L 1 KR 108/11

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 11 KR 243/08
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 108/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen umfasst derzeit nicht die Haarentfernung mittels Laserepilation.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 19. April 2011 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

II. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Hinblick auf die Vergangenheit über die Erstattung der Kosten in Höhe von 248,56 EUR für die Haarentfernung durch Laser sowie in Bezug auf Behandlungen in der Zukunft über die Kostenübernahme hierfür.

Die am 1965 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Nach einer Brustkrebsbehandlung leidet sie unter starkem und sichtbarem Haarwuchs im Gesichts- und Rückenbereich.

Am 11. Dezember 2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Haarentfernung durch Lasertherapie. Diplom-Mediziner Sch ..., Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, habe sie darauf hingewiesen, dass dies die einzige für sie in Betracht kommende Methode sei. Ihrem Antrag fügte sie ein Schreiben von Diplom-Mediziner Sch vom 4. Dezember 2007 bei. Darin teilte dieser der Beklagten mit, nach der durchgeführten Chemotherapie habe sich die bei der Klägerin bestehende Androgenisierung wesentlich verstärkt und zu extremem Haarwachstum im Gesichts- und Rückenbereich geführt. Aus diesem Grund sei eine Lasertherapie der betroffenen Hautareale dringend zu empfehlen. Um Kostenübernahme werde gebeten.

Mit Bescheid vom 16. Januar 2008 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme für eine Lasertherapie ab. Bei einer Lasertherapie handele es sich um eine alternative Behandlungsmethode zur Beseitigung krankhaften Haarwuchses. Eine Kostenübernahme komme gemäß § 135 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht in Betracht.

Hiergegen legte die Klägerin durch Schreiben vom 8. Februar 2008 Widerspruch ein, nachdem sie bereits unter dem 31. Januar 2008 ein Schreiben von Dr. St , Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – Plastische Operationen, Zertifizierter Implantologe, Tätigkeitsschwerpunkt: Lasertherapie –, vom 24. Januar 2008 vorgelegt hatte. In diesem Schreiben war ausgeführt:

"Die Behandlung mit IPL (ist) die einzig wirksame Methode für eine dauerhafte Haarreduktion."

In ihrem Widerspruchsschreiben nahm die Klägerin Bezug auf ein Schreiben des sie behandelnden Psychologischen Psychotherapeuten, Diplom-Psychologe K , vom 5. Februar 2008. Danach sei die Stimmung der Klägerin meist depressiv, aber aufhellbar. Ihre Körperbehaarung verursache ein soziales Vermeidungsverhalten. Es werde empfohlen, die Klägerin bei ihren Bemühungen um eine entsprechende Behandlung zu unterstützen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Bei der Haarentfernung mittels Laser handele es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürften nach § 135 Abs. 1 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 SGB V in der vertragsärztlichen Versorgung zulasten der Krankenkassen nur abgerechnet werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss zuvor in Richtlinien Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens, die notwendige Qualifikation der Ärzte und die apparativen Anforderungen abgegeben habe. Die Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden hätten normativen Charakter mit der Folge der Verbindlichkeit auch gegenüber den Versicherten. Eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode sei neu im Sinne dieser Vorschriften, wenn sie noch nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten sei oder sie zwar als ärztliche Leistung enthalten sei, ihre Indikation aber wesentliche Änderungen oder Erweiterungen erfahren habe. Entscheidend sei insoweit, dass der Normgeber bei Schaffung der Regelung die Behandlungsmethode bereits mit in Erwägung gezogen habe (Hinweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/05 R). Eine Bewertung und Anerkennung der Haarentfernung mittels Laser (Laserepilation) habe durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bisher noch nicht stattgefunden. Aussagen hinsichtlich der Wirksamkeit, des Nutzens und der Wirtschaftlichkeit des Verfahrens seien nicht möglich, da nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin die derzeitige Datenlage nicht ausreichend sei. Deshalb erfülle diese Methode derzeit nicht die Voraussetzungen für eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Voraussetzungen eines Systemversagens lägen nicht vor (Hinweis auf BSG, Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 28/03 R).

Dagegen hat die Klägerin am 30. Mai 2008 Klage beim Sozialgericht (SG) Chemnitz erhoben.

