L 6 U 4161/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 6264/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 4161/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21. August 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Überprüfungsverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) die Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der 1948 geborene Kläger leistete von 1967 bis 1969 Wehrdienst im ehemaligen Jugoslawien. Danach war er in der Schweiz als Schlosser tätig. Nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland war er von 1976 bis 26.09.2006 bei der Metallbau Person GmbH versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 26.03.2005 war er durchgehend arbeitsunfähig. Seit 01.01.2005 arbeitet der Kläger in Form einer geringfügigen Beschäftigung als Hausmeister im Betrieb seines Sohnes.

Am 18.07.2006 zeigte der Kläger über seinen damaligen Bevollmächtigten den Verdacht einer BK Nr. 2108 an (Bl. 1 BG-Akte). Am 30.10.2006 übermittelte er die Fragebogen zur Arbeitsanamnese und zur Wirbelsäulenbelastung, auf denen er angab, seit 1985 an Wirbelsäulenbeschwerden zu leiden. Schmerzen träten regelmäßig bis ständig nachts im Bett auf. Er führe diese auf seine berufliche Tätigkeit zurück. Die Tätigkeit habe er am ersten Tag der durchgehend seit 26.03.2005 bestehenden Arbeitsunfähigkeit aufgegeben. Zu seinem beruflichen Werdegang gab er an, bei seinem Wehrdienst 1967 bis 1969 in Jugoslawien als K. eingesetzt und keinen wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten ausgesetzt gewesen zu sein. Von 1970 bis 1976 habe er in der Schweiz als Schlosser bei der Metallwerke AG gearbeitet, wo er ebenfalls keine wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten ausgeführt habe. Solche seien aber bei der Tätigkeit von 1976 bis 2006 für die Person Metallbau GmbH als Schlosser für Montagearbeiten angefallen. Er habe dort Gegenstände aus Metall und Glas auf Baustellen gehoben, zu 30 % mit mehr als 25 kg Gewicht, bis zu 80 kg, zu 30 % von 20 bis 25 kg. Diese Hebevorgänge seien 60 bis 70 % der Arbeitsschichten pro Jahr angefallen. Getragen habe er Gegenstände auf Baustellen über Gerüst oder Treppenhaus von mehr als 25 kg, bis zu 80 kg, zu mehr als 30 %, von 20 bis 25 kg zu 20 % in ca. 60 bis 70 % der Arbeitsschichten pro Jahr. In 40 bis 50 % der Arbeitsschichten habe er Lasten über 50 kg auf der Schulter getragen. Unabhängig von den Hebe- und Tragevorgängen habe er Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung verrichtet. Diese Haltung habe er ca. 40 Minuten pro Arbeitsschicht eingenommen, jeweils 2 bis 5 Minuten in ca. 200 Arbeitsschichten pro Jahr (Bl. 10/16 BG-Akte).

Der Firmeninhaber ab 2000, Herr L., machte am 13.11.2006 hiervon abweichende Angaben. Es habe erst kurz vor der Krankmeldung des Klägers Hinweise auf eine Beeinträchtigung gegeben, vorher sei eine Erkrankung nicht bekannt gewesen. Der Kläger sei als Schlosser und Metallbauer mit dem Sägen, Schweißen und Verarbeiten von Stahl und der Montage der Fertigteile beschäftigt gewesen. Dabei seien Gegenstände von Hand gehoben worden, dauernd bis 10 kg, oft von 10 bis 20 kg, selten von 20 bis 25 kg und sehr selten von mehr als 25 kg, nämlich maximal 50 kg. Erschwerte Bedingungen hätten nicht vorgelegen, es sei ein Lastenkran etc. vorhanden gewesen. Lasten seien nicht über größere Entfernungen getragen worden, dauernd Lasten von 10 bis 15 kg über 15 m, oft von 15 bis 20 kg, selten von 20 bis 25 kg, sehr selten von mehr als 25 kg mit Hubwagen oder Kran. Lasten von mehr als 50 kg seien nur von der Arbeitsbank auf den Wagen gehoben worden. Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung seien nicht verrichtet worden.

Frau R. vom Präventionsdienst der Beklagten erstellte nach einer Arbeitsplatzbegehung und Befragung des Klägers den Bericht vom 18.12.2006. Nach Schilderung des Klägers seien von ihm die für den Beruf des Schlossers typischen Tätigkeiten verrichtet worden, je zur Hälfte in der Werkstatt und auf Montagebaustellen. Er habe dabei im üblichen Umfang Lasten von mehr als 15 kg, wie Treppen- und Geländerteile, Tore und Gasflaschen gehoben und getragen. Über das üblichen Maß hinausgehende Belastungen habe er nicht genannt. Daher könnten allgemeine Erfahrungswerte aus Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen zugrunde gelegt werden, um das Expositionspotential einzuschätzen. Nach den Erfahrungswerten würden bei der Tätigkeit des Schlossers regelmäßig keine ausreichende Hebe- und Tragehäufigkeit pro Schicht und keine ausreichende Belastungsdauer durch extreme Rumpfbeugehaltung erreicht. Es lägen weniger als 30 Hebe- und Tragevorgänge pro Schicht, weniger als 30 Minuten extreme Rumpfbeugehaltung pro Arbeitsschicht vor. Eine relevante Belastung habe somit nicht vorgelegen. Bei den bis 1976 ausgeübten Tätigkeiten habe nach Angaben des Klägers keine besondere Wirbelsäulenbelastung durch Heben und Tragen, extreme Rumpfbeugehaltung oder Ganzkörpervibrationen vorgelegen.

