L 13 R 1285/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 1863/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 1285/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 3. März 2015 wird abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2013 wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage vom 3. Februar 2016 verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten für eine in U. durchgeführte Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation sowie die Gewährung einer Kraftfahrzeughilfe.

Der 1957 in U. geborene Kläger hat in U. den Beruf des Maschinenschlossers erlernt. Seit 1. Juni 2002 erhält er von der Beklagten aufgrund psychischer Erkrankungen eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer. Beim Kläger ist ferner seit 10. März 2000 ein Grad der Behinderung von 50 anerkannt und seit Dezember 2006 die Pflegestufe I.

Sein Antrag auf Anerkennung der Pflegestufe II wurde von der D. B. - Pflegekasse mit Bescheid vom 28. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Januar 2013, gestützt auf das Gutachten der Pflegefachkraft L., MDK vom 14. August 2012, in dem der tägliche Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege auf 78 Minuten geschätzt wurde, abgelehnt. Das Sozialgericht Ulm (S 3 P537/13) wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13. September 2013 ab, nachdem die Pflegefachkraft R. im Gutachten vom 15. Juli 2013 einen zeitlichen Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege von 53 Minuten festgestellt hatte. Die dagegen eingelegte Berufung wurde vom Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 4 P 4264/13) mit Urteil vom 7. Mai 2014 zurückgewiesen.

Die Beigeladene 2.) lehnte mit Bescheid vom 23. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juni 2007 einen ersten Antrag des Klägers auf Gewährung einer medizinischen Rehabilitation ab. Dr. L. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) hatte in seinem Gutachten vom 11. Januar 2007 die Auffassung vertreten, dass die Notwendigkeit einer komplexen und interdisziplinären Behandlungsmaßnahme nicht gegeben sei und zunächst die vielfältigen ambulanten Behandlungen vor Ort ausgeschöpft werden sollten und in seinem Gutachten vom 20. Februar 2007 ausgeführt, dass die beim Kläger angegebenen Rehabilitationsdiagnosen (Psychose, Angststörungen, Strahlen) weder eine Indikation für eine stationäre noch für eine ambulante Rehabilitations- oder Vorsorgemaßnahme begründen könnten. Am 11. April 2008 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in U. oder in den K ... Er legte u.a. ein Schreiben des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. F. vom 7. August 2007 vor, in dem aus ärztlicher Sicht ein mehrmonatiger Aufenthalt im Bereich U. oder K. empfohlen wurde. Am 16. Juni 2008 verordnete Dr. F. eine medizinische stationäre Rehabilitation und gab als rehabilitationsrelevante Diagnose "Psychose" und als weitere Diagnose "Zustand nach radioaktiver Belastung" an. Er verneinte eine positive Rehabilitationsprognose hinsichtlich der Schädigungen, der Kontextfaktoren und der Zielaussicht des Klägers und bejahte eine positive Rehabilitationsprognose hinsichtlich der Aktivitäten und Teilhabe. Die Rehabilitationsfähigkeit des Klägers bejahte er ebenfalls und teilte mit, Heilmittel oder andere Maßnahmen (z.B. Psychotherapie) seien in den letzten zwölf Monaten nicht verordnet worden. Die Beigeladene 2.) holte das Gutachten des Dr. W. vom M. vom 24. Juli 2008 ein. Dieser vertrat die Auffassung, dass eine zwingende medizinische Notwendigkeit für die beantragte Maßnahme nicht mit hinreichender Schlüssigkeit gegeben sei. Aus den vorgelegten Unterlagen gehe nicht hervor, dass ambulante Behandlungsmaßnahmen am Wohnort ausgeschöpft bzw. nicht ausreichend seien. Bei der manifesten psychischen Erkrankung sei vorrangig eine psychische Behandlung am Wohnort angezeigt. Die Rehabilitationsfähigkeit diesbezüglich sei nicht dargestellt worden. Daraufhin lehnte die Beigeladene 2.) den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 29. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2008 ab. Das Sozialgericht Ulm (SG) hat die dagegen erhobene Klage (S 5 KR 3086/08) mit Urteil vom 24. Juli 2009 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe das gesetzlich vorgeschriebene Stufensystem nicht ausgeschöpft, da er keinerlei ambulante Maßnahmen ergriffen habe. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 11 KR 4549/09) hat die Berufung mit Urteil vom 24. August 2010 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass ambulante Krankenbehandlungsmaßnahmen am Wohnort des Klägers ausreichend seien. Die Beschwerde des Klägers auf Nichtzulassung der Berufung wurde vom Bundessozialgericht mit Beschluss vom 11. November 2010 als unzulässig verworfen (B 1 KR 124/10 B).