Zur Aufklärung des Sachverhalts in medizinischer Hinsicht hat das SG die Beklagte aufgefordert, die im März 2004 aktualisierte Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) zur "Epilationsbehandlung mit Laser und artverwandten Verfahren" vorzulegen. Darin heißt es unter anderem:

"Randomisierte, kontrollierte, vergleichende Studien konnten nicht identifiziert werden ... Eine vorübergehende Haarreduktion bzw. Haarentfernung kann mittels Laser und laserähnlicher Geräte erzielt werden. Das Ausmaß der Haarreduktion und die Dauer des erzielten Effektes sind hingegen sehr variabel ... Sozialmedizinische Beurteilung

Die Epilation mittels Laser und hochenergetischer Blitzlampen (IPL) ist ein neues Behandlungsverfahren. Es handelt sich um eine Methode, die bisher nicht standardisiert ist. Die Bestrahlungsparameter werden individuell nach Gerätetyp und nach den Erfahrungen der jeweiligen Anwender gewählt.

Eine permanente Haarentfernung kann hiermit nicht erzielt werden ... Prospektive, kontrollierte, verblindete Studien mit einheitlichen Parametern sind notwendig zur Beurteilung des Stellenwertes einer Laserepilation.

Eine Überlegenheit der Methode zu den bisher etablierten Verfahren zur permanenten Haarentfernung wie der Nadelepilation / Epilation mittels Elektrokoagulation ist nicht belegt ( ...) ... In wissenschaftlichen Leitlinien wurde die Methode bisher nicht aufgenommen.

In Anbetracht der fehlenden Standardisierung der Bestrahlungsparameter, des ungeklärten zeitlichen Abstandes der Behandlungen und deren Anzahl, des fehlenden Nachweises der permanenten Wirkung und der völlig ungeklärten Langzeitnebenwirkungen kann eine Epilationsbehandlung mittels Laser oder IPL-Geräten zu Lasten der GKV gegenwärtig nach wie vor nicht empfohlen werden (s. Grundsatzstellungnahme vom Oktober 2001)."

Weiterhin hat das SG insbesondere ein Gutachten auf dermatologischem Fachgebiet bei Dr. F , Fachärztin für Dermatologie und Venerologie, eingeholt. Sie hat in ihrem Gutachten vom 20. April 2010 nach einer Untersuchung der Klägerin am 9. März 2010 mitgeteilt, die Klägerin leide insbesondere unter einer vermehrten dunklen Behaarung im Gesicht und am Rücken. Bei der konventionellen Nadelepilation oder Elektroepilation seien als Nebenwirkungen insbesondere Schmerzen, Hautirritationen und bei intensiver Therapie sogar Narben beschrieben worden. In den aktuellen dermatologischen Leitlinien werde dieses Verfahren als einzige sichere permanente Enthaarungsmethode beschrieben, jedoch werde auf die hohe Schmerzhaftigkeit, den hohen Zeitaufwand und die Möglichkeit der Narbenbildung hingewiesen. Die Methode der Elektroepilation eigne sich nicht zur Epilation eines ausgeprägten Damenbartes oder zu großflächigeren Behandlungen im Gesicht. Narbenbildungen und andere zum Teil reversible unerwünschte Begleiterscheinungen seien auch bei richtiger Anwendung des Verfahrens nicht generell auszuschließen. Die Entfernung dunkler Haare mittels Laser und hoch energetischer Blitzlampen (HBL = IPL) sei mittlerweile kein neues, sondern ein etabliertes Behandlungsverfahren. Es werde inzwischen sogar in Kosmetikinstituten angewandt. Allerdings bestünden Unterschiede aufgrund der Vielzahl der derzeit verwendeten verschiedenen Geräte. Erste Langzeitergebnisse lägen vor. Langfristige Nebenwirkungen oder Narbenbildungen seien nicht beobachtet worden. In der 2006 von der Deutschen Dermatologischen Laser-Gesellschaft herausgegebenen Leitlinie "Laser und hoch energetische Blitzlampen (HBL) in der Dermatologie" werde als Nebenwirkungsspektrum "eine erhöhte Frequenz epithelialer Nebenwirkungen wie Bläschen, Krusten, Pigmentverschiebungen und Närbchen angegeben". In den "Leitlinien der Vereinigung operativer Dermatologen" (VOD) von 2009 sei im Hinblick auf den derzeitigen Stand der Photoepilation unter anderem festgehalten, dass eine permanente Epilation möglich sei, aber nicht versprochen werden könne. Die Behandlung mittels Alexandrit-Laser stelle eine Möglichkeit der Photoepilation dar. Insoweit seien eindeutige Langzeiteffekte für den IPL-Einsatz bislang nicht gezeigt worden. Es gebe keine Evidenz für eine komplette, persistente Entfernung, egal mit welchem System. Aufgrund des immens hohen Zeitaufwands und der relativ hohen Nebenwirkungsrate werde die Elektroepilation derzeit kaum noch in Arztpraxen durchgeführt. Vorrangig werde Elektroepilation von geschulten Kosmetikerinnen praktiziert. Natürlich verfügten nicht alle Praxen über die Behandlungsoption Photoepilation (Laser- und IPL-Systeme). Zunehmend fänden jedoch besonders "Blitzlampensysteme aber auch Laser, besonders Diodenlaser u.a. Verbreitung". Konkrete Zahlen über die Anzahl von Behandlungen mit bestimmten Geräten könnten weder für die Elektroepilation noch für die Photoepilation angegeben werden.

