Recht gesucht habe. Die Beklagte habe den Kläger selbst zur Klageerhebung gegen die AOK aufgefordert. Eine fehlende subjektive Verfügbarkeit sei somit von der Beklagten angenommen und ihm durch den Verweis an die AOK ebenfalls suggeriert worden.
Die Beklagte hat hierauf erwidert, der Kläger habe in Kenntnis der Entscheidung der AOK darauf beharrt, weiterhin arbeitsunfähig zu sein. Deshalb fehle es nach Auffassung der Beklagten an der Arbeitsbereitschaft des Klägers und damit an der subjektiven Vermittelbarkeit.
Mit Urteil vom 16.04.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei nicht subjektiv verfügbar gewesen. Die subjektive Verfügbarkeit sei nur zu bejahen, wenn der Arbeitslose bereit sei, alle seiner objektiven Leistungsfähigkeit entsprechenden und nach Art und Umfang zumutbaren Beschäftigungen aufzunehmen. Die fehlende Bereitschaft zur Aufnahme einer zumutbaren, der Leistungsfähigkeit entsprechenden Beschäftigung liege im eigenen Verantwortungsbereich des Arbeitslosen bzw. Versicherten. Der Kläger habe sich in Kenntnis des Bescheides der AOK vom 30.12.2008, mit welchem ihm mitgeteilt worden sei, dass eine Arbeitsunfähigkeit nur bis zum 31.12.2008 anerkannt werde, der Beklagten gerade nicht entsprechend seines objektiven Leistungsvermögens zur Verfügung gestellt. Vielmehr habe er der Beklagten weiterhin Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt und sich auf die seiner Auffassung nach bestehende Arbeitsunfähigkeit berufen. Damit habe der Kläger gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht, deren Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung zu stehen. Dies werde auch durch den Umstand bestätigt, dass der Kläger aufgrund der von ihm angenommenen Arbeitsunfähigkeit noch nicht einmal zur Begutachtung durch den Ärztlichen Dienst der Beklagten erschienen sei. Nicht zu überzeugen vermöge das Vorbringen des Klägers, wonach die Beklagte ihn zur Klageerhebung gegen die AOK aufgefordert und ihm damit eine fehlende subjektive Vermittelbarkeit suggeriert habe. Denn die Empfehlung zur Einlegung des Widerspruchs gegen die ablehnende Entscheidung der AOK durch die Beklagte sei erst am 23.03.2009 und damit nach dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungsbescheides vom 16.02.2009 erfolgt. Bereits deshalb könne eine Empfehlung vom 23.03.2009 nicht kausal für eine fehlende subjektive Verfügbarkeit ab dem 07.01.2009 sein. Schließlich könne der Kläger einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 07.01.2009 auch nicht auf das in der Rechtsprechung anerkannte Institut des sozialrechtliehen Herstellungsanspruchs stützen. Vorliegend sei bereits eine kausale Pflichtverletzung der Beklagten nicht ersichtlich. Selbst wenn man eine solche jedoch unterstelle, wäre ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch nicht gegeben. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei es ausgeschlossen, das Vorliegen von Arbeitslosigkeit bzw. die Verfügbarkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nachträglich im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu fingieren. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 48 SGB X seien erfüllt. Dies gelte insbesondere auch, soweit die Beklagte eine Aufhebung der Bewilligung für die Vergangenheit, also die Zeit vor Erlass des Aufhebungsbescheides vom 16.02.2009, verfügt habe. Denn der Kläger habe gewusst bzw. nicht gewusst, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe, dass der sich aus dem Bewilligungsbescheid vom 17.10.2008 ergebende Anspruch auf Arbeitslosengeld nach Ablauf einer mehr als sechs Wochen dauernden Arbeitsunfähigkeit kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen bzw. ganz weggefallen sei. Hierauf sei er bereits im Rahmen des Merkblattes ausdrücklich hingewiesen worden.
Gegen dieses am 24.04.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.05.2015 Berufung erhoben. Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, die Beklagte sei von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, sie habe nämlich angenommen, der Kläger sei arbeitsunfähig. Statt den Kläger darauf hinzuweisen, dass er einen neuen Antrag auf Arbeitslosengeld stellen müsse, habe die Beklagte den Kläger zum Widerspruch gegen den Bescheid der AOK aufgefordert. Der Kläger habe sich hieran gehalten. Der Kläger sei daher falsch beraten worden. Es sei fraglich, ob es auf die fehlende subjektiven Verfügbarkeit überhaupt noch ankommen könne, wenn die Behörde irrig ein Fehlen der objektiven Verfügbarkeit annehme. Der Kläger erhalte wegen der Meinungsverschiedenheit zweier Leistungsträger überhaupt keine Leistungen mehr. Im Berufungsverfahren hat der Kläger zudem erstmals bestritten, eine Ladung zur ärztlichen Begutachtung am 03.12.2008 erhalten zu haben. Mit Blick auf den Vermerk der Beklagten, er habe den Termin beim ärztlichen Dienst wegen Arbeitsunfähigkeit nicht wahrgenommen, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers vorgetragen, es müsse bezweifelt werden, dass der Kläger überhaupt verstanden habe, was ein Termin beim ärztlichen Dienst bedeute. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wies des Weiteren darauf hin, die Beklagte habe mit dem Kläger noch am 04.02.2009 eine neue Eingliederungsvereinbarung geschlossen, in der unter anderem eine "Abklärung des Leistungsvermögens" über den ärztlichen Dienst vereinbart worden sei. Die Beklagte habe sich mehrfach widersprüchlich verhalten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Ulm vom 16.04.2015 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 21.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2014 zu verurteilen, den Aufhebungsbescheid vom 16.02.2009 zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte erachtet die Entscheidung des SG für zutreffend und hält an ihrer bislang vertretenen Auffassung fest. Ergänzend hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 16.11.2015 die Auffassung vertreten, bei der hier vorzunehmenden Überprüfung einer bestandskräftig gewordenen Aufhebungsentscheidung, könnten Vertrauensschutzgesichtspunkte keine Rolle mehr spielen. Die Beklagte hat zudem mitgeteilt, dass die im Jahr 2009 eingetretene Überzahlung durch den Kläger beglichen worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), und insgesamt zulässig.
Die Berufung ist aber nur zum Teil begründet. Der Kläger wird durch den Überprüfungsbescheid vom 21.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2014 insoweit in seinen Rechten verletzt, als die Beklagte eine Rücknahme des Aufhebungsbescheides vom 16.02.2009 auch mit Wirkung für die Zeit vom 07.01.2009 bis 18.02.2009 abgelehnt hat. Mit Blick auf die Aufhebungsentscheidung ab dem 19.02.2009 ist die Berufung hingegen unbegründet und daher im Übrigen zurückzuweisen.
