L 27 R 2/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 48 R 135/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 2/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Potsdam vom 18. November 2014 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt in einem Überprüfungsverfahren die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Die im Jahre 1962 geborene Klägerin beantragte am 16. Januar 2007 bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Durchführung medizinischer Ermittlungen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. April 2007 und Widerspruchsbescheid vom 12. März 2008 den Antrag ab. Die anschließende, zum Sozialgericht Potsdam erhobene Klage wies das Sozialgericht mit Urteil vom 13. Juli 209 ab. Die anschließende Berufung wies das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zum Az.: L 8 R 945/09 mit Urteil vom 8. August 2013 zurück. Diese Urteile wurden rechtskräftig.

Am 13. September 2013 richtete die Klägerin an die Beklagte ein Schreiben, das die Beklagte als Antrag auf Überprüfung der bestandskräftigen Ablehnungsbescheide gemäß § 44 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) wertete und mit Bescheid vom 21. Oktober 2013 und Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2013 mit der Begründung ablehnte, die Ablehnung der Rentengewährung sei zu Recht erfolgt.

Am 11. Dezember 2013 richtete die Klägerin eine E-Mail an die Beklagte, in der sie sich kritisch mit dem vorgenannten Widerspruchsbescheid auseinandersetzte. Die Beklagte wertete dies als Klageschrift und reichte einen Ausdruck der E-Mail an das Sozialgericht Potsdam weiter, bei dem das Schriftstück am 6. März 2014 einging. Mit Schriftsatz vom 20. März 2014 hat die Klägerin bekräftigt, dass sie Klage erheben wolle. Mit Gerichtsbescheid vom 18. November 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Sie sei zwar zulässig, weil der E-Mail-Ausdruck die Schriftform erfülle, jedoch unbegründet, weil die ursprünglichen Ablehnungsbescheide zu Recht ergangen seien.

Gegen diesen Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Klägerin, die diese am 19. Dezember 2014 schriftlich erhoben hat. Die Klägerin macht geltend, die ursprüngliche Rentenablehnung sei zu Recht erfolgt. Sie habe bereits zum damaligen Zeitpunkt die Voraussetzungen der vollen Erwerbsminderung erfüllt, so dass auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben seien. Das wahre Ausmaß der bei ihr bestehenden Erkrankungen und Funktionsbeeinträchtigungen sei nicht erkannt worden.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Potsdam vom 18. November 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 21. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2013 zu verpflichten, den Bescheid vom 5. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2008 zurückzunehmen und ihr ab dem 16. Januar 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung konnte in Abwesenheit der Klägerin ergehen, weil die Klägerin ordnungsgemäß geladen und bei der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie ist jedoch nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Allerdings hätte das Sozialgericht die Klage bereits als unzulässig abweisen müssen, weil die Klagefrist nicht gewahrt worden ist. Gemäß § 87 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 SGG beträgt die Klagefrist einen Monat ab Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides. Der Widerspruchsbescheid ist der Klägerin spätestens am 11. Dezember 2013 bekannt gegeben worden, denn an diesem Tage hat sie die streitbefangene E-Mail an die Beklagte gesandt. Indessen liegt in dieser E-Mail keine wirksame Klageerhebung, weil die Schriftform des § 90 SGG nicht gewahrt wird. Dabei kann dahinstehen, ob eine E-Mail nicht ohnehin nach allgemeinen Kriterien bereits das Schriftformerfordernis nicht erfüllt, denn jedenfalls genießt die Spezialregelung des § 65 a SGG über den elektronischen Rechtsverkehr Vorrang. Danach können Prozesshandlungen nur unter weiteren Voraussetzungen vorgenommen werden und erfordern insbesondere die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur, über die die Klägerin nicht verfügte.

Eine schriftliche Erklärung, Klage erheben zu wollen, ist durch die Klägerin erst am 21. März 2014 und damit außerhalb der Klagefrist dem Sozialgericht zugeleitet worden. Der Klägerin war auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren gemäß § 67 SGG. Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag gemäß § 67 Abs. 1 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Vorliegend war aber die Klägerin nicht ohne Verschulden verhindert, die gesetzliche Klagefrist einzuhalten. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides war zutreffend. Es lag auch keine Verletzung einer gerichtlichen Fürsorgepflicht vor, aufgrund derer von einem entsprechenden Hindernis ausgegangen werden konnte. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Beschluss vom 6. Oktober 2011, B 14 AS 63/11 B) eine solche Verletzung dann vorliegen, wenn ein Gericht eine Vielzahl von Verfahren, die von dem Rechtsschutzsuchenden in der beanstandeten Weise eingelegt waren, zuvor uneingeschränkt als zulässig angesehen hatte (BSG a. a. O., juris, Randnummer 9). Das Sozialgericht hatte keineswegs in anderen Verfahren der Klägerin zuvor den Eindruck erweckt, Prozesshandlungen könnten durch einfache E-Mail vorgenommen werden. Im vorliegenden Verfahren hatte das Sozialgericht mit richterlicher Verfügung vom 11. März 2014 sogar die Klägerin ausdrücklich auf das Schriftformerfordernis hingewiesen und eine schriftliche Erklärung von der Klägerin verlangt. Die Nachholung der schriftlichen Klageerhebung durch Schriftsatz der Klägerin vom 20. März 2014 erfolgte somit nicht nach Wegfall eines – gegebenenfalls gerichtlich geschaffenen – Hindernisses, sondern war allein von der Klägerin selbst zu vertreten.

Rechtlich unerheblich ist auch, dass die Beklagte zuvor gegenüber der Klägerin nicht beanstandet hatte, dass die E-Mail vom 11. Dezember 2013 nicht dem Schriftformerfordernis genügte. Abgesehen davon, dass die Beklagte – wie bereits ausgeführt – eine zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung erteilt hatte, war die Beklagte zu einem solchen Hinweis nicht verpflichtet und besaß auch sonst keine gerichtliche Fürsorgepflicht gegenüber der Klägerin.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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