Außerdem hat das SG eine ergänzende Stellungnahme von Dr. F vom 15. Dezember 2010 angefordert. Darin hat sie im Hinblick auf die IPL- und Laserepilationsverfahren weitere Nebenwirkungen mitgeteilt. So seien Schmerzen und als sehr seltene Nebenwirkung auch die Paradoxe Hypertrichose (vermehrter Haarwuchs) beschrieben worden, ebenso eine netzförmige Rötung und Uveitis sowie Leukotrichie (Weißwerden des Haares) und vereinzelte Fälle von Pili bigemini (Bildung von zwei Haaren in einem Haarfollikel).

Die Klägerin hat vorgetragen, sie befinde sich in einer notstandsähnlichen Extremsituation, so dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in seinem Beschluss vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98) auf ihren Fall anwendbar sei. Eine entsprechende Alternativbehandlung stehe nicht zur Verfügung. Die von der Beklagten favorisierte Elektroepilation sei mit der Gefahr von Vernarbungen verbunden und sei auf großen Körperflächen nicht anwendbar. Die Beklagte in dem vor dem Landessozialgericht (LSG) Schleswig-Holstein unter dem Aktenzeichen L 5 KR 99/04 anhängig gewesenen Rechtsstreit habe in einem vergleichbaren Fall nach Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung am 25. Januar 2006 ein Anerkenntnis abgegeben. Die Klägerin hat sich außerdem auf zwei Stellungnahmen von Dr. St vom 16. Februar 2009 und vom 14. September 2009 bezogen. In der Stellungnahme vom 16. Februar 2009 heißt es unter anderem:

"Bei der Klägerin besteht zweifelsohne die Indikation zu einer Epilation ... Die im Schreiben der AOK vom 13.11.2008 erwähnten Behandlungsmethoden der konventionellen Nadelepilation sowie die Elektroepilation muss man vom heutigen Erkenntnisstand ausgehend als vollkommen obsolet bezeichnen.

Eine Therapie zur dauerhaften Haarreduktion sollte mit dem Diodenlaser oder mit IPL-Systemen durchgeführt werden.

Es handelt sich um effiziente Therapiesysteme, die bei entsprechender Handhabung ohne Nebenwirkungen für den Patienten, bei gutem Behandlungserfolg, einzusetzen sind.

Es muss darauf hingewiesen werden, dass es hier allerdings Unterschiede im Gerätebereich sowie im Bezug auf die Erfahrung des einzelnen Behandlers gibt.

Bei unserer Patientin wurden bereits im vergangenen Jahr 5 IPL-Behandlungen mit einem guten Ergebnis durchgeführt. Bisher wurde unsererseits auf eine entsprechende Liquidation nicht bestanden."

In der Stellungnahme vom 14. September 2009 heißt es unter anderem:

"Die immer wieder von Seiten der AOK erwähnte Behandlungsmethode der Nadel- und Elektroepilation muss zum Verständnis kurz erläutert werden. Bei dieser Methode wird jeder einzelne Haarfollikel mittels einer Elektrode punktiert und thermisch geschädigt.

Patienten, die sich nach solchen Behandlungen an mich gewandt haben, zeigen enorme Narbenbildungen und sehr unbefriedigende Ergebnisse.

Vereinzelte Anwendungen sind noch möglich bei depigmentierten Haaren, wo IPL-Lasermethoden nicht wirksam sind.

Bei (der Klägerin) handelt es sich aber um eine massenhafte Behaarung im gesamten Gesichtsbereich, so dass für diese Methode eine absolute Kontraindikation besteht ... Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass bei einer großflächigen Gesichtsbehandlung keinerlei Risiken für den Patienten bestehen dürfen, so dass eine Laser- bzw. IPL-Therapie zur dauerhaften Haarreduktion die einzige Alternative ist ..."

Die Klägerin hat weiter vorgetragen, drei der fünf von Dr. St durchgeführten IPL-Behandlungen seien ihr mit insgesamt 186,42 EUR in Rechnung gestellt worden (Rechnungen 14. Januar 2008, 29. Januar 2008 und 26. Februar 2008); diesen Betrag habe sie beglichen.