Gegenstand des Berufungsverfahrens bildet der Überprüfungsbescheid der Beklagten vom 21.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.04.2014, mit dem die Beklagte eine Rücknahme des bestandskräftig gewordenen Aufhebungsbescheides vom 16.02.2009 abgelehnt hat. Die Rechtmäßigkeit dieser Überprüfungsentscheidung beurteil sich nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
1.) Bereits das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass hier dahingestellt bleiben kann, ob der Aufhebungsbescheid vom 16.02.2009 an einem Anhörungsmangel leidet, da ein solcher formeller Mangel im hier streitigen Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X unbeachtlich wäre (Steinwedel in Kasseler Kommentar, EL 79, § 44 SGB X, Rn. 41; Sächsisches LSG, Beschluss vom 16.06.2015 - L 5 R 779/12 -, juris). Eine unterbliebene Anhörung stellt kein Unrecht im Sinne des § 44 SGB X dar (BSG, Urteil vom 28.05.1997 - 14/10 RKg 25/95 -, SozR 3-1300 § 44 Nr. 21).
2.) Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides vom 16.02.2009 ist § 48 SGB X. Nach § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
a.) Der Beklagte ist zunächst zutreffend von einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse seit Erlass des Bewilligungsbescheides vom 17.10.2008 jedenfalls ab dem 07.01.2009 ausgegangen. Zwar ergibt sich eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nicht bezüglich der objektiven Verfügbarkeit des Klägers, wohl aber hinsichtlich dessen Arbeitsbereitschaft und damit der subjektiven Verfügbarkeit. Da die Beklagte das Entfallen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld in der insoweit maßgeblichen Widerspruchsentscheidung vom 25.04.2014 auch ausdrücklich mit der fehlenden subjektiven Verfügbarkeit des Klägers begründet hat, kommt es nicht darauf an, dass sich die Argumentation der Beklagten hinsichtlich der objektiven Verfügbarkeit nicht als tragfähig erweist.
Der Kläger war zur Zeit des Erlasses des Bewilligungsbescheides vom 17.10.2008 unstreitig objektiv und subjektiv verfügbar, so dass die Arbeitslosengeldbewilligung zunächst rechtmäßig war. Die Beklagte hat ihre Aufhebungsentscheidung daher zutreffend auf § 48 SGB X und nicht auf § 45 SGB X, der die Aufhebung einer von Anfang an rechtswidrigen Bewilligungsentscheidung betrifft, gestützt. Erst nach der Bewilligungsentscheidung der Beklagten ist der Kläger dann in der Zeit vom 26.11.2008 bis 31.12.2008 (wieder) arbeitsunfähig gewesen. Auf Basis des Gutachtens des Dr. Weißer vom 18.07.2011 sieht es der Senat des Weiteren als erwiesen an, dass der Kläger ab dem 01.01.2009 wieder arbeitsfähig war, dann jedoch ab April 2009 erneut von einem aufgehobenen Leistungsvermögen und damit von einer fehlenden objektiven Verfügbarkeit auszugehen ist.
Die Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 26.11.2008 bis 31.12.2008 führte nicht zu einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, da der Anspruch auf Arbeitslosengeld hiervon nicht berührt wurde. Trotz der in dieser Zeit entfallenen objektiven Verfügbarkeit des Klägers, bestand dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 126 Abs. 1 SGB III in der Fassung vom 23.12.2003 (a.F.) unverändert fort. Wird ein Arbeitsloser während des Bezugs von Arbeitslosengeld infolge Krankheit arbeitsunfähig, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, verliert er gem. § 126 Abs. 1 SGB III (a.F.) dadurch nicht den Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen (Leistungsfortzahlung). Soweit dann ab dem 01.01.2009 (und damit vor Ablauf der genannten sechs Wochen) wieder Arbeitsfähigkeit und mithin erneut eine objektive Verfügbarkeit bestand, liegt hierin ebenfalls keine wesentliche Änderung in den Verhältnissen seit Erlass des Bewilligungsbescheides.
Die Beklagte ist jedoch zutreffend davon ausgegangen, dass jedenfalls ab dem 07.01.2009 die subjektive Verfügbarkeit in Form der Arbeitsbereitschaft des Klägers entfallen ist und damit auch eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des §§ 48 Abs. 1 SGB X eingetreten ist. Anspruch auf Arbeitslosengeld hat nur, wer u.a. den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung steht (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III in der Fassung vom 23.12.2003 [a.F.]). Den Vermittlungsbemühungen der Beklagten steht gemäß § 119 Abs. 5 Nrn. 1 bis 4 SGB III (a.F.) zur Verfügung, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, Vorschlägen der Beklagten zur beruflichen Eingliederung Zeit und Ort nach Folge leisten kann, bereit ist, jede derartige Beschäftigung anzunehmen und auszuüben und zudem bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen.
Zunächst ist anzumerken, dass ein Anspruch auf Krankengeld oder Arbeitslosengeld jeweils nur bei Vorliegen gänzlich voneinander unabhängiger Tatbestandsvoraussetzungen besteht. Daraus, dass der Kläger keinen Anspruch gegen die Krankenkasse auf Krankengeld hat, folgt also nicht, dass ihm ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zusteht.
Im vorliegenden Verfahren nach § 44 SGB X obliegt es dem Kläger nachzuweisen, dass er entgegen der Annahme des Beklagten im streitigen Aufhebungsbescheid tatsächlich arbeitsbereit und damit subjektiv verfügbar war (vgl. zur Beweislast: Urteil des Senats vom 30.09.2011 - L 12 AL 4286/10 -, juris). Der Nachweis seiner Arbeitsbereitschaft ist dem Kläger nicht gelungen. Vielmehr spricht der gesamte Geschehensablauf nach Auffassung des Senats dafür, dass der Kläger jedenfalls seit dem 07.01.2009 nicht mehr bereit war, jede ihm zumutbare Beschäftigung aufzunehmen, so dass die subjektive Verfügbarkeit in Form der Arbeitsbereitschaft entfallen ist. Die Bereitschaft zur Aufnahme einer zumutbaren, der Leistungsfähigkeit entsprechenden Beschäftigung liegt im eigenen Verantwortungsbereich des Arbeitslosen. Die subjektive Verfügbarkeit ist zu bejahen, wenn der Arbeitslose bereit ist, alle seiner objektiven Leistungsfähigkeit entsprechenden und nach Art und Umfang zumutbaren Beschäftigungen aufzunehmen; eine Bereitschaft zur Aufnahme von Beschäftigungen, zu denen der Arbeitslose objektiv nicht in der Lage ist, verlangt das Gesetz nicht (vgl. BSG, Urteil vom 01.08.1978 - 7 RAr 49/77 -, BSGE 47, 40-44, SozR 4100 § 103 Nr. 18). In der Regel bringen Beschäftigungslose ihre Arbeitsbereitschaft bereits dann zum Ausdruck, wenn sie sich arbeitslos melden. Gehen Arbeitslose selbst von einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit aus, so genügt es regelmäßig, wenn sich ein Arbeitsloser bereiterklärt, sich im Rahmen des bei einer ärztlichen Begutachtung festgestellten Leistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung zu stellen. Eben dies hat der Kläger bei seiner Antragstellung im Oktober 2008 angegeben, weshalb die Beklagte zunächst zutreffend von einer Arbeitsbereitschaft ausgegangen ist. Tatsächlich ist der Kläger dann aber, nach erneut eingetretener Arbeitsunfähigkeit, zum Begutachtungstermin beim ärztlichen Dienst der Beklagten am 03.12.2008, anlässlich dessen seine Leistungsfähigkeit geklärt werden sollte, nicht erschienen. Soweit der Kläger nunmehr erstmals im Berufungsverfahren und damit mehr als fünf Jahre nach dem fraglichen Arzttermin vorgetragen hat, er habe damals keine Einladung erhalten, erachtet dies der Senat als nicht glaubhaft. In einem Vermerk über eine persönliche Vorsprache des Klägers am 04.02.2009 ist vielmehr festgehalten, dass der Kläger auf die Frage, warum er den Termin beim ärztlichen Dienst nicht wahrgenommen