Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 163 U 56/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 96/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. März 2015 wird als unzulässig verworfen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Für die Klägerin haben ihre damaligen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwälte G, A u.a., am 21. Januar 2013 Klage zum Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Der Sache nach hat die Klägerin wegen der Folgen eines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls für die Zeit nach dem 27. August 2011 einen Verletztenrentenanspruch geltend gemacht. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 10. März 2015, welches aufgrund einer im Beisein der Klägerin durchgeführten mündlichen Verhandlung ergangen ist, als unbegründet abgewiesen. Das mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Urteil ist den damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin per Empfangsbekenntnis vom 23. März 2015 zugestellt worden.
Die Klägerin selbst hat mit am 07. Juli 2015 beim SG eingegangenem Schreiben Berufung eingelegt und u.a. zur Begründung ausgeführt, Rechtsanwalt G habe ihr das Gerichtsurteil von März bis Juni 2015 vorenthalten; hätte sie in der Kanzlei nicht angerufen, hätte sie bis dato nichts vom Urteil gewusst. Die Berufung ist ans Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) weitergeleitet worden. Die Klägerin ist von dort mit Richterschreiben vom 17. Juli 2015 auf die Versäumung der Berufungsfrist hingewiesen und ihr ist Gelegenheit gegeben worden, die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand glaubhaft zu machen. Nachdem die Klägerin hierauf nicht reagiert hatte, ist sie mit weiterem Richterschreiben vom 15. September 2015 darauf hingewiesen worden, dass angesichts der Verfristung der Berufung nunmehr beabsichtigt sei, diese durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen. Hierauf hat die Klägerin mit Schreiben vom 01. Oktober 2015 vorgetragen, dass sie im April 2015 umgezogen sei und hiervon ihren ehemaligen Anwalt, Herrn A, in Kenntnis gesetzt habe. Seitdem sei der Briefkasten ihrer alten Wohnung (Bstraße) ständig geleert worden. Außerdem sei ein Nachsendeantrag mit ihrer neuen Anschrift (Mstraße) gestellt worden. Bei ihrem Telefongespräch vom 08. Juni 2015 habe sie vom Rechtsanwalt die Antwort erhalten, dass er das Urteil an ihre alte Anschrift gesandt habe und die neue Anschrift ihm fremd sei, was sie nicht nachvollziehen könne. Sie vermute, ihre Berufung sei nicht erwünscht. Sie habe das Urteil daraufhin erst am 11. Juni 2015 erhalten. Deshalb habe sie die Berufung nicht früher einreichen können.
Der Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. März 2015 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 09. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Dezember 2012 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 28. August 2009 eine Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und die Berufung für verfristet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist als unzulässig zu verwerfen. Sie ist erst nach Ablauf der Berufungsfrist eingelegt worden. Hieraus folgt die Befugnis des Senats, die Berufung gemäß § 158 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) – jedenfalls nach der hier durchgeführten Anhörung der Klägerin (vgl. zum Anhörungserfordernis Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG – Kommentar, 11. Aufl. 2014, § 158 Rn. 8) - durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen.
Die Berufungsfrist ist versäumt. Grundsätzlich beträgt die Berufungsfrist gemäß § 151 Abs. 1 SGG einen Monat nach Zustellung der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung. Diese Frist gilt gemäß § 66 Abs. 1 SGG nur dann nicht, wenn – anders als hier - die Rechtsmittelbelehrung fehlerhaft ist. Hiervon ausgehend begann die Monatsfrist gemäß § 64 Abs. 1 SGG mit dem Tag nach der per Empfangsbekenntnis an die Prozessbevollmächtigten auf den 23. März 2015 bewirkten Zustellung, mithin am 24. März 2015 zu laufen. Nach § 73 Abs. 6 S. 6 SGG musste die Zustellung an die bis dahin bestellten Prozessbevollmächtigten gerichtet werden. Anhaltspunkte dafür, dass Rechtsanwälte G, A u.a. im Zeitpunkt der Zustellung nicht mehr von der Klägerin mandatiert waren, sind weder aufgrund des klägerischen Vorbringens noch sonst ersichtlich. Die Frist endete demgemäß nach § 64 Abs. 2 S. 1 SGG mit Ablauf desjenigen Tages, welcher seiner Zahl nach dem Tag entspricht, in den das Ereignis fällt, mithin am Donnerstag, dem 23. April 2015. Demgegenüber ist die Berufungsschrift erst am Dienstag, dem 07. Juli 2015 und damit deutlich zu spät beim SG eingegangen.