Die Beklagte hat vorgetragen, bei der Klägerin stünden die konventionelle Nadelepilation sowie die Elektroepilation als zugelassene Behandlungsmethoden zur Entfernung von Haarwuchs zur Verfügung. Diese konventionelle Haarentfernung führe bei richtiger Anwendung zur nachhaltigen Beseitigung des Haarwuchses, ohne dass Narben entstünden (Hinweis auf Bayerisches LSG, Urteil vom 31. Juli 2007 – L 5 KR 94/06 – juris Rn. 18). Die Laserepilation sei vom Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung nicht umfasst. Es handele sich nicht um eine anerkannte Behandlungsmethode.

Der Klage mit den Anträgen, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2008 zu verurteilen, der Klägerin für Laserenthaarungsbehandlungen angefallene Kosten von 248,56 EUR zu erstatten (1) und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für die Haarentfernung im Gesichts- und Stammkörperbereich mittels ärztlicher Laserbehandlung bei unverändertem Gesundheitszustand und unveränderter Rechtslage zukünftig zu tragen (2), hat das SG durch Urteil vom 19. April 2011 im Hinblick auf den Feststellungsantrag stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit dem Vorliegen der aktuellen Leitlinien aus dem Jahre 2009 seien die Voraussetzungen für ein Systemversagen im Rahmen des § 135 SGB V erfüllt. Bei der Klägerin liege eine Entstellung vor, die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V für einen Anspruch auf Krankenbehandlung in Form der begehrten Laserenthaarung seien für die Zukunft gegeben. Ausweislich des Gutachtens von Dr. F habe sich aufgrund der aktuellen Leitlinien aus dem Jahre 2009 zumindest im Hinblick auf bestimmte Laser-Geräte – auch bezüglich des vorliegend zur Anwendung kommenden – eine Expertenmeinung gebildet. Es sei deshalb davon auszugehen, dass sich die Methode in einschlägigen medizinischen Fachkreisen durchgesetzt habe. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Laserenthaarung in den USA als Therapie zugelassen sei. Darüber hinaus sei eine derart langwierige Behandlung – wie sie die von der Beklagten favorisierte Behandlungsmöglichkeit in Form einer Elektrokoagulation mit der Diathermienadel darstelle – der Klägerin schon wegen des damit verbundenen immensen Zeitaufwands nicht zumutbar. Für die Vergangenheit habe ein hinreichend gestützter Konsens in den einschlägigen medizinischen Fachkreisen über die Qualität und Wirksamkeit der Behandlungsmethode der Laserepilation dagegen nicht festgestellt werden können.

Gegen das ihr am 24. Mai 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23. Juni 2011 Berufung eingelegt.

Der Senat hat eine Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 19. Dezember 2011 eingeholt. Danach sind im Bereich der Laserepilation im Hinblick auf § 135 SGB V keine neueren Entwicklungen zu verzeichnen. Es liege kein Antrag zur Prüfung dieser Methode als einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode vor. Zu dieser Therapieform sei bisher keine Empfehlung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss abgegeben worden.

An dieser Sachlage hat sich ausweislich einer aktuellen Internet-Recherche im Informationsarchiv des Gemeinsamen Bundesausschusses nichts geändert.

Die Beklagte trägt vor, der Argumentation des SG - die bislang noch nicht erfolgte Bewertung der Lasertherapie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss führe zu einem Systemmangel, der einen Leistungsanspruch der Klägerin zur Folge habe - sei nicht zu folgen (Hinweis auf LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17. Oktober 2012 – L 1 KR 443/11). Außerdem bestehe in tatsächlicher Hinsicht keine Versorgungslücke. Denn für die Klägerin stünden andere Behandlungsmethoden zur Verfügung. Darüber hinaus bestünden Bedenken im Hinblick auf die Feststellung eines unbegrenzten Leistungsanspruchs für die Zukunft. Ein Anspruch der Klägerin folge auch nicht aus den Kriterien, die das BVerfG in seinem Beschluss vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98) entwickelt habe. Die Auffassung der Beklagten werde durch das Gutachten des MDK vom 18. Oktober 2013 bestätigt. Die Gutachterin, Diplom-Medizinerin F , Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten/Sozialmedizin, hat in diesem Gutachten ausgeführt:

"Hautbefund:

Am gesamten Integument findet sich eine übermäßige dunkle Behaarung, wobei dies im Gesichtsbereich als rasierte Bartstoppeln erkennbar ist. Die Gesichtshaut insgesamt ist gerötet, trocken und weist zum Teil entzündliche Papeln auf. Weiterhin findet sich eine ausgeprägte flächenhafte Behaarung im Schulter-, Rücken- und Sakralbereich, ebenso perimamillär links, an der vorderen Schweißrinne im Nabelbereich ... Diagnosen:

- Hirsutismus bei adrenogenitalem Syndrom (’late onset’-Form) ... 4. Gutachterliche Beurteilung und Beantwortung der Fragen des Auftraggebers

Insgesamt liegt ein multifaktorielles Geschehen mit erheblicher Einschränkung des psychischen und physischen Befindens vor, wobei der Hirsutismus als ausgeprägter krankhafter Befund im Rahmen des adrenogenitalen Syndroms zulasten der GKV prinzipiell behandlungsbedürftig ist ... Die beantragte Behandlung mit der IPL-Lichttechnologie ist wie auch die Epilation mit dem Laser eine ’neue Behandlungsmethode’, d.h., nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung.