habe, angab, er sei krank gewesen und er sei derzeit immer noch arbeitsunfähig. Allein dies ist in Anbetracht des gesamten sonstigen Vortrages stimmig, so dass die nachträglichen anderweitigen Deutungs- und Erläuterungsversuche im klägerischen Schreiben vom 04.12.2015 den Senat nicht überzeugt haben. Des Weiteren ist der Kläger mit Bescheid der AOK vom 30.12.2008 darüber informiert worden, dass bei ihm eine Arbeitsunfähigkeit nur bis 31.12.2008 anerkannt wird. Auch dies wurde ausweislich des damals gefertigten Aktenvermerks nochmals ausdrücklich in der Vorsprache vom 04.02.2009 thematisiert. Soweit der Kläger hiernach gleichwohl darauf beharrt hat, er sei weiterhin arbeitsunfähig und entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt hat, hat er durch diese Haltung und die zuvor verweigerten Mitwirkung bei der ärztlichen Untersuchung klar zum Ausdruck gebracht, dass er nicht bereit ist jede ihm zumutbare Beschäftigung aufzunehmen. Allein dies entspricht auch den Erklärungen des Klägers gegenüber der AOK, gegen die der Kläger ja dann auch vorrangig einen Prozess geführt hat. Einen anderen Erklärungswert kann man den dokumentierte Äußerungen des Klägers zu keinem Zeitpunkt entnehmen.
Wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, kann die fehlende Verfügbarkeit nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden (BSGE, Urteil vom 31.01.2006 - B 11a AL 15/05 R -, juris), so dass sich hier weitere Ausführungen zu den übrigen Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erübrigen.
Damit lagen gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung mit Wirkung für die Zukunft vor. Mangels eines anderweitigen Zugangsdatums ist von einem Zugang des Aufhebungsbescheides vom 16.02.2009 am 19.02.2009 (§ 37 SGB X) auszugehen, so dass ab diesem Tag eine Aufhebung für die Zukunft zu Recht erfolgt ist und die Beklagte die Rücknahme des Aufhebungsbescheides insoweit zutreffend abgelehnt hat. Eine Ermessensentscheidung war von der Beklagten wegen § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III in der hier anzuwendenden Fassung vom 20.04.2007 (a.F.) nicht zu treffen. Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X wurde ebenfalls eingehalten.
b.) Eine Aufhebung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, d.h. für den Zeitraum vom 07.01.2009 bis 18.02.2009, ist jedoch nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 4 SGB X möglich.
Entgegen der von der Beklagten geäußerten Auffassung, ist auch im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X eine vollständige Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit der zu überprüfenden Entscheidung durchzuführen. Hierzu gehören bei einer Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X auch die Vertrauensschutzgesichtspunkte des dortigen Satzes 2. Nach Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, ermöglicht § 44 SGB X die Zurücknahme eines Bescheides über die Rückforderung einer Sozialleistung auch dann, wenn die Rechtswidrigkeit des Bescheides allein auf einem Verstoß gegen das Vertrauen schützende Vorschriften beruht. Durfte eine zu Unrecht gewährte Sozialleistung aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht rückwirkend entzogen werden, so kann dies auch noch im Zugunstenverfahren auf Rücknahme des bestandskräftig gewordenen Aufhebungsbescheides geltend gemacht werden (BSG, Urteil vom 28.05.1997, a.a.O.; Urteil vom 04.02.1998 - B 9 V 16/96 R - SozR 3-1300 § 44 Nr. 24; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.12.1999 - L 7 Ar 20/98 -, juris; Sächsisches LSG, Urteil vom 17.02.2015 - L 5 R 900/13 -, juris; a.A. wohl Steinwedel a.a.O., Rn. 41, 42, allerdings etwas unklar für den Fall einer wie hier mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgten Aufhebung).
Die einschränkenden Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X liegen nicht vor. Der Kläger ist weder vorsätzlich noch grob fahrlässig seinen Mitteilungspflichten nicht nachgekommen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X), noch wusste er oder wusste grob fahrlässig nicht, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dabei ist ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen. Grobe Fahrlässigkeit ist zu bejahen, wenn der Betroffene schon einfache, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet hat, was in diesem Fall jedem einleuchten musste (vgl. Steinwedel a.a.O., § 45 SGB X, Rn. 39). Dabei ist auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit sowie die besonderen Umstände des Einzelfalles abzustellen. Es ist also nicht ein objektiver, sondern ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen, es gilt der subjektive Fahrlässigkeitsbegriff (zum subjektiven Fahrlässigkeitsbegriff vgl. u.a. BSG, Urteil vom 29.10.2008 - B 11 AL 52/07 R -, m.w.N., juris). Entscheidend sind somit stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, d.h. seine Urteilsfähigkeit und sein Einsichtsvermögen, im Übrigen auch sein Verhalten (Wiesner in von Wulffen, SGB X, § 45 Rn. 24). Unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks, den der Senat vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2016 gewonnen hat, kann diesem hier keine grobe Fahrlässigkeit im zuvor genannten Sinn vorgeworfen werden. Hier ist zunächst zu bedenken, dass in der konkreten Situation für den Kläger die Abgrenzung zwischen den Voraussetzungen des Bezugs von Arbeitslosengeld einerseits und Krankengeld andererseits keineswegs offenkundig gewesen sein dürfte und diese Frage auch bereits zum Zeitpunkt der Leistungsbewilligung im Raum stand. Auch die vom Beklagten gefertigten Beratungsvermerke in der Zeit vor Erlass des Aufhebungsbescheides am 16.02.2009 lassen gerade nicht erkennen, dass dem Kläger die Voraussetzungen der subjektiven Verfügbarkeit in einfachen und für diesen verständlichen Worten unter Bezugnahme auf die konkrete Situation erläutert und entsprechende Handlungskonsequenzen aufgezeigt wurden. Weiterhin ist zu bedenken, dass sich auch der tatsächliche Sachverhalt, konkret die Arbeitsfähigkeit des Klägers, hier in einem verhältnismäßig kurzfristigen Zeitraum wiederholt verändert hat. Während der Kläger zunächst bei der Bewilligung von Arbeitslosengeld arbeitsfähig und damit objektiv verfügbar war, ist diese objektive Verfügbarkeit später in der Zeit vom 27.11.2008 bis 31.12.2008 wieder entfallen und war hieran anschließend dann für die Zeit von Januar 2009 bis April 2009 wieder gegeben, um hiernach wieder zu entfallen. In einer solchen Situation kann keineswegs die Rede davon sein, dass der Kläger den Wegfall des Anspruchs des ihm bewilligten Arbeitslosengeldes gekannt hat oder grob fahrlässig nicht gekannt hat. Auch aus dem dem Kläger ausgehändigten Merkblatt 1 für Arbeitslose ("Ihre Rechte - Ihre Pflichten"), Stand: März: 2008, ergeben sich zur konkreten Problematik keine eindeutigen und unmissverständlichen Hinweise. Zwar wird in abstrakter Form zutreffend über die Notwendigkeit der Arbeitsbereitschaft wie auch über verschiedene Fallgestaltungen bei Arbeitsunfähigkeit informiert, dies genügt jedoch in Anbetracht der im konkreten Fall tatsächlich komplexen Situation nicht, um hier grobe Fahrlässigkeit zu begründen. Es hätte hier vielmehr eines eindeutigen und unmissverständlichen Hinweises bedurft, dass sich der Kläger auch ab dem 01.01.2009 weiterhin mit seinem festzustellenden Leistungsvermögen der Beklagten zur Verfügung stellen müsse, da er ansonsten keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr hat.
