L 3 AL 182/13 B PKH

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 12 AL 669/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 182/13 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Zur Umrechnung der Beträge in § 19 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVG (in der vom 26. Juni 1970 bis zum 28. November 2014 geltenden Fassung) von DM in Euro.
2. Zur Prüfung einer Aufgabenübertragung durch eine gemeinsame Einrichtung, die zum Erlass eines Mahnbescheides und damit zur Festsetzung einer Mahngebühr berechtigt.
3. Zur Frage, ob auf das Rechtsgeschäft zur Aufgabenübertragung nach § 44b Abs. 4 SGB II die Regelungen in §§ 88 ff. SGB X anwendbar sind.
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 7. August 2013 abgeändert. Der Antragstellerin wird für das Klageverfahren Az. S 12 AL 669/12 ab 23. Oktober 2012 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt als Bevollmächtigter beigeordnet. Derzeit sind weder Raten zu zahlen noch Zahlungen aus dem Vermögen zu leisten.

II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Die Beschwerde des Klägers vom 12. September 2013 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 7. August 2013, ihm zugestellt am 12. August 2013, ist statthaft. Sie ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der hier maßgebenden, vom 1. April 2008 bis zum 24. Oktober 2013 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 29 Buchst. b des Gesetzes vom 26. März 2008 [BGBl. I S. 444]) ausgeschlossen, weil das Sozialgericht nicht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint hat. Sie ist auch nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 2 SGG in der hier maßgebenden, vom 11. August 2010 bis zum 24. Oktober 2013 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 29 Buchst. b des Gesetzes vom 5. August 2010 [BGBl. I S. 1127]), ausgeschlossen. Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 1 SGG a. F. war die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig gewesen wäre. Dies galt nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 2 SGG a. F. auch für Entscheidungen über einen Prozesskostenhilfeantrag im Rahmen dieser Verfahren. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates konnte diese Regelung jedoch nicht erweiternd ausgelegt und auf Klageverfahren, in denen in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig gewesen wäre, ausgedehnt werden (vgl. z. B. Sächs. LSG, Beschluss vom 15. Juni 2012 – L 3 AS 158/12 B PKH – juris Rdnr. 11, m. w. N.). Damit kommt es für die Statthaftigkeit der Beschwerde nicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes im Hauptsacheverfahren an.

II. Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Der Klägerin fehlt nicht, wie das Sozialgericht angedeutet hat, das Rechtsschutzbedürfnis. Denn das Urteil des Bundessozialgerichtes vom 12. Juli 2012 (Az. B 14 AS 35/12 R, BSGE 111, 234 ff. = SozR 4-1500 § 54 Nr. 28), auf das sich das Sozialgericht wohl beziehen wollte, ist nicht einschlägig. Das Bundessozialgericht hat dort entschieden, dass es einer Klage, mit der allein die Verletzung der Rundungsregelung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) geltend gemacht wird, am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis fehle. Das Urteil betrifft ausdrücklich nur die Verletzung der Rundungsregelung nach dem SGB II und lässt sich wegen dieser Beschränkung nicht ohne weiteres auf alle gerichtlichen Streitigkeiten übertragen, in denen irgendeine Rechtsfrage zu irgendeiner Rundungsregelung im Streit steht. Zudem hat das Bundessozialgericht mit dem Wort "allein" deutlich gemacht, dass diese Entscheidung nicht für Fälle geltend soll, in denen auch noch mindestens ein weiterer Punkt streitig ist. Dies ist aber hier der Fall, weil der Klägerbevollmächtigte auch die fehlende Zuständigkeit des Beklagten rügt.

III. Die Beschwerde ist auch begründet.

Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug besonders (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

1. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers hat bei der gebotenen summarischen Prüfung nach Aktenlage hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung einer Mahngebühr in Höhe von 1,00 EUR, den die beklagte Bundesagentur für Arbeit im Mahnbescheid vom 23. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2012 festgesetzt hat. Dem Mahnbescheid liegt eine Forderung des Jobcenters Vogtlandkreis in Höhe von 141,94 EUR zugrunde. Die hiergegen gerichtete Klage besitzt bei der erforderlichen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. März 2010 – 1 BvR 3657/09 – NJW 2010, 1657 = juris Rdnr. 17) im prozesskostenhilferechtlichen Sinne eine hinreichende Erfolgsaussicht.

a) Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht allerdings nicht, soweit in der Sache die Festsetzung einer Mahngebühr in Höhe von 1,00 EUR gerügt wird. Dies ergibt sich bereits aus den vom Klägerbevollmächtigten selbst zitierten europarechtlichen Regelungen.

Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Mahngebühr ist § 19 Abs. 2 Satz 1 des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes des Bundes (VwVG). Die Rechtsgrundlagen für die Bestimmung der Höhe der streitigen Mahngebühr finden sich in § 19 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVG in der hier maßgebenden, vom 26. Juni 1970 bis zum 28. November 2014 geltenden Fassung (vgl. Artikel 4 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes vom 23. Juni 1970 [BGBl. I S. 805]).

Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 VwVG a. F. betrug die Mahngebühr eins vom Hundert des Mahnbetrages bis 100 Deutsche Mark einschließlich, ein halbes vom Hundert von dem Mehrbetrag, mindestens jedoch 1,50 Deutsche Mark und höchstens 100 Deutsche Mark. Die Mahngebühr wurde auf volle 10 Deutsche Pfennige aufgerundet (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 3 VwVG a. F.). In die Regelungen in § 19 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVG wurden erst durch Artikel 1 Nr. 2 des Gesetzes vom 25. November 2014 (BGBl. I S. 1770) EUR-Beträge eingeführt. § 19 Abs. 2 Satz 2 VwVG a. F. enthielt lediglich eine Mindest- und eine Höchstgebühr, jedoch keinen Gebührenrahmen, innerhalb dessen die Mahngebühr nach Ermessen hätte festgesetzt werden können.

Nach Artikel 14 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro (ABl. L 139 vom 11. Mai 1998, S. 1) war, wenn in Rechtsinstrumenten, die am Ende der Übergangszeit bestanden, auf nationale Währungseinheiten Bezug genommen wurde, dies als Bezugnahme auf die Euro-Einheit entsprechend dem jeweiligen Umrechnungskurs zu verstehen. Zu den Rechtsinstrumenten im Sinne dieser Verordnung zählten nach der Legaldefinition in Artikel 1 Anstrich 1 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 unter anderem Rechtsvorschriften, mithin auch Gesetze. Die Übergangszeit begann am 1. Januar 1999 und endete am 31. Dezember 2001 (vgl. Artikel 1 Anstrich 6 der Verordnung [EG] Nr. 974/98).

Nach Artikel 4 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 des Rates vom 17. Juni 1997 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro (ABl. L 162 vom 19. Juni 1997, S. 1) wurden die Umrechnungskurse als ein Euro, ausgedrückt in den einzelnen nationalen Währungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten festgelegt. Sie wurden mit sechs signifikanten Stellen festgelegt (vgl. Artikel 4 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung [EG] Nr. 1103/97. Der Umrechnungskurs zwischen dem Euro und der Deutschen Mark war 1,95583 (vgl. Artikel 1 der Verordnung [EG] Nr. 2866/98 des Rates vom 31. Dezember 1998 über die Umrechnungskurse zwischen dem Euro und den Währungen der Mitgliedstaaten, die den Euro einführen (ABl. L 359 vom 31. Dezember 1998, S. 1).

Nach Artikel 5 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 wurden zu zahlende oder zu verbuchende Geldbeträge bei einer Rundung, die nach einer Umrechnung in die Euro-Einheit gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 erfolgte, auf den nächstliegenden Cent auf- oder abgerundet. In Artikel 14 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 war angeordnet, dass die in der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 niedergelegten Rundungsregeln galten. Nach Artikel 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 wurden die Umrechnungskurse bei Umrechnungen nicht gerundet oder um eine oder mehrere Stellen gekürzt. Die Umrechnungskurse wurden für Umrechnungen sowohl der Euro-Einheit in nationale Währungseinheiten als auch umgekehrt verwendet (vgl. Artikel 4 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1103/97). Von den Umrechnungskursen abgeleitete inverse Kurse wurden nicht verwendet (vgl. Artikel 4 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1103/97).

Für die in § 19 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVG a. F. genannten DM-Beträge bedeutet dies: Der Mindestbetrag von 1,50 DM entsprach umgerechnet 0,7669378 EUR und gerundet 0,77 EUR. Der Höchstbetrag von 100,00 DM entsprach umgerechnet 51,129188 EUR und gerundet 51,13 EUR. Schließlich entsprach der Betrag von 10 Deutschen Pfennigen (= 0,10 DM) umgerechnet 0,051129 EUR und gerundet 0,05 EUR.