Nach § 135 SGB V dürfen Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) nur zulasten der GKV erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zulasten der GKV erbrachten Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung abgegeben hat. Für die Laserepilation trifft dies bisher nicht zu. Deshalb muss bis dahin die Begutachtung nach der NUB-Begutachtungsanleitung vom 08.10.2008 erfolgen.

Nach dieser ist eine Kostenübernahme für außervertragliche Methoden entsprechend des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (Az 1 BvR 347/98) nur möglich, wenn kumulativ drei Voraussetzungen erfüllt sind:

1. Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor. 2. Eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Therapie steht nicht zur Verfügung. 3. Für die neue nicht allgemein anerkannte Methode, besteht eine ’auf Indizien gestützte’ nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.

Der Punkt 1 ist bei (der Klägerin) trotz der erheblichen Beeinträchtigung nicht gegeben. Der 2. Punkt ist ebenfalls nicht erfüllt, denn mit der Nadelepilation gibt es eine anerkannte und wissenschaftlich geprüfte Therapie der Hypertrichose, die durch ambulant tätige Dermatologen ambulant erbringbar ist ... ’Eine Überlegenheit der Methode zu den bisher etablierten Verfahren zur permanenten Haarentfernung wie der Nadelepilation/Epilation mittels Elektrokoagulation ist nicht belegt. In Anbetracht der fehlenden Standardisierung der Bestrahlungsparameter, des ungeklärten zeitlichen Abstandes der Behandlungen und deren Anzahl, des fehlenden Nachweises der permanenten Wirkung und der völlig ungeklärten Nebenwirkungen kann eine Epilationsbehandlung mittels Laser oder IPL-Geräten zulasten der GKV gegenwärtig nach wie vor nicht empfohlen werden – s. Grundsatzstellungnahme vom Oktober 2011 (gemeint: 2001).’ ... Die Laserepilation ist ... auch nicht frei von Nebenwirkungen, welche neben dem subjektiven Empfinden auch von der Art des verwendeten Lasers und vom Hauttyp abhängen und über die der Patient sorgfältig aufgeklärt werden muss Beschrieben werden neben Schmerzen Blasen, Blutungen, Krusten, Ödeme (umschriebene Wasseransammlungen), Purpura (kleine Kapillarblutungen) und temporäre Hypo- bzw. Hyperpigmentierungen sowie Haarverlust. In seltenen Fällen können auch Narben, Keloide (überschießendes Narbengewebe), Verbrennungen sowie bleibende Pigmentverschiebungen entstehen ... Es ist zwar medizinisch nachvollziehbar, dass die Möglichkeiten der Elektroepilation bei der ausgeprägten und flächenhaften Hypertrichose bei (der Klägerin) begrenzt sind, dennoch kann aus sozialmedizinischer Sicht keine Befürwortung der beantragten Epilation mit der IPL-Lichttechnologie zulasten der GKV erfolgen.

Außerdem stellt die Lokalbehandlung mittels Epilation neben anderen Maßnahmen der Haarentfernung nur einen Teil der Beeinflussung des übermäßigen Haarwuchses dar."

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 19. April 2011 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

sowie – im Wege der Anschlussberufung –

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 19. April 2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2008 die für Laserenthaarungsbehandlungen bislang angefallenen Kosten von 248,56 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt ferner,

die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin trägt vor, es bleibe unklar, weshalb das SG einen Systemmangel erst ab dem Jahre 2009 anerkannt habe. Da ein wissenschaftlich gestützter Konsens in medizinischen Fachkreisen über Qualität und Wirksamkeit der streitgegenständlichen Methode bestehe, sei von einem Systemmangel auszugehen.

Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

1. Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet.

a) Die vom SG zu Grunde gelegte Feststellungsklage ist bereits unzulässig gewesen. Sachdienlich ist der Antrag der Klägerin als zulässiger (Anfechtungs- und) Leistungsantrag auszulegen.