3.) Da der Kläger hier am 21.05.2012 die Rücknahme des Aufhebungsbescheides vom 16.02.2009 beantragt hat, steht schließlich auch die Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X dem teilweisen Klageerfolg für die Zeit vom 07.01.2009 bis 18.02.2009 nicht entgegen. Ist nach § 44 Abs. 4 SGB X ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht erfüllt sind.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger ein Fünftel der außergerichtliche Kosten für beide Instanzen zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens über einen Aufhebungsbescheid, mit dem die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 07.01.2009 aufgehoben wurde.
Der 1954 geborene Kläger war in der Zeit vom 29.03.2005 bis 28.08.2008 als Kraftfahrer beschäftigt.
Am 13.08.2008 meldete er sich persönlich bei der Beklagten arbeitsuchend und arbeitslos und beantragte mit Wirkung zum 29.08.2008 die Gewährung von Arbeitslosengeld. Der Kläger bejahte, dass er bestimmte Beschäftigungen nicht mehr ausüben könne oder sich zeitlich einschränken müsse. Er erklärte sich aber bei einer ärztlichen Begutachtung bereit, sich im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung zu stellen.
Nachdem der Kläger in der Zeit vom 29.08.2008 bis 12.10.2008 Krankengeld bezogen hatte, bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bewilligungsbescheid vom 17.10.2008 Arbeitslosengeld ab dem 13.10.2008 für 450 Kalendertage in Höhe von 30,39 EUR täglich.
Am 27.11.2008 gab der Kläger bei der Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) für den Zeitraum vom 26.11.2008 bis 17.12.2008 und am 17.12.2008 eine weitere AUB für den Zeitraum vom 17.12.2008 bis 31.12.2008 ab.
Zu einem Termin zur Begutachtung bei dem Ärztlichen Dienst der Beklagten am 03.12.2008 erschien der Kläger nicht. Zur Begründung verwies der Kläger (laut einem vom Beklagten gefertigten Vermerk) am 04.02.2009 auf die bei ihm weiterhin vorliegende Arbeitsunfähigkeit. Erstmals im Berufungsverfahren hat der Kläger bestritten, eine Ladung zur ärztlichen Untersuchung am 03.12.2008 erhalten zu haben.
In der Folge reichte der Kläger weitere AUBen für die Zeit bis 14.03.2009 ein.
Mit Bescheid vom 30.12.2008 teilte die AOK Baden-Württemberg (AOK) dem Kläger mit, eine Arbeitsunfähigkeit werde nur bis 31.12.2008 anerkannt.
Am 04.02.2009 sprach der Kläger persönliche bei der Beklagten vor. Laut einem in der Akten befindlichen Vermerk wurde der Kläger auf eine Abmeldung bei einer länger als sechs Wochen dauernden Arbeitsunfähigkeit hingewiesen. In der Akte der Beklagten findet sich zudem unter diesem Datum eine nicht unterzeichnete Eingliederungsvereinbarung, in der eine Abklärung des Leistungsvermögens über den Ärztlichen Dienst der Beklagten vereinbart wird.
Mit bestandskräftig gewordenem Aufhebungsbescheid vom 16.02.2009 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 07.01.2009 auf. Als Grund gab sie das Ende der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall an.
Am 24.02.2009 erstellte Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. F. für die Beklagte einen Befundbericht und teilte mit, der Kläger sei derzeit arbeitsunfähig und er gehe davon aus, dass diese Arbeitsunfähigkeit noch länger als 6 Monate andauere.
Am 26.02.2009 sprach der Kläger erneut bei der Beklagten persönlich vor. In einem hierzu gefertigten Vermerk ist festgehalten: "Abmeldung, Sachverhalt ausführlich erklärt, Zuständigkeit KK, sobald wieder Leistungsfähigkeit vorliegt, erneut Alo-Meldung".
Mit Bescheid vom 13.03.2009 lehnte die AOK die Zahlung von Krankengeld ab 01.01.2009 ab; der Kläger sei nicht mehr arbeitsunfähig.
Am 23.03.2009 sprach der Kläger erneut persönlich bei der Beklagten vor. Ein hierzu erstellter Vermerk führt aus: "Kunde hat von KK (AOK) ein Schreiben erhalten, wonach MDK zu dem Ergebnis kommt, dass keine AU mehr vorliegt. Sachverhalt aus Sicht der AA erläutert. Alo erst wenn wieder Leistungsfähigkeit vorliegt. Empfohlen sich Gutachten aushändigen zu lassen und ggf. Wiederspruch (sic!) einzulegen. Kunde ist bis auf weiteres AU".
Mit Schreiben vom 12.08.2009 teilte die AOK der Beklagten mit, der Fachgutachter des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK BW) halte den Kläger ab dem 01.01.2009 für arbeitsfähig und im Sinne der Beklagten für vermittelbar. Demzufolge sei von der AOK die seit dem 26.11.2008 bestehende Arbeitsunfähigkeit über den 31.12.2008 hinaus nicht anerkannt worden. Der Kläger habe hiergegen Widerspruch eingelegt, er halte sich auch weiterhin für arbeitsunfähig (bis auf weiteres, auch über den heutigen Tag hinaus) und für nicht vermittelbar.
