Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 3682/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 296/16 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 11. Januar 2016 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind im Antrags- und im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg.
Die zulässige, insbesondere statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des An-tragsgegners (§§ 172 Abs. 1 und 173 SGG) ist begründet. Das SG hat zu Unrecht dem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes stattgegeben und den Antragsgegner einstweilen verpflichtet dem Antragsteller ein Darlehen über 2.797,87 EUR zur Begleichung von Stromschulden zu gewähren; der Antrag war bereits unzulässig. Auch ein Anordnungsanspruch ist nicht gegeben.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustandes geht (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), nur eine Regelungsanordnung nach 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B -). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO -); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG - NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz unter Umständen nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach-und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen. Maßgeblich für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Beschlüsse des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. August 2005 a.a.O. und vom 17. August 2005 a.a.O.).
Aufgrund der vorliegend gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage kann der Antragsteller gegen den Antragsgegner die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht begehren.
Zunächst scheitert das Begehren des Antragstellers zwar nicht bereits am fehlenden Rechtsschutzbedürfnis, weil der ablehnende Bescheid des Antragsgegners vom 13.1.2015 bereits in Bestandskraft erwachsen wäre. Zwar hat der Antragsgegner ausweislich des Absendevermerks in der Verwaltungsakte den ablehnenden Bescheid vom 13.1.2015 auch am selben Tag zur Post gegeben, sodass er nach der Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 SGB X als am dritten Tag danach als bekannt gegeben gilt. Demnach wäre die einmonatige Widerspruchsfrist mit der Einlegung des Widerspruchs erst am 13.4.2015 (Bl. 75 VA) nicht gewahrt. Die Zugangsfiktion gilt jedoch nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 37 Abs. 2 S. 3 SGB X). Berechtigte Zweifel liegen hier vor. Der Kläger hat - auch unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung (Bl. 101 VA) - bestritten, den Bescheid vom 13.1.2015 erhalten zu haben. Für diesen Fall reicht bereits das einfache Bestreiten aus, da es dem Empfänger im Regelfall schon aus logischen Gründen nicht möglich ist, näher darzulegen, ihm sei ein per einfachem Brief übersandtes Schreiben nicht zugegangen (h.M. BSG Urteil vom 26.7.2007 - B 13 R4/06R, juris Rn. 22; Engelmann in von Wulffen, SGB X, 8. Aufl. 2014 § 37 Rn. 13; Littmann in: Hauck/Noftz, SGB, 08/13, § 37 SGB X, Rn. 31; Krasney in Kasseler Kommentar, SGB X § 37 Rn. 6; Patar in jurisPK-SGB X § 37 Rn. 105). Für die Richtigkeit der Behauptung des Antragstellers sprechen auch die Umstände. So hielt er sich vom 8.1. bis 14.3.2015 im Krankenhaus auf. Erst danach hat er seinen Rechtsanwalt eingeschaltet. Hätte er den Bescheid vom 13.1.2015 zu diesem Zeitpunkt tatsächlich schon erhalten gehabt, macht es keinen Sinn, dass sein Bevollmächtigter sich dann erstmals mit Schreiben vom 16.3.2015 beim Antragsgegner legitimiert und die Entscheidung über den am 1.12.2014 gestellten Antrag anmahnt. Ein anderes Zugangsdatum hat der Antragsgegner nicht nachgewiesen. Der Postabsendevermerk weist nur den Abgang, nicht aber den Zugang beim Antragssteller nach. Auch ist der fehlende Postrücklauf kein Zugangsnachweis.
Nachdem die Zugangsfiktion des § 37 SGB X bezogen auf die Absendung am 13.1.2015 nicht zum Tragen kommt, ist der Bescheid vom 13.1.2015 dem Kläger erstmals über seinen Bevollmächtigten nach der Zusendung am 26.3.2015 zugegangen, der am 13.4.2015 eingelegte Widerspruch damit innerhalb der Monatsfrist fristgerecht. Auf eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - für die im Übrigen gem. § 27 Abs. 2 SGB X eine zwei-Wochen-Frist nach Wegfall des Hindernisses gilt, die vorliegend nicht eingehalten sein dürfte - kommt es damit nicht an.