Denn gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen dem Versicherten und seiner Krankenkasse über den Leistungsanspruch sind nur in zwei Konstellationen denkbar: Entweder der Versicherte klagt auf Gewährung einer noch ausstehenden Behandlung als Sachleistung oder er hat sich die Behandlung zunächst privat auf eigene Rechnung beschafft und verlangt von der Krankenkasse die Erstattung der Kosten (BSG, Urteil vom 9. Oktober 2001 – B 1 KR 6/01 R – juris Rn. 22 m.w.N., und Helbig in jurisPK-SGB V, 2. Auflage, § 13 Rn. 86). Das SG hätte den Antrag der Klägerin insoweit daher gemäß § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als auf konkrete Behandlungen durch Laserepilation gerichtete (Anfechtungs- und) Leistungsklage auslegen müssen. Die so verstandene Klage ist zulässig gewesen.

b) Die Klage ist allerdings unbegründet.

Insoweit ist die erstinstanzliche Entscheidung zu Unrecht ergangen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.

Der Klägerin steht kein Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der Kosten für die von ihr begehrte Laserepilation zu. Entsprechendes gilt für die IPL-Epilation.

aa) Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V). Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt allerdings den sich aus § 2 Abs. 1 in § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen.

Letzteres ist bei der von der Klägerin begehrten Therapie nicht der Fall. Krankenkassen sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie im konkreten Fall nach Einschätzung des Versicherten oder seiner behandelnden Ärzte bereits positiv verlaufen ist bzw. wenn einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/05 R – juris Rn. 15). Die betreffende Therapie ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V vielmehr nur dann von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V bereits eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 in Verbindung mit § 135 Abs. 1 SGB V wird nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zulasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr legen diese Richtlinien auch den Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich fest.

Bei der von der Klägerin begehrten Laserepilation handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode, für die es an der erforderlichen positiven Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses fehlt.

Ärztliche "Behandlungsmethoden" im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung sind medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zu Grunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (BSG, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/05 R – juris Rn. 17).

Bei der Laserepilation handelt es sich um eine ärztliche Behandlungsmethode.

"Neu" ist eine Behandlungsmethode, wenn sie bisher nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im EBM-Ä abgebildet ist (Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/05 R – juris Rn. 20).

Die Laserepilation ist im EBM-Ä nicht enthalten.

Das Gesetz ordnet in § 135 Abs. 1 SGB V an, dass Methoden ohne positive Empfehlung in Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nicht zulasten der Krankenversicherung angewandt werden dürfen (BSG, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/05 R – juris Rn. 22). An diese Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses über den Ausschluss bestimmter Methoden sind Verwaltung und Gerichte im Grundsatz ebenso gebunden, wie wenn die Entscheidung vom Gesetzgeber selbst getroffen worden wäre. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die hier in Rede stehende Regelung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht von der Ermächtigungsgrundlage (§ 135 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V) gedeckt oder die Regelung nicht in dem dafür vorgesehenen Verfahren zu Stande gekommen ist.

Entgegen der Auffassung des SG ergibt sich ein Anspruch der Klägerin ebenfalls nicht über die Grundsätze des so genannten Systemversagens.

Ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V geregelten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann nach der Rechtsprechung des BSG eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Gemeinsamen Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde ("Systemversagen"). Diese Durchbrechung beruht darauf, dass in solchen Fällen die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist und deshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden. Ein derartiger Systemmangel liegt vor, wenn das Verfahren vor dem Gemeinsamen Bundesausschuss von den antragsberechtigten Stellen bzw. dem Gemeinsamen Bundesausschuss selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde (BSG, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/05 R – juris Rn. 28). In diesen Fällen ist denkbar, dass dem Versicherten eine den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V gerecht werdende Krankenbehandlung rechtswidrig vorenthalten wird. Voraussetzung für eine derartige Annahme ist insoweit, dass Qualität und Wirksamkeit der streitbefangenen Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, die sich in zuverlässigen wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen niedergeschlagen haben müssen.

Zunächst fehlt es vorliegend bereits am formalen Erfordernis einer Antragstellung durch eine antragsberechtigte Stelle.

Darüber hinaus wird sowohl in der aktualisierten Stellungnahme des MDK vom März 2004 als auch im Gutachten von Dr. F vom 20. April 2010 mitgeteilt, dass es sich bei der Epilation mittels Laser und hochenergetischer Blitzlampen um eine Methode handelt, die bisher nicht standardisiert ist. Die Bestrahlungsparameter werden individuell nach dem Gerätetyp und nach den Erfahrungen der jeweiligen Anwender gewählt. Diese Umstände hat Dr. Städtler in seiner Stellungnahme vom 16. Februar 2009 bestätigt, ebenso Diplom-Medizinerin F in ihrem für den MDK erstellten Gutachten vom 18. Oktober 2013. Ist die Methode aber nicht standardisiert, lässt sich nicht überprüfen, ob Qualität und Wirksamkeit der streitbefangenen Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Insofern sind zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen nicht möglich.