Mit Schreiben vom 2. Juli 2012 nahm der Kläger erneut Kontakt mit der Beigeladenen 2.) auf. Er nahm Bezug auf einen von seinem Hausarzt Dr. F. mit dem Vordruck "Einleitung von Leistungen zur Rehabilitation oder alternativen Angeboten" eingeleiteten Kurantrag vom 14. März 2012 und bat die Beigeladene 2.), den Antrag ausgefüllt an seinen Hausarzt zurückzuschicken. Er sei vom M. erneut begutachtet worden und bat um Übersendung einer Kopie dieses Gutachtens. Dr. F. gab in dem Vordruck vom 14. März 2012 als Diagnosen eine rezidivierende Lumbago, eine Psychose und eine Depression an und empfahl stationäre Vorsorgeleistungen in Ungarn oder am Mittelmeer. Mit Bescheid vom 16. Oktober 2012 lehnte die Beigeladene 2.) den Antrag ab. Bei den im Vordruck angegebenen Diagnosen "rez. Lumbago, Psychose und Depression" sei unter Berücksichtigung der bisherigen Behandlungsmaßnahmen eine stationäre Vorsorgeleistung nicht zielführend. Bezüglich der Beantragung von stationären Behandlungsmaßnahmen verwies sie ferner auf den bisherigen Schriftverkehr vom 20.12.2011 und aus dem Jahr 2010. Eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme sei vom Landessozialgericht rechtsgültig abgelehnt worden. Für die Beigeladene 2.) sei nicht erkennbar, dass sich im Gesundheitszustand des Klägers etwas entscheidendes verändert habe, was eine erneute Antragstellung begründen würde. Mit Schreiben vom 11. März 2013 wandte der Kläger hiergegen ein, jeder Kurantrag müsse einzeln geprüft werden. Wegen nicht auskurierter Leiden sei er in Pflegestufe II abgerutscht. Es handele sich um eine eilige Reha, daher beantrage er, gestützt auf EWR 1408, dass ihm nachträglich die vollen Kosten für jede Kur erstattet würden, hilfsweise pauschal 1000 EUR. Die Beigeladene 2.) fragte mit Schreiben vom 22. März 2013 bei Dr. F. an, ob seit 2010/2011 (Klageverfahren des Sozialgerichts) eine Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers eingetreten sei, was von Dr. F. mit Fax vom 25.März 2013 verneint wurde. Dr. F. bat darum, die konkreten Diagnosen, aufgrund derer der Kläger eine Rehabilitation durchführen wolle, beim Kläger zu erfragen. Mit Schreiben vom 2. Mai 2013 teilte die Beigeladene 2.) dem Kläger mit, nach Rücksprache mit Dr. F. sei keine grundlegende Verschlechterung des Gesundheitszustands seit 2010 eingetreten. Sie verwies daher nochmals auf den bisherigen Schriftverkehr vom 20. Dezember 2011 und diverse Briefe aus dem Jahr 2010. Eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme sei damals in zweiter Instanz vom Landessozialgericht rechtsgültig abgelehnt worden. Der Kläger teilte der Beigeladenen 2.) mit Schreiben vom 28. Oktober 2013 und 30. Oktober 2013 mit, er habe eine Kur in U. wahrgenommen und beantragte die Erstattung der Fahrtkosten nach U. (einfache Strecke 1050 km x 0,30 EUR), Autobahngebühr in Höhe von 10 EUR, Hotel- bzw. Pensionskosten sowie Kuranwendungen für 10 EUR täglich zuzüglich 4,50 EUR Heilbadeintrittskarte, hilfsweise pauschal 1000 EUR. Mit Bescheid vom 4. November 2013 lehnte die Beigeladene 2.) die Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Leistung zur medizinischen Rehabilitation ab. Der erforderliche Ursachenzusammenhang sei nicht erkennbar, da die Leistung selbst beschafft worden sei, ohne zuvor mit der Krankenkasse Kontakt aufzunehmen und deren Entscheidung abzuwarten.

Parallel zum laufenden Antragsverfahren bei der Beigeladenen 2.) übersandte der Kläger der Beklagten im November 2012 ein Attest des Allgemeinarztes Dr. F. vom 4. Oktober 2012. Darin werden als Diagnosen eine posttraumatische Belastungsstörung, eine Depression und eine Ischialgie genannt und angegeben, eine medizinische Rehabilitation erscheine aussichtsreich. Der Ort S. wurde wegen des chlorfreien Heilwassers empfohlen.

Am 22. November 2012 beantragte der Kläger bei der Verwaltungs- Berufsgenossenschaft (VBG) die Übernahme der Kosten für eine Reha-Kur. Die V. leitete diesen Antrag gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) an die Beklagte weiter, da der Reha-Bedarf nicht auf die Folgen eines Versicherungsfalls (Berufskrankheit) zurückzuführen sei. Eine Berufskrankheit sei nicht anerkannt worden. Die Beklagte übersandte dem Kläger daraufhin einen Vordruck für einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe. Am 27. Dezember 2012 beantragte der Kläger unter anderem Leistungen zur stationären medizinischen Rehabilitation und eine Kraftfahrzeughilfe für Arztbesuche.

