L 3 SB 1604/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SB 4222/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 1604/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31. März 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) und von Merkzeichen streitig.

Der Beklagte hatte unter Zugrundelegung der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Ärztin A. vom 18.06.1998, in der als Funktionsbeeinträchtigungen eine organische Persönlichkeitsstörung bei Hydrozephalus internus mit einem Einzel-GdB von 80, ein Halswirbelsäulensyndrom mit Cervicobrachialgie und chronischem Kopfschmerz mit einem Einzel-GdB von 20 sowie dysaerthetische Beschwerden nach Erfrierung der Hände mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt und der Gesamt-GdB mit 90 bewertet sowie eine Nachprüfung wegen möglicher Besserung in 5 Jahren vorgeschlagen worden war/en, mit Bescheid vom 23.06.1998 den GdB des im Jahr 1973 geborenen Klägers mit 90 und die Merkzeichen "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (G) sowie "Berechtigung für eine ständige Begleitung" (B) festgestellt.

Im Jahr 2008 hatte der Beklagte ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet, in dem der Kläger keine Angaben zu seinen gesundheitlichen Verhältnissen gemacht hatte. Der Beklagte hatte sodann unter Zugrundelegung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Bauer vom 22.09.2008, in der als Funktionsbeeinträchtigungen eine organische Persönlichkeitsstörung bei Hydrozephalus internus mit einem Einzel-GdB von 50, Nervenwurzelreizerscheinungen und ein Kopfschmerzsyndrom mit einem Einzel-GdB von 20 sowie Sensibilitätsstörungen nach Erfrierung der Hände mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt und der Gesamt-GdB mit 60 bewertet worden war/en, mit Bescheid vom 17.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.10.2009 den Bescheid vom 23.06.1998 aufgehoben, den GdB des Klägers mit 60 ab 23.04.2009 festgestellt und ausgeführt, die Voraussetzungen für die Feststellung der Merkzeichen G und B lägen nicht mehr vor. Die hiergegen erhobene Klage hatte das Sozialgericht Karlsruhe (SG) mit Gerichtsbescheid vom 05.04.2011 (S 10 SB 4396/09) abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hatte das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Urteil vom 27.01.2012 (L 8 SB 1808/11) zurückgewiesen. Die gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegte Beschwerde hatte das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 08.05.2012 (B 9 SB 25/12 B) als unzulässig verworfen.

Der Kläger beantragte am 13.01.2014 die "Wiederherstellung" seines GdB von 90 beziehungsweise die Erhöhung seines GdB von 60 auf 90 sowie die "Wiederherstellung" beziehungsweise Feststellung der Merkzeichen G und B. In dem von ihm unterzeichneten Antragsformular machte er keine Angaben zu seinen Gesundheitsstörungen und führte aus, er entbinde keinen Arzt, keinen Gutachter und kein Klinikum von der ärztlichen Schweigepflicht. Es seien bereits sein GdB mit 90 sowie die Merkzeichen G und B festgestellt worden. Mit Schreiben vom 21.03.2014 bat der Beklagte den Kläger, die Namen der behandelnden Ärzte mitzuteilen. Alternativ könne der Kläger auch einen Termin beim versorgungsärztlichen Dienst zur persönlichen Vorstellung erhalten. Ferner wies der Beklagte den Kläger auf die Folgen einer fehlenden Mitwirkung hin und führte aus, die beantragte Feststellung werde abgelehnt, wenn der Kläger seiner Mitwirkungspflicht bis zum 17.04.2014 nicht nachkomme. Hierauf antwortete der Kläger nicht. Mit Bescheid vom 25.04.2014 versagte der Beklagte die "beantragte Feststellung" nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) wegen fehlender Mitwirkung des Klägers. Ohne Durchführung einer, die Mitwirkung des Klägers erforderlich machende, ärztlichen Untersuchung lasse sich eine Feststellung nach dem SGB IX nicht treffen. Dieser Mitwirkungspflicht sei der Kläger trotz Fristsetzung und Hinweisen auf die nachteiligen Folgen seines Verhaltens nicht nachgekommen. Bei dieser Entscheidung sei in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens berücksichtigt worden, dass die Erfüllung seiner Mitwirkungspflicht in einem angemessenen Verhältnis zur beantragten Sozialleistung stehe und dem Kläger auch zugemutet werden könne, zumal alle Möglichkeiten, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, ausgeschöpft seien. Werde die Mitwirkung nachgeholt und lägen die Voraussetzungen für eine Feststellung nach dem SGB IX vor, könne die Feststellung nachträglich ganz oder teilweise erfolgen.

