L 32 AS 645/15 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 59 AS 30977/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 645/15 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. Januar 2015 aufgehoben. Dem Sozialgericht werden die weiteren Anordnungen zur Feststellung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse übertragen.

Gründe:

I.

Die Kläger begehren von dem Beklagten höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Juni 2009 bis 31. Mai 2011 ohne Anrechnung einer Rente nach dem Gesetz über die Anerkennung und Versorgung der politisch, rassisch oder religiös Verfolgten des Nationalsozialismus in der Fassung vom 21. Januar 1991 und vom 9. Dezember 1998 (GVBl Berlin 1991, 38 und 1998, 419) - PrVG.

Die im Juli 1964 geborene Klägerin zu 1, deren Ehemann, der im November 1940 geborene A P, sowie deren gemeinsamen Kinder, die im November 1996 geborene Klägerin zu 2 und der im Dezember 2004 geborene Kläger zu 3, bewohnen in Bedarfsgemeinschaft eine Wohnung in der Bstraße in B.

A P bezieht eine Rente nach dem PrVG, die am 1. April 2008 1.131,06 Euro (305,24 Euro Grundrente und 825,82 Euro Ausgleichsrente) betrug (Bescheid des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde vom 14. Juli 2008). Diese Rente wurde mit Bescheid vom 8. März 2011 ab 1. Januar 2011 auf 734,99 Euro (305,24 Euro Grundrente und 429,75 Euro Ausgleichsrente), mit Bescheid vom 5. Juli 2011 ab 1. Januar 2011 auf 752,99 Euro (305,24 Euro Grundrente und 447,75 Euro Ausgleichsrente) und ab 1. Juni 2011 auf 1.131,06 Euro (305,24 Euro Grundrente und 825,82 Euro Ausgleichsrente), mit Bescheid vom 9. Dezember 2011 ab 1. Januar 2011 auf 798,23 Euro und mit Bescheid vom 28. August 2012 ab 1. Dezember 2008 auf 1.131,06 Euro (305,24 Euro Grundrente und 825,82 Euro Ausgleichsrente), ab 1. Januar 2011 auf 911,23 Euro (317,45 Euro Grundrente und 593,78 Euro Ausgleichsrente) und ab 1. Juni 2011 auf 1.176,30 Euro (317,45 Euro Grundrente und 858,85 Euro Ausgleichsrente) festgesetzt.

Mit Bescheid vom 23. November 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. November 2009 hatte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juni 2009 bis 30. November 2009 vorläufig bewilligt. Als sonstiges Einkommen wurden - mit dem Hinweis, es handele sich um das übersteigende Einkommen des AP aus der Ausgleichsrente und dem Wohngeld, wobei die Grundrente anrechnungsfrei bleibe - ab Juni 2009 420,52 Euro und ab Juli 2009 413,52 Euro berücksichtigt.

Mit Bescheid vom 14. Januar 2010 hatte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Dezember 2009 bis 31. Mai 2010 vorläufig bewilligt.

Mit Änderungsbescheid vom 3. Juni 2010 hatte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. März 2010 bis 31. Mai 2010 bewilligt.

Mit Bescheid vom 3. Juni 2010 hatte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis 30. November 2010 vorläufig bewilligt. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass es sich bei dem angerechneten sonstigen Einkommen um das übersteigende Einkommen des A P aus der Ausgleichsrente und dem Wohngeld, wobei die Grundrente anrechnungsfrei bleibe, handele.

Mit Änderungsbescheid vom 6. Juli 2010 hatte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Dezember 2009 bis 28. Februar 2010 bewilligt. Dabei wurden als sonstiges Einkommen 300,52 Euro berücksichtigt. Es wurde darauf hingewiesen, dass beim übersteigenden Einkommen des A P kein Wohngeld angerechnet worden sei.

Mit Änderungsbescheid vom 6. Juli 2010 hatte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. März 2010 bis 31. Mai 2010 bewilligt. Als sonstiges Einkommen wurden 300,52 Euro berücksichtigt. Es wurde darauf hingewiesen, dass beim übersteigenden Einkommen des A P kein Wohngeld angerechnet worden sei.