Mit Bescheid vom 9. Januar 2013 lehnte die Beklage den Antrag auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ab und führte zur Begründung aus, die Erwerbsfähigkeit des Klägers könne durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden. Auch aus anderen Gründen bestehe kein Rehabilitationsbedarf nach den Vorschriften des SGB IX. In seinem dagegen gerichteten Widerspruch brachte der Kläger vor, die ungarische Rentenanstalt habe ihn als rehafähig eingestuft und bezog sich sinngemäß auf die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71. Darüber hinaus stehe ihm schon nach der UN-Charta für Menschen mit Behinderung eine Reha zu. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es sei unstreitig, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers gemindert sei. Die Auswertung der medizinischen Unterlagen durch die sozialmedizinischen Sachverständigen führe jedoch zu dem Ergebnis, dass die bestehende Erwerbsminderung durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht wesentlich gebessert bzw. wiederhergestellt werden könne. Das Vorliegen von Erwerbsminderung führe nicht grundsätzlich zum Leistungsausschluss. Allerdings müsse auch hier eine Erfolgsaussicht dahingehend prognostiziert werden können, als entweder die Erwerbsminderung durch die Reha-Leistung voraussichtlich beseitigt oder wenigstens eine wesentliche Verschlechterung abgewendet werden könne oder zumindest der Eintritt von voller Erwerbsminderung voraussichtlich verhindert werden könne. Bei einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich, welches beim Kläger bestehe, müsste durch die Leistung eine vollständige (mehr als 6 Stunden) oder teilweise (zwischen 3 und unter 6 Stunden) Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit erfolgen. Dies erscheine aufgrund der beim Kläger vorliegenden Erkrankungen unwahrscheinlich. Bestätigt werde diese Auffassung dadurch, dass dem Kläger seit 1. Juni 2002 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer gewährt werde. Der Rentenversicherungsträger könne nur dann Leistungen zur medizinischen Rehabilitation anbieten, wenn dadurch das Leistungsvermögen dergestalt beeinflusst werde, dass der Eintritt einer Erwerbsminderung abgewendet, eine Rente nicht mehr zu zahlen sei oder eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung umgewandelt werden könne. Eine allgemeine Besserung des Gesundheitszustandes, die keinerlei Auswirkungen auf die eingeschränkte Erwerbsfähigkeit habe, genüge den gesetzlichen Voraussetzungen des § 10 SGB VI nicht. Nach dem Ergebnis der medizinischen Sachverhaltsaufklärung sei nicht zu erwarten, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers wesentlich gebessert bzw. wiederhergestellt werden könne. Somit erfülle der Kläger keine der in § 10 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) aufgeführten Voraussetzungen und daher könne ihm keine Leistung zur medizinischen Rehabilitation gewährt werden. Ein darüber hinausgehender Rehabilitationsbedarf eines anderen Leistungsträgers sei nicht festgestellt worden. Mit Bescheid vom 16. Januar 2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab und führte zur Begründung aus, die Erwerbsfähigkeit des Klägers könne durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden. Dagegen legte der Kläger Widerspruch bezüglich der Ablehnung einer Kfz-Hilfe ein. Nach den Sozialgesetzbüchern stehe ihm auch aus sonstigen Gründen Kfz-Hilfe zu, z.B. für Heimarbeit oder Arbeiten in Behindertenwerkstätten für sich oder seine Familienangehörigen. Der Gesetzgeber setze nicht so streng voraus, dass seine Erwerbsfähigkeit durch Reha-Maßnahmen wieder voll hergestellt werden könne, sondern lasse eher ausreichen, dass eine Verschlechterung vermieden werden könne. Dazu würde helfen, wenn er seine Fingerfertigkeit erhalten könne. Ihm als Schwerbehinderten stehe selbst nach UN-Behindertenrechtskonvention (Kfz-Hilfe) die Möglichkeit der vollen gesellschaftlichen Teilhabe zu. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach dem Ergebnis der medizinischen Sachverhaltsaufklärung sei nicht zu erwarten, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers wesentlich gebessert bzw. wiederhergestellt werden könne. Somit erfülle er keine der in § 10 SGB VI aufgeführten Voraussetzungen. Ein darüber hinausgehender Rehabilitationsbedarf eines anderen Leistungsträgers sei nicht festgestellt worden. Am 25. Juni 2013 hat der Kläger beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, er sei pflegebedürftig und schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50. Er wolle Heimarbeit machen, da er auf dem normalen Arbeitsmarkt keine Chance habe. Daheim sei es ihm aber noch möglich, etwas zu arbeiten, da seine Fingerfertigkeit noch vorhanden sei. Dafür benötige er ein Auto, damit seine Frau die Materialien für die Heimarbeit beschaffen könne. Ebenso benötige er das Auto für Arztbesuche und zur Teilhabe am öffentlichen Leben.