Soweit Dr. St in seiner Stellungnahme vom 14. September 2009 darauf hingewiesen hat, bei der Nadel- und Elektroepilation hätten sich enorme Narbenbildungen und sehr unbefriedigende Ergebnisse gezeigt, ist dem entgegenzuhalten, dass Dr. F bestätigt hat, dass auch bei der von der Klägerin begehrten Laserepilation Nebenwirkungen (eine erhöhte Frequenz epithelialer Nebenwirkungen wie Bläschen, Krusten, Pigmentverschiebungen und Närbchen, in seltenen Fällen z.B. paradoxe Hypertrichose und Uveitis) beschrieben worden sind. Diese Ausführungen decken sich mit denjenigen von Diplom-Medizinerin F in ihrem für den MDK erstellten Gutachten vom 18. Oktober 2013. Zum Schutz der Versicherten ist deren Leistungsanspruch gegen die Krankenkassen deshalb grundsätzlich auf vom Gemeinsamen Bundesausschuss empfohlene Behandlungsmethoden beschränkt.

Das Argument des SG, die von der Klägerin begehrte Behandlungsmethode sei in den USA zugelassen, führt nicht zu einem für sie günstigeren Ergebnis. Der bloße Umstand, dass in einem Staat außerhalb der Bundesrepublik Deutschland nach dessen nationalem Recht die Leistungserbringung in Bezug auf eine bestimmte Behandlungsmethode anders gehandhabt wurde oder wird, als dies in Deutschland der Fall war oder ist, rechtfertigt nicht zugleich auch die Annahme, dem Gemeinsamen Bundesausschuss sei deshalb eine zeitliche Verzögerung bei der Feststellung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse anzulasten, aus der Versicherte dann Leistungsansprüche gegen ihre Krankenkasse herleiten können. Ähnliches hat zu gelten, wenn es darum geht, dass der Gemeinsame Bundesausschuss noch keine Empfehlung abgegeben hat, obwohl eine bestimmte medizinische Entwicklung im Ausland anscheinend einen anderen Verlauf genommen hat und das Leistungsrecht dort in Bezug auf die versicherungsmäßige Absicherung des Krankheitsrisikos von anderen Prinzipien beherrscht ist als in Deutschland (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/05 R – juris Rn. 29; vgl. auch BSG, Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 28/03 R – juris Rn. 23). Dies gilt erst recht, wenn - wie vorliegend - ein wissenschaftlicher Nachweis des Nutzens der neuen Behandlungsmethode nicht möglich ist.

Ebenso wenig verfängt das Argument des SG, die ab dem Jahr 2009 maßgeblichen Leitlinien bewirkten, dass die Klägerin für die Zukunft einen Anspruch auf die begehrte Epilationsbehandlung habe. Denn für den krankenversicherungsrechtlichen Anspruch kann nicht auf die einschlägigen Leitlinien abgestellt werden. Grundsätzlich bestimmen nicht Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften den Umfang der Leistungsansprüche der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (siehe hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 – B 1 KR 5/08 R – juris Rn. 47). Das Leistungsrecht ist vielmehr insbesondere von den Vorgaben des § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 12 SGB V geprägt, wonach Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen müssen. Dass dies bei den streitgegenständlichen Leistungen nicht der Fall ist, wurde oben bereits dargelegt.

Nach alledem finden sich keinerlei Anhaltspunkte, die es rechtfertigen, ein Systemversagen anzunehmen (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17. Oktober 2012 – L 1 KR 443/11 – juris Rn. 22). Für die Klägerin besteht vielmehr eine zugelassene wirksame Behandlungsmethode in Form der Nadelepilation (so ausdrücklich die fachärztliche Einschätzung von Diplom-Medizinerin F in ihrem für den MDK erstellten Gutachten vom 18. Oktober 2013). Dass diese Methode nach den Ausführungen von Dr. Fordran in ihrem Gutachten vom 20. April 2010 und Dr. St in seiner Stellungnahme vom 14. September 2009 für die Behandlung der Klägerin im Gesichtsbereich nicht geeignet sein soll, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Zum einen bildet der aktuelle EBM-Ä die Methode der Elektrokoagulation im Gesicht unter 02300 und 10340 ausdrücklich ab (dies war schon im Jahre 2008 der Fall), zum anderen besteht die Gefahr von Nebenwirkungen (z.B. Bildung von Narben bzw. "Närbchen") sowohl bei der von der Klägerin begehrten als auch bei der von der Beklagten vorgeschlagenen Behandlung. Allein der für die Durchführung der Nadelepilation höhere Zeitaufwand rechtfertigt – entgegen der Ansicht des SG – keine andere Sichtweise. Dies gilt umso mehr, als Dr. F in ihrem Gutachten beschrieben hat, die Narbenbildung auf Grund der Nadelepilation oder Elektroepilation hänge von der Intensität der Therapie ab. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die von der Klägerin begehrte Behandlung in Einzelfällen mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden sein kann. Insbesondere liegt auch kein Systemversagen durch objektiv willkürliche Nichtempfehlung einer neuen Behandlungsmethode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss vor (anders lag der Sachverhalt, der dem Urteil des BSG vom 7. Mai 2013 – B 1 KR 44/12 R – zu Grunde lag).

bb) Schließlich besteht kein Anspruch der Klägerin auf die begehrte Behandlung aufgrund einer notstandsähnlichen Krankheitssituation.