Im Widerspruchsverfahren führte der Kläger aus, entgegen der Darstellung des Beklagten sei die Mitwirkung durch ihn voll umfänglich erfolgt. Die tatsächliche Feststellung seines GdB mit 90 sowie der Merkzeichen G und B sei im Jahr 1998 rechtskräftig erfolgt. Willkürliche anderweitige Darstellungen seien absurd. Demnach sei ihm ein Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 90 und der Feststellung der Merkzeichen G und B im gängigen Plastikformat und unbefristet auszustellen. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.12.2014 zurück. Rechtswirksam sei beim Kläger ein GdB von 60 ohne Merkzeichen festgestellt. Sollte in den Verhältnissen, die dieser Feststellung zugrunde gelegen hätten, inzwischen eine wesentliche Änderung eingetreten sein, so könne der Anspruch des Klägers neu festgestellt werden. Da sich der Kläger weigere, sein Einverständnis zur Anforderung von ärztlichen Unterlagen abzugeben, seien die Voraussetzungen für eine solche Neufeststellung nicht nachgewiesen. Die vom Kläger beantragten Leistungen müssten daher versagt bleiben.

Hiergegen hat der Kläger am 15.12.2014 Klage beim SG erhoben. Es sei der Istzustand aus dem Jahr 1998 mit einem GdB von 90 sowie den Merkzeichen G und B wieder herbeizuführen. Die vom SG angeforderte Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht ist vom Kläger nicht abgegeben worden. Weiterer Erhebung ärztlicher Befunde bedürfe es nicht, da der GdB von 90 sowie die Merkzeichen G und B bereits festgestellt seien.

Mit Gerichtsbescheid vom 31.03.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die gegen den Bescheid vom 25.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.2014 gerichtete Anfechtungsklage sei unbegründet. Komme derjenige, der eine Sozialleistung beantrage oder erhalte, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62 und 65 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) nicht nach und werde hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, könne der Leistungsträger nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen seien. Gemessen an diesen gesetzlichen Vorgaben habe der Beklagte zu Recht die Feststellung eines GdB von 90 sowie der Merkzeichen G und B versagt. Der Kläger habe seine behandelnden Ärzte entgegen § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 SGB I nicht mitgeteilt und sei entgegen § 62 SGB I nicht persönlich zu einer Untersuchung erschienen. Hierdurch habe er die Sachverhaltsermittlung erheblich erschwert beziehungsweise sogar unmöglich gemacht. Gründe, welche der Zumutbarkeit der von dem Kläger geforderten Mitwirkungshandlung entgegen stehen könnten, seien nicht ersichtlich. Insbesondere sei eine Aufklärung des Sachverhalts auch nicht entbehrlich. Entgegen der Ansicht des Klägers sei seit dem 23.04.2009 ein GdB von 60 und nicht von 90 festgestellt sowie die Merkzeichen G und B nicht mehr festgestellt. Über die Folgen einer fehlenden Mitwirkung habe der Beklagte belehrt. Die auf die Feststellung eines GdB von 90 sowie der Merkzeichen G und B gerichtete Verpflichtungsklage sei bereits unzulässig. Da der Beklagte die Feststellung versagt habe, habe er über das Verpflichtungsbegehren noch nicht im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens entschieden. Die Durchführung eines solchen Verwaltungsverfahrens sei jedoch eine Zulässigkeitsvoraussetzung der Verpflichtungsklage.

Gegen den Gerichtsbescheid des SG hat der Kläger am 17.04.2015 Berufung zum LSG erhoben. Ihm stünden der GdB von 90 und die Merkzeichen G und B zu. Das SG lasse außer Acht, dass der Beklagte Akten verwechselt habe. So sei er als "B. C." bezeichnet worden. Tatsächlich habe ein "Ewald C." in Trossingen einen 1980 geborenen "B. D." adoptiert. Dieser "B. D." oder laut Beklagtem "B. C." habe sich in der Universitätsklinik E. wegen Kleinwüchsigkeit in Behandlung befunden. Der Beklagte habe zu seinem Nachteil Personen und Aktenvorgänge verwechselt. Auch in Anbetracht dieser Willkür und zweifelhafter Vorgänge sei in seinem Interesse zu entscheiden. Für ihn sei ein Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 90 und den Merkzeichen G und B mit unbefristeter Gültigkeit und mit Beiblatt und gültiger Wertmarke auszustellen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31. März 2015 sowie den Bescheid des Beklagten vom 25. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den GdB mit 90 sowie die Merkzeichen G und B festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der angegriffene Gerichtsbescheid des SG sei zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Gerichtsbescheides des SG vom 31.03.2015, mit dem die auf die Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 25.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.2014 und auf Verurteilung des Beklagten, den GdB mit 90 sowie die Merkzeichen G und B festzustellen, abgewiesen worden ist. Der Kläger erstrebt neben der Aufhebung des Gerichtsbescheides des SG die Aufhebung dieses Bescheides des Beklagten und dessen Verpflichtung, bei ihm den GdB mit 90 sowie die Merkzeichen G und B festzustellen. Diese prozessualen Ziele verfolgt der Kläger gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage.