Eine Kur sei dringend erforderlich und ärztlich angeordnet worden, um eine gesundheitliche Verschlechterung zu verhindern. Er werde vom 5. Juli 2013 bis 15. August 2013 in U. behandelt und wolle die beantragten Leistungen erstattet haben. Diese ärztlich verordnete Kur habe er auch im Interesse seiner Restgesundheit dringend bzw. sofort antreten müssen. Ergänzend legte der Kläger ein ärztliches Attest des Dr. S. (Pneumologie, Allergologie, Umweltmedizin, Sozialmedizin) vom 26. Januar 2015 vor, in dem als Diagnose eine gesicherte bronchiale Hyperreagibilität angegeben und die Durchführung eines Heilverfahrens empfohlen wird.

Mit Gerichtsbescheid vom 3. März 2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen des - näher dargelegten - § 15 Abs. 1 S. 4 SGB IX seien nicht erfüllt. Die Beklagte habe zu Recht die Bewilligung einer Maßnahme der stationären Rehabilitation abgelehnt, weil der Kläger bereits die persönlichen Voraussetzungen des § 10 SGB VI nicht erfülle. Aus diesem Grund könnten auch keine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Kraftfahrzeughilfe nach der KfzHV erbracht werden.

Gegen den am 5. März 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 31. März 2015 Berufung eingelegt und auf seine Klagebegründung Bezug genommen. Das Gericht habe, obwohl er dieser Vorgehensweise nicht zugestimmt habe, durch Gerichtsbescheid entschieden. Ferner habe es über seine Klageerweiterung, nämlich dass darüber zu entscheiden sei, wer für die Erstattung seiner entstandenen Kosten zuständig sei, nicht entschieden. Der Gerichtsbescheid widerspreche den im Hause des SG ausliegenden Info-Blättern und Plakaten zur Inklusion.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger noch die "Feststellung" begehrt, welche Sozialleistungsträger für "die Arbeitsunfallfolgen aufkommen" müsse.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 3. März 2015 aufzuheben und

1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 9. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2013, hilfsweise die Beigeladene 1.) oder 2.) zu verurteilen, die Kosten für die in der Zeit vom 5. Juli 2013 bis 15. August 2013 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme in Ungarn zu erstatten.

2. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juni 2013 zu verurteilen, ihm Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Kfz-Hilfe zu gewähren sowie den zu der Verhandlung zu den Akten gereichten Antrag vom 3. Februar 2016.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung.

Der Senat hat den Kläger mit Schreiben vom 14. Januar 2016 aufgefordert, bis spätestens 31. Januar 2016 Nachweise darüber vorzulegen, welche Kosten ihm in der Zeit vom 5. Juli 2013 bis 15. August 2013 für Kurmaßnahmen in U. entstanden sind und in welcher Einrichtung diese durchgeführt wurden. Eine Reaktion des Klägers auf dieses Schreiben erfolgte nicht.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen und die Akten der Verfahrens L 11 KR 4549/09, L 6 U 1006/03, L 9 U 5206/07 und L 4 P 4264/13 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässig eingelegte Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Der Kläger hat weder Anspruch auf Erstattung der Kosten für die - möglicherweise - in der Zeit vom 5. Juli 2013 bis 15. August 2013 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme in U. noch auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Kraftfahrzug-Hilfe.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die vom Kläger beanspruchte Erstattung der Kosten für die behauptete Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme in der Zeit vom 5. Juli 2013 bis 15.August 2013 in U. sowie die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Kraftfahrzug-Hilfe dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine der begehrten Leistungen hat.

Da der Kläger behauptet hat, die beantragte Leistung zur medizinischen Rehabilitation bereits in der Zeit von 5. Juli 2013 bis 15. August 2013 in Anspruch genommen zu haben, richtet sich sein Begehren zutreffend auf die Verurteilung zur Kostenerstattung (vgl. LSG Baden-Württemberg - L 10 R 2684/07). Zuständiger Rehabilitationsträger ist im vorliegenden Fall nicht - wie von den Beteiligten bisher angenommen - die Beklagte, sondern die Beigeladene 2.). Denn der Kläger hat sich mit dem Antrag auf Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitation (in U. oder im Mittelmeerraum) zunächst mit Schreiben vom 2. Juli 2012 unter Bezugnahme auf den von Dr. F. ausgefüllten Antragsvordruck "Einleitung von Leistungen zur Rehabilitation oder alternativen Angeboten" vom 14. März 2012 an die Beigeladene 2.) gewandt, die den Antrag auch nicht gemäß § 14 SGB Abs. 1 S. 2 SGB des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) innerhalb von zwei Wochen an einen anderen Rehabilitationsträger weitergeleitet hat. Sowohl der möglicherweise sinngemäß durch Übersendung des Attests von Dr. F. an die Beklagte gestellte Antrag von November 2012 als auch der ausdrücklich am 22.November 2012 gegenüber der Beigeladenen 1.) gestellte Antrag, der gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 SGB IX an die Beklagte weitergeleitet wurde, erfolgten erst zeitlich später, so dass die Beigeladene 2.) als erstangegangener Reha-Träger anzusehen ist.