Damit lautete § 19 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVG a. F. unter Berücksichtigung der Währungsumstellung wie folgt: "Sie beträgt eins vom Hundert des Mahnbetrages bis 51,13 EUR einschließlich, ein halbes vom Hundert von dem Mehrbetrag, mindestens jedoch 0,77 EUR und höchstens 51,13 EUR. Die Mahngebühr wird auf volle 0,05 EUR aufgerundet."

Daraus errechnet sich für den hier maßgebenden Mahnbetrag in Höhe von 141,94 EUR folgende Mahngebühr: Für den Mahnbetrag bis 51,13 EUR beträgt die Mahngebühr eins vom Hundert des Mahnbetrages, mithin 0,51 EUR. Für den verbleibenden Mehrbetrag in Höhe von 90,81 EUR (= 141,94 EUR – 51,13 EUR) beträgt die Mahngebühr ein halbes vom Hundert von dem Mehrbetrag, mithin 0,45 EUR. Dies ergibt zusammen 0,96 EUR. Nach der Aufrundung entsprechend der Regelung in § 19 Abs. 2 Satz 3 SGB VwVG a. F. errechnet sich eine Mahngebühr in Höhe von 1,00 EUR. Dies entspricht der von der Beklagten festgesetzten Mahngebühr.

Soweit der Klägerbevollmächtigte einwendet, die Anwendung von Artikel 14 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 auf § 19 Abs. 2 VwVG führe wegen der Regelung in Artikel 5 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 zu Rechtsanwendungsschwierigkeiten insbesondere dahingehend, ob tatsächlich eine mehrfache Rundung gewollt und verfassungsrechtlich zulässig ist, ist dieser Einwand bereits vom Ansatz her nicht begründet. Denn zum einen sehen die zitierten europarechtlichen Regelungen gerade nicht die behauptete mehrfache Rundung vor. Zum anderen sind die europarechtlichen Verordnungsregelungen als Sekundärrecht am Primärrecht der Europäischen Union und nicht an nationalem Verfassungsrecht zu messen.

b) Hinreichende Erfolgsaussicht besteht jedoch in formeller Hinsicht. So ist zum einen die Zuständigkeit der den angefochtenen Bescheid erlassenden Bundesagentur für Arbeit zu klären. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob dies nicht bereits auf Grund der Zuständigkeitsrüge des Klägerbevollmächtigten im Widerspruchsschreiben vom 21. Oktober 2011, das dem Klageschriftsatz beigefügt war, erforderlich gewesen wäre. Diese Prüfung ist aber auf jeden Fall nunmehr erforderlich, weil der Klägerbevollmächtigte die Rüge mit dem Antrag auf mündliche Verhandlung nach § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG vom 12. September 2013 erneut erhoben hat.

Nach § 40 Abs. 6 Halbsatz 1 SGB II gilt für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach dem SGB II das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes. Das Jobcenter Vogtlandkreis ist eine gemeinsame Einrichtung im Sinne von § 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II.

Die Vollstreckung wird gegen den Vollstreckungsschuldner durch Vollstreckungsanordnung eingeleitet; eines vollstreckbaren Titels bedarf es nicht (vgl. § 3 Abs. 1 VwVG). Ferner soll vor der Anordnung der Vollstreckung der Schuldner mit einer Zahlungsfrist von einer weiteren Woche besonders gemahnt werden (vgl. § 3 Abs. 3 VwVG). Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 VwVG wird für die Mahnung nach § 3 Abs. 3 VwVG eine Mahngebühr erhoben. Nach § 3 Abs. 4 VwVG wird die Vollstreckungsanordnung von der Behörde erlassen, die den Anspruch geltend machen darf. Dies ist grundsätzlich die gemeinsame Einrichtung (vgl. zu der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Rechtslage: BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 – B 14 AS 54/10 RBSGE 108, 229 ff. = SozR 4-4200 § 44b Nr. 3 = juris, jeweils Rdnr. 18 ff.). Die gemeinsame Einrichtung kann jedoch seit 1. Januar 2011 (vgl. Artikel 1 Nr. 9, Artikel 3 Satz 1 des Gesetzes vom 3. August 2010 [BGBl. I S. 1112]) gemäß § 44b Abs. 4 SGB II einzelne Aufgaben auch durch die Träger, zum Beispiel die Bundesagentur für Arbeit (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II), wahrnehmen lassen. Hierzu können auch die Aufgaben als Anordnungsbehörde zählen (vgl. Aubel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I [4. Aufl., 2015], § 40 Rdnr. 187).a