Mit Bescheid vom 6. Juli 2010 hatte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis 30. November 2010 bewilligt. Als sonstiges Einkommen wurden - mit dem Hinweis, es handele sich um das übersteigende Einkommen des AP aus der Ausgleichsrente und dem Wohngeld, wobei die Grundrente anrechnungsfrei bleibe - ab Juni 2010 300,52 Euro, ab Juli 2010 431,52 Euro und ab August 2010 710,21 Euro berücksichtigt.

Mit Änderungsbescheid vom 6. August 2010 hatte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. August 2010 bis 30. November 2010 bewilligt. Als sonstiges Einkommen wurden 710,27 Euro berücksichtigt.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 15. September 2010 hatte der Beklagte die Entscheidungen vom 6. Juli 2010 in Form des Änderungsbescheides vom 6. August 2010 für den Zeitraum vom 1. Juli 2010 bis 31. August 2010 teilweise in Höhe von 224 Euro aufgehoben und Erstattung dieses Betrages verlangt. Als sonstiges Einkommen wurden ab Juli 2010 431,52 Euro und ab August 2010 710,27 Euro angerechnet.

Mit Bescheid vom 1. Dezember 2010 hatte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis 31. Mai 2011 bewilligt. Als sonstiges Einkommen wurden - mit dem Hinweis, es handele sich um das übersteigende Einkommen des AP aus der Ausgleichsrente und dem Wohngeld, wobei die Grundrente anrechnungsfrei bleibe - 449,07 Euro berücksichtigt.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 24. Februar 2011 hatte der Beklagte die Entscheidungen vom 6. Juli 2010, 6. August 2010 und 1. Dezember 2010 für den Zeitraum vom 1. November 2010 bis 30. November 2010 ganz und vom 1. Januar 2011 bis 28.Februar 2011 teilweise in Höhe von 160 Euro aufgehoben und Erstattung von 206,98 Euro verlangt.

Mit Änderungsbescheid vom 28. Februar 2011 hatte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. Mai 2011 bewilligt. Als sonstiges Einkommen wurden 449,07 Euro berücksichtigt.

Mit Änderungsbescheid vom 24. März 2011 hatte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. Mai 2011 bewilligt. Als sonstiges Einkommen wurden 341,20 Euro berücksichtigt. Zur Begründung wurde eine Minderung der PrV-Rente angegeben.

Mit Schreiben vom 30. März 2011 beantragten die Kläger, alle erteilten Bewilligungs- und Änderungsbescheide für die Zeit ab 1. Juni 2009 sowie alle Aufhebungs- und Erstattungsbescheide nach § 44 SGB X zu überprüfen.

Mit Änderungsbescheid vom 14. Oktober 2011 hatte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. Mai 2011 bewilligt. Als sonstiges Einkommen wurden 35,96 Euro berücksichtigt. Zur Begründung wurde angegeben, dass das den Bedarf des Ehemannes übersteigende Einkommen aus der Ausgleichsrente neu berechnet worden sei.

Mit Änderungsbescheid vom 9. Juli 2012 hatte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Dezember 2009 bis 31. Dezember 2009 bewilligt. Als sonstiges Einkommen wurden 300,52 Euro berücksichtigt. Zur Begründung wurde die Berücksichtigung der Nachzahlung aus der Heiz- und Betriebskostenabrechnung 2008 entsprechend des Gerichtsbescheides vom 29. März 2012 angegeben.

Mit Bescheid vom 22. August 2011 lehnte der Beklagte eine Überprüfung ab, da weder die schriftliche Vollmacht noch die angekündigte Antragsbegründung eingereicht worden seien. Eine Rechtsmittelbelehrung enthielt dieser Bescheid nicht.