Daraus folgt, dass der von der Beklagten erlassene Bescheid vom 9. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2013 wegen sachlicher Unzuständigkeit aufzuheben ist (vgl. BSG, Urteil vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R; BSG, SozR 4-3250 § 14 Nr. 8 Rdnr. 16).

Der Kläger hat jedoch unter keinen Gesichtspunkten Anspruch auf die beantragten Leistungen.

Die in § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX geregelte Zuständigkeit erstreckt sich im Außenverhältnis (behinderter Mensch – Rehabilitationsträger) auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für Reha-Träger vorgesehen sind, d.h. es muss auch geleistet werden (nach den Vorschriften der SGB II, III, V, VI, VII, XII), wenn die Behörde für die beantragte Reha-Leistung gar nicht Reha-Träger i.S.v. §§ 6, 5a SGB IX ist (vgl. ständige Rechtsprechung des BSG seit BSG v. 26.10.2004 - B 7 AL 16/04 R - BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 1; BSG v. 26.06.2007 - B 1 KR 34/06 R - BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 4; BSG v. 28.11.2007 - B 11a AL 29/06 R - SozR 4-3250 § 14 Nr. 2; BSG v. 25.06.2008 - B 11b AS 19/07 R - BSGE 100, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr. 1; BSG v. 21.08.2008 - B 13 R 33/07R - BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 7; BSG v. 20.11.2008 - B 3 KN 4/07 KR R - BSGE 102, 90; BSG v. 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R - SozR 4-3250 § 14 Nr. 8; BSG v. 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R - BSGE 113, 40 = SGb 2014, 27; BSG v. 14.05.2014 - B 11 AL 6/13 - SozR 4-3500 § 14 Nr. 1). Als Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung für die vom Kläger selbst beschaffte Leistung zur medizinischen Rehabilitation kommt nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung § 13 Abs.3 S. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 4 SGB IX in Betracht. § 13 Abs. 3 S. 2 SGB V regelt, dass die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 15 SGB IX erstattet werden. Einschlägig ist hier § 15 Abs. 1 S. 4 SGB IX. Danach haben Leistungsberechtigte einen Anspruch auf Erstattung der Kosten einer selbstbeschafften medizinischen Rehabilitation, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation und daher auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die selbstbeschaffte medizinische Rehabilitation. Der Erstattungsanspruch nach § 15 Abs. 1 S. 4 SGB IX reicht nicht weiter als der entsprechende Primäranspruch. Dies bedeutet, dass sich ein Kostenerstattungsanspruch nach Art und Umfang des Primäranspruchs richtet und nur insoweit besteht, als der Rehabilitationsträger auch hinsichtlich des Primäranspruchs nach dem für ihn bestehenden Recht leistungspflichtig gewesen wäre (vgl. m.w.N. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 25.06.2013 - L 6 R 921/11). Im vorliegenden Fall scheitert ein Anspruch auf Kostenerstattung bereits daran, dass der Kläger den Nachweis über die ihm entstandenen Kosten nicht erbringen kann. Denn er hat - trotz Aufforderung - keine Belege über seine konkreten Ausgaben vorgelegt. Er hat gegenüber der Beigeladenen 2.) mit Faxschreiben vom 28.10.2013 einerseits Kosten für die Fahrt nach U. (einfache Strecke 1050 km x 0,30 EUR), Autobahngebühr in Höhe von 10 EUR, Hotel- bzw. Pensionskosten sowie Kuranwendungen für 10 EUR täglich zuzüglich 4,50 EUR Heilbadeintrittskarte aufgeführt bzw. einen Betrag von pauschal 1000 EUR geltend gemacht. Ohne Belege ist jedoch nicht nachgewiesen, ob bzw. in welchem konkretem Zeitraum und in welcher Höhe der Kläger tatsächlich Aufwendungen für eine - ambulante oder stationäre - Rehabilitationsmaßnahme in U. hatte.