Es liegt auch nichts für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor, welche nach § 67 SGG voraussetzt, dass die Klägerin ohne Verschulden verhindert war, die Berufungsfrist einzuhalten (Abs. 1), dass die versäumte Rechtshandlung binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt wird (Abs. 2 S. 1 und S. 3) und die Tatsachen zur Begründung der Wiedereinsetzung glaubhaft gemacht werden (Abs. 2 S. 2).
Vorliegend kann schon deshalb keine Wiedereinsetzung gewährt werden, weil die Klägerin trotz gerichtlichen Hinweises nicht glaubhaft gemacht hat, die Berufungsfrist unverschuldet versäumt zu haben. Verschulden bedeutet das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Hieraus folgt, dass der Beteiligte zum Ausschluss des Verschuldens diejenige Sorgfalt walten lassen muss, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung zuzumuten ist. Das Verschulden muss für die Fristversäumnis ursächlich geworden sein (etwa Keller in: Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG – Kommentar, 11. Aufl. 2014, § 67 Rn. 3). Das Verschulden etwa eines Prozessbevollmächtigten steht dem Verschulden des Beteiligten gleich, vgl. § 73 Abs. 6 S. 7 SGG i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Zur Glaubhaftmachung genügt die Herbeiführung der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen (Keller, a.a.O., Rn. 10d).
Dies zugrunde gelegt hat die Klägerin in ihrem Schreiben vom 01. Oktober 2015 nichts dargetan, was für eine Glaubhaftmachung des fehlenden ursächlichen Verschuldens genügen könnte. Vielmehr hat sie Tatsachen vorgetragen, aus denen zu folgern ist, dass die verspätete Berufungseinlegung zwar nicht auf ihrem, sondern auf dem Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten beruht. Dies reicht für die Glaubhaftmachung fehlenden Verschuldens gerade nicht aus und schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Im Einzelnen:
Der Prozessbevollmächtigte hat seine Partei so rechtzeitig - zweckmäßigerweise sofort nach Eingang des Urteils - vom Zeitpunkt der Urteilszustellung in Kenntnis zu setzen und sie über die daraus folgenden Umstände der Rechtsmitteleinlegung zu unterrichten, dass die Partei auch unter Berücksichtigung einer ausreichenden Überlegungsfrist noch innerhalb der Rechtsmittelfrist den Auftrag zur Einlegung des Rechtsmittels erteilen kann (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 23. Mai 2007 – IV ZB 48/05 –, zitiert nach juris Rn. 7) bzw. selbst ein Rechtsmittel einlegen kann. Hieran gemessen ergibt sich das Verschulden der Prozessbevollmächtigten unter Zugrundelegung des Vorbringens der Klägerin allein schon daraus, dass jene ihr nicht rechtzeitig, d.h. so, dass sie noch unter Wahrung der Rechtsmittelfrist Berufung hätte einlegen können, das angefochtene Urteil zugänglich gemacht haben, sondern erst, nachdem die Klägerin dort – nach Ablauf der Berufungsfrist – im Juni angerufen hatte. Anhaltspunkte dafür, dass die Prozessbevollmächtigten, nachdem sie nach dem klägerischen Vorbringen vom Umzug und der neuen Anschrift der Klägerin in Kenntnis gesetzt worden waren, das Urteil an die Klägerin ordnungsgemäß adressiert und frankiert, mithin unter Wahrung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt an sie absandten, bestehen angesichts der von der Klägerin vorgetragenen fruchtlosen regelmäßigen Leerung des Briefkastens ihrer alten Wohnung und des gestellten Nachsendeantrags nicht; sie selbst bezweifelt sogar ausdrücklich, dass die Anwälte ihr das Urteil zugänglich machen wollten. Das eben darin liegende, sich aus dem Vorbringen der Klägerin ergebende Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten ist ihr nach § 73 Abs. 6 S. 6 SGG zuzurechnen. Auf ein eigenes (fehlendes) Verschulden der Klägerin an der Fristversäumung kommt es bei Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten nicht mehr an (vgl. nochmals BGH, a.a.O., Rn. 10).
Dies zugrunde gelegt war die nach ihrem Vorbringen verspätete Unterrichtung der Klägerin für die Versäumung der Frist auch jedenfalls mitursächlich. Aus ihrem Verhalten nach dem 11. Juni 2015, als sie das Urteil von den Prozessbevollmächtigten eigenen Angaben zufolge letztlich erhielt, ergibt sich, dass sie die Berufung bei pflichtgemäßem Verhalten ihrer Prozessbevollmächtigten rechtzeitig eingelegt hätte. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Revisionszulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG vorliegt.