Gegen die Ablehnung von Krankengeld ab 01.01.2009 durch die AOK erhob der Kläger nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage zum Sozialgericht Ulm (Az.: S 8 KR 3591/09). Die Klage wurde mit Urteil vom 28.11.2011 abgewiesen. Die sodann beim Landesozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (Az.: L 11 KR 121/12) eingelegte Berufung wurde mit Urteil vom 18.03.2014 zurückgewiesen. Der 11. Senat des LSG führte zur Begründung aus, ein Anspruch auf Krankengeld habe nach dem 06.01.2009 (Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld) nicht (mehr) bestanden, da über den 06.01.2009 hinaus Arbeitsunfähigkeit nicht mehr vorgelegen habe. Der Kläger sei über den 06.01.2009 hinaus nicht arbeitsunfähig gewesen, da er leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes habe vollschichtig verrichten können. Die gegen das Urteil bei dem Bundessozialgericht (BSG) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (Az.: B 1 KR 75/14 B) blieb ohne Erfolg. Eine Beiladung der Beklagten zum Verfahren erfolgte nicht. Während des laufenden Gerichtsverfahrens gegen die AOK wurde am 18.07.2011 ein Gutachten durch Dr. W. (MDK BW) erstellt. Dr. W. führte hierin aus, es müsse an der AU-Beendigung zum 31.12.2008 festgehalten werden. Im weiteren Verlauf habe sich die Leistungsfähigkeit wieder verschlechtert, mindestens ab April 2009 müsse dann vorübergehend von einem aufgehobenen Leistungsvermögen ausgegangen werden.
Noch während des laufenden Gerichtsverfahrens gegen die AOK machte der Kläger am 09.05.2012 gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 07.01.2009 geltend. Das SG habe die Klage auf Krankengeld abgewiesen. Im laufenden Berufungsverfahren habe das Gericht wie auch die AOK darauf hingewiesen, dass der Kläger in diesem Fall Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, da er nicht von einem Leistungsträger zum anderen verschoben werden dürfe.
Die Beklagte legte dies als Überprüfungsantrag aus und lehnte diesen mit Bescheid vom 21.05.2012 ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit am 12.10.2008 habe der Kläger ab dem 13.10.2008 bis 06.01.2009 Arbeitslosengeld erhalten Die Bewilligung sei ab dem 07.01.2009 wegen Ende der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall aufgehoben worden. Anschließend sei der Kläger weiterhin arbeitsunfähig gewesen und habe dem Arbeitsmarkt nicht zur Vermittlung zur Verfügung gestanden. Eine Gewährung von Arbeitslosengeld komme somit nicht in Betracht.
In einem auf Nachfrage der Widerspruchsstelle gefertigten Vermerk vom 21.06.2012 ist unter anderem festgehalten, Angaben zur Arbeitsbereitschaft trotz Arbeitsunfähigkeit seien im speziellen nicht geklärt worden. Aufgrund der Gesamtsituation sei hiervon aber nicht auszugehen gewesen. Der Kläger habe sich bei Vorsprache auf eine noch bestehende Arbeitsunfähigkeit berufen und einen Termin beim ärztlichen Dienst nicht wahrgenommen. Der Kläger sei auf die Notwendigkeit einer (erneuten) persönlichen Arbeitslosmeldung hingewiesen worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2014 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger berufe sich auf das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 24.03.2014 (L 11 KR 121/12), in welchem ausgeführt werde, dass Arbeitsunfähigkeit nach dem 06.01.2009 nicht vorgelegen habe. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 07.01.2009 ergebe sich jedoch nicht. Arbeitslos sei ein Arbeitnehmer, der u.a. den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung stehe. Hierzu gehöre u.a., dass der Arbeitnehmer arbeitsfähig und arbeitsbereit sei. Werde ein Arbeitsloser während des Bezugs von Arbeitslosengeld beispielsweise infolge Krankheit arbeitsunfähig, ohne dass ihn Verschulden treffe, verliere er dadurch nicht den Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Der Anspruch auf Leistungsfortzahlung habe vorliegend am 06.01.2009 geendet. Der Kläger sei auch danach weiterhin arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen. Er habe auch in der Folge Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen eingereicht. Der Kläger sei also selbst weiterhin davon ausgegangen, nicht arbeitsfähig zu sein. Er habe auch bei seinen Vorsprachen am 05.02.2009 und 26.02.2009 ausdrücklich erklärt, arbeitsunfähig erkrankt zu sein. Selbst bei der Vorsprache am 23.03.2009, bei der er mitgeteilt habe, dass nach dem Schreiben der AOK keine Arbeitsunfähigkeit mehr vorliege, habe er erklärt, weiter arbeitsunfähig zu sein. Er habe den Anspruch gerichtlich geltend gemacht. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt seine Arbeitsbereitschaft im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit erklärt. Vielmehr sei er selbst davon ausgegangen, während der gesamten Zeit arbeitsunfähig krank gewesen zu sein und keine Beschäftigung aufnehmen zu können. Er habe der Arbeitsvermittlung subjektiv nicht zur Verfügung gestanden, sodass nach dem 06.01.2009 kein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestanden habe.
Hiergegen hat der Kläger am 21.05.2014 Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben. Zur Begründung hat der Kläger insbesondere auf die unterschiedlichen Beurteilungen der Arbeitsfähigkeit durch die AOK und die Beklagte verwiesen und hierzu die Auffassung vertreten, er werde hierdurch rechtlos gestellt. Die Beklagte habe im konkreten Fall Kenntnis von dem Umstand gehabt, dass widersprüchliche und sieh ausschließende Leistungsvoraussetzungen vorliegen würden. Dies zeige sich an dem Schreiben der AOK an die Beklagte vom 12.08.2009. Der Kläger habe angesichts der Uneinigkeit der AOK und der Beklagten zwei Alternativen gehabt. Es könne nicht zu seinem Nachteil gereichen, dass er sich für eine der Alternativen - vorliegend die der Arbeitsunfähigkeit - entschieden und über rechtsstaatliche Mittel (Klage und Berufung) sein Recht gesucht habe. Die Beklagte habe den Kläger selbst zur Klageerhebung gegen die AOK aufgefordert. Eine fehlende subjektive Verfügbarkeit sei somit von der Beklagten angenommen und ihm durch den Verweis an die AOK ebenfalls suggeriert worden.
Die Beklagte hat hierauf erwidert, der Kläger habe in Kenntnis der Entscheidung der AOK darauf beharrt, weiterhin arbeitsunfähig zu sein. Deshalb fehle es nach Auffassung der Beklagten an der Arbeitsbereitschaft des Klägers und damit an der subjektiven Vermittelbarkeit.