Mit dem dagegen am 22. August 2012 unter Vorlage einer Vollmacht eingelegten Widerspruch verwiesen die Kläger zur Begründung ihres Widerspruches auf ihre Ausführungen im Verfahren S 61 AS 14324/09 vor dem Sozialgericht Berlin. Die A P gewährte Verfolgtenrente sei nicht, jedenfalls aber nur in geringerer Höhe anzurechnen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück: Mit dem Überprüfungsantrag sei lediglich pauschal Überprüfung beantragt worden. Damit seien keine bestandskräftigen Bescheide konkretisiert worden. § 44 SGB X umfasse nur eine Korrektur eines bestandskräftigen Bescheides "im Einzelfall" und bezogen auf "den Verwaltungsakt". Der pauschale Überprüfungsantrag sei schon gar nicht von § 44 SGB X erfasst. Aufgrund der pauschalen Beantragung sei nicht erkennbar, welcher Verwaltungsakt im Einzelnen zur Überprüfung gestellt worden sei und "im Einzelfall" rechtswidrig sein könnte. Des Weiteren fehle es an der Darlegung konkreter Gründe für die Überprüfung, so dass der Beklagte von einer Sachprüfung habe absehen dürfen.

Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2012 verwarf der Beklagte den gegen den Bescheid vom 9. Juli 2012 eingelegten Widerspruch als unzulässig.

Mit Änderungsbescheid vom 12. November 2012 hatte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Februar 2011 bis 28. Februar 2011 bewilligt. Als weiteres Einkommen wurden 368 Euro berücksichtigt.

Mit der am 30. November 2012 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage begehren die Kläger höhere Leistungen für die Zeit ab 1. Juni 2009 unter Aufhebung der Bescheide vom 22. August 2011 und vom 9. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2012 sowie aller Aufhebungs- und Erstattungsbescheide.

Am 28. Januar 2013 haben sie Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt und dazu am 12. März 2013 die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen vorgelegt.

Die Kläger weisen darauf hin, dass der Beklagte erstmals im Bewilligungsbescheid vom 9. Dezember 2008 die PrV-Rente teilweise als Einkommen auf die den Klägern zustehenden Leistungen nach dem SGB II angerechnet habe. Dazu sei Klage (S 61 AS 14324/09) geführt worden. Gegen die dortige ablehnende Entscheidung des Sozialgerichts über ihr Prozesskostenhilfegesuch habe das Landessozialgericht durch Beschluss vom 4. April 2012 positiv entschieden.

Der Beklagte meint, der Bescheid vom 9. Juli 2012 sei als lediglich Umsetzung des Teilanerkenntnisses im gerichtlichen Verfahren S 157 AS 15617/10 nicht widerspruchsfähig.

Mit Beschluss vom 21. Januar 2015 hat das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt: Zutreffend habe der Beklagte die begehrte Überprüfung abgelehnt, denn es mangele bereits an einem hinreichend objektiv konkretisierbaren Antrag im Sinne des § 44 SGB X. Die Kläger hätten im Verwaltungsverfahren bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens im Einzelfall keine Anhaltspunkte genannt, woraus sich eine Rechtswidrigkeit der Bescheide hätten ergeben können. Auch bestünden keine Erfolgsaussichten der Klage gegen den Bescheid vom 9. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2012. Zwar habe der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 9. Juli 2012 unzutreffend als unzulässig verworfen. Dieser Bescheid habe nicht zum Gegenstand des Verfahrens S 157 AS 15617/10 werden können, weil zu diesem Zeitpunkt das Klageverfahren bereits erledigt gewesen sei. Jedoch habe der Beklagte im Dezember 2009 die Rente nach dem PrVG des mit den Klägern in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden A P in Höhe der Ausgleichsrente (825,82 Euro) zutreffend angerechnet und in Höhe des seinen Bedarf übersteigenden Teils als bei der Klägerin zu 1 anrechenbares Einkommen in Höhe von 300,52 Euro gemäß § 11 SGB II berücksichtigt. Die Ausgleichsrente nach dem PrVG erfülle keinen der Ausnahmetatbestände des § 11 SGB II. Es handele sich auch nicht um eine zweckbestimmte Zuwendung nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II. Nur die gemäß § 13 Abs. 1 PrVG gewährte Grundrente dürfte dem Zweck des Ausgleichs des erlittenen Verfolgungsschicksals dienen. Die Ausgleichsrente diene demgegenüber der Sicherstellung einer angemessenen Lebensführung und damit dem gleichen Zweck wie die Leistungen nach dem SGB II. Auch sprächen die Bezeichnungen der Rentenanteile als "Grund- und Ausgleichsrente" für diese Rechtsauffassung, denn diese Begriffe würden auch in § 31 ff. Bundesversorgungsgesetz (BVG) in der Weise verwendet, dass nur die Grundrente eine Art Schadensausgleich darstelle, während die Ausgleichsrente Ersatzfunktion habe (BSG, Urteil vom 5. September 2007 – B 11b AS 15/06 R). Dies finde seine Entsprechung in § 11 SGB II, wonach die Grundrente nach dem BVG folgerichtig nicht als Einkommen angerechnet werde.