Die vom BVerfG (Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98 – juris Rn. 64) aufgestellten und inzwischen in § 2 Abs. 1a SGB V kodifizierten Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor. Denn Hirsutismus stellt weder eine lebensbedrohliche noch eine regelmäßig tödliche oder wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung dar.

2. Die zulässige Anschlussberufung der Klägerin ist unbegründet. Insoweit ist die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis zu Recht ergangen. Auch insoweit sind die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig.

Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch kommt nur § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Danach hat die Krankenkasse dem Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte notwendige Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (siehe nur BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 1 KR 24/06 R – juris Rn. 11). Über den Wortlaut hinaus beinhaltet diese Vorschrift auch einen Anspruch auf Freistellung von einer Verbindlichkeit (siehe Helbig in jurisPK-SGB V, 2. Auflage, § 13 Rn. 63 m.w.N.). Kostenerstattungs- und Freistellungsanspruch setzen jeweils voraus, dass der Versicherte einem fälligen zivilrechtlichen Anspruch ausgesetzt ist/war (vgl. BSG, Urteil vom 9. Oktober 2001 - B 1 KR 6/01 R –juris Rn. 14 ff., und Helbig in jurisPK-SGB V, 2. Auflage, § 13 Rn. 61 f.).

Unabhängig von der Frage, ob die Klägerin überhaupt einem zivilrechtlichen Anspruch für eine vierte IPL-Behandlung ausgesetzt ist – insoweit hat die Klägerin keinerlei Unterlagen vorgelegt –, ist die von ihr begehrte Erstattung auf eine Leistung bezogen, die von den Krankenkassen nicht allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen ist. Insoweit kann in vollem Umfang auf die Ausführungen unter 1. verwiesen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

4. Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe

I. Rechtsmittelbelehrung

Diese Entscheidung kann nur dann mit einer Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist von einem beim Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung schriftlich oder in elektronischer Form beim Bundessozialgericht einzulegen. Sie muss bis zum Ablauf der Monatsfrist beim Bundessozialgericht eingegangen sein und die angefochtene Entscheidung bezeichnen.

Die Beschwerde in schriftlicher Form ist zu richten an das Bundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel bzw. das Bundessozialgericht, 34114 Kassel (nur Brief und Postkarte).

Die elektronische Form wird nur durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der "Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundessozialgericht" in das elektronische Gerichtspostfach des Bundessozialgerichts zu übermitteln ist. Die hierfür erforderliche Software kann über das Internetportal des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (www.egvp.de) lizenzfrei heruntergeladen werden. Dort können auch weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden.

Als Prozessbevollmächtigte sind zugelassen

1. Rechtsanwälte, 2. Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, 3. selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder, 4. berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder, 5. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder, 6. Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder, 7. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nrn. 3 bis 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Die Organisationen zu Nrn. 3 bis 7 müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Nrn. 1 bis 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form (s. o.) zu begründen. In der Begründung muss dargelegt sein, dass

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - die Entscheidung von einer zu bezeichnenden Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - ein zu bezeichnender Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.

Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs.1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht und eine Verletzung des § 103 SGG nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

II. Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe

Für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.

Der Antrag kann von dem Beteiligten persönlich gestellt werden; er ist beim Bundessozialgericht schriftlich oder in elektronischer Form (s.o.) einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.

Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck ist kostenfrei bei allen Gerichten erhältlich. Er kann auch über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) heruntergeladen und ausgedruckt werden.

Im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs ist der Vordruck in Papierform auszufüllen, zu unterzeichnen, einzuscannen, qualifiziert zu signieren und dann in das elektronische Gerichtspostfach des Bundessozialgerichts zu übermitteln (s.o.).

Falls die Beschwerde nicht schon durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt ist, müssen der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den Belegen innerhalb der Frist für die Einlegung der Beschwerde beim Bundessozialgericht eingegangen sein.

Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.

III. Ergänzende Hinweise

Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um zwei weitere Abschriften. Dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.

Klotzbücher Protz Dr. Wietek
Rechtskraft
Aus
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