Darüber hinaus hat der Kläger auch dem Grunde nach keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine Rehabilitationsmaßnahme. Soweit es sich um eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme gehandelt hat, was die Bezugnahme des Klägers auf entstandene Hotelkosten nahelegt, ist ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Kostenerstattung von vornherein ausgeschlossen. Zum einen handelte es sich offensichtlich um keine unaufschiebbare Maßnahme (§ 15 Abs. 1 S. 4 1. Alt SGB IX), da seit dem Antrag des Klägers im Juli 2012 bzw. November 2012 bis zur behaupteten Durchführung der medizinischen Rehabilitation im Sommer 2013 in U. mehrere Monate vergangen sind. Zum anderen besteht auch von vornherein nicht der erforderliche Ursachenzusammenhang (vgl. Götze in Hauck/Noftz SGB IX, § 15 Rdnr. 14) zwischen der rechtswidrigen Ablehnung einer Leistung und den entstandenen Kosten für eine selbst beschaffte Leistung, da sich der ursprüngliche Antrag des Klägers auf Gewährung einer Leistung zur stationären medizinischen Rehabilitation bezog und bislang kein Reha-Leistungsträger mit einem Antrag auf ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation befasst war.

Für die ursprünglich beantragte stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation kann ebenfalls keine Kostenerstattung erfolgen. Gemäß § 40 Abs. 2 S. 1 SGB V erbringt die Krankenkasse, wenn eine ambulante Krankenbehandlung oder eine ambulante Rehabilitationsleistung nicht ausreichend ist, stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs. 2a SGB IX zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht. Wählt der Versicherte eine andere zertifizierte Einrichtung, mit der kein Versorgungsvertrag nach § 111 besteht, so hat er die dadurch entstehenden Mehrkosten zu tragen; dies gilt nicht für solche Mehrkosten, die im Hinblick auf die Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts nach § 9 SGB IX angemessen sind (Satz 2 der Vorschrift). Die Krankenkasse bestimmt nach § 40 Abs. 3 S. 1 SGB V nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts der Leistungsberechtigten nach § 9 des Neunten Buches Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen. Gemessen hieran hat der Kläger keinen Anspruch auf eine stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation. Hierzu verweist der Senat vollumfänglich auf das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24.08.2010 - L 11 KR 4549/09, in dem ausführlich dargelegt wird, aus welchen Gründen ambulante Krankenbehandlungsmaßnahmen am Wohnort des Klägers ausreichend sind und deshalb keine stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation erforderlich ist. Wie Dr. F. in seiner Auskunft an die Beigeladene 2.) vom 25.03.2013 mitgeteilt hat, lag keine Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers seit dem o.g. Klageverfahren vor. Demnach war auch im Zeitraum der vom Kläger behaupteten Durchführung einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation vom 5. Juli 2013 bis 15. August 2013 weiterhin davon auszugehen, dass keine stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation erforderlich war und eine ambulante Krankenbehandlung am Wohnort des Klägers ausreichend gewesen wäre.

Es besteht auch kein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 26 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buchs unter anderem Anspruch auf Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII hat der Unfallversicherungsträger mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern. Vorliegend hat die V. als für den Kläger zuständiger Träger der gesetzlicher Unfallversicherung beim Kläger bereits keine Berufskrankheit bzw. Arbeitsunfall wegen eines behaupteten Strahlenunfalls im März 2000 - und im Übrigen auch sonst keinen Versicherungsfall, aus dem die psychischen Erkrankungen des Klägers wesentlich ursächlich hätten folgen können - anerkannt, so dass ein Anspruch nach den Vorschriften des SGB VII von vornherein ausscheidet. Hierzu verweist der Senat auf die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. August 2005 - L 6 U 1006/03 und vom 30. März 2010 - L 9 U 5206/07). Darüber hinaus folgt aus §§ 27 Abs. 1 Nr. 7, 33 Abs. 1 S. 1 SGB VII, dass stationäre Behandlungen in Rehabilitationseinrichtungen nur dann erbracht werden, wenn die Aufnahme erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht anders erreicht werden kann. Wie oben bereits dargelegt, können die beim Kläger vorliegenden Erkrankungen aber ambulant an seinem Wohnort behandelt werden.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Kostenerstattung nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung. § 15 SGB IX findet auch im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung Anwendung, wobei hier offen bleiben kann, ob § 15 SGB IX unmittelbar oder analog angewendet werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 5/07 R - unmittelbare Anwendbarkeit bzw. BSG, Urteil vom 21. August 2008 - B 13 R 33/07 R - analoge Anwendung). Der Anspruch auf Kostenerstattung nach § 15 Abs. 1 S. 4 SGB IX reicht - wie oben bereits ausgeführt - nicht weiter als ein entsprechender Primäranspruch. Gemäß § 9 Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) erbringen die Träger der Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, um den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Die Leistungen nach Abs. 1 können erbracht werden, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind (§ 9 Abs. 2 SGB VI). Im vorliegenden Fall erfüllt der Kläger jedoch bereits die persönlichen Voraussetzungen nicht.