Beim Kläger wurde am 15.09.2006 aufgrund der Diagnose 2-Etagen-Spinalkanalstenose L3/4 und L 4/5 eine Stabilisierung mittels Implantaten und eine Einetagendekompression L3/4 bds. durchgeführt (Bl. 17 BG-Akte).

Mit Bescheid vom 07.02.2007 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 BKV und Leistungen ab, da nach Angaben des Klägers und Feststellungen des Präventionsdienstes die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht vorlägen.

Mit Schriftsatz vom 05.07.2007 trug der damalige Bevollmächtigte vor, die Angaben des Herrn L. bezögen sich nur auf die Zeit ab 2000, die Feststellungen des TAD seien unzutreffend, die Annahme einer erforderlichen Exposition in 30 % der Arbeitsschichten entspreche nicht der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Aufgrund der laufenden Wirbelsäulenstudie rechne er mit einem Anerkenntnis.

Gleichzeitig beantragte er beim Sozialgericht Freiburg (SG) im Wege des Beweissicherungsverfahrens eine ordnungsgemäße und realitätsbezogene Arbeitsplatzanamnese zu erstellen, den Kläger und den ehemaligen Inhaber des Betriebes zu befragen und den Kläger orthopädisch und neurologisch begutachten zu lassen.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2007 zurückgewiesen. Im Klageverfahren S 7 U 4053/07 wurde der ehemalige Betriebsinhaber Paul Person als Zeuge vernommen. Er gab an, in seinem Betrieb seien Geländerteile von etwa 6 m Länge gefertigt worden. Ein Teil sei etwa 60 kg schwer gewesen. Der Kläger habe etwa 60 bis 70 % seiner Arbeitszeit in der Werkstatt verbracht, etwa 3 bis 3 ½ Tage, den Rest auf Montage. In der Werkstatt seien von ihm täglich 20 Geländer gefertigt worden, wobei 200 bis 500 Hebe- und Tragevorgänge mit Gewichten von etwa 5 kg angefallen seien. 6 Meter lange Stäbe seien auf einem Wagen mit Arbeitshöhe 60 cm an die Metallsäge gebracht worden, Arbeitshöhe 110 cm. Diese Gurte hätten einzeln 18 kg gewogen und seien insgesamt 120mal zur Säge angehoben worden. Diese Arbeiten seien 3 Tage pro Woche angefallen. Einen weiteren halben Tag pro Woche habe der Kläger andere, ähnlich belastende Tätigkeiten verrichtet. Die Geländer hätten fertig ca. 90 kg gewogen. Sie hätten zum Schweißen oder Schleifen zu zweit ca. 3 bis 4mal auf dem Tisch gedreht werden müssen. Bei der Montage, 1 ½ bis 2 Tage pro Woche, habe der Kläger 15 Geländer mit einem Gewicht von jeweils 90 kg montiert. Sie seien zu zweit vom Wagen gehoben und ca. 15 Meter auf unebenem Boden zum Einbauort getragen worden. Außerdem seien die Schweißgeräte, die bis 1990 ca. 30 kg, danach ca. 15 kg gewogen hätten, etwa 10mal täglich etwa 4 m weit und 2mal täglich 15 m weit getragen werden müssen. Regelmäßig seien Gewichte bis etwa 40 kg gehoben und getragen worden, gelegentlich auch über 50 kg. Etwa 40 % der Hebevorgänge hätten Gewichte von 40 kg betroffen. Ca. ein Drittel der Arbeitszeit seien Hebe- und Tragevorgänge gewesen. Ein weiteres Drittel der Schicht habe der Kläger Gewichte von etwa 20 kg gehoben oder getragen, das letzte Drittel Gewichte von weniger als 20 kg. Demzufolge seien mehr als 30mal pro Schicht Gewichte von über 15 kg angehoben bzw. getragen worden, wohl 50mal. Bei der Montage seien die vorgefertigten Stücke mit einem Gewicht von etwa 70 kg montiert worden. Diese seien zu zweit gehoben und getragen worden, pro Schicht 2 bis 3 Stunden lang. Der Transport der Stücke sei durch schwierige bauliche Gegebenheiten erschwert worden, z. B. Treppenaufgänge. Die Lasten seien regelmäßig mehr als 5 m weit getragen worden, zwischen 10 und 20 Metern. Gelegentlich seien auch in der Werkstatt Lasten über 50 kg getragen worden, vielleicht eine Stunde pro Schicht. Diese seien allerdings nicht auf der Schulter getragen worden, sondern, wie auf Montage, vom Boden oder einer Palette aus angehoben und dort wieder abgesetzt. Eine extreme Rumpfbeugung sei, wenn überhaupt, sehr selten vorgekommen.