Gegen diesen ihrem Prozessbevollmächtigten am 28. Januar 2015 zugestellten Beschluss richtet sich die am 2. März 2015, einem Montag, eingelegte Beschwerde der Kläger.

Sie verweisen darauf, dass sie im Widerspruchsverfahren unmissverständlich erklärt hätten, unter welchem Aspekt sie die genannten Bescheide hätten überprüft wissen wollen. Unschädlich sei daher, dass die zu überprüfenden Bescheide nicht genau, etwa durch Angabe des jeweiligen Erlassdatums, bezeichnet worden seien. Die Rechtslage sei alles andere als eindeutig, so dass Prozesskostenhilfe zu bewilligen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten (Behelfsakten II bis IV, ), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht abgelehnt, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig (§ 114 Abs. 2 ZPO) erscheint.

Hinreichende Erfolgsaussicht ist, soweit die Entscheidung des Rechtsstreits allein von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhängt, anzunehmen, wenn zum maßgebenden Zeitpunkt der Erfolgsprüfung der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Dies ist der Fall, wenn der Rechtsstandpunkt des Prozesskostenhilfe beantragenden Beteiligten für zutreffend oder zumindest für vertretbar gehalten werden kann und somit die Möglichkeit seines Obsiegens ebenso wahrscheinlich wie sein Unterliegen ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 11. Auflage, § 73a Rdnrn. 7a und 7d). Ist eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt ist, aber klärungsbedürftig ist, muss Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Ebenso gilt dies, wenn das Gericht von Rechtsprechung oder der herrschenden Meinung im Schrifttum abweichen will. Schließlich darf Prozesskostenhilfe nicht abgelehnt werden, wenn eine schwierige Rechtsfrage zu beantworten ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 73a Rdnr. 7b m.w.N.).

Bei summarischer Prüfung in tatsächlicher Hinsicht unter Zugrundelegung der maßgebenden Rechtsgrundlagen ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass der geltend gemachte Anspruch zusteht, im Hinblick auf die ungeklärte Rechtsfrage zur Anrechnung der Rente nach dem PrVG zu bejahen.

Als Rechtsgrundlage kommt § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Betracht. Danach gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Ergänzend bestimmt § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der ab 1. April 2011 geltenden Fassung, dass § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X mit der Maßgabe gilt, dass anstelle des Zeitraums von 4 Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt. Nach § 77 Abs. 13 SGB II ist § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II (jedoch) nicht auf Anträge nach § 44 SGB X anwendbar, die vor dem 1. April 2011 gestellt worden sind.

§ 44 Abs. 4 SGB X ordnet an: Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts mangelt es nicht an einem hinreichend objektiv konkretisierten Antrag im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