Gemäß § 10 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, 1. deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und 2. bei denen voraussichtlich a. bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann, b. bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann c. bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann.

Der Kläger ist unstreitig erwerbsgemindert im Sinne des § 10 Nr. 1 SGB VI, 2. Alternative. Seit Juni 2002 bezieht er deshalb eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Voraussetzung für einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wäre deshalb, dass die Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann (§ 10 Abs. 1 Nr. 2b SGB VI). Dies ist jedoch zur Überzeugung des Senats nicht der Fall. Eine wesentliche Besserung liegt vor, wenn die Minderung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben zumindest teilweise und nicht nur vorübergehend behoben werden kann (vgl. Kater in: KassKomm, SGB VI, § 10 Rn. 11). Eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit liegt jedoch nicht vor, wenn - wie beim Kläger der Fall - bereits eine Rente wegen voller Erwerbsminderung i.S.d. § 43 SGB VI vorliegt und die Erwerbsfähigkeit zwar gebessert, nicht aber die volle Erwerbsminderung beseitigt werden kann (vgl. Kater in KassKomm, SGB VI, § 10 Rn. 11). So verhält es sich beim Kläger. Zwar hat der Allgemeinarzt Dr. F. in seinem Attest vom 4. Oktober 2012 aufgrund der dort angegebenen Diagnosen "posttraumatische Belastungsstörung", "Depression" und "Ischialgie" die Durchführung eines Heilverfahrens befürwortet. In seiner ärztlichen Äußerung kommt jedoch nicht zum Ausdruck, dass dadurch die volle Erwerbsminderung beseitigt werden könnte. Es ist zwar grundsätzlich vorstellbar, dass der Gesundheitszustand des Klägers durch eine medizinische Rehabilitation verbessert werden kann. Allerdings ergibt sich aus den in den Akten der Beklagten vorhandenen medizinischen Unterlagen, die im Zusammenhang mit der Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Juni 2002 und der Pflegestufe I ab Dezember 2006 stehen, dass insbesondere die psychischen Beeinträchtigungen des Klägers dauerhaft so stark ausgeprägt sind, dass durch eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation keine so wesentliche Besserung zu erreichen ist, dass die volle Erwerbsminderung beseitigt werden kann. So werden im MDK-Gutachten vom 12. März 2007 als pflegebegründende Diagnosen eine paranoide Psychose, dementielle Entwicklung mit Antriebsminderung und Vernachlässigung angegeben und entsprechender Pflegebedarf dargestellt. Diese Beeinträchtigungen bestanden - wie sich aus den Akten des Verfahrens L 4 P 4264/13, das beim Landessozialgericht Baden-Württemberg anhängig war, ergibt - auch während der vom Kläger behaupteten Durchführung einer medizinischen Rehabilitation in Ungarn im Zeitraum 5. Juli 2013 bis 15. August 2013 im Wesentlichen unverändert. Auch der Kläger selbst geht im Übrigen nicht davon aus, dass seine Erwerbsminderung durch eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation wesentlich gebessert werden kann, sondern brachte im Rahmen der Klagebegründung lediglich vor, eine Kur sei dringend erforderlich und ärztlich angeordnet worden, um eine gesundheitliche Verschlechterung zu verhindern. Die bloße Erhaltung der eingeschränkten Leistungsfähigkeit ist jedoch - wie bereits oben ausgeführt - zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 10 SGB VI nicht ausreichend.