Der Kläger erklärte, nach Übernahme des Betriebes durch den Nachfolger habe sich an den vom Zeugen Person beschriebenen belastenden Vorgängen nichts geändert.

Der Präventionsdienst der Beklagten berechnete daraufhin die Wirbelsäulenbelastung nach den Angaben des Zeugen auf der Grundlage des Mainz-Dortmunder Dosis-Modelles (MDD). Sie ergebe für die Werkstattarbeiten (ca. 156 Schichten pro Jahr) eine Schichtdosis von 3,7 x 10³ Nh und für die Montagearbeiten (ca. 84 Schichten pro Jahr) 3,4 bzw. 3,1 x 10³. Nach den Richtwerten gemäß dem BSG-Urteil vom 30.10.2007 betrage die Belastungsdosis 24,4 x 10 hoch 6. Danach seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt. Dabei seien Zweifel an den Angaben des Zeugen außer Betracht gelassen worden. So erscheine nicht plausibel, dass der Kläger allein pro Schicht 20 Geländer von 6 Metern Länge gefertigt habe, somit pro Geländer nur 30 Minuten Arbeitszeit benötigt habe. Der neue Firmeninhaber habe auf telefonische Nachfrage angegeben, er kalkuliere eine Stunde Arbeitszeit pro Meter Geländer. Damit seien pro Geländer 6 Stunden zu veranschlagen, maximal 2 Geländer pro Tag und Mitarbeiter realistisch. Beim Drehen seien die Geländer zu zweit angehoben worden, so dass nicht das volle Gewicht gehalten worden sei, sondern pro Person weniger als 45 kg. Auch erscheine hier lediglich ein Zehntel der vom Zeugen angegebenen 70 Vorgänge realistisch. Dennoch seien bei der Berechnung die Angaben des Zeugen zugrunde gelegt worden. Für die Montage sei die 1,5 fache übliche Transportdauer zugrunde gelegt worden, obwohl der Transport nur zum Teil auf unebenem Gelände erfolgt sei. Nach der Zeugenaussage seien 50 % der Geländer per Hand an Seilen hochgezogen worden. Dies sei zugrunde gelegt worden, obwohl es unrealistisch erscheine, da auch früher schon auf Baustellen Kräne oder Flaschenzüge zur Verfügung gestanden hätten.

Das SG beauftragte daraufhin Prof. Dr. Sch. mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens. In seinem Gutachten vom 04.11.2008 führte er aus, nach der operativen Intervention und Anschlussheilbehandlung im Jahr 2006 sei keine weitere Behandlung der Lendenwirbelsäule (LWS) erfolgt. Der Kläger klage über wiederkehrende Rückenschmerzen im LWS-Bereich und Verspannungen der Nackenmuskulatur. Im Vordergrund stünden aber Knieschmerzen nach einer Laufstrecke von 500 m oder 2 h Stehen. Der Sachverständige stellte die Diagnosen Osteochondrose, Spondylose mit Rückenschmerzen und Schulter-Nacken-Schmerzen sowie beginnende Valgusgonarthrose bds. und Adipositas.

Jahre- bis jahrzehntelange rückenbelastende berufliche Tätigkeiten würden vom menschlichen Körper zunächst mit entsprechenden Anpassungserscheinungen in Form von Strukturverdichtungen der Grund- und Tragplatten beantwortet. Diese Veränderungen nähmen in ihrem Schweregrad entsprechend der Belastung von oben nach unten, also von kopf- nach fußwärts zu, was biomechanischen Gesetzmäßigkeiten entspreche. Diese Veränderungen bezeichne man als belastungsadaptiv. Wenn ein individuell variierender Toleranzranzen überschritten sei, komme es zu einem BS-Schaden mit hieraus resultierender Höhenminderung des BS-Faches und entsprechenden klinischen Beschwerden. Erst dies sei eine bandscheibenbedingte Erkrankung. Auch diese Veränderungen nähmen bei Vorliegen eines belastungskonformen Schadensbildes von kopf- nach fußwärts zu.

Die Verursachung einer bandscheibenbedingten Erkrankung durch die berufliche Belastung sei beim Kläger nicht wahrscheinlich zu machen. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung liege überhaupt erst bei einem Bandscheiben(BS)schaden mit hieraus resultierender Höhenminderung des BS-Faches vor. Erforderlich sei ein belastungskonformes Schadensbild. Der Schweregrad müsse von kopf- nach fußwärts zunehmen. Außerdem sei eine der altersgemäßen Norm vorauseilende Entwicklung erforderlich. Zu berücksichtigen seien auch konkurrierende Faktoren, wie Stoffwechselerkrankungen oder Wirbelfehlbildungen.