Dem Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers steht allerdings die Rechtskraft des Beschlusses des SG vom 15.10.2015 im (zweiten) vorhergehenden Eilverfahren S 9 SO 2972/15 ER entgegen. In dem nicht mit der Beschwerde angefochtenen, rechtskräftigen Beschluss hat das SG die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung auf die fehlende Glaubhaftmachung der tatsächlichen Voraussetzungen des streitigen materiellen Rechts gestützt und damit den Antrag als unbegründet abgelehnt. Ist der Antrag als unbegründet abgelehnt worden, darf er wiederholt werden, wenn sich die entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtslage verändert hat. Nicht jede nachträgliche Veränderung der Verhältnisse lässt die Rechtskraftwirkung einer Entscheidung entfallen. Eine geänderte Sachlage ist nur gegeben, wenn nach dem Erlass der ersten Entscheidung neue Tatsachen entstanden sind, die eine andere Beurteilung des entscheidungserheblichen Sachverhalts rechtfertigen. Die Änderung muss so beschaffen sein, dass sich der dem Gericht unterbreitete Streit als neuer Streit darstellt. (Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. Rn. 83 f). Das ist indes nicht der Fall. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch das SG am 11.1.2016 war gegenüber der Beschlusslage am 15.10.2015 keine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten, die ein erneutes Tätigwerden des Gerichts rechtfertigen würde. Alle maßgeblichen Umstände sind demgegenüber unverändert geblieben. So war die schwere Erkrankung des Antragstellers - Wundheilungsstörungen nach Teilamputation des Beines - bereits seit der Entlassung aus dem Krankenhaus am 14.3.2015 dokumentiert. Auch die Heizstromversorgung war nach dem Vortrag im Antragsverfahren bereits im Oktober 2015 unterbrochen und die Heizperiode hatte begonnen. Von daher handelt es sich bei dem am 3.12.2015 im Verfahren S 9 SO 3682/15 ER gestellten Antrag um einen wiederholenden Zweitantrag, der unzulässig ist.
Unabhängig davon kann der Antragsteller sich auch nicht auf einen Anordnungsanspruch stützen. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist im Falle des bei ausreichendem Renteneinkommen nicht im Sozialhilfebezug stehenden Antragstellers § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Danach können Schulden nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen nach Satz 2 der genannten Bestimmung übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen können als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden (§ 36 Abs. 1 Satz 3 SGB XII). Eine drohende oder - wie hier - bereits erfolgte Stromsperre erfüllt grundsätzlich die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Denn eine bereits erfolgte Sperrung der Energiezufuhr aufgrund von Ener-giekostenrückständen ist als eine dem drohenden Verlust der Wohnung vergleichbare Notlage anzusehen, weil die Versorgung mit Energie nach den heutigen Lebensverhältnissen in Deutschland zum sozialhilferechtlich anerkannten Mindeststandard gehört (vgl. Urteil des Senats vom 2.3.2011 – L 2 SO 4920/09 –, juris Rn. 38 m.w.N.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.3.2012 - L 2 AS 477/11 B ER -, juris Rn. 26 und Schneider in Schellhorn/Hohm/Schneider, SGB II, 19. Auflage 2015, § 36, Rn. 5). Vorliegend geht es nur um die Schuldenübernahme für den Heizstrom, weil der Antragsteller bei zwei unterschiedlichen Stromlieferverträgen und zwei bestehenden Zählern mit seinem Antrag vom 1.12.2014 nur diese beim Antragsgegner geltend gemacht hatte, obwohl bereits seit Juli 2014 der Haushaltsstrom unterbrochen war. Auch für den Betrieb der Heizung ist der Antragsteller in der Heizperiode und damit für die Bewohnbarkeit seiner Wohnung auf Strom angewiesen. Dies ist vorliegend nicht dadurch in Frage gestellt, dass er bereits über einen längeren Zeitraum, nämlich seit dem Vollzug der Stromsperre, ohne Strom ausgekommen ist.