Mit Urteil vom 16.04.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei nicht subjektiv verfügbar gewesen. Die subjektive Verfügbarkeit sei nur zu bejahen, wenn der Arbeitslose bereit sei, alle seiner objektiven Leistungsfähigkeit entsprechenden und nach Art und Umfang zumutbaren Beschäftigungen aufzunehmen. Die fehlende Bereitschaft zur Aufnahme einer zumutbaren, der Leistungsfähigkeit entsprechenden Beschäftigung liege im eigenen Verantwortungsbereich des Arbeitslosen bzw. Versicherten. Der Kläger habe sich in Kenntnis des Bescheides der AOK vom 30.12.2008, mit welchem ihm mitgeteilt worden sei, dass eine Arbeitsunfähigkeit nur bis zum 31.12.2008 anerkannt werde, der Beklagten gerade nicht entsprechend seines objektiven Leistungsvermögens zur Verfügung gestellt. Vielmehr habe er der Beklagten weiterhin Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt und sich auf die seiner Auffassung nach bestehende Arbeitsunfähigkeit berufen. Damit habe der Kläger gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht, deren Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung zu stehen. Dies werde auch durch den Umstand bestätigt, dass der Kläger aufgrund der von ihm angenommenen Arbeitsunfähigkeit noch nicht einmal zur Begutachtung durch den Ärztlichen Dienst der Beklagten erschienen sei. Nicht zu überzeugen vermöge das Vorbringen des Klägers, wonach die Beklagte ihn zur Klageerhebung gegen die AOK aufgefordert und ihm damit eine fehlende subjektive Vermittelbarkeit suggeriert habe. Denn die Empfehlung zur Einlegung des Widerspruchs gegen die ablehnende Entscheidung der AOK durch die Beklagte sei erst am 23.03.2009 und damit nach dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungsbescheides vom 16.02.2009 erfolgt. Bereits deshalb könne eine Empfehlung vom 23.03.2009 nicht kausal für eine fehlende subjektive Verfügbarkeit ab dem 07.01.2009 sein. Schließlich könne der Kläger einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 07.01.2009 auch nicht auf das in der Rechtsprechung anerkannte Institut des sozialrechtliehen Herstellungsanspruchs stützen. Vorliegend sei bereits eine kausale Pflichtverletzung der Beklagten nicht ersichtlich. Selbst wenn man eine solche jedoch unterstelle, wäre ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch nicht gegeben. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei es ausgeschlossen, das Vorliegen von Arbeitslosigkeit bzw. die Verfügbarkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nachträglich im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu fingieren. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 48 SGB X seien erfüllt. Dies gelte insbesondere auch, soweit die Beklagte eine Aufhebung der Bewilligung für die Vergangenheit, also die Zeit vor Erlass des Aufhebungsbescheides vom 16.02.2009, verfügt habe. Denn der Kläger habe gewusst bzw. nicht gewusst, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe, dass der sich aus dem Bewilligungsbescheid vom 17.10.2008 ergebende Anspruch auf Arbeitslosengeld nach Ablauf einer mehr als sechs Wochen dauernden Arbeitsunfähigkeit kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen bzw. ganz weggefallen sei. Hierauf sei er bereits im Rahmen des Merkblattes ausdrücklich hingewiesen worden.
Gegen dieses am 24.04.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.05.2015 Berufung erhoben. Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, die Beklagte sei von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, sie habe nämlich angenommen, der Kläger sei arbeitsunfähig. Statt den Kläger darauf hinzuweisen, dass er einen neuen Antrag auf Arbeitslosengeld stellen müsse, habe die Beklagte den Kläger zum Widerspruch gegen den Bescheid der AOK aufgefordert. Der Kläger habe sich hieran gehalten. Der Kläger sei daher falsch beraten worden. Es sei fraglich, ob es auf die fehlende subjektiven Verfügbarkeit überhaupt noch ankommen könne, wenn die Behörde irrig ein Fehlen der objektiven Verfügbarkeit annehme. Der Kläger erhalte wegen der Meinungsverschiedenheit zweier Leistungsträger überhaupt keine Leistungen mehr. Im Berufungsverfahren hat der Kläger zudem erstmals bestritten, eine Ladung zur ärztlichen Begutachtung am 03.12.2008 erhalten zu haben. Mit Blick auf den Vermerk der Beklagten, er habe den Termin beim ärztlichen Dienst wegen Arbeitsunfähigkeit nicht wahrgenommen, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers vorgetragen, es müsse bezweifelt werden, dass der Kläger überhaupt verstanden habe, was ein Termin beim ärztlichen Dienst bedeute. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wies des Weiteren darauf hin, die Beklagte habe mit dem Kläger noch am 04.02.2009 eine neue Eingliederungsvereinbarung geschlossen, in der unter anderem eine "Abklärung des Leistungsvermögens" über den ärztlichen Dienst vereinbart worden sei. Die Beklagte habe sich mehrfach widersprüchlich verhalten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Ulm vom 16.04.2015 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 21.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2014 zu verurteilen, den Aufhebungsbescheid vom 16.02.2009 zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte erachtet die Entscheidung des SG für zutreffend und hält an ihrer bislang vertretenen Auffassung fest. Ergänzend hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 16.11.2015 die Auffassung vertreten, bei der hier vorzunehmenden Überprüfung einer bestandskräftig gewordenen Aufhebungsentscheidung, könnten Vertrauensschutzgesichtspunkte keine Rolle mehr spielen. Die Beklagte hat zudem mitgeteilt, dass die im Jahr 2009 eingetretene Überzahlung durch den Kläger beglichen worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), und insgesamt zulässig.
Die Berufung ist aber nur zum Teil begründet. Der Kläger wird durch den Überprüfungsbescheid vom 21.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2014 insoweit in seinen Rechten verletzt, als die Beklagte eine Rücknahme des Aufhebungsbescheides vom 16.02.2009 auch mit Wirkung für die Zeit vom 07.01.2009 bis 18.02.2009 abgelehnt hat. Mit Blick auf die Aufhebungsentscheidung ab dem 19.02.2009 ist die Berufung hingegen unbegründet und daher im Übrigen zurückzuweisen.
Gegenstand des Berufungsverfahrens bildet der Überprüfungsbescheid der Beklagten vom 21.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.04.2014, mit dem die Beklagte eine Rücknahme des bestandskräftig gewordenen Aufhebungsbescheides vom 16.02.2009 abgelehnt hat. Die Rechtmäßigkeit dieser Überprüfungsentscheidung beurteil sich nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
1.) Bereits das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass hier dahingestellt bleiben kann, ob der Aufhebungsbescheid vom 16.02.2009 an einem Anhörungsmangel leidet, da ein solcher formeller Mangel im hier streitigen Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X unbeachtlich wäre (Steinwedel in Kasseler Kommentar, EL 79, § 44 SGB X, Rn. 41; Sächsisches LSG, Beschluss vom 16.06.2015 - L 5 R 779/12 -, juris). Eine unterbliebene Anhörung stellt kein Unrecht im Sinne des § 44 SGB X dar (BSG, Urteil vom 28.05.1997 - 14/10 RKg 25/95 -, SozR 3-1300 § 44 Nr. 21).
2.) Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides vom 16.02.2009 ist § 48 SGB X. Nach § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
a.) Der Beklagte ist zunächst zutreffend von einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse seit Erlass des Bewilligungsbescheides vom 17.10.2008 jedenfalls ab dem 07.01.2009 ausgegangen. Zwar ergibt sich eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nicht bezüglich der objektiven Verfügbarkeit des Klägers, wohl aber hinsichtlich dessen Arbeitsbereitschaft und damit der subjektiven Verfügbarkeit. Da die Beklagte das Entfallen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld in der insoweit maßgeblichen Widerspruchsentscheidung vom 25.04.2014 auch ausdrücklich mit der fehlenden subjektiven Verfügbarkeit des Klägers begründet hat, kommt es nicht darauf an, dass sich die Argumentation der Beklagten hinsichtlich der objektiven Verfügbarkeit nicht als tragfähig erweist.