Der Kläger habe seine rückenbelastende Tätigkeit 1976 aufgenommen. Seit Mitte der 80er Jahre klage er über Rückenschmerzen. 1986 habe er ein Heilverfahren in Bad Waldsee durchgeführt. Eine Spezifizierung der damaligen Beschwerden liege nicht vor. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung sei hier nicht im Vollbeweis gesichert. In den folgenden Jahren sei es immer wieder zu Rückenbeschwerden gekommen. Im Sommer 2004 sei seine Ehefrau plötzlich verstorben. Danach hätten die Beschwerden zugenommen. Eine deutlich dokumentierte Beschwerdezunahme sei im März 2005 eingetreten, der Kläger sei nicht mehr geh- und stehfähig gewesen. Psychisch stark belastet sei der Kläger auch durch den überraschenden Tod seiner Mutter in Slowenien. Bis dahin habe er die rückenbelastende Tätigkeit verrichtet. Die damaligen Aufnahmen der LWS zeigten deutliche knöcherne Abstützreaktionen in den Wirbelsäulen(WS)abschnitten L3/4 und L 4/5 mit deutlicher Minderung der BS-Höhe. Weitere degenerative Veränderungen mit Minderung der BS-Höhe und knöcherner Abstützung bestünden zwischen L 1 und L 3. Bezüglich des Segments L 5/S 1 zeigten sich kaum belastungsadaptive Veränderungen. Insbesondere im Vergleich der BS-Höhe mit den anderen Segmenten könne sie in dieser Etage nicht als gemindert angesehen werden. Es sei biomechanisch nicht wahrscheinlich, dass eine auf die LWS einwirkende Belastung sich insbesondere auf die Segmente L 3-5 stark einwirke und das Segment darunter, L 5/S 1 ausspare. Dies sei kein belastungskonformes Schadensbild. Bestätigt werde dies durch die Röntgenaufnahmen von 10.09.2008. Hier zeige sich eine deutliche Chondrose (zweit- bis drittgradig) von L 1 bis L 5. L 5/S 1 zeige zwar ein Vacuumphänomen als Zeichen einer BS-Schädigung, die relative Höhe sei aber im Vergleich zu den anderen Bewegungssegmenten immer noch deutlich besser erhalten und die knöcherne Abstützung sei hier erst beginnend. Die Abstützreaktion in den übrigen Wirbelsäulenabschnitten sei deutlichst ausgeprägter. Radiologische Veränderungen seien in der unteren bis mittleren HWS und in der gesamten BWS festzustellen. Das spreche für ein Wirbelsäulenleiden aus innerer Ursache. Weitere konkurrierende Ursachen seien Adipositas und Bluthochdruck. Der Vollständigkeit halber sei die reaktive Depression nach dem Tod zweier naher Angehöriger zu nennen.

Der Kläger rügte eine Interessenkollision des Sachverständigen, da dieser für andere Berufsgenossenschaften tätig sei.

Das SG wies die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 04.05.2009 ab, da die bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die schädigenden Einwirkungen im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit zurückzuführen seien. Soweit der Kläger die Besorgnis der Befangenheit gegen den Sachverständigen Prof. Dr. Sch. geäußert habe, weil dieser für andere Berufsgenossenschaften Gutachten erstelle, genüge dies nicht, um diese zu begründen.

Der Kläger legte Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) ein (Az.: L 10 U 2614/09) und zur Begründung einen als Gutachten bezeichneten Befundbericht des Oberarztes K. des Ortenau-Klinikums vom 18.09.2008 über Röntgenaufnahmen der HWS und LWS vom 10.09.2008 vor. Dieser befundete an der HWS deutliche BS-Fachverschmälerungen zwischen C 5 und C 6, einen ähnlichen Befund zwischen C 6 und C 7; an der LWS einen BS-Fachverschmälerung zwischen L 1 und L 2 sowie zwischen L 2 und L 3, L 4 und L 5, eine deutliche zwischen L 3 und L 4, eine nur geringe zwischen L 5 und S 1. Das LSG befragte den Sachverständigen Prof. Dr. Sch. ergänzend auf der Grundlage der Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung des HVBG eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe (in: Trauma Berufskrankheit 2005, S. 211 ff). Der Sachverständige sah sich in seinen ergänzenden Stellungnahmen in seiner Einschätzung bestätigt, da der Befundbericht eine deutliche BS-Verschmälerung im Segment L 3/L 4 und L 4/L 5 darlege, aber nur eine geringe in L 5/S 1, was - wie dargelegt - nicht dem belastungskonformen Schadensbild entspreche. Die im Segment L 5/S 1 besonders ausgeprägten Zeichen der Spondylarthropathie, des Gelenkaufbrauchs, der den BS-Aufbrauch übersteige, spreche hinsichtlich der gegenüber den anderen Segmenten zurückbleibenden Chondrose (BS-Verschmälerung) für einen Aufbrauch aus innerer Ursache. Bei den Veränderungen im HWS- Bereich handele es sich um degenerative Veränderungen der unteren HWS mit BS-Verschmälerung und inkompletter vorderer Abstützreaktion der Knochen C 3 bis 7 und somit um bandscheibenbedingte Erkrankungen. Im Bereich der BWS bestehe ein Morbus Scheuermann mit BS-Verschmälerung, Schmorl´schen Knötchen und keilförmiger Verbreiterung insbesondere von BWK 8, 9 und 10. Dies seien keine bandscheibenbedingten Erkrankungen. Nach den Konsensempfehlungen könne die Chondrose zwischen C 3/4 und C 5/6 mit Grad II auf einer zweistufigen Skala als ausgeprägt bezeichnet werden, C 4/5 und C 5/6 seien mit Grad I zu bewerten. Die Spondylose sei im Bereich C 3 drittgradig, bei C 4 zweitgradig und bei C 5/6 viertgradig auf einer vierstufigen Skala. Die Veränderungen an der HWS seien altersuntypisch. Ein direkter Vergleich zur LWS anhand der Gradeinteilungen sei nicht möglich. Subjektiv seien die Veränderungen der HWS gegenüber denen der LWS als gleich stark bis schwächer zu werten. Die beim Kläger bestehende Befundkonstellation entspreche am ehesten der Fallkonstellation B 7 der Konsensempfehlungen. Auch wenn diese dort als Grenzfall eines wahrscheinlichen Zusammenhangs eingeschätzt werde, spreche das Fehlen einer Anpassung in den Grund- und Deckplatten von L 5 und S 1 bei nur geringem Aufbrauch der BS selbst (Gaseinschluss) gegen einen berufsbedingten Zusammenhang. Die Aussparung des letzten BS-Segments sei im Rahmen einer berufsbedingten Erkrankung wenig wahrscheinlich.