Darüber hinaus wäre die Beklagte auch nicht verpflichtet, die Kosten für die konkret vom Kläger selbst beschaffte stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation in U. zu erstatten. Gemäß § 13 Abs. 1 SGB VI bestimmt der Rentenversicherungsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Rehabilitationsleistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen. Das Ermessen bezieht sich also auf das "Wie" der Leistungserbringung, während dem Grunde nach auf die Leistungen nach § 9 SGB VI bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht. Die Auswahl der Rehabilitationseinrichtung hat einzelfallbezogen, d.h. ausgerichtet an den Erfordernissen des Einzelfalles zu erfolgen. Nach § 19 Abs. 4 Satz 1 SGB IX ist die Auswahl danach zu treffen, welcher Dienst oder welche Einrichtung die Leistung in der am besten geeigneten Form ausführt Gemäß § 15 Abs. 2 SGB VI werden stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Einrichtungen erbracht, die unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal entweder vom Rentenversicherungsträger selbst betrieben werden oder mit denen ein Vertrag nach § 21 SGB IX besteht. Bei der Entscheidung über die Leistungen und bei der Ausführung der Leistungen zur Teilhabe wird gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 SGB IX den berechtigten Wünschen des Leistungsberechtigten entsprochen. § 18 SGB IX regelt, dass hierbei Sachleistungen und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch im Ausland erbracht werden, wenn sie dort mit gleicher Qualität und Wirksamkeit wirtschaftlicher ausgeführt werden können. Ein Anspruch des Klägers auf Durchführung der Maßnahme in der von ihm gewählten Einrichtung in U. wäre jedoch nur gegeben gewesen, wenn dies die einzige Entscheidung der Beklagten gewesen wäre, die diese ermessensfehlerfrei hätte treffen können (Ermessensreduzierung auf Null; vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. August 2012 - L 11 R 5319/11). Die vom Kläger in U. durchgeführte Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation war jedoch offensichtlich nicht die einzige Erfolg versprechende Maßnahme, so dass eine Ermessensreduzierung auf Null nicht in Betracht kommt. Ausweislich des Attests des Dr. F. vom 4. Oktober 2012 wird eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation aufgrund der dort angegebenen Diagnosen "posttraumatische Belastungsstörung", "Depression" und "Ischialgie" empfohlen. Für die genannten Erkrankungen stehen im Inland eine Vielzahl geeigneter Behandlungsmöglichkeiten in Vertragseinrichtungen nach § 21 SGB IX zur Verfügung. Auch ist nicht erkennbar, dass durch das von Dr. F. im empfohlenen Kurort S. besonders hervorgehobene chlorfreie Heilwasser eine bessere Heilwirkung erzielt werden könnte als in einer geeigneten Vertragseinrichtung im Inland und für welches der von Dr. F. angegebenen Gesundheitsprobleme dies der Fall sein könnte.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Kraftfahrzeughilfe nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV). Gemäß §§ 10, 16 SGB VI i.V.m. § 33 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 8 S. 1 Nr. 1 SGB IX i.V.m. der KfzHV können Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Kraftfahrzeughilfe erbracht werden. Wie bereits oben ausführlich ausgeführt, erfüllt der Kläger bereits die persönlichen Voraussetzungen des § 10 SGB VI nicht, da seine bestehende volle Erwerbsminderung durch die beantragte Leistung zur Teilhabe nicht beseitigt oder wesentlich verbessert werden kann. Damit liegen die Voraussetzungen für eine Kraftfahrzeughilfe nicht vor.

Der Kläger hat damit weder Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine vom 5. Juli 2013 bis 15. August 2013 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme in U. sowie die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Kraftfahrzug-Hilfe.

Aus diesen Gründen weist der Senat die Berufung zurück, soweit das Begehren des Klägers über die Aufhebung des Bescheids vom 9. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2013 hinausgeht. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2013 war - wie oben bereits ausgeführt - wegen sachlicher Unzuständigkeit aufzuheben.

Ergänzend ist anzumerken, dass die vom Kläger mit Schriftsatz vom 23. Februar 2015 geltend gemachte Klageerweiterung, im Rahmen derer er zwei weitere Reha-Anträge vorlegte, nicht zulässig ist, so dass über diese Anträge nicht zu befinden war. Gemäß § 99 Abs. 1 SGG ist eine Änderung der Klage nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Die Klageänderung ist sachdienlich, wenn sie dazu führt, dass der Streit zwischen den Beteiligten in einem Verfahren beigelegt und endgültig bereinigt werden kann, so dass ein neuer Prozess vermieden wird (vgl. mwN Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Auflage, § 99, Rn. 10). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Einbeziehung der weiteren Reha-Anträge war im Zeitpunkt der Entscheidung des SG bereits nicht sachdienlich, weil zu diesem Zeitpunkt das Verwaltungsverfahren noch nicht abgeschlossen war und die Klage insoweit unzulässig gewesen wäre. Darüber hinaus ist die Klageänderung - unabhängig vom jetzigen Stand des Verfahrens - auch weiterhin nicht sachdienlich, da es sich bei jedem Reha-Antrag um einen neuen Lebenssachverhalt handelt, der unter Berücksichtigung des aktuellen Gesundheitszustands des Klägers zu beurteilen ist.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 3. Februar 2016 eine neue Klage erhoben hat, mit der er die Feststellung, bzw. eine Auskunft darüber begehrt, welcher Sozialleistungsträger für die Arbeitsunfallfolgen aufkommen muss, ist eine derartige Klage bereits nicht statthaft, da dafür keine Rechtsgrundlage existiert. Eine allgemeine Auskunftsklage gegen ein Gericht ist nicht statthaft, eine solche sieht auch das SGG nicht vor. Im Übrigen erstreckt sich die Zuständigkeit des Landessozialgerichts Baden-Württemberg als Berufungsgericht lediglich auf die Überprüfung erstinstanzlicher Entscheidungen, was hier vom Kläger offensichtlich nicht begeht wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung im Ergebnis ohne materiellen Erfolg geblieben ist. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 197a SGG Rdnr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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