Der Kläger war zur Zeit des Erlasses des Bewilligungsbescheides vom 17.10.2008 unstreitig objektiv und subjektiv verfügbar, so dass die Arbeitslosengeldbewilligung zunächst rechtmäßig war. Die Beklagte hat ihre Aufhebungsentscheidung daher zutreffend auf § 48 SGB X und nicht auf § 45 SGB X, der die Aufhebung einer von Anfang an rechtswidrigen Bewilligungsentscheidung betrifft, gestützt. Erst nach der Bewilligungsentscheidung der Beklagten ist der Kläger dann in der Zeit vom 26.11.2008 bis 31.12.2008 (wieder) arbeitsunfähig gewesen. Auf Basis des Gutachtens des Dr. Weißer vom 18.07.2011 sieht es der Senat des Weiteren als erwiesen an, dass der Kläger ab dem 01.01.2009 wieder arbeitsfähig war, dann jedoch ab April 2009 erneut von einem aufgehobenen Leistungsvermögen und damit von einer fehlenden objektiven Verfügbarkeit auszugehen ist.
Die Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 26.11.2008 bis 31.12.2008 führte nicht zu einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, da der Anspruch auf Arbeitslosengeld hiervon nicht berührt wurde. Trotz der in dieser Zeit entfallenen objektiven Verfügbarkeit des Klägers, bestand dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 126 Abs. 1 SGB III in der Fassung vom 23.12.2003 (a.F.) unverändert fort. Wird ein Arbeitsloser während des Bezugs von Arbeitslosengeld infolge Krankheit arbeitsunfähig, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, verliert er gem. § 126 Abs. 1 SGB III (a.F.) dadurch nicht den Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen (Leistungsfortzahlung). Soweit dann ab dem 01.01.2009 (und damit vor Ablauf der genannten sechs Wochen) wieder Arbeitsfähigkeit und mithin erneut eine objektive Verfügbarkeit bestand, liegt hierin ebenfalls keine wesentliche Änderung in den Verhältnissen seit Erlass des Bewilligungsbescheides.
Die Beklagte ist jedoch zutreffend davon ausgegangen, dass jedenfalls ab dem 07.01.2009 die subjektive Verfügbarkeit in Form der Arbeitsbereitschaft des Klägers entfallen ist und damit auch eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des §§ 48 Abs. 1 SGB X eingetreten ist. Anspruch auf Arbeitslosengeld hat nur, wer u.a. den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung steht (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III in der Fassung vom 23.12.2003 [a.F.]). Den Vermittlungsbemühungen der Beklagten steht gemäß § 119 Abs. 5 Nrn. 1 bis 4 SGB III (a.F.) zur Verfügung, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, Vorschlägen der Beklagten zur beruflichen Eingliederung Zeit und Ort nach Folge leisten kann, bereit ist, jede derartige Beschäftigung anzunehmen und auszuüben und zudem bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen.
Zunächst ist anzumerken, dass ein Anspruch auf Krankengeld oder Arbeitslosengeld jeweils nur bei Vorliegen gänzlich voneinander unabhängiger Tatbestandsvoraussetzungen besteht. Daraus, dass der Kläger keinen Anspruch gegen die Krankenkasse auf Krankengeld hat, folgt also nicht, dass ihm ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zusteht.
Im vorliegenden Verfahren nach § 44 SGB X obliegt es dem Kläger nachzuweisen, dass er entgegen der Annahme des Beklagten im streitigen Aufhebungsbescheid tatsächlich arbeitsbereit und damit subjektiv verfügbar war (vgl. zur Beweislast: Urteil des Senats vom 30.09.2011 - L 12 AL 4286/10 -, juris). Der Nachweis seiner Arbeitsbereitschaft ist dem Kläger nicht gelungen. Vielmehr spricht der gesamte Geschehensablauf nach Auffassung des Senats dafür, dass der Kläger jedenfalls seit dem 07.01.2009 nicht mehr bereit war, jede ihm zumutbare Beschäftigung aufzunehmen, so dass die subjektive Verfügbarkeit in Form der Arbeitsbereitschaft entfallen ist. Die Bereitschaft zur Aufnahme einer zumutbaren, der Leistungsfähigkeit entsprechenden Beschäftigung liegt im eigenen Verantwortungsbereich des Arbeitslosen. Die subjektive Verfügbarkeit ist zu bejahen, wenn der Arbeitslose bereit ist, alle seiner objektiven Leistungsfähigkeit entsprechenden und nach Art und Umfang zumutbaren Beschäftigungen aufzunehmen; eine Bereitschaft zur Aufnahme von Beschäftigungen, zu denen der Arbeitslose objektiv nicht in der Lage ist, verlangt das Gesetz nicht (vgl. BSG, Urteil vom 01.08.1978 - 7 RAr 49/77 -, BSGE 47, 40-44, SozR 4100 § 103 Nr. 18). In der Regel bringen Beschäftigungslose ihre Arbeitsbereitschaft bereits dann zum Ausdruck, wenn sie sich arbeitslos melden. Gehen Arbeitslose selbst von einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit aus, so genügt es regelmäßig, wenn sich ein Arbeitsloser bereiterklärt, sich im Rahmen des bei einer ärztlichen Begutachtung festgestellten Leistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung zu stellen. Eben dies hat der Kläger bei seiner Antragstellung im Oktober 2008 angegeben, weshalb die Beklagte zunächst zutreffend von einer Arbeitsbereitschaft ausgegangen ist. Tatsächlich ist der Kläger dann aber, nach erneut eingetretener Arbeitsunfähigkeit, zum Begutachtungstermin beim ärztlichen Dienst der Beklagten am 03.12.2008, anlässlich dessen seine Leistungsfähigkeit geklärt werden sollte, nicht erschienen. Soweit der Kläger nunmehr erstmals im Berufungsverfahren und damit mehr als fünf Jahre nach dem fraglichen Arzttermin vorgetragen hat, er habe damals keine Einladung erhalten, erachtet dies der Senat als nicht glaubhaft. In einem Vermerk über eine persönliche Vorsprache des Klägers am 04.02.2009 ist vielmehr festgehalten, dass der Kläger auf die Frage, warum er den Termin beim ärztlichen Dienst nicht wahrgenommen habe, angab, er sei krank gewesen und er sei derzeit immer noch arbeitsunfähig. Allein dies ist in Anbetracht des gesamten sonstigen Vortrages stimmig, so dass die nachträglichen anderweitigen Deutungs- und Erläuterungsversuche im klägerischen Schreiben vom 04.12.2015 den Senat nicht überzeugt haben. Des Weiteren ist der Kläger mit Bescheid der AOK vom 30.12.2008 darüber informiert worden, dass bei ihm eine Arbeitsunfähigkeit nur bis 31.12.2008 anerkannt wird. Auch dies wurde ausweislich des damals gefertigten Aktenvermerks nochmals ausdrücklich in der Vorsprache vom 04.02.2009 thematisiert. Soweit der Kläger hiernach gleichwohl darauf beharrt hat, er sei weiterhin arbeitsunfähig und entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt hat, hat er durch diese Haltung und die zuvor verweigerten Mitwirkung bei der ärztlichen Untersuchung klar zum Ausdruck gebracht, dass er nicht bereit ist jede ihm zumutbare Beschäftigung aufzunehmen. Allein dies entspricht auch den Erklärungen des Klägers gegenüber der AOK, gegen die der Kläger ja dann auch vorrangig einen Prozess geführt hat. Einen anderen Erklärungswert kann man den dokumentierte Äußerungen des Klägers zu keinem Zeitpunkt entnehmen.
Wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, kann die fehlende Verfügbarkeit nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden (BSGE, Urteil vom 31.01.2006 - B 11a AL 15/05 R -, juris), so dass sich hier weitere Ausführungen zu den übrigen Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erübrigen.
Damit lagen gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung mit Wirkung für die Zukunft vor. Mangels eines anderweitigen Zugangsdatums ist von einem Zugang des Aufhebungsbescheides vom 16.02.2009 am 19.02.2009 (§ 37 SGB X) auszugehen, so dass ab diesem Tag eine Aufhebung für die Zukunft zu Recht erfolgt ist und die Beklagte die Rücknahme des Aufhebungsbescheides insoweit zutreffend abgelehnt hat. Eine Ermessensentscheidung war von der Beklagten wegen § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III in der hier anzuwendenden Fassung vom 20.04.2007 (a.F.) nicht zu treffen. Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X wurde ebenfalls eingehalten.
b.) Eine Aufhebung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, d.h. für den Zeitraum vom 07.01.2009 bis 18.02.2009, ist jedoch nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 4 SGB X möglich.
Entgegen der von der Beklagten geäußerten Auffassung, ist auch im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X eine vollständige Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit der zu überprüfenden Entscheidung durchzuführen. Hierzu gehören bei einer Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X auch die Vertrauensschutzgesichtspunkte des dortigen Satzes 2. Nach Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, ermöglicht § 44 SGB X die Zurücknahme eines Bescheides über die Rückforderung einer Sozialleistung auch dann, wenn die Rechtswidrigkeit des Bescheides allein auf einem Verstoß gegen das Vertrauen schützende Vorschriften beruht. Durfte eine zu Unrecht gewährte Sozialleistung aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht rückwirkend entzogen werden, so kann dies auch noch im Zugunstenverfahren auf Rücknahme des bestandskräftig gewordenen Aufhebungsbescheides geltend gemacht werden (BSG, Urteil vom 28.05.1997, a.a.O.; Urteil vom 04.02.1998 - B 9 V 16/96 R - SozR 3-1300 § 44 Nr. 24; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.12.1999 - L 7 Ar 20/98 -, juris; Sächsisches LSG, Urteil vom 17.02.2015 - L 5 R 900/13 -, juris; a.A. wohl Steinwedel a.a.O., Rn. 41, 42, allerdings etwas unklar für den Fall einer wie hier mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgten Aufhebung).
Die einschränkenden Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X liegen nicht vor. Der Kläger ist weder vorsätzlich noch grob fahrlässig seinen Mitteilungspflichten nicht nachgekommen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X), noch wusste er oder wusste grob fahrlässig nicht, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dabei ist ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen. Grobe Fahrlässigkeit ist zu bejahen, wenn der Betroffene schon einfache, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet hat, was in diesem Fall jedem einleuchten musste (vgl. Steinwedel a.a.O., § 45 SGB X, Rn. 39). Dabei ist auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit sowie die besonderen Umstände des Einzelfalles abzustellen. Es ist also nicht ein objektiver, sondern ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen, es gilt der subjektive Fahrlässigkeitsbegriff (zum subjektiven Fahrlässigkeitsbegriff vgl. u.a. BSG, Urteil vom 29.10.2008 - B 11 AL 52/07 R -, m.w.N., juris). Entscheidend sind somit stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, d.h. seine Urteilsfähigkeit und sein Einsichtsvermögen, im Übrigen auch sein Verhalten (Wiesner in von Wulffen, SGB X, § 45 Rn. 24). Unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks, den der Senat vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2016 gewonnen hat, kann diesem hier keine grobe Fahrlässigkeit im zuvor genannten Sinn vorgeworfen werden. Hier ist zunächst zu bedenken, dass in der konkreten Situation für den Kläger die Abgrenzung zwischen den Voraussetzungen des Bezugs von Arbeitslosengeld einerseits und Krankengeld andererseits keineswegs offenkundig gewesen sein dürfte und diese Frage auch bereits zum Zeitpunkt der Leistungsbewilligung im Raum stand. Auch die vom Beklagten gefertigten Beratungsvermerke in der Zeit vor Erlass des Aufhebungsbescheides am 16.02.2009 lassen gerade nicht erkennen, dass dem Kläger die Voraussetzungen der subjektiven Verfügbarkeit in einfachen und für diesen verständlichen Worten unter Bezugnahme auf die konkrete Situation erläutert und entsprechende Handlungskonsequenzen aufgezeigt wurden. Weiterhin ist zu bedenken, dass sich auch der tatsächliche Sachverhalt, konkret die Arbeitsfähigkeit des Klägers, hier in einem verhältnismäßig kurzfristigen Zeitraum wiederholt verändert hat. Während der Kläger zunächst bei der Bewilligung von Arbeitslosengeld arbeitsfähig und damit objektiv verfügbar war, ist diese objektive Verfügbarkeit später in der Zeit vom 27.11.2008 bis 31.12.2008 wieder entfallen und war hieran anschließend dann für die Zeit von Januar 2009 bis April 2009 wieder gegeben, um hiernach wieder zu entfallen. In einer solchen Situation kann keineswegs die Rede davon sein, dass der Kläger den Wegfall des Anspruchs des ihm bewilligten Arbeitslosengeldes gekannt hat oder grob fahrlässig nicht gekannt hat. Auch aus dem dem Kläger ausgehändigten Merkblatt 1 für Arbeitslose ("Ihre Rechte - Ihre Pflichten"), Stand: März: 2008, ergeben sich zur konkreten Problematik keine eindeutigen und unmissverständlichen Hinweise. Zwar wird in abstrakter Form zutreffend über die Notwendigkeit der Arbeitsbereitschaft wie auch über verschiedene Fallgestaltungen bei Arbeitsunfähigkeit informiert, dies genügt jedoch in Anbetracht der im konkreten Fall tatsächlich komplexen Situation nicht, um hier grobe Fahrlässigkeit zu begründen. Es hätte hier vielmehr eines eindeutigen und unmissverständlichen Hinweises bedurft, dass sich der Kläger auch ab dem 01.01.2009 weiterhin mit seinem festzustellenden Leistungsvermögen der Beklagten zur Verfügung stellen müsse, da er ansonsten keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr hat.
3.) Da der Kläger hier am 21.05.2012 die Rücknahme des Aufhebungsbescheides vom 16.02.2009 beantragt hat, steht schließlich auch die Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X dem teilweisen Klageerfolg für die Zeit vom 07.01.2009 bis 18.02.2009 nicht entgegen. Ist nach § 44 Abs. 4 SGB X ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht erfüllt sind.
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