Mit Urteil vom 17.02.2011 wies das LSG die Berufung zurück. Zwar ergebe sich nach dem vom Präventionsdienst angewandten MDD unter unkritischer Zugrundelegung der Angaben des früheren Arbeitgebers eine Gesamtdosis von 24,4,x 10 hoch 6 Nh, die den vom BSG aufgestellten Grenzwert von 12,5 x 10 hoch 6 Nh deutlich übersteige. Die beim Kläger vorliegenden bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS, Osteochondrose und Spondylose, stünden nach dem überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. Sch. nicht in einem wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang mit den beruflichen Belastungen.

Die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BSG mit Beschluss vom 24.05.2011 als unzulässig verworfen (B 9 U 79/11 B).

Bereits 18.03.2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung des Bescheides vom 07.02.2007 gemäß § 44 SGB X. Das Gutachten von Prof. Dr. Sch. sei unschlüssig, dieser sei als befangen anzusehen. Mit Bescheid vom 07.07.2011 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 07.02.2007 ab. Die Rechtmäßigkeit des Bescheides stehe außer Frage, neue Erkenntnisse, die zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen könnten, seien nicht vorgetragen worden.

Den nicht begründeten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2011, zur Post gegeben am 26.10.2011, zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 28.11.2010 Klage beim SG erhoben, diese trotz wiederholter Aufforderung nicht begründet und keinen Klageantrag gestellt. Das SG hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 21.08.2013 abgewiesen. Die Klage sei bei sachdienlicher Auslegung des zu vermutenden Begehrens des Klägers zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte habe sich zu Recht auf die Bestandskraft des durch alle Instanzen bestätigten Bescheides berufen. Neue Tatsachen, Erkenntnisse oder Beweismittel, die für dessen Unrichtigkeit sprechen könnten, seien nicht vorgebracht worden.

Gegen den am 24.08.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 24.09.2013 Berufung beim LSG eingelegt. Es sei zu keiner neutralen Begutachtung gekommen. Die Besorgnis der Befangenheit folge aus der mentalen Nähe. Die Ausführungen des Prof. Dr. Sch. seien hanebüchen. Er habe umfangreichste Unterlagen vorgelegt. Seine Erfolgsquote beim BSG sei mit 14 % weit außerhalb der Gerichtsstatistik.

Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21.08.2013 und den Bescheid vom 07.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 07.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2007 zurückzunehmen, bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 BKV anzuerkennen und Verletztenrente zu gewähren,

hilfsweise, den Rechtsstreit gemäß § 159 SGG an das Sozialgericht Freiburg zurückzuverweisen,

weiter hilfsweise, von Amts wegen ein orthopädisches und neurologisches Gutachten einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffenen Entscheidungen für richtig.

Der ehemalige Klägervertreter hat mehrfach die Besetzung des Senats erfragt, auf die Anhörung zu Zweifeln an seiner Vertretungsbefugnis als Rentenberater zunächst einen Befangenheitsantrag gegen die Berichterstatterin und nach dessen Ablehnung durch Senatsbeschluss vom 16.06.2015 (L 6 SF 2261/15 AB) gegen die übrigen Senatsmitglieder gestellt, der wiederum durch Senatsbeschluss vom 23.09.2015 abgelehnt worden ist (L 6 SF 2623/15 AB). Zugleich ist er mangels Vertretungsbefugnis als Bevollmächtigter zurückgewiesen worden. Einen Antrag auf Begutachtung nach § 109 SGG hat er nach Fristsetzung nicht gestellt.