Bislang ist weder aus der Verwaltungsakte noch aus der Gerichtakte zu ersehen, ob die Beklagte vorliegend auf der Grundlage einer wirksamen Aufgabenübertragung nach § 44b Abs. 4 SGB II befugt war, den Mahnbescheid zu erlassen und damit die streitige Mahngebühr festzusetzen. Sowohl im Widerspruchsbescheid vom 31. August 2012 als auch im Schriftsatz der Beklagten vom 10. Januar 2013 wird eine Beauftragung durch das Jobcenter nur behauptet.

c) Sofern das Sozialgericht einen wirksamen Übertragungsakt feststellen sollte, wird es weiter darüber zu befinden haben, ob auf das Rechtsgeschäft zwischen dem Jobcenter Vogtlandkreis und der Beklagten die Regelungen in §§ 88 ff. des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) anwendbar sind (vgl. zum Streitstand z. B. Knapp, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I [4. Aufl., 2015], § 44b Rdnr. 104, m. w. N.). Die Beantwortung dieser Frage hat unter anderem Bedeutung für die weitere Frage, ob die mit dem (hier unterstellten) Forderungseinzug betraute Beklagte die Forderung im Namen des Jobcenters oder im eigenen Namen geltend machen durfte, sowie für die Frage, ob die Beklagte oder das Jobcenter für die Entscheidung über den Widerspruch zuständig war (vgl. hierzu Knapp, a. a. O., Rdnr. 105, m. w. N.). Diese Punkte waren bislang nicht Gegenstand der Erörterungen im erstinstanzlichen Verfahren.

d) Ergänzend wird angemerkt, dass das Sozialgericht, sofern es diese beiden formellen Punkte im Sinne der Beklagten beurteilen sollte, die auch vom Klägerbevollmächtigten gerügte Rechtmäßigkeit der Mahnung zu prüfen haben wird. Denn die Erhebung einer Mahngebühr setzt eine rechtmäßige Mahnung voraus.

2. Die Rechtsverfolgung durch die Klägerin ist nicht mutwillig.

Mutwillig ist nach mit Wirkung vom 1. Januar 2014 eingeführten Legaldefinition in § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Abs. 2 ZPO (vgl. Artikel 1 Nr. 2 Buchst. b des Gesetzes vom 31. August 2013 [BGBl. I S. 3533]) die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Der Umstand, dass vorliegend lediglich die Erhebung einer Mahngebühr in Höhe von 1,00 EUR streitig ist, begründet keine Mutwilligkeit in diesem Sinne. Denn das Bundesverfassungsgericht hat zur Frage, ob die Beiordnung eines Rechtsanwaltes erforderlich erscheint (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 121 Abs. 2 Alt. 1 ZPO), mehrfach entschieden, dass es verfassungsrechtlich nicht zulässig sei, diese Frage auf eine ausschließliche Beurteilung des Verhältnisses von Streitwert und Kostenrisiko zu reduzieren. Es erscheine keinesfalls fernliegend, dass ein Bemittelter auch verhältnismäßig hohe Rechtsanwaltskosten nicht scheue, wenn er mit einem Obsiegen und der Erstattung seiner Aufwendungen rechne (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2011 – 1 BvR 1737/10NJW 2011, 2039 = juris Rdnr. 17; BVerfG, Beschluss vom 24. März 2011 – 1 BvR 2493/10NZS 2011, 775 = ZFSH/SGB 2011, 475 = juris Rdnr. 18). Dies gilt entsprechend auch für die Mutwilligkeit im Sinne von § 114 Abs. 2 ZPO.

3. Die Klägerin ist ausweislich der vorliegenden Unterlagen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.

4. Die Vertretung der Klägerin zu 2 durch eine Prozessbevollmächtigte erscheint erforderlich (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO).

IV. Dieser Beschluss ergeht gerichtskostenfrei (vgl. § 183 SGG). Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (vgl. § 202 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).

V. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).

Dr. Scheer Höhl Atanassov
Rechtskraft
Aus
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