Die Übernahme der Energiekostenrückstände, sei es als Beihilfe, sei es als Darlehen, ist indes nicht im Sinne von § 36 Abs. 1 Satz 2 SGB XII gerechtfertigt. Die Rechtfertigung umfasst neben der objektiven Geeignetheit der Schuldenübernahme zur (dauerhaften) Sicherung der Energieversorgung auch die Prüfung, ob zumutbare Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft sind (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8.10.2012 - L 12 AS 1442/12 B ER -, juris Rn. 20). Vor dem Hintergrund der Regelung in § 2 Abs. 1 SGB XII, demzufolge Sozialhilfe nicht erhält, wer sich vor allem durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält, sind zunächst sämtliche zur Verfügung stehenden Mittel und Möglichkeiten einzusetzen, bevor öffentliche Leistungen - wie hier die Gewährung einer Beihilfe oder eines Darlehens zur Schuldentilgung - in Anspruch genommen werden dürfen. Dies muss in besonderem Maße für die Übernahme rückständiger Energiekosten gelten, da der Leistungsträger sonst zum "Ausfallbürgen der Energieversorgungsunternehmen" würde (vgl. SG Karlsruhe, Beschluss vom 21.12.2015 – S 1 SO 4091/15 ER –, juris Rn. 22 mit Hinweis auf Hammel, Info also 2011, 251, 253 m.w.N.). Das Risiko des Energieversorgers, die von ihm an seinen Kunden erbrachten Leistungen auch abgegolten zu erhalten, muss Regulierungen zunächst weitgehend in dem zugrundeliegenden rein zivilrechtlichen Rechtsverhältnis unterliegen, bevor ein etwaiger Einstand des Sozialleistungsträgers und damit eine Risikoüberleitung auf den Steuerzahler in Betracht kommen kann. Dementsprechend hat der Empfänger von Leistungen nach dem SGB XII sich sowohl ernsthaft um Ratenzahlungsvereinbarungen mit dem bisherigen Energieversorger als auch um einen Vertragsabschluss mit einem anderen Stromanbieter zu bemühen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8.10.2012 - L 12 AS 1442/12 B ER -, juris Rn. 20 m.w.N.).
Vorliegend hat es die EnBW als Stromlieferant zwar abgelehnt im Hinblick auf die Strom-schulden eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Antragsteller abzuschließen (Schreiben vom 15.12.2014, Bl. 109 VA). Als weitere Selbsthilfemöglichkeit stünde es dem Antragsteller jedoch offen, mit einem anderen Stromanbieter einen Stromliefervertrag abzuschließen. So stünden z.B. die Stadtwerke Walldorf als Stromlieferant zur Verfügung, die auch bezüglich des Heizstroms für die Nachtspeicheröfen zu ähnlichen Konditionen wie bisher die EnBW Strom liefern würden, wie die Ermittlungen des Antragsgegners dort ergeben haben. Dass der Antragsteller sich um einen Stromanbieterwechsel konkret bemüht hat, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Seine Bemühungen haben sich lediglich in einer allgemeinen Anfrage seines Bevollmächtigten bei den Stadtwerken Walldorf erschöpft. Einem Wechsel des Stromanbieters steht auch eine längerfristige vertragliche Bindung bei der EnBW nicht entgegen. Für den hier allein betroffenen Wärmestromvertrag gilt nach der Auskunft der EnBW vom 8.1.2016 die gesetzliche Kündigungsfrist der Stromgrundversorgungsverordnung, nach deren § 20 Abs. 1 Satz 1 der Vertrag mit einer Frist von 2 Wochen gekündigt werden kann. Hinsichtlich des Vertrages für Haushaltsstrom ist darauf hinzuweisen, dass die EnBW selbst in ihrer Schlussrechnung vom 18.8.2015 dazu mitgeteilt hat, dass der Vertrag zum 29.7.2015 endet. Nach der Liberalisierung des Strommarktes können Kunden grundsätzlich den Anbieter wechseln, ohne dass der bisherige Grundversorger die Möglichkeit hätte, wegen noch bestehender Schulden die Durchleitung zu verhindern (vgl. Senatsurteil a.a.aO. juris Rn. 38 mit Hinweis auf Gotzen, Übernahme von Energiekostenrückständen nach § 34 SGB XII, ZfF 2007, 248, 250). Ein Wechsel des Stromanbieters ist auch bei bestehender Sperre objektiv möglich (vgl. im Internet unter http://www.stromanbieter-test.de/stromanbieter-wechseln-trotz-sperre-sperrung-stromsperre-offene-rechnung.html) insbesondere bei Sicherstellung monatlicher Vorauszahlungen, was dem Antragsteller auf Grund seines Renteneinkommens von über 1.500 EUR monatlich möglich sein dürfte. Sofern die EnBW dennoch wegen der bestehenden Schulden die Stromdurchleitung verweigern sollte, müsste dies ggf. in einem zivilrechtlichen Eilverfahren geklärt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind im Antrags- und im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg.