Ein solcher Antrag liegt vor, wenn entweder aus dem Antrag selbst – gegebenenfalls nach Auslegung – oder aus einer Antwort des Leistungsberechtigten aufgrund konkreter Nachfrage des Sozialleistungsträgers der Umfang des Prüfungsauftrags für die Verwaltung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar werden. Wenn hingegen nicht ein einzelner oder mehrere konkrete, ihrer Zahl nach bestimmbare Verfügungssätze von Verwaltungsakten, sondern das Verwaltungshandeln insgesamt zur Überprüfung durch die Verwaltung gestellt wird, wird keine Prüfung im Einzelfall begehrt. Eine Entbindung von der inhaltlichen Prüfung setzt allerdings voraus, dass der Sozialleistungsträger "den Einzelfall", also die konkreten Inhalte eines bestimmten Bescheides, die zur Überprüfung gestellt werden sollen, bei objektiver Betrachtung nicht ermitteln kann. Ein Prüfanliegen "im Einzelfall" ist daher zu bejahen, wenn entweder eine bestimmte Fragestellung tatsächlicher oder rechtlicher Natur oder eine konkrete Verwaltungsentscheidung benannt wird (BSG, Urteil vom 13. Februar 2014 – B 4 AS 22/13 R, Rdnrn. 13 bis 15, zitiert nach juris). Der Benennung einer bestimmten Fragestellung genügt hingegen nicht die Angabe von Prüfungspunkten, die sich in jedem Bescheid über Leistungen nach dem SGB II stellen, soweit kein einzelner oder mehrere konkrete Verwaltungsakte bezeichnet sind (BSG, Urteil vom 28. Oktober 2014 – B 14 AS 39/13 R, Rdnr. 16, zitiert nach juris), denn in einem solchen Fall beschreiben solche Prüfpunkte keinen Einzelfall, sondern bedeuten einen dem § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht genügenden Pauschalantrag.

Der mit Schreiben vom 30. März 2011 gestellte Antrag auf Überprüfung genügte zwar noch nicht den genannten Anforderungen an einen solchen Antrag, da weder ein oder mehrere Verwaltungsakte benannt wurden noch ein bestimmter Prüfungsumfang bezeichnet wurde. Eine einem bestimmten Prüfauftrag genügende Darstellung wurde jedoch im Widerspruchsverfahren vorgenommen, indem das Begehren nach höheren Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab 1. Juni 2009 mit der unzutreffenden Anrechnung der A P gewährten Verfolgtenrente konkretisiert wurde. Für den Beklagten wurde damit der Umfang des Prüfauftrages bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar.

Bei der Frage, ob und in welcher Höhe die A P gewährte Rente nach dem PrVG als Einkommen anzurechnen ist, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die in der Rechtsprechung insbesondere höchstrichterlich noch ungeklärt ist und deren Beantwortung sich nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz selbst als unzweifelhaft erschließt. Die von den Klägern vertretene Auffassung, dass die Rente nicht oder jedenfalls in geringerer Höhe als Einkommen anzurechnen ist, erweist sich angesichts dessen zumindest für vertretbar.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11 b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11 a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen.

Nach § 11 a Abs. 1 SGB II sind nicht als Einnahmen zu berücksichtigen u. a. 2. die Grundrente nach dem BVG und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, 3. die Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG.

Außerdem sind nach § 11 a Abs. 3 Satz 1 SGB II Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen.

Die letztgenannte Vorschrift dürfte im Zusammenhang mit § 11 a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 SGB II gebieten, die Rente nach dem PrVG lediglich insoweit nicht als Einkommen zu berücksichtigen, als davon die Grundrente, nicht jedoch die Ausgleichsrente betroffen ist.

Das PrVG verfolgt den Zweck, wie in § 1 Abs. 1 PrVG bestimmt, den Verfolgten des Nationalsozialismus (und ihren Hinterbliebenen) eine Anerkennung zuzusprechen. Als Verfolgte werden nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 PrVG anerkannt, Personen, die aus rassischen oder religiösen Gründen oder wegen ihres politischen oder ethisch begründeten Verhaltens oder aus anderen Gründen der nationalsozialistischen Ideologie von den Nationalsozialisten verfolgt worden sind. Die Leistungen nach diesem Gesetz stellen nach § 10 Abs. 3 PrVG eine besondere Betreuung des Landes Berlin für die Verfolgten des Nationalsozialismus dar.

Personen, die nach diesem Gesetz als Verfolgte des Nationalsozialismus anerkannt sind, erhalten Versorgung, wenn sie ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Lande Berlin haben (§ 10 Abs. 1 Satz 1PrVG). Die Versorgung umfasst u. a. eine monatliche Rente (§ 10 Abs. 2 Nr. 1 PrVG). Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 PrVG setzt sich die monatliche Rente aus einer Grundrente und einer Ausgleichsrente zusammen. Der Anspruch auf Rentenversorgung beginnt für Männer, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet habe (§ 12 Abs. 1 PrVG).