Gründe:
I.
Für die Klägerin haben ihre damaligen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwälte G, A u.a., am 21. Januar 2013 Klage zum Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Der Sache nach hat die Klägerin wegen der Folgen eines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls für die Zeit nach dem 27. August 2011 einen Verletztenrentenanspruch geltend gemacht. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 10. März 2015, welches aufgrund einer im Beisein der Klägerin durchgeführten mündlichen Verhandlung ergangen ist, als unbegründet abgewiesen. Das mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Urteil ist den damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin per Empfangsbekenntnis vom 23. März 2015 zugestellt worden.
Die Klägerin selbst hat mit am 07. Juli 2015 beim SG eingegangenem Schreiben Berufung eingelegt und u.a. zur Begründung ausgeführt, Rechtsanwalt G habe ihr das Gerichtsurteil von März bis Juni 2015 vorenthalten; hätte sie in der Kanzlei nicht angerufen, hätte sie bis dato nichts vom Urteil gewusst. Die Berufung ist ans Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) weitergeleitet worden. Die Klägerin ist von dort mit Richterschreiben vom 17. Juli 2015 auf die Versäumung der Berufungsfrist hingewiesen und ihr ist Gelegenheit gegeben worden, die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand glaubhaft zu machen. Nachdem die Klägerin hierauf nicht reagiert hatte, ist sie mit weiterem Richterschreiben vom 15. September 2015 darauf hingewiesen worden, dass angesichts der Verfristung der Berufung nunmehr beabsichtigt sei, diese durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen. Hierauf hat die Klägerin mit Schreiben vom 01. Oktober 2015 vorgetragen, dass sie im April 2015 umgezogen sei und hiervon ihren ehemaligen Anwalt, Herrn A, in Kenntnis gesetzt habe. Seitdem sei der Briefkasten ihrer alten Wohnung (Bstraße) ständig geleert worden. Außerdem sei ein Nachsendeantrag mit ihrer neuen Anschrift (Mstraße) gestellt worden. Bei ihrem Telefongespräch vom 08. Juni 2015 habe sie vom Rechtsanwalt die Antwort erhalten, dass er das Urteil an ihre alte Anschrift gesandt habe und die neue Anschrift ihm fremd sei, was sie nicht nachvollziehen könne. Sie vermute, ihre Berufung sei nicht erwünscht. Sie habe das Urteil daraufhin erst am 11. Juni 2015 erhalten. Deshalb habe sie die Berufung nicht früher einreichen können.
Der Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. März 2015 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 09. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Dezember 2012 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 28. August 2009 eine Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und die Berufung für verfristet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist als unzulässig zu verwerfen. Sie ist erst nach Ablauf der Berufungsfrist eingelegt worden. Hieraus folgt die Befugnis des Senats, die Berufung gemäß § 158 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) – jedenfalls nach der hier durchgeführten Anhörung der Klägerin (vgl. zum Anhörungserfordernis Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG – Kommentar, 11. Aufl. 2014, § 158 Rn. 8) - durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen.
Die Berufungsfrist ist versäumt. Grundsätzlich beträgt die Berufungsfrist gemäß § 151 Abs. 1 SGG einen Monat nach Zustellung der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung. Diese Frist gilt gemäß § 66 Abs. 1 SGG nur dann nicht, wenn – anders als hier - die Rechtsmittelbelehrung fehlerhaft ist. Hiervon ausgehend begann die Monatsfrist gemäß § 64 Abs. 1 SGG mit dem Tag nach der per Empfangsbekenntnis an die Prozessbevollmächtigten auf den 23. März 2015 bewirkten Zustellung, mithin am 24. März 2015 zu laufen. Nach § 73 Abs. 6 S. 6 SGG musste die Zustellung an die bis dahin bestellten Prozessbevollmächtigten gerichtet werden. Anhaltspunkte dafür, dass Rechtsanwälte G, A u.a. im Zeitpunkt der Zustellung nicht mehr von der Klägerin mandatiert waren, sind weder aufgrund des klägerischen Vorbringens noch sonst ersichtlich. Die Frist endete demgemäß nach § 64 Abs. 2 S. 1 SGG mit Ablauf desjenigen Tages, welcher seiner Zahl nach dem Tag entspricht, in den das Ereignis fällt, mithin am Donnerstag, dem 23. April 2015. Demgegenüber ist die Berufungsschrift erst am Dienstag, dem 07. Juli 2015 und damit deutlich zu spät beim SG eingegangen.