Die zulässige, insbesondere statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des An-tragsgegners (§§ 172 Abs. 1 und 173 SGG) ist begründet. Das SG hat zu Unrecht dem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes stattgegeben und den Antragsgegner einstweilen verpflichtet dem Antragsteller ein Darlehen über 2.797,87 EUR zur Begleichung von Stromschulden zu gewähren; der Antrag war bereits unzulässig. Auch ein Anordnungsanspruch ist nicht gegeben.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustandes geht (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), nur eine Regelungsanordnung nach 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B -). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO -); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG - NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz unter Umständen nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach-und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen. Maßgeblich für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Beschlüsse des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. August 2005 a.a.O. und vom 17. August 2005 a.a.O.).
Aufgrund der vorliegend gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage kann der Antragsteller gegen den Antragsgegner die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht begehren.
Zunächst scheitert das Begehren des Antragstellers zwar nicht bereits am fehlenden Rechtsschutzbedürfnis, weil der ablehnende Bescheid des Antragsgegners vom 13.1.2015 bereits in Bestandskraft erwachsen wäre. Zwar hat der Antragsgegner ausweislich des Absendevermerks in der Verwaltungsakte den ablehnenden Bescheid vom 13.1.2015 auch am selben Tag zur Post gegeben, sodass er nach der Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 SGB X als am dritten Tag danach als bekannt gegeben gilt. Demnach wäre die einmonatige Widerspruchsfrist mit der Einlegung des Widerspruchs erst am 13.4.2015 (Bl. 75 VA) nicht gewahrt. Die Zugangsfiktion gilt jedoch nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 37 Abs. 2 S. 3 SGB X). Berechtigte Zweifel liegen hier vor. Der Kläger hat - auch unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung (Bl. 101 VA) - bestritten, den Bescheid vom 13.1.2015 erhalten zu haben. Für diesen Fall reicht bereits das einfache Bestreiten aus, da es dem Empfänger im Regelfall schon aus logischen Gründen nicht möglich ist, näher darzulegen, ihm sei ein per einfachem Brief übersandtes Schreiben nicht zugegangen (h.M. BSG Urteil vom 26.7.2007 - B 13 R4/06R, juris Rn. 22; Engelmann in von Wulffen, SGB X, 8. Aufl. 2014 § 37 Rn. 13; Littmann in: Hauck/Noftz, SGB, 08/13, § 37 SGB X, Rn. 31; Krasney in Kasseler Kommentar, SGB X § 37 Rn. 6; Patar in jurisPK-SGB X § 37 Rn. 105). Für die Richtigkeit der Behauptung des Antragstellers sprechen auch die Umstände. So hielt er sich vom 8.1. bis 14.3.2015 im Krankenhaus auf. Erst danach hat er seinen Rechtsanwalt eingeschaltet. Hätte er den Bescheid vom 13.1.2015 zu diesem Zeitpunkt tatsächlich schon erhalten gehabt, macht es keinen Sinn, dass sein Bevollmächtigter sich dann erstmals mit Schreiben vom 16.3.2015 beim Antragsgegner legitimiert und die Entscheidung über den am 1.12.2014 gestellten Antrag anmahnt. Ein anderes Zugangsdatum hat der Antragsgegner nicht nachgewiesen. Der Postabsendevermerk weist nur den Abgang, nicht aber den Zugang beim Antragssteller nach. Auch ist der fehlende Postrücklauf kein Zugangsnachweis.
Nachdem die Zugangsfiktion des § 37 SGB X bezogen auf die Absendung am 13.1.2015 nicht zum Tragen kommt, ist der Bescheid vom 13.1.2015 dem Kläger erstmals über seinen Bevollmächtigten nach der Zusendung am 26.3.2015 zugegangen, der am 13.4.2015 eingelegte Widerspruch damit innerhalb der Monatsfrist fristgerecht. Auf eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - für die im Übrigen gem. § 27 Abs. 2 SGB X eine zwei-Wochen-Frist nach Wegfall des Hindernisses gilt, die vorliegend nicht eingehalten sein dürfte - kommt es damit nicht an.