§ 14 PrVG enthält Regelungen, ob und inwieweit andere Leistungen auf diese Rente anzurechnen sind.

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 PrVG gilt: Eine aufgrund der Vorschriften über die Entschädigung der Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung gewährte Rente ist auf die Grund- und Ausgleichsrente des Rentenberechtigten voll anzurechnen; von einer nach den Vorschriften über die Versorgung der Opfer des Krieges gewährten Rente ist die Ausgleichsrente nur auf die Ausgleichsrente des Rentenberechtigten voll anzurechnen.

Eine Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung sieht auch das Bundesentschädigungsgesetz (BEG) vor. Nach § 3 BEG hat ein Verfolgter Anspruch auf Entschädigung nach diesem Gesetz. Verfolgter ist nach § 1 Abs. 1 BEG ein Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, der aus Gründen politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden ist und hierdurch Schaden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen, in seinem beruflichen oder in seinem wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat.

Mit dem In-Kraft-Treten des BEG sind zwar grundsätzlich alle sonstigen im Geltungsbereich dieses Gesetzes geltenden entschädigungsrechtlichen Vorschriften, die diesem Gesetz widersprechen, außer Kraft getreten (§ 228 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 BEG). Soweit diese Vorschriften weitergehende entschädigungsrechtliche Ansprüche gewähren, behält es hierbei zugunsten des bisher Anspruchsberechtigten sein Bewenden mit der Maßgabe, dass sich die verfahrensmäßige Behandlung und die Erfüllung dieser Ansprüche nach diesem Gesetz richten (§ 228 Abs. 2 Satz 2 BEG).

Angesichts vergleichbarer Zwecke des PrVG und des BEG und insbesondere im Hinblick auf § 14 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz PrVG, der eine vollständige Anrechnung einer Rente nach dem BEG auf die Rente nach dem PrVG vorsieht und damit dieselbe Zweckrichtung beider Gesetze als identisch ansieht, erscheint derjenigen Auslegung der Vorzug einzuräumen, die dies auch bei der Anwendung anderer Gesetze berücksichtigt. Da § 11 a Abs. 1 Nr. 3 SGB II Renten nach dem BEG für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit nur bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG bei der Einkommensanrechnung ausnimmt, dürfte dies für eine Rente nach dem PrVG in Auslegung des § 11 a Abs. 3 Satz 1 SGB II ebenfalls zu gelten haben, denn ansonsten würde unter Missachtung der in § 14 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz PrVG angeordneten Gleichstellung eine nicht gerechtfertigte Besserstellung der Empfänger einer Rente nach dem PrVG gegenüber denjenigen Empfängern einer Rente nach dem BEG eintreten. Dies bedeutet, dass die Rente nach dem PrVG zwar nicht mit ihrem Grundrentenanteil, jedoch mit ihrem Ausgleichsrentenanteil als Einkommen zu berücksichtigen ist.

Ungeachtet dieser nach Ansicht des Senates gebotenen Auslegung des § 11 a Abs. 3 Satz 1 SGB II bezüglich der Rente nach dem PrVG handelt es sich bei dieser Rechtsfrage um eine solche, die bisher insbesondere höchstrichterlich ungeklärt ist und die sich auch ansonsten nicht so eindeutig beantworten lässt, dass jede andere Art der Auslegung als nicht vertretbar erscheint.

Mithin kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht wegen mangelnder Aussicht auf Erfolg abgelehnt werden.

Die Vertretung der Kläger durch einen Rechtsanwalt erscheint geboten (§ 121 Abs. 2 ZPO).

Ob die Kläger die Kosten der Prozessführung nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen können, kann der Senat hingegen nicht entscheiden, weil keine entsprechende aktuelle Erklärung dazu vorliegt. Der Senat hat daher dem Sozialgericht insoweit die entsprechenden weiteren Anordnungen übertragen (§ 202 SGG i. V. m. § 572 Abs. 3 ZPO).

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundesozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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