Mit beim LSG am 28.01.2016 eingegangenem Schriftsatz seines Bevollmächtigten hat der Kläger die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht W., die Richterin am Landessozialgericht R.-S., die Richter am Landessozialgericht Dr. O´S. und Dr. M., den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht B. sowie den Richter am Sozialgericht A. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zu Unrecht sei Rentenberater Dipl.-Verwaltungswirt E. als Bevollmächtigter zurückgewiesen worden, was einen Verstoß gegen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) dargestellt habe. Weiter zweifle er an der Richtigkeit des Geschäftsverteilungsplanes, da nun auch noch Richter am Landessozialgericht Dr. O´S. an Entscheidungen des 6. Senats des LSG mitwirke. Ferner werde er um sein Recht gebracht, da weder eine Berechnung der Belastungsdosis nach dem MDD erfolgt noch seine ärztliche Begutachtung veranlasst worden sei. Das Verfahren sei überhaupt nicht betrieben worden. Darüber hinaus sei bereits mit gerichtlichem Schreiben vom 14.04.2015 aufgrund einer vorläufigen Bewertung der Sach- und Rechtslage der Berufung keine Erfolgsaussicht beigemessen worden. Aus alledem ergebe sich die Voreingenommenheit der abgelehnten Personen. Daraufhin ist dem Bevollmächtigten des Klägers vor der mündlichen Verhandlung mittels Telefax mitgeteilt worden, dass diese stattfindet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakten beider Instanzen einschließlich der Akten zu L 6 SF 2623/15 AB uns L 6 SF 2261/15 AB, die LSG-Akte zu Az. L 10 U 2614/09, die SG-Akte zu Az. S 7 U 4053/07 und die Verwaltungsakte der Beklagten (3 Bände) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann trotz des Ablehnungsgesuches des Klägers vom 28. Januar 2016 in seiner nach dem Geschäftsverteilungsplan des LSG (Abschnitt B, Teil I) und der Senatsgeschäftsverteilung, jeweils für das Geschäftsjahr 2016, vorgeschriebenen und aus dem Rubrum ersichtlichen Besetzung entscheiden, da es offensichtlich unzulässig ist. Weder müssen sich die abgelehnten Richterinnen und Richter hierzu dienstlich äußern (vgl. Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Beschluss vom 17. November 2015 - Vf. 32-VI-15 -, juris, Rz. 5 m. w. N.), noch braucht eine ausdrückliche Entscheidung über einen solchen Antrag zu erfolgen (BSG, Beschluss vom 30. Januar 1962 - 6 RKa 23/60 -, SozR Nr. 6 zu § 41 ZPO). Dieses Gesuch ist offensichtlich unzulässig, da es sich auf eine Argumentation stützt, die gänzlich ungeeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 25. Februar 2010 - B 11 AL 22/09 C -, juris, Rz. 4; BFH, Beschluss vom 11. April 2002 - I B 56/01 -, juris, Rz. 3; BVerwG, Beschluss vom 7. August 1997 - 11 B 18/97 -, juris, Rz. 1; Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 60 Rz. 10d). Dies ist vorliegend der Fall, da lediglich eine bloße formale Bewertung der prozessualen Erklärung vorzunehmen ist, die keinerlei Beurteilung des eigenen Verhaltens durch die entscheidende Richterin und die entscheidenden Richter sowie kein Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erfordert (vgl. BSG, Beschluss vom 31. August 2015 - B 9 V 26/15 B -, juris, Rz. 16 m. w. N.). Bei dieser strengen Beachtung der Voraussetzungen eines gänzlich untauglichen Ablehnungsgesuches gerät eine Selbstentscheidung nicht mit der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Konflikt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 15. Juni 2015 - 1 BvR 1288/14 -, juris, Rz. 17). Der Richter am Sozialgericht A., der Richter am Landessozialgericht Dr. M. und der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht B. wirken an der Entscheidung bereits nicht mit. Rentenberater Dipl.-Verwaltungswirt E. ist mit gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1 SGG unanfechtbarem und damit rechtskräftigem Beschluss vom 23.09.2015 als Bevollmächtigter zurückgewiesen worden, woraufhin sich der Senat mit Schreiben vom 21.10.2015 mangels Prozessvertretung direkt an den Kläger wandte. Der aktuelle Prozessbevollmächtigte zeigte erst danach dessen Vertretung an. Ob der vorläufigen Bewertung der Sach- und Rechtslage, welche dem gerichtlichen Hinweisschreiben der Richterin am Landessozialgericht R.-S. vom 14.04.2015 zugrunde gelegen hat, ist noch keine dezidierte Festlegung auf ein bestimmtes Ergebnis des Rechtsstreits erfolgt gewesen, weswegen allenfalls begründete Zweifel an der Voreingenommenheit hätten aufkommen können (vgl. auch Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014 § 60 Rz. 8j m. w. N.). Den behaupteten Fehlern bei der Sachverhaltsaufklärung lässt sich ebenfalls kein objektiv vernünftiger Grund für die Besorgnis der Befangenheit entnehmen; angenommenen Ermittlungsdefiziten wäre mit entsprechenden Beweisanträgen zu begegnen gewesen (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 15).

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.

Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte, nach den §§ 143, 144 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Die Berufung ist bereits mangels Zulässigkeit der Klage unbegründet, soweit mit dieser unter Aufhebung des angefochtenen Gerichtsbescheides des SG und des Bescheides vom 07.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2011 die Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme des Bescheides vom 07.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2007 und deren Verurteilung zur Gewährung einer Rente begehrt worden ist. Mit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung ist lediglich der Antrag des Klägers nach § 44 SGB X abgelehnt worden, unter Rücknahme des Verwaltungsaktes vom 07.02.2007 festzustellen, dass bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV vorliegt. Damit liegen die Sachentscheidungsvoraussetzungen für das Klagebegehren, welches auf die Gewährung einer Rente abzielt, nicht vor. Der Kläger ist insoweit, bezogen auf die gegen den Bescheid vom 07.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2011 gerichtete Anfechtungsklage nicht klagebefugt im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Es reicht zwar aus, dass eine Verletzung in eigenen Rechten möglich ist und Rechtsschutzsuchende die Beseitigung einer in ihre Rechtssphäre eingreifenden Verwaltungsmaßnahme anstreben, von der sie behaupten, sie sei nicht rechtmäßig (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SGB 2/06 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 5, Rz. 18). An der Klagebefugnis fehlt es demgegenüber, wenn eine Verletzung subjektiver Rechte nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 14.11.2002 - B 13 RJ 19/01 R -, BSGE 90, 127 (130)), weil hinsichtlich des Klagebegehrens keine gerichtlich überprüfbare Verwaltungsentscheidung vorliegt (BSG, Urteil vom 21.09.2010 - B 2 U 25/09 R -, juris, Rz. 12). Über ein Recht auf Rente wurde mit Bescheid vom 07.07.2011 nicht entschieden. Auch mit dem Bescheid vom 07.02.2007 wurde kein Anspruch auf die konkrete Leistungsart "Rente" versagt; demgegenüber wurde nur unbestimmt ausgeführt, dass ein Anspruch auf "Entschädigungsleistungen" nicht besteht. Die Unzulässigkeit der Anfechtungsklage zieht die Unzulässigkeit der mit ihr kombinierten Verpflichtungs- und Leistungsklage nach sich. Da mit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung nicht über ein Recht auf Rente entschieden worden ist, liegt in Bezug darauf kein Verwaltungsakt vor.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Feststellungsklage (vgl. dazu BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 34/11 R -, SozR 4-2700 § 200 Nr. 4 = juris, Rz. 15), mit welcher der Kläger nach Auslegung die Beseitigung der Verwaltungsentscheidung vom 07.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2011, die seinen Antrag auf Rücknahme der mit Bescheid vom 07.02.2007 getroffenen Feststellungen ablehnt, sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme des Verwaltungsaktes vom 07.02.2007 sowie zur Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV, ist unbegründet. Dem weitergehenden Antrag betreffend Leistungsansprüchen gegen die Beklagte kommt bei dieser Sachlage, nachdem ein Leistungsanspruch insgesamt verneint wurde, keine eigenständige Bedeutung zu (BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 12 juris, Rz. 13).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes der Beklagten vom 07.02.2007, denn die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV liegen nicht vor.

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen nicht vor. Die Ablehnung der Rücknahme des Verwaltungsaktes vom 07.02.2007 in dem Bescheid vom 07.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, denn er hatte bei Erlass des Bescheides vom 07.02.2007 keinen Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV. Die Beklagte war nicht verpflichtet, auf den Antrag des Klägers die im Bescheid vom 07.02.2007 getroffenen Feststellungen zurückzunehmen.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach den am 01.01.1997 in Kraft getretenen Bestimmungen des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), da eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule, wie sie Voraussetzung für die Feststellung der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV ist, nicht vor diesem Datum nachgewiesen ist und der Leistungsfall somit erst nach 1996 eingetreten sein kann (§ 212 SGB VII; Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG), BGBl I 1996, S. 1254). Nach der von Prof. Dr. Sch. erhobenen Anamnese litt der Kläger zwar seit den 80er Jahren unter Schmerzen im Rücken und führte 1986 ein Heilverfahren in Bad Waldsee durch. Mangels näherer Spezifizierung kann eine bandscheibenbedingte Erkrankung zu diesem Zeitpunkt aber nicht im Vollbeweis angenommen werden. Zu diesem Zeitpunkt bestand nicht der zusätzlich erforderliche Aufgabezwang, da der Kläger die Tätigkeit unverändert bis zur Arbeitsunfähigkeit im März 2005 fortsetzte. Die Aufgabe erfolgte erst im März 2005 mit Beginn der durchgehenden Arbeitsunfähigkeit. Wegen einer somit frühestens nach 1996 nachgewiesenen bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule kann der Versicherungsfall erst nach diesem Datum eingetreten sein, so dass die Bestimmungen des SGB VII heranzuziehen sind, unabhängig davon, ob § 9 Abs. 5 SGB VII entsprechende Anwendung findet. Soweit danach Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für die Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen (vgl. Köhler, in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB VII, Stand: Mai 2011, § 212 Rz. 5; Söhngen, in jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 212 Rz. 11). Auch diese Voraussetzungen lägen frühestens zum Zeitpunkt des Nachweises einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule vor.

Nach § 9 Abs. 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als Berufskrankheiten bezeichnet (Listen-Berufskrankheiten) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den § 2, § 3 oder § 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (Satz 1). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann Berufskrankheiten auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung einer gefährdenden Tätigkeit versehen (Satz 2). Für die Feststellung einer Listen-Berufskrankheit ist im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung gegebenenfalls den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-Berufskrankheit. Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15. September 2011 - B 2 U 25/10 R -, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 4111 Nr. 3, Rz. 14 m. w. N.).