Dem Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers steht allerdings die Rechtskraft des Beschlusses des SG vom 15.10.2015 im (zweiten) vorhergehenden Eilverfahren S 9 SO 2972/15 ER entgegen. In dem nicht mit der Beschwerde angefochtenen, rechtskräftigen Beschluss hat das SG die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung auf die fehlende Glaubhaftmachung der tatsächlichen Voraussetzungen des streitigen materiellen Rechts gestützt und damit den Antrag als unbegründet abgelehnt. Ist der Antrag als unbegründet abgelehnt worden, darf er wiederholt werden, wenn sich die entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtslage verändert hat. Nicht jede nachträgliche Veränderung der Verhältnisse lässt die Rechtskraftwirkung einer Entscheidung entfallen. Eine geänderte Sachlage ist nur gegeben, wenn nach dem Erlass der ersten Entscheidung neue Tatsachen entstanden sind, die eine andere Beurteilung des entscheidungserheblichen Sachverhalts rechtfertigen. Die Änderung muss so beschaffen sein, dass sich der dem Gericht unterbreitete Streit als neuer Streit darstellt. (Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. Rn. 83 f). Das ist indes nicht der Fall. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch das SG am 11.1.2016 war gegenüber der Beschlusslage am 15.10.2015 keine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten, die ein erneutes Tätigwerden des Gerichts rechtfertigen würde. Alle maßgeblichen Umstände sind demgegenüber unverändert geblieben. So war die schwere Erkrankung des Antragstellers - Wundheilungsstörungen nach Teilamputation des Beines - bereits seit der Entlassung aus dem Krankenhaus am 14.3.2015 dokumentiert. Auch die Heizstromversorgung war nach dem Vortrag im Antragsverfahren bereits im Oktober 2015 unterbrochen und die Heizperiode hatte begonnen. Von daher handelt es sich bei dem am 3.12.2015 im Verfahren S 9 SO 3682/15 ER gestellten Antrag um einen wiederholenden Zweitantrag, der unzulässig ist.
Unabhängig davon kann der Antragsteller sich auch nicht auf einen Anordnungsanspruch stützen. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist im Falle des bei ausreichendem Renteneinkommen nicht im Sozialhilfebezug stehenden Antragstellers § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Danach können Schulden nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen nach Satz 2 der genannten Bestimmung übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen können als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden (§ 36 Abs. 1 Satz 3 SGB XII). Eine drohende oder - wie hier - bereits erfolgte Stromsperre erfüllt grundsätzlich die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Denn eine bereits erfolgte Sperrung der Energiezufuhr aufgrund von Ener-giekostenrückständen ist als eine dem drohenden Verlust der Wohnung vergleichbare Notlage anzusehen, weil die Versorgung mit Energie nach den heutigen Lebensverhältnissen in Deutschland zum sozialhilferechtlich anerkannten Mindeststandard gehört (vgl. Urteil des Senats vom 2.3.2011 – L 2 SO 4920/09 –, juris Rn. 38 m.w.N.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.3.2012 - L 2 AS 477/11 B ER -, juris Rn. 26 und Schneider in Schellhorn/Hohm/Schneider, SGB II, 19. Auflage 2015, § 36, Rn. 5). Vorliegend geht es nur um die Schuldenübernahme für den Heizstrom, weil der Antragsteller bei zwei unterschiedlichen Stromlieferverträgen und zwei bestehenden Zählern mit seinem Antrag vom 1.12.2014 nur diese beim Antragsgegner geltend gemacht hatte, obwohl bereits seit Juli 2014 der Haushaltsstrom unterbrochen war. Auch für den Betrieb der Heizung ist der Antragsteller in der Heizperiode und damit für die Bewohnbarkeit seiner Wohnung auf Strom angewiesen. Dies ist vorliegend nicht dadurch in Frage gestellt, dass er bereits über einen längeren Zeitraum, nämlich seit dem Vollzug der Stromsperre, ohne Strom ausgekommen ist.