Es liegt auch nichts für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor, welche nach § 67 SGG voraussetzt, dass die Klägerin ohne Verschulden verhindert war, die Berufungsfrist einzuhalten (Abs. 1), dass die versäumte Rechtshandlung binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt wird (Abs. 2 S. 1 und S. 3) und die Tatsachen zur Begründung der Wiedereinsetzung glaubhaft gemacht werden (Abs. 2 S. 2).
Vorliegend kann schon deshalb keine Wiedereinsetzung gewährt werden, weil die Klägerin trotz gerichtlichen Hinweises nicht glaubhaft gemacht hat, die Berufungsfrist unverschuldet versäumt zu haben. Verschulden bedeutet das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Hieraus folgt, dass der Beteiligte zum Ausschluss des Verschuldens diejenige Sorgfalt walten lassen muss, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung zuzumuten ist. Das Verschulden muss für die Fristversäumnis ursächlich geworden sein (etwa Keller in: Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG – Kommentar, 11. Aufl. 2014, § 67 Rn. 3). Das Verschulden etwa eines Prozessbevollmächtigten steht dem Verschulden des Beteiligten gleich, vgl. § 73 Abs. 6 S. 7 SGG i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Zur Glaubhaftmachung genügt die Herbeiführung der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen (Keller, a.a.O., Rn. 10d).
Dies zugrunde gelegt hat die Klägerin in ihrem Schreiben vom 01. Oktober 2015 nichts dargetan, was für eine Glaubhaftmachung des fehlenden ursächlichen Verschuldens genügen könnte. Vielmehr hat sie Tatsachen vorgetragen, aus denen zu folgern ist, dass die verspätete Berufungseinlegung zwar nicht auf ihrem, sondern auf dem Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten beruht. Dies reicht für die Glaubhaftmachung fehlenden Verschuldens gerade nicht aus und schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Im Einzelnen:
Der Prozessbevollmächtigte hat seine Partei so rechtzeitig - zweckmäßigerweise sofort nach Eingang des Urteils - vom Zeitpunkt der Urteilszustellung in Kenntnis zu setzen und sie über die daraus folgenden Umstände der Rechtsmitteleinlegung zu unterrichten, dass die Partei auch unter Berücksichtigung einer ausreichenden Überlegungsfrist noch innerhalb der Rechtsmittelfrist den Auftrag zur Einlegung des Rechtsmittels erteilen kann (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 23. Mai 2007 – IV ZB 48/05 –, zitiert nach juris Rn. 7) bzw. selbst ein Rechtsmittel einlegen kann. Hieran gemessen ergibt sich das Verschulden der Prozessbevollmächtigten unter Zugrundelegung des Vorbringens der Klägerin allein schon daraus, dass jene ihr nicht rechtzeitig, d.h. so, dass sie noch unter Wahrung der Rechtsmittelfrist Berufung hätte einlegen können, das angefochtene Urteil zugänglich gemacht haben, sondern erst, nachdem die Klägerin dort – nach Ablauf der Berufungsfrist – im Juni angerufen hatte. Anhaltspunkte dafür, dass die Prozessbevollmächtigten, nachdem sie nach dem klägerischen Vorbringen vom Umzug und der neuen Anschrift der Klägerin in Kenntnis gesetzt worden waren, das Urteil an die Klägerin ordnungsgemäß adressiert und frankiert, mithin unter Wahrung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt an sie absandten, bestehen angesichts der von der Klägerin vorgetragenen fruchtlosen regelmäßigen Leerung des Briefkastens ihrer alten Wohnung und des gestellten Nachsendeantrags nicht; sie selbst bezweifelt sogar ausdrücklich, dass die Anwälte ihr das Urteil zugänglich machen wollten. Das eben darin liegende, sich aus dem Vorbringen der Klägerin ergebende Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten ist ihr nach § 73 Abs. 6 S. 6 SGG zuzurechnen. Auf ein eigenes (fehlendes) Verschulden der Klägerin an der Fristversäumung kommt es bei Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten nicht mehr an (vgl. nochmals BGH, a.a.O., Rn. 10).
Dies zugrunde gelegt war die nach ihrem Vorbringen verspätete Unterrichtung der Klägerin für die Versäumung der Frist auch jedenfalls mitursächlich. Aus ihrem Verhalten nach dem 11. Juni 2015, als sie das Urteil von den Prozessbevollmächtigten eigenen Angaben zufolge letztlich erhielt, ergibt sich, dass sie die Berufung bei pflichtgemäßem Verhalten ihrer Prozessbevollmächtigten rechtzeitig eingelegt hätte. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Revisionszulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG vorliegt.
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