Der Verordnungsgeber hat die Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV wie folgt bezeichnet: "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Solche Gesundheitsstörungen sind das lokale Lumbalsyndrom, mono- und polyradikuläre lumbale Wurzelsyndrome und das Kaudasyndrom als Sonderform der polyradikulären lumbalen Wurzelsyndrome (vgl. Merkblatt zu der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV, Bek. des BMAS vom 1. September 2006, BArbBl 2006, Heft 10, S. 30 ff., unter III.).

Beim Kläger liegen eine Osteochondrose und eine Spondylose mit Rückenschmerzen und Schulter-Nacken-Schmerzen vor. Dies entnimmt der Senat dem schlüssigen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Sch., der im Rahmen seines Gutachtens die vorliegenden Röntgenaufnahmen ausgewertet hat, und dem Befundbericht des Oberarztes K. vom 18.09.2008.

Der Senat legt seiner Entscheidung die vom Präventionsdienst aufgrund der Angaben des Zeugen Person ermittelte Exposition zugrunde. Zwar bestehen die bereits vom Präventionsdienst geäußerten Zweifel an der Plausibilität der Angaben. Der ermittelte Wert beträgt danach beinahe das Doppelte der erforderlichen Exposition.

Ein Zusammenhang zwischen der bandscheibenbedingten Erkrankung des Klägers und der beruflichen Exposition ist jedoch unter Berücksichtigung der unfallversicherungsrechtlichen Literatur, insbesondere der Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, nicht wahrscheinlich zu machen. Das Schadensbild bei ihm ist nicht belastungskonform, d. h., es ist nicht mit Wahrscheinlichkeit auf rückenbelastende Tätigkeiten zurückzuführen. Pathomorphologische Veränderungen in Form der Abstützreaktion (Spondylose) oder Bandscheibenverschmälerung (Chondrose) sind als belastungsspezifisch anzusehen, wenn sie von kopf- bis fußwärts zunehmen. Dies folgt aus der biomechanischen Gegebenheit, dass die Belastung namentlich beim Heben und Tragen schwerer Lasten am stärksten auf die unteren, insbesondere das unterste Segment der Wirbelsäule einwirkt. Nicht belastungskonform ist eine geringere Betroffenheit im Segment L 5/S 1 gegenüber den darüber liegenden.

Beim Kläger war nach der Röntgenaufnahme vom 30.03.2005, unmittelbar nach Aufgabe der Tätigkeit, sowohl die Chondrose mit Grad III als auch die fortgeschrittene Spondylose im Segment L1/2 am stärksten, an L 2/3 mit einer Chondrose Grad II weniger ausgeprägt. An den Segmenten L3/4 und L 4/5 lag eine deutliche Chondrose Grad III und Verdichtungen der Grund- und Deckplatte. An dem Segment L 5/S 1 bestand überhaupt keine Chondrose und keine Spondylose vor. Die Röntgenaufnahme vom 10.09.2008, ca. dreieinhalb Jahre nach Tätigkeitsaufgabe, zeigte eine Zunahme der degenerativen Veränderungen mit weiterer Höhenminderung in den höheren Segmenten, am Segment L 5/S 1 ein leichtes Vacuumphänomen mit beginnender knöcherner Ausziehung und weiterhin keine Chondrose. Auch bestehen beim Kläger radiologische Veränderungen in der unteren bis mittleren Halswirbelsäule und in der gesamten Brustwirbelsäule. An der Halswirbelsäule liegen Bandscheibenveränderungen zwischen C 3 und C 4, zwischen C 4 und C 5 und deutlich zwischen C 5 und C 6 vor (Röntgenbefund vom 18.09.2008). An der Brustwirbelsäule besteht ein Morbus Scheuermann mit Bandscheibenverschmälerung (Röntgen vom 15.10.2008). Die im Segment L 5/S 1 besonders ausgeprägte Spondylarthropathie, also des Gelenkaufbrauchs, der ausgeprägter ist als der Bandscheibenaufbrauch, ist ebenfalls nicht belastungskonform und spricht für einen Schaden aus innerer Ursache.

Dies hat Prof. Dr. Sch. in seinem Gutachten und den ergänzenden Stellungnahmen in Auswertung der Röntgenbefunde überzeugend dargelegt. Der Senat sieht keinen Anlass, die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zu bezweifeln. Ergänzend wird aber darauf hingewiesen, dass sich diese Bewertungen bereits aus den Röntgenbefunden unter Heranziehung der unfallversicherungsrechtlichen Literatur ergeben. Danach zeigen die beim Kläger vorliegenden Wirbelsäulenschäden kein belastungskonformes Schadensbild. Der Senat sah sich daher nicht gedrängt, dem im Schriftsatz vom 27.01.2016 gestellten Beweisantrag nachzugehen und den Kläger von Amts wegen orthopädisch und neurologisch begutachten zu lassen.

Die Berufung war daher zurückzuweisen. Für eine Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und Zurückverweisung an das SG bestand kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 159 SGG nicht vorliegen. Das SG hat eine Sachentscheidung über den Streitgegenstand getroffen, Verfahrensmängel liegen nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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