Die Übernahme der Energiekostenrückstände, sei es als Beihilfe, sei es als Darlehen, ist indes nicht im Sinne von § 36 Abs. 1 Satz 2 SGB XII gerechtfertigt. Die Rechtfertigung umfasst neben der objektiven Geeignetheit der Schuldenübernahme zur (dauerhaften) Sicherung der Energieversorgung auch die Prüfung, ob zumutbare Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft sind (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8.10.2012 - L 12 AS 1442/12 B ER -, juris Rn. 20). Vor dem Hintergrund der Regelung in § 2 Abs. 1 SGB XII, demzufolge Sozialhilfe nicht erhält, wer sich vor allem durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält, sind zunächst sämtliche zur Verfügung stehenden Mittel und Möglichkeiten einzusetzen, bevor öffentliche Leistungen - wie hier die Gewährung einer Beihilfe oder eines Darlehens zur Schuldentilgung - in Anspruch genommen werden dürfen. Dies muss in besonderem Maße für die Übernahme rückständiger Energiekosten gelten, da der Leistungsträger sonst zum "Ausfallbürgen der Energieversorgungsunternehmen" würde (vgl. SG Karlsruhe, Beschluss vom 21.12.2015 – S 1 SO 4091/15 ER –, juris Rn. 22 mit Hinweis auf Hammel, Info also 2011, 251, 253 m.w.N.). Das Risiko des Energieversorgers, die von ihm an seinen Kunden erbrachten Leistungen auch abgegolten zu erhalten, muss Regulierungen zunächst weitgehend in dem zugrundeliegenden rein zivilrechtlichen Rechtsverhältnis unterliegen, bevor ein etwaiger Einstand des Sozialleistungsträgers und damit eine Risikoüberleitung auf den Steuerzahler in Betracht kommen kann. Dementsprechend hat der Empfänger von Leistungen nach dem SGB XII sich sowohl ernsthaft um Ratenzahlungsvereinbarungen mit dem bisherigen Energieversorger als auch um einen Vertragsabschluss mit einem anderen Stromanbieter zu bemühen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8.10.2012 - L 12 AS 1442/12 B ER -, juris Rn. 20 m.w.N.).
Vorliegend hat es die EnBW als Stromlieferant zwar abgelehnt im Hinblick auf die Strom-schulden eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Antragsteller abzuschließen (Schreiben vom 15.12.2014, Bl. 109 VA). Als weitere Selbsthilfemöglichkeit stünde es dem Antragsteller jedoch offen, mit einem anderen Stromanbieter einen Stromliefervertrag abzuschließen. So stünden z.B. die Stadtwerke Walldorf als Stromlieferant zur Verfügung, die auch bezüglich des Heizstroms für die Nachtspeicheröfen zu ähnlichen Konditionen wie bisher die EnBW Strom liefern würden, wie die Ermittlungen des Antragsgegners dort ergeben haben. Dass der Antragsteller sich um einen Stromanbieterwechsel konkret bemüht hat, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Seine Bemühungen haben sich lediglich in einer allgemeinen Anfrage seines Bevollmächtigten bei den Stadtwerken Walldorf erschöpft. Einem Wechsel des Stromanbieters steht auch eine längerfristige vertragliche Bindung bei der EnBW nicht entgegen. Für den hier allein betroffenen Wärmestromvertrag gilt nach der Auskunft der EnBW vom 8.1.2016 die gesetzliche Kündigungsfrist der Stromgrundversorgungsverordnung, nach deren § 20 Abs. 1 Satz 1 der Vertrag mit einer Frist von 2 Wochen gekündigt werden kann. Hinsichtlich des Vertrages für Haushaltsstrom ist darauf hinzuweisen, dass die EnBW selbst in ihrer Schlussrechnung vom 18.8.2015 dazu mitgeteilt hat, dass der Vertrag zum 29.7.2015 endet. Nach der Liberalisierung des Strommarktes können Kunden grundsätzlich den Anbieter wechseln, ohne dass der bisherige Grundversorger die Möglichkeit hätte, wegen noch bestehender Schulden die Durchleitung zu verhindern (vgl. Senatsurteil a.a.aO. juris Rn. 38 mit Hinweis auf Gotzen, Übernahme von Energiekostenrückständen nach § 34 SGB XII, ZfF 2007, 248, 250). Ein Wechsel des Stromanbieters ist auch bei bestehender Sperre objektiv möglich (vgl. im Internet unter http://www.stromanbieter-test.de/stromanbieter-wechseln-trotz-sperre-sperrung-stromsperre-offene-rechnung.html) insbesondere bei Sicherstellung monatlicher Vorauszahlungen, was dem Antragsteller auf Grund seines Renteneinkommens von über 1.500 EUR monatlich möglich sein dürfte. Sofern die EnBW dennoch wegen der bestehenden Schulden die Stromdurchleitung verweigern sollte, müsste dies ggf. in einem zivilrechtlichen Eilverfahren geklärt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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Aus
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