Die auf die Aufhebung des Bescheides vom 25.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.2014 gerichtete Anfechtungsklage ist unbegründet, da der Beklagte zu Recht den Antrag des Klägers auf Neufeststellung seines GdB mit 90 im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX sowie auf Feststellung der Merkzeichen G und B im Sinne des § 69 Abs. 4 SGB IX wegen fehlender Mitwirkung versagt hat. Dies hat das SG in der angefochtenen Entscheidung unter Prüfung der einschlägigen Vorschriften der §§ 60 bis 62, 65 und 66 SGB I zutreffend und umfassend dargestellt. Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides zur Vermeidung von Wiederholungen an und führt ergänzend aus, dass die §§ 60 bis 62, 65 und 66 SGB I entsprechend auf die Feststellungen nach dem SGB IX anwendbar sind (BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 9 SB 3/13 R - juris, Rn. 20-30).

Die auf die Verpflichtung des Beklagten, den GdB mit 90 sowie die Merkzeichen G und B festzustellen, gerichtete Verpflichtungsklage ist unzulässig, da vom Beklagten hierüber keine anfechtbare Entscheidung getroffen worden ist. Der Senat schließt sich auch diesbezüglich gemäß § 153 Abs. 2 SGG diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides zur Vermeidung von Wiederholungen an und führt ergänzend aus, dass bei der Versagung einer Sozialleistung wegen fehlender Mitwirkung Streitgegenstand nicht der materielle Anspruch, sondern die Auseinandersetzung über Rechte und Pflichten der Beteiligten im Verwaltungsverfahren ist (Seewald in Kasseler Kommentar, § 66 SGB I, Rn. 40).

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Bestandskraft des Bescheides vom 17.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.10.2009 dem Begehren des Klägers, weiterhin seinen GdB mit 90 sowie die Merkzeichen G und B festzustellen, entgegen steht. Der Kläger müsste also, um sein Ziel zu erreichen, die Rücknahme dieses Bescheides gemäß § 44 SGB X beantragen. In diesem Zusammenhang lässt es der Senat dahinstehen, ob sein Antrag vom 13.01.2014, seine nachfolgenden Schriftsätze sowie seine Äußerungen im Klage- und Berufungsverfahren dementsprechend auszulegen sind. Denn eine solche Verpflichtungsklage auf Verurteilung des Beklagten, den Bescheid vom 17.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.10.2009 zurückzunehmen, wäre unzulässig, da der Beklagte über einen solchen Antrag bislang noch nicht entschieden hätte und es somit an einer durch ein Gericht überprüfbaren Entscheidung einer Verwaltungsbehörde fehlen würde. Ferner könnte in dem Antrag des Klägers vom 13.01.2014, seinen nachfolgenden Schriftsätzen sowie seinen Äußerungen im Klage- und Berufungsverfahren ein Antrag auf Verurteilung des Beklagten, gemäß § 69 Abs. 5 SGB IX einen Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 90 und den Merkzeichen G und B auszustellen, gesehen werden. Doch auch eine solche Auslegung zu Grunde legend wäre eine diesbezügliche Leistungsklage unzulässig, da ein anzuerkennendes Bedürfnis des Klägers, schon jetzt gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, ohne eine Entscheidung des Beklagten hierüber abzuwarten, zu verneinen wäre.

Vor diesem Hintergrund kam es auf die vom Kläger im Berufungsverfahren aufgeworfene Frage, ob dem früheren Verwaltungshandeln des Beklagten eine Aktenverwechslung zu Grunde lag, nicht an.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorlie-gen.
Rechtskraft
Aus
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